Der Aufstand

Mehrheit der BVV straft Grüne beim Haushalt ab

Das Rathaus in der Yorckstraße mit dem BVV-Saal von außenDie Bezirksverordneten der Linken, der SPD und der CDU probten den Aufstand gegen die Grünen. Foto: psk

Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann war einigermaßen fassungslos. Über 50 Änderungsanträge waren für die Haushaltsvorlage eingegangen. 44 passierten die BVV meist gegen die Stimmen der stärksten Fraktion, die ihrerseits mit ihren eigenen Anliegen an den Fraktionen der LINKEN, der SPD und der CDU abprallte. 

Die Grüne Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann war sichtlich angefressen und sprach von einer schwarz-rot-roten Koalition. Noch während der Haushaltsberatungen suchte sie Rat bei ihrer Vorgängerin Monika Herrmann, die das Geschehen auf der Pressetribüne verfolgte. Dort saß mit dem früheren CDU-Fraktionsvorsitzenden Timur Husein ebenfalls ein altbekanntes Gesicht. Er nahm die Vorgänge eher schmunzelnd zur Kenntnis.

Was war da passiert? Wie die KuK aus den Reihen der BVV erfuhr, war das Vorgehen schon von langer Hand zuvor minutiös geplant worden. Die Fraktionsvorsitzenden und Haushälter der drei Fraktionen hatten sich unter größtem Stillschweigen getroffen und die Änderungen ausgehandelt. 

Dabei hatte es schon einen Warnschuss von der nicht involvierten FDP gegeben, die sich bereits eine Woche vor der Beratung öffentlich darüber beklagt hatte, dass nur die Etats der Grünen Bezirksstadträte wachsen, die der drei anderen gleich bleiben oder gar schrumpfen sollten.

Die Stadträte aber hüllen sich in Schweigen. Sowohl Andy Hehmke (SPD) als auch der stellvertretende Bezirksbürgermeister Oliver Nöll (LINKE) verwiesen auf das Prinzip: »Das Bezirksamt spricht mit einer Stimme«. Immerhin ließ sich Oliver Nöll auf Nachfrage ein erstaunliches Statement entlocken. Er lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit dem neuen Bezirksstadtrat Max Kindler von der CDU im Bezirksamt.

AfD-Stimmen für die Grünen sind kein Thema

Gesprächiger zeigten sich da schon die BVV-Mitglieder, von denen aber keiner seinen Namen in der Zeitung lesen wollte. 

»Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde: Aber ich wünsche mir wirklich Monika Herrmann zurück«, heißt es von einem Mitglied der Linken. Ein anderer amüsiert sich über den Begriff schwarz-rot-rote Koalition: »Wenn das eine Koalition wäre, dann wäre sie ja wohl rot-rot-schwarz. Aber das Erstaunliche ist doch, dass es diese Zusammenarbeit gibt. Und das liegt einzig an den Grünen.«

Die Liste der Vorhaltungen ist lang: Immer wieder fallen die Worte »kompromissunfähig« oder »arrogant«. Besonders wird das an der Bezirksbürgermeisterin festgemacht. Diese, so heißt es aus SPD-Kreisen, reklamiere stets alle Erfolge aller Ressorts für sich. »Sie kann niemandem einen Erfolg gönnen«, lautet ein Vorwurf. Auch ihre Verlässlichkeit als politischer Partner wird mehrfach infrage gestellt. 

Dass sich niemand aus der BVV mit Namen zitieren lassen will, hat übrigens einen interessanten Grund. Man wolle ja weiter mit den Grünen zusammenarbeiten, heißt es. Die vermeintlichen Koalitionäre betrachten das Abstimmungsergebnis in erster Linie als einen Schuss vor den Bug und nicht als Abkehr von einer gedeihlichen Zusammenarbeit. 

Dass das ernst gemeint ist, mag eine kleine Petitesse am Rande zeigen. Während FDP und die PARTEI bei der Abstimmung gar nicht zugegen waren, hatten sich die Bezirksverordneten der AfD zumindest für kurze Zeit im Sitzungssaal eingefunden – und stimmten plötzlich jedesmal mit den Grünen, vermutlich in der Hoffnung, ihnen einmal über die Hürde zu helfen. Doch das ganz offensichtlich boshaft gemeinte Abstimmungsverhalten blieb ohne Erfolg. Wäre das nicht ein gefundenes Fressen für die angebliche Koalition gewesen? 

Doch aus der Ecke winken sie nur müde ab. »Den Grünen ist sicher viel vorzuwerfen, aber dafür, dass sich die AfD an sie rangehängt hat, können sie nun wirklich nichts.«

Jugendeinrichtungen müssen bluten

Bezirk hat immer weniger Geld für die Jugendarbeit, aber mehr Aufgaben

Ob das Statthaus Böcklerpark, der Drehpunkt oder der Wasserturm in der Fidicinstraße – sie müssen mit weniger Geld vom Bezirk auskommen. Immerhin, da geht noch was. Anderswo, wie etwa beim Lichtblick, Solms-/ Ecke Fürbringerstraße fallen die Zuwendungen inzwischen ganz weg.

Das kann Monika Herrmann, die auch nach dem Wechsel auf den Chefsessel im Rathaus, die Geschicke des Jugendamtes lenkt, gar nicht gefallen. Allerdings kann sie auch nichts daran ändern, obwohl sie es gern täte. Ihren Ärger über den Senat, den sie für den Schuldigen an der Malaise hält, verbirgt sie nicht.

»86 Prozent unseres Jugendhaushaltes sind sogenanntes Zielbudget. Das muss 1:1 zweckgebunden ausgegeben werden. Nur 14 Prozent sind frei verfügbar«, erklärt sie. Allerdings – so frei nun auch wieder nicht. Beispielsweise wird aus diesen 14 Prozent das gesamte Personal des Jugendamtes bezahlt. Dann werden davon Kinder- und Jugend-Freizeiteinrichtungen finanziert, die Familienzentren und die Jugendsozialarbeit.

Doch was die Bürgermeisterin so richtig wütend macht, ist, dass aus dem inzwischen sehr schmal gewordenen Budget nun auch noch Sonderaktionen des Senats, die Förderprogramme, mitfinanziert werden müssen. »Unsere Gestaltungsmöglichkeiten werden immer weniger«, klagt die Bezirkspolitikerin.

Allerdings hegt Monika Herrmann auch einen bösen Verdacht. Und der reicht weit über die Jugendpolitik des Berliner Senats hinaus. Sie meint nämlich, dass da im Roten Rathaus in Wirklichkeit jemand an einem ganz anderen Rad dreht: »Für mich ist das ein Indiz dafür, dass die Bezirke über kurz oder lang abgeschafft werden sollen.«

Sie sieht auch noch andere Hinweise dafür, etwa, dass immer häufiger einzelne Bezirksämter bestimmte Aufgaben für alle anderen übernehmen sollen.

»Hier gibt es offenbar klare zentralistische Vorstellungen«, glaubt die Bürgermeisterin. Und die müssen Kinder und Jugendliche nun ausbaden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2013.