Wenig Spannung im Titelkampf

Für kleinere Parteien sind Überraschungen bei der BVV-Wahl möglich

In vielen Teilen Deutschlands ist eine Kommunalwahl ein mühsames Geschäft. In Städten wie etwa Stuttgart kämpfen sich die Wähler durch wandtapetengroße Stimmzettel. Zudem wird von ihnen verlangt, sich mit Wahltechniken herumzuschlagen, die auf so schöne Namen wie Kumulieren, Panaschieren oder Unechte Teilortswahl hören. Das alles klingt mehr nach Kamasutra als nach demokratischem Urnengang.

In Berlin ist es dagegen denkbar einfach. Es gibt einen Stimmzettel und ein Kreuzchen für die Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung. Die 55 Sitze im Rathaus in der Yorckstraße werden dann proportional verteilt.

Klare Verhältnisse

Die Verhältnisse in der derzeitigen BVV ist sehr eindeutig. Bei momentan nur 51 Mitgliedern sind die Grünen mit ihren 22 Sitzen schon sehr nah an der absoluten Mehrheit. Dass nicht die volle Zahl der Bezirksverordneten ins Kommunalparlament einzog, lag einfach daran, dass die Piraten nach ihrem Überraschungserfolg nicht über genügend Kandidaten verfügten, um alle Sitze zu besetzen. Ihnen hätten neun zugestanden. Vier blieben frei.

Alle buhlten damals um die Gunst der Politikneulinge – und das hatte nicht nur mit Welpenschutz zu tun. Rein theoretisch hätten SPD, Linke und Piraten eine Zählgemeinschaft gegen die Grünen bilden können. Doch am Ende blieb es bei einer klassischen Rollenverteilung, die den Grünen im Bezirksamt drei von fünf Stadtratsposten bescherte.

Dass die Piraten ihren Überraschungserfolg von 2011 noch einmal wiederholen, ist sehr unwahrscheinlich. Auch die kleine Fraktion blieb nicht vom Zerfall der Gesamtpartei verschont. Statt fünf hat sie heute nur noch vier Mitglieder. Eine Bezirksverordnete verließ die Fraktion.

Das Erbe der Piraten

Es geht also bei der BVV-Wahl vermutlich um die Hinterlassenschaft der Piraten, das heißt um bis zu neun Sitze, die sich nun andere Parteien erobern können – mal ganz abgesehen von den üblichen Verschiebungen, die so eine Wahl sonst mit sich bringt. Doch ganz abschreiben kann man die Piraten auch nicht, denn um in die BVV zu gelangen, benötigen sie nur drei Prozent. Das ist etwa der Wert, den Demoskopen den Piraten berlinweit derzeit einräumen. Rechnet man den Kreuzberg-Bonus dazu – nirgendwo haben die Piraten vor fünf Jahren besser abgeschnitten – dann könnte es durchaus noch reichen.

Wer überrascht?

Monika Herrmann bleibt wohl im Amt.

Foto: Sedat Mehder Monika Herrmann bleibt wohl im Amt. Foto: Sedat Mehder

Allerdings ist es ja nicht ausgeschlossen, dass eine andere Partei ebenfalls einen solchen Überraschungscoup landen könnte, und da geht der bange Blick automatisch auf die AfD. Eigentlich scheint es ausgeschlossen, dass eine so rechte Partei in Friedrichshain-Kreuzberg reüssieren könnte, denn in ganz Berlin gibt es keine linkere BVV. Wenn man die Piraten zum linken Block zählt, blieben dem rechts-bürgerlichen Lager gerade mal vier Verordnete der CDU.

Nun haben die letzten Landtagswahlen gezeigt, dass die AfD bei allen Parteien wildern konnte. In den ostdeutschen Bundesländern wurde dabei aber ausgerechnet die Linke schwer gerupft.

Es ist also überhaupt nicht auszuschließen, dass die AfD mit einigen Bezirksverordneten in die BVV einzieht. Bei einem so meinungsfreudigen Parlament, das häufig große Zuschauermassen anzieht, dürfte das für noch wesentlich turbulentere Sitzungstage sorgen.

Bleibt das Bezirksamt?

Peter Beckers, Spitzenkanddidat der SPD. Foto: Joachim GernPeter Beckers, Spitzenkanddidat der SPD. Foto: Joachim Gern

Die wichtigste Aufgabe zu Beginn der neuen Legislatur wird die Wahl eines neuen Bezirksamtes sein. Derzeit stellen die Grünen mit Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, Baustadtrat Hans Panhoff und Kämmerin Jana Borkamp drei der fünf Posten. Dr. Peter Beckers (SPD), zuständig für Wirtschaft, und der Linke Knut Mildner-Spindler (Soziales), vervollständigen das Gremium.

Da die beiden letzteren als Spitzenkandidaten für ihre jeweilige Partei ins Rennen gehen und bei den Grünen wenig auf ein Abweichen von der bisherigen Rollenverteilung hindeutet, könnte das alte Bezirksamt wieder das neue sein.

Es gibt jedoch ein paar Unwägbarkeiten. Da ist zunächst die Bezirksbürgermeisterin. Monika Herrmann gilt als streitbar und hat vor allem in der Auseinandersetzung mit Innensenator Frank Henkel sehr an Profil gewonnen. Vor allem dem bürgerlichen Lager gilt sie als der Fleisch gewordene Gott­sei­mit­uns. Das hilft ihr in Kreuzberg ungemein und auch die eine oder andere innerparteiliche Auseinandersetzung ist inzwischen längst vergessen. Paradoxerweise könnte Frank Henkels unsägliches Verhalten in Sachen Rigaer Straße den Grünen am 18. September ein Rekordergebnis bescheren. Der eine oder andere Grüne träumt bereits von einer absoluten Mehrheit im Kreuzberger Rathaus.

Allerdings bröckelt auch die Grüne Wählerbasis in Kreuzberg. Immer wieder bläst der Fraktion von den Zuschauerrängen im Rathaus ein rauher Wind entgegen. Von alternativem Durchregieren und mangelnder Kompromissbereitschaft im Angesicht der eigenen Stärke ist da die Rede.

Die SPD als zweit­stärks­te Fraktion ist in der BVV nur halb so stark wie die Grünen. Dass der stellvertretende Bezirksbürgermeister Peter Beckers den Chefposten erobern könnte, gilt als nahzu ausgeschlossen. Für ihn wird es ein Erfolg sein, den großen Abstand zu den Grünen zu verringern.

Linke muss kämpfen

Führt die Linke in den Wahlkampf: Knut Mildner-Spindler.Führt die Linke in den Wahlkampf: Knut Mildner-Spindler.

Während sich die beiden größeren Parteien kein ernsthaftes Duell liefern, sondern bestenfalls die eigene Position etwas verbessern oder verschlechtern werden, stehen die Linken vor einer sehr schweren Wahl. Schon vor fünf Jahren war die Partei auf Rang vier abgeruscht. Dabei stellte sie – damals noch als PDS – vor nicht allzu langer Zeit sogar noch die Bezirkbürgermeisterin. Ihre Verluste in Friedrichshain hat sie in Kreuzberg nicht kompensieren können. Allerdings hat sie bei Bundestagswahlen immer gut abgeschnitten – davon könnte sie auch jetzt profitieren. Mehr als sieben Sitze wären schon ein Erfolg. Doch wenn sich der Trend fortsetzt, wird sie im schlimmsten Fall vielleicht den einen oder anderen Sitz an die AfD verlieren.

Splitterpartei CDU

Bleibt noch die CDU, die schon vor vier Jahren denkbar schlecht abgeschnitten hat. Nirgendwo werden die Henkelschen Eskapaden eine so starke Auswirkung haben wie in Kreuzberg. Sein Versagen am Gör­litzer Park, die Tatenlosigkeit am Kotti und die Tricksereien in der Rigaer Straße dürften die CDU eher Stimmen kosten, zumal die feurigsten Law-and-Order-Anhänger es dieses Mal eher mit der AfD versuchen werden.

Am Ende wird es bei der BVV-Wahl wohl eher wie in der Fußball-Bundesliga zugehen. Wie es oben ausgeht, scheint klar, aber unten wird es spannend.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2016.

Der Spielplatz bleibt – die Kritik auch

Lebhafte Infoveranstaltung zum geplanten Bauprojekt in der Blücherstraße

Das Problem ist dasselbe wie vor einem Jahr. Plätze für Therapieeinrichtungen werden mit steigendem Wachstum der Stadt rarer und rarer. Die Mietpreiserhöhungen führen laut Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler (DIE LINKE) immer häufiger dazu, dass Plätze in sozialen Einrichtungen wegfallen. Um dem entgegenzuwirken, planen die sozialen Träger »Jugendwohnen im Kiez« und »Vita e.V.« ein Gebäudeensemble in der Schleiermacher- und Blücherstaße, um den nötigen Wohnraum selbst zu schaffen.

Doch als vor knapp einem Jahr in der Heilig-Kreuz-Kirche zum ersten Infoabend über das Bauvorhaben geladen wurde, forderten die späteren Mitglieder der Nachbarschaftsinitiative »NizKe« den Erhalt des örtlichen Spielplatzes. Dieser sollte nach den ursprünglichen Plänen der sozialen Einrichtungen rund 50 Meter verschoben werden.

Nach mehreren Gesprächen der Initiative mit Baustadtrat Hans Panhoff wurden die Pläne geändert und Ende Mai auf der zweiten öffentlichen Informationsveranstaltung vorgestellt. Dazu hatten Baustadtrat Hans Panhoff sowie die Bauherren Gunter Fleischmann und Roland Schirmer in die Aula des Leibniz-Gymnasiums eingeladen.

Die Kritik an dem Bauvorhaben hatte sich jedoch inzwischen weiterentwickelt. Während die Bürgerinitiative »NizKe« ihre Ziele erreichte, bildete sich eine weitere Nachbarschaftsinitiative. Die Gegner des Bauvorhabens kritisierten mangelnde Transparenz während des Planungs- und Genehmigungsprozesses. Das Ziel sei eine rechtskonforme, baum- und klimafreundliche sowie kiezangemessene Bebauung, erklärte die Sprecherin der Initiative, Claudia Bartholomeyczik. Zusätzlich forderte die »Initiative für den Kiezerhalt« eine Aufstellung eines Bebauungsplanes zur Prüfung aller relevanten Belange. In diesem Zusammenhang berief sie sich auf einen BVV-Beschluss aus dem Februar 2016, der das Bezirksamt beauftragt, die Planungen zu überdenken und eine Bürgerbeteiligung einzurichten.

Die urspüngliche Planung (links) sah eine Verlegung des Spielplatzes in den Innenbereich vor. Nach Einwänden der Anwohner soll der Spielplatz (rechts) nun an seinem bisherigen Platz bleiben. Lediglich  seine Spitze wird ein wenig gekappt, dafür wird er etwas breiter.

Foto: pskDie urspüngliche Planung (links) sah eine Verlegung des Spielplatzes in den Innenbereich vor. Nach Einwänden der Anwohner soll der Spielplatz (rechts) nun an seinem bisherigen Platz bleiben. Lediglich seine Spitze wird ein wenig gekappt, dafür wird er etwas breiter. Foto: psk

Den Wünschen der Bürgerschaft sei man nachgegangen, entgegnete Baustadtrat Hans Panhoff. Er plädierte nach Rücksprache mit dem Baukollegium für angemessene städtebauliche Formen und »günstigere Verteilung der Baukörper und Baumassen«. Dieser Prozess sei zwar nicht ganz konfliktfrei gewesen, jedoch sei man sich darüber einig, dass sich die Überarbeitung gelohnt habe.

Die neuen Pläne berücksichtigen nun den Erhalt des Spielplatzes sowie des davor liegenden »kleinen Stadtplatzes«, wie Panhoff den verbreiterten Gehweg mit seinen Parkbänken bezeichnete. Zusätzlich wurde die Höhe der geplanten Gebäude auf maximal 18 Meter begrenzt. Dies entspricht in etwa vier Altbau-Stockwerken.

Einen Bebauungsplan soll es jedoch nicht geben. Eine informelle Bürgerbeteiligung wäre nach Aussagen Panhoffs durch die Infoveranstaltung gewährleistet. Weiterhin sollten dieser und zukünftige Info­abende genutzt werden, um Wünsche zu Änderungen an dem Bauvorhaben zu äußern.

Im Anschluss an die offiziellen Satements entspann sich eine lebhafte Diskussion über das Für und Wider des Bauprojektes. Die Gegner des Projekts konzentrierten sich dabei in erster Linie auf Anwürfe gegen die Bauverwaltung. Jedoch legte sich im Verlauf des Abends zunehmend die Kritik an dem sozialen Bauvorhaben. Ganz verstummt ist sie indes nicht. Und nachdem Hans Panhoff schon weitere Informationsveranstaltungen zu diesem Thema angekündigt hat, dürfte es noch den ein oder anderen turbulenten Abend geben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2016.

Görlitzer Park kommt nicht zur Ruhe

Neue Taskforce soll die Situation verbessern

Mit der Gründung einer Taskforce reagiert nun die Politik auf die sich offenbar verschärfende Drogensituation im Gör­lit­zer Park. Pikant ist die Zusammensetzung des Gremiums. Mit Innensenator Frank Henkel, seinem Staatssekretär Bernd Krömer und Justiz­se­na­tor Thomas Heilmann sitzen drei CDU-Leute, die für Law-and-Order stehen, zwei Vertretern der Grünen, Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Bezirksstadtrat Hans Panhoff, gegenüber. Beide stehen naturgemäß für eine liberalere Drogenpolitik.

Der Görlitzer Park gilt schon lange als Umschlagplatz für meistens weiche Drogen. Doch seit geraumer Zeit ist die Zahl der Dealer enorm gewachsen. Zudem klagen vor allem Anwohner, dass das Auftreten der Rauschgiftverkäufer inzwischen auch ziemlich forsch geworden ist.

In wie weit das richtig oder eher eine subjektive Wahrnehmung ist, ist nur schwer zu überprüfen. Dass die Zahl der Dealer enorm gewachsen ist, lässt sich hingegen belegen. Auch ein Zusammenhang mit den Asylsuchenden in der nahegelegenen Gerhard-Hauptmann-Schule ist schlecht wegzudiskutieren.

So ergeben sich zwei Linien, wie dem Problem beizukommen sei. Der Innensenator sähe am liebsten eine Null-Toleranz-Politik mit hoher Polizeipräsenz in und um den Park. Und ihm geht der Umgang mit den Flüchtlingen in Kreuzberg entschieden zu weit.

Monika Herrmann dagegen hofft, mit einem legalen Coffeeshop den Dealern die Grundlage zu entziehen. Sie setzt mehr auf Dialog und glaubt, dass eine weniger restriktive Flüchtlingspolitik ohne Residenzpflicht und Arbeitsverbot hilfreich wäre.

Einig sind sich die beiden unterschiedlichen Lager in der Taskforce jedoch in einem: Die jetzige Situation im Gör­litzer Park ist so nicht mehr tragbar und den eigentlichen Nutzern des Parks auch so nicht mehr zuzumuten.

Mit den Anwohnern will die Grünen-Fraktion in der BVV im Januar ins Gespräch kommen.

Grünflächenamt vergrämt die Dealer

Bei einer Veranstaltung – so sie zustande kommt – sollen die Mitglieder der Taskforce ihre Vorstellungen kundtun.

Bis dahin ist die Taskforce allerdings auch schon tätig geworden. Zum Teil mit überraschenden Erfolgen. So hat Baustadtrat Hans Panhoff, das Grünflächenamt losgeschickt, um das Unterholz einmal so richtig auszuforsten – das Unterholz, in dem die Dealer auch schon mal gerne ihren Stoff deponieren.

Tatsächlich fanden die Mitarbeiter des Grünflächenamtes nicht nur weiche Drogen in Form irgendwelcher Cannabisprodukte, sondern auch richtig hartes Zeug wie Crystal Meth und Kokain.

Der Hohlweg am Spreewaldbad, den Panhoff einen »richtigen Angstraum« nennt, soll zugeschüttet werden. Durch solche und ähnliche Maßnahmen soll den Dealern die Lust am Dealen genommen werden.

Innensenator Frank Henkel setzt da auf eine andere Strategie. Er will die Grenze für den in der Regel nicht verfolgten Besitz von Cannabis-Produkten für den Eigenbedarf von 10 bis 15 Gramm auf sechs Gramm herabsetzen – und zwar nur für den Park und seine Umgebung.

Die Polizei sieht den Ruf nach größerer Präsenz mit sehr gemischten Gefühlen, denn personell arbeiten die Ordnungshüter am Park sowieso bereits am Anschlag. Noch mehr Präsenz ist angesichts der Personalsituation nur schwer darstellbar. Zudem gerät die Polizei auch immer wieder mit Anwohnern des Görlitzer Parks aneinander. Viele fühlen sich zwar durch die Dealer bedroht, doch die Festnahme eines Dealers wird andererseits auch gerne als unangemessene Polizeigewalt interpretiert.

Inwieweit die Maßnahmen wirklich greifen und welche Konzepte am Ende möglicherweise zum Erfolg führen, wird so schnell nicht festzustellen sein. In der kalten Jahreszeit und den kurzen Tagen, wenn Bäume und Büsche entlaubt sind, sind auch nicht nur weniger Parkbesucher, sondern auch weniger Dealer unterwegs.

Doch das Problem könnte sich im nächsten jahr auch ohne Tatort von selbst lösen. Die Polizei beobachtet, dass viele Dealer den Park verlassen, um andernorts zu dealen. Im Görli gibt es zuviele Kollegen. Das ruiniert die Preise.

Kommentar: Bringt das wirklich was?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2014.

Edel sei das Wohnen oder bezahlbar und gut

Gentrifizierungsdabatte über 4 Hektar auf dem Dragonergelände

Es sind meist kleine Schrauber, die dort untergekommen sind, ein Autohaus, eine Taxischule. Es ist nun nicht gerade die Perle Kreuzbergs. Aber eine ganze Menge steht unter Denkmalschutz, denn geschraubt wird hier auf historischem Boden.

Mitte des 19. Jahrhunderts war hier die Kaserne des 1. Dragoner-Garderegiments erbaut worden, und der repräsentativste Teil, die Soldatenunterkünfte, sieht heute noch ganz schick aus. Allerdings wohnen dort keine Soldaten mehr, sondern schon seit 90 Jahren das Finanzamt Kreuzberg am heutigem Mehringdamm.

Ein Filetstück im Innenstadtbereich, das irgendwann bebaut werden soll.

Foto: pskEin Filetstück im Innenstadtbereich, das irgendwann bebaut werden soll. Foto: psk

Doch um den Hinterhof geht es. 4,2 Hektar in Innenstadtlage, mehr oder minder unbebaut – da läuft jedem Immobilienschaffenden doch das Wasser im Munde zusammen – und wer damit nichts zu tun hat, aber in der Yorck- oder Großbeerenstraße wohnt, fängt schon reflexartig an, mit dem Zähnen zu knirschen.

Die Frontlinien sind klar. Für die einen ist es ein Filetstück, mit dem sich mal so richtig Kohle machen lässt, die anderen sehen darin eine heißersehnte Platzreserve für bezahlbaren Wohnraum für die wachsende Zahl jener, die aus dem Kiez verdrängt werden.

Im November hat man sich erstmals getroffen: Anwohner, Investoren, Stadtplaner, Bezirk und Senat. Das ist Teil eines »Dialogischen Planungsverfahrens«. So nennt das die Urbanitas, jenes Unternehmen, das vom Bezirks und der ABR German Real Estate beauftragt wurde, für möglichst wenig Nebengeräusche zu sorgen. Tatsächlich verspricht die Urbanitas, dass es hier im einstigen Belle-Alliance-Quartier »keine Stuttgarter Zustände« geben soll.

Die Bedenken der Investoren sind verständlich. Viele Skeptiker sind nämlich sauer, dass weder der Bezirk, noch das Land Berlin in der Lage waren, das Gelände selbst zu erwerben, um es dann dem sozialen Wohnungsbau zuzuführen.

Doch was wären sozialverträgliche Mieten? Baustadtrat Hans Panhoff spricht von 5,50 Euro, aber die Zahl acht wurde ebenfalls genannt.

Nur etwa 70 Prozent des Geländes soll für die Wohnbebauung genutzt werden. Das können Eigentumswohnungen, genossenschaftliche Projekte oder privat errichtete Mietshäuser sein. 30 Prozent ist für Gewerbemieter vorgesehen.

So richtig hat das viele an diesem Abend allerdings noch nicht überzeugt. Doch was nicht ist, kann ja noch kommen. Jedenfalls sind für das dialogische Planungsverfahren noch mehr Treffen geplant.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2013.

Ringen ums Rathaus

Bezirksamtsselbstfindung geht nicht ohne Querelen und Turbulenzen ab

Nach zähem Ringen um Wahlverfahren, Ressortverteilungen und Partnerschaften sieht es so aus, als ob Friedrichshain-Kreuzberg – als letzter der 12 Berliner Bezirke – nun doch in der BVV-Sitzung am 7. Dezember ein neues Bezirksamt wählen wird.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich aufgrund einer Gesetzesänderung in 2008 die Anzahl der Bezirksstadträte in allen Bezirken ab der aktuellen Legislaturperiode von sechs (inklusive Bezirksbürgermeister) auf fünf verringert. Dies führt nun dazu, dass den Grünen nach dem laut Gesetz anzuwendenden Sitzverteilungsverfahren nach d‘Hondt drei und SPD und Linkspartei je ein Stadtratsposten zusteht.

Diese Machtverhältnisse veranlassten die Piratenfraktion dazu, einen offenen Brief zu verfassen, in dem sie stattdessen die Verteilung der Posten nach Hare-Niemeyer vorschlugen – was dazu geführt hätte, dass die Grünen einen Stadtrat an die Piraten hätten abgeben müssen, die ja, wir erinnern uns, auf das Vorschlagsrecht für einen Bezirksstadtrat verzichten mussten, weil sie mangels Kandidaten nur fünf der neun bei der Wahl gewonnenen BVV-Sitze besetzen konnten.

Der Leiter des Rechtsamts jedoch sah das anders, so dass das Thema Piratenstadtrat für diese Legislaturperiode endgültig vom Tisch sein dürfte.

Als kleines Trostpflaster bot die Fraktion der Linken in Gestalt des derzeitigen und designierten Stadtrats Knut Mildner-Spindler den Bezirkspiraten eine »privilegierte Partnerschaft« an. In mehreren Gesprächen einigten sich die beiden Fraktionen auf Informationsaustausch, Zusammenarbeit beim Vorantreiben der Transparenz in der Bezirksverwaltung und gleichberechtigte Behandlung von Anträgen beider Parteien durch den Stadtrat. Die zeitweilig von den Piraten aufgestellte Forderung, Mildner-Spindler solle die Spenden aus seinen Stadtratsvergütungen zu gleichen Teilen unter beiden Parteien aufteilen, wurde hingegen von den Linken sowohl aus verwaltungsrechtlichen als auch aus moralischen Gründen abgelehnt.

Zu Irritationen bei den anderen Parteien führten Berichte in der Berliner Presse, denen zufolge Grüne und CDU eine Zählgemeinschaft zur Wahl des Bezirksamts beschlossen hätten, und Gerüchte, dass einige der SPD-Verordneten mit dem Gedanken spielten, zur Piratenfraktion überzutreten.

Letztendlich rauften sich dann doch die beiden stärksten Fraktionen zusammen und unterzeichneten eine Kooperationsvereinbarung zur Bildung des Bezirksamts und zur Zusammenarbeit bei Themen wie Jugend, Schule, Verkehr, Inklusion und Transparenz.

Schulz verzichtet auf Gleichstellung und macht Finanzen zur Chefsache

Ressort Stadtrat 2006 Stadtrat 2011
Stadtentwicklung Schulz (Grüne) Schulz (Grüne)
Personal Schulz (Grüne) Schulz (Grüne)
Gleichstellung Schulz (Grüne)
Wirtschaft Beckers (SPD) Beckers (SPD)
Bürgerdienste Beckers (SPD) Mildner-Spindler (Linke)
Ordnungsamt Beckers (SPD) Beckers (SPD)
Finanzen Stöß (SPD) Schulz (Grüne)
Kultur Stöß (SPD) Herrmann (Grüne)
Bildung Stöß (SPD) Herrmann (Grüne)
Sport Stöß (SPD) Beckers (SPD)
Bauen Panhoff (Grüne) Panhoff (Grüne)
Wohnen Panhoff (Grüne)
Immobilienservice Panhoff (Grüne) Panhoff (Grüne)
Gesundheit Mildner-Spindler (Linke) Herrmann (Grüne)
Soziales Mildner-Spindler (Linke) Mildner-Spindler (Linke)
Beschäftigung Mildner-Spindler (Linke) Mildner-Spindler (Linke)
Jugend Herrmann (Grüne) Herrmann (Grüne)
Familie Herrmann (Grüne)
Schule Herrmann (Grüne) Beckers (SPD)
Umwelt Panhoff (Grüne)
Verkehr Panhoff (Grüne)

Im Rahmen der Kooperationsgespräche verteilten Grüne und SPD dann auch gleich mal die Bezirksamtsressorts unter ihren Stadträten. Gleichstellung, Wohnen und Familie fallen weg, neu sind die Ressorts Umwelt und Verkehr, für die in Zukunft der Grüne Hans Panhoff verantwortlich zeichnet, der weiterhin für Wohnen und Immobilien zuständig ist. Um die Finanzen sorgt sich in Zukunft Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) persönlich, seine Parteikollegin Monika Herrmann übernimmt die Bereiche Kultur und Sport vom scheidenden SPD-Stadtrat Jan Stöß, dafür darf sich Peter Beckers künftig zusätzlich mit Schulbelangen beschäftigen. Ob der Wechsel von Knut Mildner-Spindler (Linke) aus dem Gesundheitsressort in den Bereich Bürgerdienste aus freien Stücken stattfindet, bleibt bestenfalls ungewiss.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2011.