Zum Tod von Margit Haßdenteufel

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Die frühere Bermuda-Wirtin Margit ist am 23. Juni gestorben. Sie wird am Donnerstag, den 28. Juli um 12 Uhr auf dem Georgen-Parchial II Friedhof in der Landsberger Allee 48 beigesetzt. Danach gibt es ein Treffen in Kreuzberg in der Burgerbar 61 in der Mittenwalder Straße 13.

Kiez und Kneipe würdigt Margit in der August-Ausgabe mit einem ausführlichen Nachruf.

Selbstbestimmte zweite Chance

Die »Schule für Erwachsenenbildung« gewinnt den 2. Platz beim Deutschen Schulpreis / von Robert S. Plaul

Als sich die Jury des Deutschen Schulpreises bei der Kreuzberger »Schule für Erwachsenenbildung e.V.« (SFE) zum Vororttermin ankündigte, gab es ein paar Probleme: Die Juroren wollten mit der Schulleitung und der Elternvertretung sprechen und morgens um acht vorbeikommen. Doch eine Schulleitung gibt es bei der SFE ebensowenig wie eine Elternvertretung. Und außerdem beginnt der Unterricht erst um 9:30 Uhr.

Denn bei der SFE ist alles ein wenig anders: Basisdemokratisch entscheiden die derzeit rund 200 Schüler und 17 Mitarbeiter über alle Angelegenheiten der Schule, alle zwei Wochen in der Vollversammlung (VV). Auch die Entscheidung, dass die beiden KuK-Redakteure, die an jenem Dienstag zu Besuch sind, filmen und fotografieren dürfen, wird im Plenum gefällt. »Und wenn wir Nein gesagt hätten«, fragt ein Schüler?« – »Tja, das ist das Los des Journalisten«, sagt Klaus, einer der 12 Lehrer der SFE und fast von Anfang an mit dabei.

1973 wurde die Schule nach einem Streik an einer Privatschule von interessierten Schülern gegründet. Ende der Siebziger kaufte man zusammen mit anderen linken Projekten das Gebäude Gneisenaustraße 2a, den heutigen Meh­ring­hof.

Die SFE ist eine alternative Einrichtung des »Zweiten Bildungswegs«, die vor allem denjenigen, die durch das Raster des klassischen Schulsystems gefallen sind, eine Chance bietet, den Mittleren Schulabschluss (MSA) bzw. das Abitur zu erwerben. Dabei bestimmen die Schüler im Rahmen des verbindlichen Lehrplans auch die Lehrinhalte und Lernmittel gemeinsam mit ihren Lehrern – die von ihren Klassen im Prinzip sogar abgewählt werden können.

Alles im Plenum: Die Schule für Erwachsenenbildung ist der Basisdemokratie verpflichtet.

Foto: rspAlles im Plenum: Die Schule für Erwachsenenbildung ist der Basisdemokratie verpflichtet. Foto: rsp

Noten gibt es an der SFE nicht. Stattdessen wird die Fähigkeit vermittelt, sich ohne Leistungsdruck und Konkurrenzdenken solidarisch und kollektiv Wissen anzueignen.

Ein Konzept, das aufgeht, auch wenn die relativ hohe Abbrecherquote zeigt, dass die teils wenig gradlinigen Biografien der Lernenden immer noch überraschende Wendungen bereithalten. Doch an der SFE geht es vor allem darum, jedem die Chance zu geben, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen – dass der Umgang mit dieser Freiheit leicht ist, davon war nie die Rede.

Auch die gelebte Demokratie ist nicht immer leicht und manche Diskussion auf der VV verläuft im Sande – etwa die um die vom Büro dringend benötigten Info­flyer, für die die »AG Öffentlichkeitsarbeit« verantwortlich zeichnet.

Dafür berichten zwei fertige Abiturienten (die an einer »normalen« Schule vermutlich längst über alle Berge wären) von der Preisverleihung des Deutschen Schulpreises, bei dem die SFE einen zweiten Platz gewonnen hat. Auch wenn die erste Frage dem Eintreffen des Preisgelds gilt, ist man sich doch vor allem darüber einig, dass die Auszeichnung eine Bestätigung ist: Dafür, dass das in Deutschland einzigartige, selbstbestimmte Konzept der SFE in all seiner Unfertigkeit und trotz mancher Probleme ein wichtiger und ernstzunehmender Beitrag zum Bildungssystem ist.

Mehr Infos zur Schule unter: sfeberlin.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.

Vom Europäer zum Ausländer

Wie Adrian Garcia-Landa den Brexit erlebte

»Ich bin morgens aufgewacht und war plötzlich Ausländer«, schildert Adrian Garcia-Landa seine Gefühlslage, als er vom Votum der Briten für den Brexit erfuhr. Wenn es jemanden gibt, der so etwas wie ein fleischgewordener Ideal­euro­päer ist, dann der Sohn einer deutschen Mutter, eines spanischen Vaters, der in Frankreich aufgewachsen ist – und einen britischen Pass besitzt, der ihn als Engländer ausweist.

Doch es ist nicht der einzige Grund, warum Europa eine Herzensangelegenheit ist. Als Mitarbeiter des lokalen Senders Kiez.FM reist er einmal im Monat zum europäischen Parlament nach Straßburg, um dort zusammen mit Studenten aus verschiedenen europäischen Ländern Beiträge über die europäische Volksvertretung zu produzieren. Das hat auch sein Bild über die Staatengemeinschaft nachhaltig geprägt. Als er den Betrieb des Parlamentes in Straßburg kennenlernte, war er überrascht und fasziniert, wie gut Eu­ro­pa im Grunde funktioniert.

Die Freizügigkeit, das unkomplizierte Reisen und Arbeiten in anderen europäischen Ländern betrachtet er unter anderem als die wertvollsten Errungenschaften der Union. Allerdings sieht er die Gemeinschaft deshalb nicht unkritisch. Zum Teil geht er mit ihr sogar hart ins Gericht: »Die EU ist im Grunde ein Eliteprojekt«, meint er, »von dem vor allem die Gebildeten profitieren.« Und darin sieht er ein Problem, denn der EU ist es nicht gelungen, die eigentlich gute Arbeit und die Errungenschaften richtig zu kommunizieren.

In Großbritannien haben die jungen Menschen zwar mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt, gleichzeitig war aber ihre Wahlbeteiligung deutlich unter dem Durchschnitt. Auch das ist ein Grund für den Sieg der Brexit-Befürworter. Für Adrian ist das keine Überraschung, denn für viele junge Wähler seien die großen Errungenschaften der EU so selbstverständlich, dass sie sie gar nicht mehr richtig würdigten und deshalb seien sie auch der Wahl ferngeblieben.

Für ihn hat das durchaus persönliche Konsequenzen. Als EU-Bürger darf er bei der Berlin-Wahl zwar nicht das Abgeordnetenhaus wählen, aber für die BVV votieren. Da es eine Übergangsfrist von zwei Jahren gibt, kann er im September seine Stimme noch abgeben. Danach hat er auch kommunal kein Stimmrecht mehr.

Er wird wohl aus dieser Situation seine Konsequenzen ziehen. Großen Wert auf seinen britischen Pass legt er nicht mehr. Er wird vermutlich nun die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen, was dank seiner deutschen Mutter kein Problem sein wird.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.

CDU blockiert Flüchtlingsunterkunft

Flüchtlingsfamlien müssen nach Hohenschönhausen / GHS steht weiter leer

Zankapfel GHS: Im Nordflügel der Ex-Schule befindet sich seit Januar eine fertige Unterkunft für 100 Personen.

Foto: rspZankapfel GHS: Im Nordflügel der Ex-Schule befindet sich seit Januar eine fertige Unterkunft für 100 Personen. Foto: rsp

Rund 160 Flüchtlinge, die bisher in Notunterkünften in Kreuzberg untergekommen waren, müssen jetzt den Kiez verlassen, da die Turnhallen der Hector-Peterson-Schule am Tempelhofer Ufer und der Bür­ger­meis­ter-Herz-Grundschule in der Geibelstraße »freigezogen« werden sollen. Gut 100 von ihnen – alles Familien mit Kindern – hätten eigentlich in den Nordflügel der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) umziehen sollen, die bereits seit Anfang des Jahres bezugsfertig ist. Doch unter Federführung der CDU wurde eine Entscheidung über die Unterkunft in der GHS jetzt vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses auf September vertagt. Den Familien steht nun ein Umzug nach Hohenschönhausen bevor, die übrigen Personen sollen berlinweit verteilt werden, unter anderem in die Hangars des Flughafens Tempelhof.

Bei »Kreuzberg hilft« hält man den Auszug aus den provisorischen Notunterkünften zwar grundsätzlich für einen dringend notwendigen Schritt, ist aber besorgt über die Art und Weise, wie die Betroffenen informiert werden. »Die Menschen brechen in eine ungewisse Zukunft auf. Das schafft Raum für Spekulationen und schürt natürlich Ängste«, so die Initiative. Zudem sei unklar, ob in Hohenschönhausen überhaupt ausreichend Kita- und Schulplätze zur Verfügung stünden.

»Planungen ignorieren Sozialraumbezüge«

Kritik erntet das Vorhaben des Lageso auch beim Nachbarschaftshaus Urbanstraße (NHU), wo man sich seit Monaten mit engagierten Mitarbeitern und Freiwilligen um eine »Beheimatung« der Geflüchteten im Stadtteil bemüht. Die Planungen ignorierten soeben erst entwickelte Sozialraumbezüge, beklagt der Verein in einem offenen Brief. »Es bestürzt uns, dass Menschen mit traumatisierenden Erfahrungen der Entwurzelung nun erneut aus persönlichen Beziehungen in einer engagierten Nachbarschaft herausgerissen werden sollen.«

Adressat des NHU-Briefes ist neben Lageso-Leiter Muschter, dem Regierenden Bürgermeister Müller und dem zuständigen Staatssekretär Glietsch auch Mario Czaja (CDU), der als Sozialsenator für die Flüchtlingsunterbringung zuständig ist. Noch vor einem Monat hatte Czaja erklärt, dass bei der bevorstehenden Räumung der Turnhallen soziale Aspekte berücksichtigt und Familien mit Kindern im Kiez bleiben würden, damit Schule und Kita nicht gewechselt werden müssten. Mit der Entscheidung, die Eröffnung der Unterkunft in der GHS weiter auf die lange Bank zu schieben, düpiert die CDU so auch ihren eigenen Senator, der sich zusammen mit dem Bezirk um eine rasche Belegung der GHS bemüht hatte.

Kommentar: Wahlkampf auf Flüchtlingskosten?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.

Wahlkampf auf Flüchtlingskosten?

Man muss kein ausgeprägter Verschwörungstheoretiker sein, um in der Blockadehaltung der CDU ein Wahlkampfmanöver zu wittern. Die Aussicht auf Erfolgsmeldungen in Zusammenhang mit der Gerhart-Hauptmann-Schule scheint so unerträglich zu sein, dass man bei den Christdemokraten mit Mario Czaja auch mal einen eigenen Mann zum Prügelknaben macht – nur um dem grün regierten Bezirk eins auszuwischen. Die Verlierer dabei sind wie immer die Schwächs­ten der Gesellschaft: Flüchtlingsfamilien, die jetzt wie Stückgut an den Stadtrand verfrachtet werden.

Dass die Turnhallen keine Dauerlösung sind – darüber sind sich alle einig. Aber insbesondere Familien aus ihrem neuen sozialen Umfeld zu reißen, obwohl es eine fertig eingerichtete Alternative gäbe, ist unterste Schublade – und könnte im flüchtlingsaffinen Kreuzberg bei der Wahl bös’ nach hinten losgehen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.

Die Qualen vor den Wahlen

Probleme mit den Wählerregistern noch immer nicht gelöst / Bezirk sieht sich gerüstet

Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler sah das Unheil schon im Mai kommen. Da wurde schon mal die Berlin-Wahl simuliert. »Die Erfahrungen stimmen mich nicht optimistisch«, lautete sein höflich umschriebenes Fazit.

Um so größer war seine Überraschung, wie das Landeswahlamt die Trockenübung bewertete. In den Wahlämtern der Bezirke waren alle schockiert. Als dann der Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach so langsam klar wurde, dass eben noch nichts klar war, schlug sie Alarm. Und so war Anfang Juni überall zu lesen und zu hören, dass der Termin der Berlin-Wahl am 18. September zur Disposition stehe.

Nun lappte die ganze Geschichte ins Kuriose. Die Bezirksämter, die ursprünglich Alarm geschlagen hatten, sollten an der ganzen Misere schuld sein. So sah es zumindest Innenstaatssekretär Bernd Krömer. Er warf einigen Bezirken vor, sie hätten veraltete Hardware, und die hätte die Pannen verursacht. Insbesondere nannte Krömer veraltete Drucker in Reinickendorf und Treptow-Köpenick.

Es braucht nicht viel technischen Sachverstand, um zu erkennen, dass Krömer den Bezirken auf einigermaßen dämliche Art und Weise den Schwarzen Peter zugeschoben hatte.

Tatsächlich scheint es unwahrscheinlich, dass es sich um ein Hardwareproblem handelt. Doch auch die Software scheint nicht das Problem zu sein. Tatsächlich ist es so, dass der zentrale Server und die Rechner in den Bezirken sehr langsam miteinander interagieren. Mildner-Spindler berichtet, dass es manchmal zwei Minuten dauere, bis sich die Seite eines Datensatzes aufgebaut habe. Er vermutet eine Art »Flaschenhals« auf dem Datenweg, denn das Phänomen trete auch auf, wenn der zentrale Server gar nicht ausgelastet sei. Der Stau an diesem Flaschenhals führe nun auch dazu, dass manche Anfragen einfach abgebrochen würden – mit der Konsequenz, dass es dann zu fehlerhaften Daten etwa im Wählerregister komme.

Die Berichterstattung über die Schwierigkeiten mit den Wahlämtern hat auch an anderen Stellen zu einer gewissen Konfusion geführt. Konkret geht es um die Initiative »Fraenkelufer retten«, die am 5. Juli die Unterschriften für ihr Bürgerbegehren abgeben will. Hier fürchtete man, dass das Bürgerbegehren deshalb scheitern könnte, weil der notwendige Adressabgleich wegen der Schwierigkeiten mit dem zentralen Server nicht möglich sei. Doch da gibt Bezirksstadtrat Mildner-Spindler Entwarnung. Das werde sicher nicht passieren.

Der Bezirk, der übrigens hardwaretechnisch auf den neusten Stand ist, will den Problemen jedensfalls mit mehr Personal zur Wahl begegnen, und dann werde in Schichten gearbeitet.

Ob die Probleme allerdings bis zum Wahltag wirklich gelöst werden können, weiß Mildner-Spindler nicht. Und einen Plan B gebe es nicht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.