Skorpione zum Frühstück

Robert S. Plaul war im Kino auf Niveausuche – vergeblich

Das Training, das Stan durchlaufen muss, ist nicht eben harmlos.

Foto: Twentieth Century FoxDas Training, das Stan durchlaufen muss, ist nicht eben harmlos. Foto: Twentieth Century Fox

Man nehme einen Gefängnisfilm, viel Martial Arts und einen Haufen Klischees und werfe das Ganze in die große Komödienrührschüssel – und heraus kommt ein Film wie »Big Stan«: Den frisch verurteilten Immobilienbetrüger Stan Minton (gespielt von Rob Schneider, der auch Regie führte) erwartet eine dreijährige Gefängnisstrafe. Weil er Angst hat, dass ihn die großen Jungs im Knast vergewaltigen, heuert er für die sechs Monate, die ihm bis zum Haftantritt verbleiben, einen obskuren Martial-Arts-Guru (David Carradine †) an, der ihn in den asiatischen Kampfkünsten unterweisen soll. Zum großen Entsetzen seiner Frau Mindy (Jennifer Morrison), beinhaltet die Ausbildung neben allerlei Selbstkasteiungen auch den Verzehr lebender Skorpione am Frühstückstisch und andere Scheußlichkeiten.

David Carradine tot

David Carradine als "Der Meister" Foto: Twentieth Century Fox

»Big Stan« ist zugleich einer der letzten Filme mit David Carradine. Der Schauspieler wurde am 3. Juni 72jährig tot in seinem Hotelzimmer in Bangkok aufgefunden. Carradine ist vor allem durch seine Rolle als Shaolin-Mönch Kwai Chang Caine in der 70er-Jahre-Fernsehserie »Kung Fu« bekannt. Im Kino spielte er unter anderem die Titelrolle in Quentin Tarantinos Zweiteiler »Kill Bill«. Nach Angaben seines Managers hielt er sich in Thailand zu Dreharbeiten für den Film »Stretch« des französischen Regisseurs Charles de Meaux auf. Die genaue Todesursache ist bislang ungeklärt.

Erstaunlicherweise zeitigt das unkonventionelle Training beeindruckende Erfolge, so dass der schmächtige Stan zur wahren Kampfmaschine geworden ist, als er schließlich ins Gefängnis kommt. Dort herrschen tatsächlich rauhe Sitten, doch Stan hat keine Angst davor, sich mit den Bandenbossen anzulegen…

Die Martial-Arts-Komödie »Big Stan«, die in Deutschland den sinnigen Untertitel »Kleiner Arsch ganz groß!« trägt, sorgt fraglos für etliche Lacher – vorausgesetzt, man kann sich mit dem derben Humor, den nicht wenig brutalen Gewaltszenen und den genretypischen Klischeedarstellungen von Schwarzen, Schwulen und Schwerverbrechern anfreunden. Anspruchsvolle Unterhaltung ist sicherlich etwas Anderes. Aber wer für einen lustigen Abend im Kino bereit ist, seinen guten Filmgeschmack über Bord zu werfen, der kommt hier fraglos auf seine Kosten. Ein herrlich niveauloser Film ohne jegliche künstlerische Ambitionen, der aus gutem Grund das FSK-16-Siegel trägt.

Ab 25. Juni im Kino.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2009.

Rezitieren statt Rechnen

Robert S. Plaul sah den Dokumentarfilm »Korankinder«

Als Regisseur Shaheen Dill-Riaz 1992 sein Heimatland Bangladesh verließ, gab es das noch nicht: Mit 3 Millionen Menschen findet in Dhaka jährlich das nach Mekka größte Pilgertreffen der Welt statt. Die neue islamische Religiosität zeichnet sich aber auch im alltäglichen Leben der Bevölkerung ab, in der wachsenden Anzahl der Koranschulen, der Madrasas. Sorgten diese Schulen früher für eine umfassende Bildung, so beschränkt sich das Unterrichtsangebot heute oft auf ein einziges Fach: Koranrezitation.

Schon im Grundschulalter beginnen viele Kinder in Bangladesh mit dem Auswendiglernen des Koran.

Foto: MAYALOKSchon im Grundschulalter beginnen viele Kinder in Bangladesh mit dem Auswendiglernen des Koran. Foto: MAYALOK

Dill-Riaz hat es geschafft, trotz des traditionellen Bilderverbots mit seiner Kamera Zugang zu den Madrasas zu bekommen und mit den Kindern zu sprechen, die dort leben und lernen. Fast den ganzen Tag sind sie damit beschäftigt, die insgesamt 6234 Verse des Koran auswendig zu lernen. Es sieht aus, als wären sie in Trance, wenn sie auf dem Boden sitzen, 70 Kinder in einem Raum, vor sich den Koran. Sie wippen mit dem Oberkörper vor und zurück, um den Takt der kosmischen Zeit zu halten und lesen laut die arabischen Suren, deren Inhalt sie nicht verstehen – die Landessprache in Bangladesh ist Bengali.

Wenn sie fertig sind mit ihrer Ausbildung, dürfen sie sich Hafiz nennen und können selbst als Koranlehrer arbeiten oder sich ihr Auskommen bei feierlichen Anlässen wie Hochzeiten, Todesfällen oder Einweihungen durch Koranrezitation verdienen. Damit bietet die einseitige Ausbildung gerade Kindern ärmerer Familien tatsächlich eine Chance, später ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Doch es gibt auch Madrasas, die mit einem vielfältigeren Fächerangebot aufwarten, und an denen ein staatlicher Schulabschluss erlangt werden kann. Immer muss bei allem aber auch die Geschichte bedacht werden, sind doch die reinen Koranschulen auch eine Gegenbewegung zum kolonialistisch aufoktroyierten britischen Bildungssystem.

Die Interviews mit Schülern, Lehrern und Eltern stellen die Situation in Bangladesh auf äußerst differenzierte Weise dar, auch wenn sie sie für einen religiös wie kulturell Außenstehenden niemals vollkommen erklären können.

Ab 4. Juni im Moviemento.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2009.

Vorstadtkrokodile

Robert S. Plaul hat die Neuverfilmung eines Kinderbuchklassikers gesehen

vorstadtkrokodileDie Vorstadtkrokodile verstecken sich. Foto: © 2008 Constantin Film Verleih GmbH

Um bei den Vorstadtkrokodilen, der „coolsten Jugendbande der Welt“ mitmachen zu dürfen, muss Hannes (Nick Romeo Reimann) als Mutprobe das Dach einer alten Ziegelei erklettern. Als er beim Abstieg abzustürzen droht, wird er von Kai (Fabian Halbig) gerettet, der die Szene per Fernrohr beobachtet und die Feuerwehr gerufen hat. Auch Kai wäre gerne bei den Krokodilen dabei. Einziges Problem: er ist querschnittsgelähmt, sitzt im Rollstuhl und wird als „Spasti“ verlacht, der noch nicht mal wegrennen kann, wenn’s brenzlig wird. Doch der durchaus selbständige Junge weiß etwas, das ihn für die Krokos interessant macht: Mit seinem Fernrohr hat er auch die Täter eines Einbruchs gesehen, auf deren Ergreifung eine hohe Belohnung ausgesetzt ist. Die Suche nach den Verbrechern verbindet die Kinder, doch als sich abzeichnet, dass einer der Täter der große Bruder von Krokodil Frank ist, drohen die Freundschaften auseinander zu brechen.

Regisseur Christian Ditter ist es gelungen, Max von der Grüns Kinderbuchklassiker von 1976 behutsam in die Gegenwart zu übertragen, ohne den Ruhrgebietscharme des Originals zu verlieren und vor allem ohne in eine unrealistische Pseudo-Jugendsprache zu verfallen. Zwar wurde die Bande von zehn auf acht Kinder reduziert, die meisten Namen geändert und die Biografien den heutigen Verhältnissen angepasst – so lebt etwa Hannes alleine mit seiner jungen Mutter (großartig gespielt von Nora Tschirner) – doch das, worum es geht, ist erhalten geblieben: Freundschaft, Mut und der Umgang mit Vorurteilen. Die schauspielerischen Leistungen der jugendlichen Darsteller sind beeindruckend, und die Rollen wirken realistisch. Denn anders als der Titelsong es behauptet, sind die Vorstadtkrokodile keine Superhelden, sondern ganz normale Kinder, wenngleich ziemlich coole. Nicht nur die minderjährigen Zuschauer dieses hervorragenden Familienfilms werden sich wünschen, selbst ein Krokodil zu sein. Die gesunde Mischung aus Spaß, Abenteuer und ernsten Themen bietet auch nach Ende der 98 Minuten genug Potential zum darüber Nachdenken und Reden.

Abgerundet wird der Film durch die Gastauftritte von Martin Semmelrogge (der schon zusammen mit seinem Vater Willy in der WDR-Verfilmung von 1977 mitspielte) als Minigolfplatzbesitzer und Ralf Richter als mürrischer Ruhrpottpolizist.

FSK 6, ab 26. März im Kino.