Sebastian von Hoff wirbt um Vertrauen

Der Direktkandidat der Piraten zum Redaktionsgespräch im »Martinique«

Sebastian von Hoff mit den KuK-Redakteuren Peter S. Kaspar und Robert S. Plaul.

Foto: philsSebastian von Hoff mit den KuK-Redakteuren Peter S. Kaspar und Robert S. Plaul. Foto: phils

Mit der Frage, warum man sagt, dass Schornsteinfeger Glück bringen, hatte Sebastian von Hoff, Direktkandidat der Piraten, vermutlich nicht gerechnet, als er zum Redaktionsgespräch ins »Martinique« kam. Dabei bietet sie sich an, denn von Hoff ist Schornsteinfeger, und seine Partei braucht vermutlich Glück, wenn sie in den Bundestag einziehen will. Vor allem aber, sagt er, brauche sie Vertrauen.

Das mag in letzter Zeit etwas gelitten haben: Viel hört man über innerparteiliche Streitereien, weniger über Inhalte. Für von Hoff liegt das auch daran, dass die Piraten inzwischen wie alle Parteien kritisch betrachtet werden. Trotzdem gäbe es in Sachen Streitkultur in der Partei »bei vielen noch etwas Nachholbedarf« beim Umgang mit Meinungsverschiedenheiten.

Eindeutig jedenfalls ist die Meinung zur NSA-Affäre. Von Hoff spricht sich für eine verstärkte parlamentarische Kontrolle der eigenen Geheimdienste aus – im Zweifelsfall bis zur Abschaffung. Im Bezug auf amerikanische Dienste reiche es nicht, bloß den Zeigefinger zu heben. Hier sei das Mittel der Diplomatie gefragt, um die USA stärker unter Druck zu setzen. Zu den Maßnahmen gegen ein Ausschnüffeln durch NSA & Co. gehöre auch, dass etwa Verbindungsdaten nach Möglichkeit gar nicht erst gespeichert werden – wie das aber im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung geschieht.

Geduldig erklärte Sebastian von Hoff den KuK-Redakteuren Peter S. Kaspar und Robert S. Plaul das Konzept des fahrscheinlosen Nahverkehrs, der über eine Steuer oder Abgabe finanziert werden würde. Parallel müsste man allerdings auch die Taktzeiten verkürzen, um den ÖPNV attraktiver zu machen. Wenn man die Abgabe beispielsweise über die Grundsteuer erheben würde, könnte man die Höhe der Belastung auch indirekt an die jeweiligen Einkommensverhältnisse koppeln.

Auch das derzeit parteiintern benutzte Konzept »Liquid Democracy« ist erklärungsbedürftig, und wird auch erklärt: Zu jeder Abstimmung hat jeder eine Stimme, die auf Wunsch an eine andere Person delegiert werden kann, die sich vielleicht besser mit dem Thema auskennt. Da sich die Stimmen themenspezifisch vergeben und auch wieder zurückziehen lassen, lässt sich die eigene politische Meinung präziser zum Ausdruck bringen als mit auf Zeit gewählten Vertretern.

Mit der Forderung nach einer Mietendeckelung und dem Eintreten für eine liberalere Asylpolitik stehen die Piraten nicht allein – wohl aber mit dem Eintreten für das Bedingungslose Grundeinkommen. Wie das konkret umgesetzt werden könnte, soll nach ihrem Willen in einer Enquete-Kommission besprochen werden.Und, kurze Antwort bitte, wie ist das mit dem Mindestlohn? Sebastian von Hoff grinst: »Mindestlohn ist für uns eine Brückentechnologie. Kurz genug?«

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Götz Müller will keinen Coffeeshop

Der BVV-Fraktionsvorsitzende der CDU stellt sich im »Galander« der Diskussion

Götz Müller beim Redaktionsgespräch im »Galander«.

Foto: csGötz Müller beim Redaktionsgespräch im »Galander«. Foto: cs

»Politik für die Menschen« will er machen, das sagt er ganz am Anfang, und tatsächlich ist ein gutes Dutzend Besucher ins »Galander« gekommen, um sich anzuhören, wie die Politik von Götz Müller aussehen könnte. Seit 2006 ist der gebürtige Wiesbadener für die CDU in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, jetzt will er das Direktmandat erkämpfen – und rechnet sich dafür durchaus Chancen aus.

In der »B.Z.« outete sich Müller kürzlich als Gegner des Flüchtlingscamps am Oranienplatz. Flüchtlinge, sagt er, sähe er kaum noch am Oranienplatz, sondern vielmehr »Linksradikale«, die die Flüchtlinge für »eigene Zwecke« missbrauchten. Überhaupt handele es sich bei dem Gelände um eine öffentliche Grün- und Erholungsanlage, und schon deshalb sei das Camp nicht länger zu tolerieren.

Auch die politischen Forderungen der Flüchtlinge teilt er nicht. Die Residenzpflicht diene unter anderem dazu, zu verhindern, dass alle Flüchtlinge in die Großstädte strömen. Eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber lehnt er ab, da er befürchtet, dass damit ein neuer Niedriglohnsektor eröffnet würde. Außerdem könne ein potentieller Arbeitgeber mit Flüchtlingen nicht planen, da im Schnitt neun von zehn Asylanträgen abgelehnt werden würden.

Eine andere »Grünfläche«, die derzeit die Gemüter in Kreuzberg erhitzt, ist der Görlitzer Park, in dem teilweise ganz offen Drogen gehandelt werden. Den Vorschlag von Bezirksbürgermeisterin Herrmann, einen Coffeeshop einzurichten, um die Problematik zu entschärfen, hält er für ein Grünes Wahlkampfmanöver. Für einen Coffeeshop sieht er nicht nur keine Rechtsgrundlage, sondern befürchtet auch, dass Dealer dann auf den Verkauf von harten Drogen umsteigen. Stattdessen erhofft er sich von einer Verstärkung der Polizeipräsenz eine allmähliche Verdrängung der Dealer.

In fast allen Parteien – auch in der CDU – gibt es Arbeitskreise, die sich mit dem Konzept »Bedingungsloses Grundeinkommens« (BGE) beschäftigen. Als Anhänger des Satzes »Leistung muss sich lohnen« glaubt Müller, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die aus Leidenschaft arbeiten. Damit würde es bald an Mitteln fehlen, ein BGE auszuzahlen. Und auch ein flächendeckender Mindestlohn, so Müller, »ist entweder wirkungslos oder vernichtet Arbeitsplätze.«

Gegen steigende Mieten hat Müller ein einfaches Rezept: Wohnungsneubau, gerne auch am Rande des Tempelhofer Feldes. Außerdem setzt er auf staatliche Förderprogramme, die es Mietern ermöglichen sollen, die von ihnen bewohnte Wohnung zu kaufen.

Mit seinen teils recht exklusiven Ansichten stößt Müller nicht auf ungeteilte Zustimmung, und so entwickelt sich in der anschließenden Fragerunde eine kontroverse Diskussion um Asyl- und Bildungspolitik.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Hart am Wind der Utopie

KuK-Gespräch mit dem Kandidaten der Piraten

Sebastian von Hoff (Piraten) beim KuK-Gespräch.

Foto: philsSebastian von Hoff (Piraten) beim KuK-Gespräch. Foto: phils

Bringt ein Schornsteinfeger den Piraten Glück? Nötig hätten sie es auf jeden Fall, wenn sie es noch schaffen wollen, in den Bundestag einzuziehen. Sebastian von Hoff ist Pirat und ein Schornsteinfeger. Am Mittwoch war er der letzte Gast in der Veranstaltungsreihe der KuK zur Bundestagswahl 2013. Ort der Handlung war – ganz piratenaffin – das Martinique mit seinem karibischen Flair. Ja, und es stimmt. Sie sind noch immer so etwas, wie die Freibeuter der Politik. Und so segelte auch Sebastian von Hoff hart am Wind der politischen Utopien. Dass er dabei keinen Schiffbruch erlitt, zeugte davon, dass der Kandidat sich sehr gut in seine Materie eingearbeitet hatte und zeigte, dass es möglicherweise etwas verfrüht ist, die Piraten schon ganz abzuschreiben.

Der kostenlose Personennahverkehr ist bei den Piraten nicht kostenlos, sondern fahrscheinlos. Bezahlen müssen am Ende alle, über Steuern, Umlagen oder Abgaben. Das werde sich zeigen. Auf den Einzelnen kämen dann im Monat um die 30 Euro zu. Das klingt bezahlbar.

Warum außer den Piraten zwar alle Parteien das Bedingungslose Grundeinkommen ablehnen, aber alle Parteien dazu auch Arbeitsgruppen eingerichtet haben, vermag Sebastian von Hoff nicht recht zu erklären. Erklären kann er dagegen, warum die Piraten dafür sind. Er meint, dass seine Partei offenbar ein grundlegend anderes Menschenbild habe, als andere Parteien. Selbst die kniffligste Gegenfrage kontert er gekonnt. Wer solle denn die Arbeit machen, die keiner machen will? Wenn sie gut bezahlt sei, könne es doch auch sein, dass mehrere Menschen über kürzere Zeiträume arbeiteten. »Ein Müllmann könnte doch auch nur 20 Stunden arbeiten. Durch die Freizeit wäre der Job dann attraktiv.« Im Übrigen glaubt er, dass der Weg zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen gar nicht mehr so weit wäre, wenn es im Bundestag eine Enquete-Kommission geben würde, die sich mit dem Thema beschäftigt. Die wollen die Piraten einrichten, wenn man sie lässt. Und wie sieht’s für den Anfang mit Mindestlohn aus? »Der ist für uns eine Brückentechnologie.«

Wie üblich gibt es hier den kompletten Mitschnitt des Gesprächs mit Sebastian von Hoff:

Lästermäuler

Die Sozis im Kiez lästern heftig und lecken ihre Wunden. Sie dürfen das auch. Betrachtet man die nackten Zahlen, dann haben sie in Kreuzberg und Friedrichshain am schwersten unter der so erfolgreichen Kaperfahrt der Piraten gelitten. Die Sozis dürfen auch deshalb lästern, weil sie nach eigenem Verständnis die älteste unter den Partein ist, also quasi Geburtsadel.

Dass sich aber Linke und vor allem Grüne nun im Netz und anderswo den Mund über die Piraten zerreißen, ist gelinde gesagt sehr peinlich. Gerade diese beiden Parteien wissen doch, wie es ist, in die Schmuddelecke gestellt zu werden. Haben die Grünen völlig vergessen, dass sie einst als »Ökospinner« verlacht wurden. Sind nicht auch die Grünen in selbstgestrickten Pullovern und Turnschuhen im Parlament aufgelaufen? Über 20 Jahre später darf sich ein Fernsehmoderator in Anwesenheit von grünem Spitzenpersonal(!) darüber mokieren, dass der Piraten-Vertreter nicht mit Schlips und Jackett sondern im Partei-Shirt zum Interview erscheint.

Statt sich den Mund zu zerreißen, sollten sie vielleicht mal besser hinhören. Die Piraten kommen ins Parlament und sagen ganz offen, dass sie erst mal lernen wollen – und das auch noch im Netz dokumentieren. Für einen Sensationssieger sind das nie gehörte und bescheidene Töne, wie man sie von den Etablierten auch gerne mal hören würde. Und dass sie monothematisch seien, ist auch unsinnig. Das zeigt nur, wie sehr die Parteien bislang die digitale Zukunft unterschätzt haben, und dass sie auch nicht richtig hingesehen haben. Dabei lohnt sich das. Ein Beispiel: Alle etablierten Parteien haben Arbeitskreise zu den Themen »Bedingungsloses Grundeinkommen« oder »Negative Einkommenssteuer«. Es traut sich allerdings keine Partei aus der Deckung. Die Piraten sind mit der Forderung nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen in der Wahlkampf gezogen. Was soll daran bitte falsch sein? In der Schweiz ist das bereits ein Thema, und hier wird es auch eines werden. Und es scheint fast so, als seinen die Piraten drauf und dran, den etablierten Parteien das nächste Thema weg zu kapern. Auf das Heulen und Zähneklappern darf man gespannt sein.