Fragiles Gleichgewicht

Galerie des NKZDie Galerie des NKZ soll künftig eine Polizeiwache beherbergen. Foto: rsp

Die Probleme am Kotti sind vielfältig und allesamt nicht neu. Und sie sind immerhin so groß, dass selbst traditionell eher polizeikritische Akteure eine stärkere Polizeipräsenz offenbar grundsätzlich für eine einigermaßen gute Idee halten. Doch das Verhältnis zur Staatsmacht ist von einem fragilen Gleichgewicht geprägt, und Innensenatorin Iris Spranger ist auf dem besten Weg, dieses Gleichgewicht zu beschädigen. Wenn selbst Polizisten (wie etwa der Kontaktbereichsbeamte Norbert Sommerfeld Mitte Juni in der taz) daran zweifeln, dass die Wache in der geplanten Form irgendetwas bringt, dann sollte man das als kluge Politikerin ernst nehmen – außer halt, es geht einem wirklich nur darum, ein Renommierprojekt durchzuziehen. Dass eine Wache in derart exponierter Lage nicht dazu angetan ist, das Grundvertrauen in die Polizei zu stärken, wird Frau Spranger ja wohl klar sein. Oder?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2022.

Kommt die Kotti-Wache im NKZ?

Kritik an Innensenatorin Spranger wächst

Galerie des NKZDie Galerie des NKZ soll künftig eine Polizeiwache beherbergen. Foto: rsp

Wie Mitte Juni bekannt wurde, ist der Mietvertrag für die von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor bereits unterschrieben – sehr zum Verdruss der zahlreichen lokalen Initiativen, die den Standort im ersten Stock des Neuen Kreuzberger Zentrums (in der Galerie über der Adalbertstraße) kritisch sehen. 

»Wir sind fassungslos, mit welcher Ignoranz gegenüber Widerspruch und Kritik von allen Seiten Frau Innensenatorin hier ihr persönliches Prestige-Projekt rücksichtslos durchpeitscht«, so Lino Hunger von »Kotti für alle«.

Kritik gibt es aber auch vonseiten der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die die angedachte Personalausstattung mit 20 Kräften wie auch die Fläche von rund 200 Quadratmetern für unzureichend hält und – auch aus Sicherheitsgründen – eine ebenerdige Wache präferiert. 

Bei den Anwohner- und Gewerbetreibendeninitiativen ist man nicht grundsätzlich gegen eine Polizeiwache am Kotti, sondern stört sich vor allem an der Symbolik der exponierten Lage über den Köpfen der Menschen – und daran, dass die Innensenatorin bislang nicht den Dialog mit den Initiativen oder auch der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gesucht hat. Zuletzt ließ sich Spranger für eine Sonderausschusssitzung der BVV entschuldigen. Einen runden Tisch mit den Beteiligten will die Innensenatorin frühestens im August stattfinden lassen.

BVV mahnt Bürgerbeteiligung an

Die Ausschussmitglieder, die sich am 22. Juni vor Ort dann ohne die Innensenatorin trafen, fordern dagegen, dass der runde Tisch zeitnah stattfindet und bis dahin keine Baumaßnahmen eingeleitet werden. Bis dahin solle auch »Transparenz zu den Ergebnissen der Prüfungen von alternativen Standorten für eine Polizeiwache hergestellt werden«, heißt es in der Resolution, die Ende Juni von der BVV beschlossen wurde. »Insgesamt muss die Sicherheit, Lebens- und Aufenthaltsqualität am Kottbusser Tor mit einem Bündel aus städtebaulichen, verkehrlichen und sozialen Maßnahmen, wie dem Ausbau der aufsuchenden Sozialarbeit, der Absicherung der Gesundheitsangebote der Suchthilfe und des Drogenkonsumraums, aber auch der Müllvermeidung und besseren Entsorgung sowie einer klimafreundlichen Umgestaltung durch Begrünung und Entsiegelung gesteigert werden, um die vielfältigen Problemlagen vor Ort nachhaltig lösen zu können«, so das Fazit des Antrags.

Neben der Kritik aus dem Bezirk hat die von der Innensenatorin stets als alternativlos dargestellte Kotti-Wache auf der NKZ-Galerie aber auch noch mit einer Kos­ten­ex­plo­sion zu kämpfen. Bereits im Frühjahr war klar geworden, dass die Kosten für das Projekt nicht bei den im Koalitionsvertrag ursprünglich ausgehandelten 250.000 Euro bleiben würden, sondern sich eher verzehnfachen. Inzwischen sind gar zusätzliche 3,5 Millionen Euro beschlossen. 

Wegen der Lage im ersten Stock muss unter anderem ein Aufzug gebaut werden, der aber nach der derzeitigen Planung offenbar noch nicht einmal groß genug sein wird, um mit dem Rollstuhl benutzt werden zu können. Auch die große Glasfront muss zum Schutz der Polizeiwache durch Sicherheitsglas ersetzt werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2022.

Gedenkbibliothek vor ungewisser Zukunft

Sanierungsbedarf vermutlich im dreistelligen Bereich

Die Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) feiert im September einen runden Geburtstag. Sie wird 60. Es kann durchaus sein, dass es um das in die Jahre gekommene Gebäude in den nächsten Jahren einigen Wirbel geben könnte.

Das Geschenk der Amerikaner will heute keiner mehr geschenkt haben.

Foto: pskDas Geschenk der Amerikaner will heute keiner mehr geschenkt haben. Foto: psk

Alles begann damit, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auf die Idee kam, dass Berlin eine neue Landeszentral-Bibliothek brauche. Der Gedanke ist im Prinzip nicht falsch. Fachleute hatten schon länger angemahnt, dass die beiden unterschiedlichen Standorte in Kreuzberg am Blücherplatz und in Mitte in der Breitstraße zusammengeführt werden sollten.

Wenn es nach Wowereit geht, dann soll der neue Bau auf dem Tempelhofer Feld stehen und 280 Millionen Euro kosten. Mittlerweile wird von 350 Millionen gesprochen. Noch ist kein Spatenstich getan. Es gibt noch nicht einmal eine Ausschreibung. Hinter vorgehaltener Hand sprechen Experten bereits von Baukosten in Höhe von einer halben Milliarde.

Bezirk will das Gebäude nicht

Vorausgesetzt, Geld würde keine Rolle spielen und die Volksabstimmung zu 100% Tempelhof im Mai scheitert, was würde dann mit der AGB passieren? Wowereit, die Großzügigkeit in Person, kündigte an, das Gebäude dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu schenken. Davon wollte der damalige Bezirksbürgermeister Franz Schulz indes nichts wissen. Auch seine Nachfolgerin Monika Herrmann ist nicht gewillt, das Präsent vom Senat anzunehmen. »Wir können uns das gar nicht leisten«, erklärt sie in einem Gespräch mit der KuK. Sie schätzt, dass der Sanierungsbedarf ebenfalls im dreistelligen Millionenbereich liegt.

Aber natürlich werde sich der Bezirk gern an der Planung über die weitere Verwendung und zukünftige Nutzung des Baus beteiligen.

Es scheint unstrittig, dass die AGB nach einem Umzug der Bibliothek weiterhin kulturell genutzt werden soll.

Der ehemalige Kulturstaatssekretär André Schmitz hatte da wohl schon an Ateliers und Galerien gedacht. Doch der ist aus steuerlichen Gründen nicht mehr im Amt, und sein Nachfolger heißt Tim Renner. Dem wird nun eine größere Nähe zur Musik als zur bildenden Kunst nachgesagt. So kann sich Monika Herrmann vorstellen, dass vor allem in den Kellerräumen Probe-Möglichkeiten auch für professionelle Bands eingerichtet werden. Denn die sind in Berlin immer knapp, zumal in einem Kreativ-Bezirk wie Kreuzberg.

Dabei ist noch längst nicht klar, ob der Neubau kommt. Trotzdem scheint zumindest die Zusammenlegung der beiden Bibliotheksteile beschlossene Sache. Falls die Volksabstimmung im Mai einen Neubau auf dem Feld verhindern sollte, könnte die Zentral- und Landesbibliothek auch in das riesige Flughafengebäude einziehen.

ZLB-Neubau bedroht die Kiez-Bibliotheken

Eigentlich ist es erstaunlich, dass die Bürgermeisterin beim Thema Bibliotheken noch die Contenance wahrt. Sie hätte nämlich allen Grund, stinksauer zu sein.

Während nämlich fröhlich Hunderte von Millionen für eine neue ZLB verbraten werden, muss sie nun wohl die Bibliothek in der Oranienstraße dichtmachen, obwohl die schwarze Zahlen schreibt. Doch der Senat fordert Personaleinsparungen.

Das nächste Opfer könnte die Bibliothek in der Dudenstraße sein – dann nämlich, wenn die ZLB in ihre unmittelbare Nachbarschaft auf den ehemaligen Flughafen zieht.

Vier Bibliothken betreibt der Bezirk in Kreuzberg und eine in Friedrichshain. Letztere ist so modern, dass dort sogar E-Books ausgeliehen werden können.

In der Adalbertstraße hat man sich auf Hausaufgabenbetreuung spezialisiert – und auf fremdsprachige Literatur im Bereich türkisch und kurdisch. Die Jugendbibliothek in der Glogauer Straße bietet Sprachförderung an.

Kurzum: es gibt ein reiches bibliothekisches Leben in Kreuzberg. Nicht nur die Bezirksbürgermeisterin findet es absurd, dass genau diese Vielfalt durch den Neubau einer Landesbibliothek bedroht wird.

Inzwischen wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand darüber gespottet, dass sich Wowereit mit der neuen Bibliothek eine Art Mausoleum errichten will. Zumindest wäre er dann in guter Gesellschaft. In Paris hat das François Mitterrand getan und in Alexandria ein gewisser Hosni Mubarak.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2014.

Heiter bis wolkig

1. Mai in Kreuzberg verlief weitgehend friedlich

Frau mit kleinem Kind auf dem Arm, das Ohrenschützer trägtEin ruhiger 1. Mai – wer wünscht sich das nicht? Foto: rsp

Noch wenige Tage vor dem 1. Mai waren die Medien geprägt von übelsten Befürchtungen zum Verlauf der Kreuzberger Maifeierlichkeiten. Doch trotz Schwarzmalerei im Vorfeld verlief die Traditionsveranstaltung bis auf einige wenige Scharmützel weitgehend friedlich.

Dazu trug sicher auch die gelöste Stimmung nach dem erfolgreich verhinderten Nazi-Aufmarsch in Prenzlauer Berg bei. Linke Gegendemonstranten hatten am Nachmittag, teilweise gewissermaßen gemeinsam mit der Polizei, die Straßen blockiert, so dass die Rechtsextremisten ihre Route auf rund 800 Meter verkürzen mussten. Im Kreuzberger MyFest-Gebiet rund um den Mariannenplatz wurde derweil kräftig gefeiert und gebechert – im wahren Sinne des Wortes, denn das Glasflaschenverkaufsverbot des Bezirks (KuK berichtete im April) wurde relativ konsequent durchgesetzt. Selbst die Aral-Tankstelle in der Skalitzer Straße musste ihr Sortiment kurzfristig auf Bier in Plastikflaschen umstellen – offiziell über das Verkaufsverbot informiert wurde Tankstellenpächter Thomas Kalweit erst am Morgen des 1. Mai.

Nicht ungetrübt war die Veranstaltung auch für die Organisatoren des »Netzwerk MyFest«. Nach Angaben der Initiative, die seit 2003 das MyFest organisiert, wurde der Etat für Bühnen durch den Bezirk gekürzt, so dass die ursprünglich geplante Rockbühne am Oranienplatz kurzfristig abgesagt wurde. Die Finanzierung notwendiger Sicherheitsmaßnahmen wäre auch mit Erlösen aus Getränkeausschank nicht gewährleistet gewesen.

Räuber und Gendarm

Für einige Aufregung sorgte dieses youtube-Video

Zu kleineren Reibereien zwischen Polizei und Demonstranten kam es im Zuge der traditionellen 18-Uhr-Demo. Für einige Aufregung sorgte allerdings eine im Laufe des Abends beim Video­portal youtube veröffentlichte Aufnahme, die zeigt, wie ein Demonstrant am Spreewaldplatz von einem Polizisten ins Gesicht getreten wird. Erfreulicherweise hat die Polizei noch am Abend mit internen Ermittlungen begonnen.

Doch auch die Polizei hat mindestens einen schwerverletzten Beamten zu beklagen, der allerdings nicht, wie es zunächst hieß, mit einem Messer in den Rücken gestochen wurde.

Rangeleien mit der PolizeiNachts um drei kam es nur noch zu den üblichen Rangeleien. Foto: rsp

Spätestens als gegen 22 Uhr Regen einsetzte, war der größte Teil des Krawalls vorbei, vermutlich auch, da zahlreiche potentiell Beteiligte den Heimweg antraten. Erst einige Stunden später kam es in der Adalbertstraße noch zu den üblichen »Räuber-und-Gendarm«-Spielchen. Ausgehend von einigen wenigen amüsierwilligen Krawallmachern, die mitgebrachte Feuerwerkskörper und herumliegenden Müll entzündeten, sahen sich die Ordnungshüter schließlich genötigt, die Straße gegen 4 Uhr morgens komplett zu räumen.

Beste Gelegenheit für die BSR, den gesammelten Müll eines rauschenden Festes von den Straßen zu schaffen. Der bestand – insofern ging die Rechnung des Bezirks auf – tatsächlich kaum aus Glasscherben sondern zum größten Teil aus Plastikbechern.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2010.