Nachbarschaftshaus wieder eröffnet

Mit viel Liebe zum Detail wurde das Nachbarschaftshaus restauriert, wie dieser Wandfries im großen Saal beweist. Die Arbeiten an Fassade und Dach gehen aber weiter. Der Garten des NHU bleibt deshalb auch weiter geschlossen. Foto: psk

Es scheint fast, als sei der Verhüllungskünstler Christo in der Urbanstraße am Werk gewesen. Das Nachbarschaftshaus ist jedenfalls dicht verpackt. Und das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.  Fast ein Jahr war das NHU wegen Bauarbeiten geschlossen. Seit 22. Juni ist es wieder für das Publikum zugänglich. Auch das gute Dutzend Gruppen konnte wieder in ihre angestammten Räumlichkeiten zurückkehren. Doch erst seit Anfang Mai verhüllen Bauplanen das Gebäude. Auch wenn die Bauarbeiten weitergehen, bleibt das NHU nun geöffnet.

Für den Geschäftsführer des Nachbarschaftshauses Matthias Winter ist die Geschichte der Renovierung ein treffliches Beispiel, was für Überraschungen ein denkmalgeschütztes Gebäude bergen kann. Eigentlich hatten er und seine Mitarbeiter damit gerechnet, ein halbes Jahr früher wieder ins Haus zurückkehren zu können. Doch dann kam alles ganz anders.

Das Haus wurde 1913 errichtet und diente zunächst als Offizierskasino für die umliegenden Kasernen. Es hat immerhin zwei Weltkriege überstanden. Und das ziemlich unbeschadet. »Das Haus hat eine sehr gute Bausubstanz«, erklärt Matthias Winter. Trotzdem war es nun dringend renovierungsbedürftig.

Doch schnell stellte sich heraus, dass es mit ein paar Eimern Farbe nicht getan war. Zudem entdeckten Denkmalschützer immer wieder neue schützenswerte Details, die teils sehr aufwendig restauriert wurden, etwa das Parkett im großen Saal.

Auch bei Dach und Fassade wurde schnell klar, dass es mit einer simplen Renovierung nicht getan war. Das Dach etwa, muss erneuert werden. Dazu sollten eigens Ziegel nach dem historischen Vorbild gebrannt werden.

Garten bleibt noch ein Jahr geschlossen

Das ließ sich jedoch deshalb nicht umsetzen, weil die alten Ziegel so wertvoll sind, dass sie nicht entsorgt werden durften. Stattdessen sollen sie auch nach der Renovierung das Dach des NHU zieren. Dafür müssen die alten Ziegel aber aufwändig von Bauschaum und anderen Spuren, die ein Jahrhundert hinterlassen hat, gereinigt werden. Das wird dann etwas teurer.

Doch Matthias Winter will den Denkmalpflegern keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil, er würdigt ihr Engagement. Auch dass die Renovierung nun teurer ausfallen wird, als geplant, kann er verkraften. Allerdings meint er: »Ich hätte mir im Vorfeld mehr Gutachten gewünscht.« So kommt es nun zu neuen Verzögerungen. Er zeigt das am Beispiel des Daches: »Seit Wochen haben wir bestes Dachdeckerwetter, können aber nicht anfangen.« Durch die Neubewertung von »Reparatur« in »Erneuerung« sei nun auch eine neue Ausschreibung nötig. Er glaube nicht, dass man jetzt auf die Schnelle eine Dachdeckerfirma  finden werde, die Kapazitäten für so ein Projekt habe. »Das ist schließlich kein Garagendach.«

Die Folgen sind in der Tat gravierend. Solange die Außen- und Dacharbeiten nicht beendet sind, kann das NHU seinen Garten nicht nutzen.

Das war auch der Grund, warum das NHU seine Wiedereröffnung beim traditionellen Tag der offenen Tür nicht im Garten, sondern im Saale feierte. Die Veranstaltung war trotzdem sehr gut besucht und viele Gruppen feierten ihre Rückkehr mit entsprechenden Darbietungen. Der Andrang war so groß, dass sich das NHU nur wenig Sorgen machen muss. Es wird sich schnell herumsprechen, dass es wieder offen ist. Auch wenn es von außen so verpackt aussieht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2018.

Schwamm drin oder Schwamm drüber?

Erste Ergebnisse der Initiative »Gedenkort Fontanepromenade 15«

Dringend sanierungsbedürftig: Die marode Dachkonstruktion der Fontanepromenade 15. Foto: kappaDringend sanierungsbedürftig: Die marode Dachkonstruktion der Fontanepromenade 15. Foto: kappa

In der Fontanepromenade 15 weist nur eine Stele auf die »Zentrale Dienststelle für Juden« hin, die dort ab November 1938 Juden zu Zwangsarbeitseinsätzen vermittelte. Nachdem bekannt wurde, dass das Gebäude im vergangenen Jahr an einen Investor verkauft wurde, beklagte die Stadt­teil­ini­tia­tive »Wem gehört Kreuzberg«, dass »ein solcher Geschichtsort der Immobilienspekulation geopfert wird und nicht als Gedenkort/Museum zur jüdischen Zwangsarbeit und zum Holocaust öffentlich genutzt wird« (vgl. KuK 01/2017).

Mittlerweile lud der Kultursenat zu einem ersten Sondierungsgespräch zum Gedenkort Fontanepromenade 15 ein, die BVV befasste sich in ihrer konstituierenden Sitzung damit, und das Bezirksamt stellte in Aussicht, Stellung zu nehmen und bot zwischenzeitlich zwei Gesprächstermine an, die zum Treffen mit den Akteuren, die einen sofortigem Baustopp forderten, Anfang Februar führte.

Die Initiative »Ge­denk­ort Fontanepromenade 15« (G.I. F15) hat sich am 18. Januar im Nachbarschaftshaus Urbanstraße (NHU) mit den neuen Eigentümern der Immobilie getroffen. André Schmitz-Schwarzkopf, stellvertretener Vorsitzender der Inge-Deutschkron-Stiftung und Teil der Ini, moderierte die Sitzung. In einem Artikel in der Lokalausgabe der TAZ Bremen vom 15.1. hatte der Bremer Investor und Architekt Marc Brune in Aussicht gestellt, einen Teil des Gebäudes als Gedenkort zu nutzen und dafür zu einem ortsüblichen Mietzins zu vermieten. Vor Weihnachten hatte die Ini ihn in einem Brief um einen Gesprächstermin gebeten.

Im Gespräch gewann die G.I. F15 einhellig den Eindruck, dass Marc Brune und Partnerin ein Glücksfall für den Erwerb des Hauses sind. Er und sein fachkompetentes Team legten dar, dass das Haus »maximal noch 4 bis 5 Jahre durchgehalten hätte«.

Eine Einladung auf die um die Ecke liegende Baustelle wurde ausgesprochen. Die mündlichen Schilderungen wurden praktisch erfahrbar: Schwamm-durchsetzte Balken lagen da herum, die marode Dachkonstruktion war auch für den Laien sichtbar. Der aktuelle Stand der Sanierung wurde vom Polier erläutert. Die Inaugenscheinnahme überzeugte.

Straßenland soll in das Gedenkkonzept mit einfließen

Die »Schikanepromeande« als Baudenkmal gerettet, der Investor offen für Nutzung für inhaltliche Konzepte bei Kostenbeteiligung der öffentlichen Hand – es ist ein positives bürgerschaftliches Engagement.

Ein weiteres Gespräch mit dem NHU fand statt, bei dem über inhaltliche Veranstaltungen nachgedacht wurde und die Einbeziehung der Anwohner des »Sozialraumes« in die konzeptionellen Überlegungen des Gedenkortes. Im Gespräch bestand Übereinstimmung, dass der Gedenkort nicht nur den Rest des physischen Ortes, des »jüdischen Arbeitsamtes« mit dem aktuellen Angebot des Investors der Bereitstellung eines »musealen Raumes« umfassen sollte, sondern dass das Straßenland mit Promenade in die Gedenkortkonzeption miteinfließen sollte, um einen Spannungsbogen zum politischen Heute zu spannen.

Das erste Markierungszeichen an dem Ort, die Schrifttafel von 2013, die im Rahmen des Themenjahres »Zerstörte Vielfalt« eingeweiht worden war, war eine erste öffentliche Würdigung, die von der Abteilung Gemeinwesenarbeit des NHU begleitet wurde.

Aus diesen Arbeitszusammenhängen konnte als weiteres Mitglied der G.I.F 15, die Synagogengemeinde Fraenkelufer gewonnen werden, vertreten durch ein Gemeindemitglied, das auch Historiker ist.

Die überbezirkliche Initiative »Gedenkort Fontanepromenade 15« ist in ihrer inhaltlichen Kompetenz gut aufgestellt.

Beim ersten Gespräch am 25. Januar bei der Senatskulturverwaltung wurden die Grenzen der »strukturellen Gewaltenteilung« dargelegt und die Vertreter der Ini, die aus Zeitzeugen, geschichts- und erinnerungspolitisch Erfahrenen, sowie Kunstschaffenden und sich um das historische Berlin Kümmernden, besteht, gebündelt. Die historische Expertise ist mitversammelt, wie die von Wolf Gruner, der 1997 das Grundlagenwerk zum »Geschlossenen Arbeitseinsatz der Juden« verfasste – erst ein Jahr nach der Initiierung des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus durch den kürzlich verstorbenen Bundespräsidenten Roman Herzog, der zu einem würdigen Gedenken aufrief. »Die allmähliche Eskalation der Gemeinheit fand öffentlich statt«, sagte Herzog damals, »und konnte in den Gesetzblättern nachgelesen werden.« (Komplette Rede)

Vereinbart wurde, ein Konzept zu erarbeiten, wofür sich die berlinweite Ini Anfang Februar in Klausur begibt. Mit ihrem Ergebnis wird sie wieder an den Kultursenat herantreten.

Bezirk und Senat haben sich bisher noch nicht öffentlich zu den Forderungen der Initiative geäußert und auch den offenen Brief von Inge Deutschkron unbeantwortet gelassen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2017.

CDU blockiert Flüchtlingsunterkunft

Flüchtlingsfamlien müssen nach Hohenschönhausen / GHS steht weiter leer

Zankapfel GHS: Im Nordflügel der Ex-Schule befindet sich seit Januar eine fertige Unterkunft für 100 Personen.

Foto: rspZankapfel GHS: Im Nordflügel der Ex-Schule befindet sich seit Januar eine fertige Unterkunft für 100 Personen. Foto: rsp

Rund 160 Flüchtlinge, die bisher in Notunterkünften in Kreuzberg untergekommen waren, müssen jetzt den Kiez verlassen, da die Turnhallen der Hector-Peterson-Schule am Tempelhofer Ufer und der Bür­ger­meis­ter-Herz-Grundschule in der Geibelstraße »freigezogen« werden sollen. Gut 100 von ihnen – alles Familien mit Kindern – hätten eigentlich in den Nordflügel der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) umziehen sollen, die bereits seit Anfang des Jahres bezugsfertig ist. Doch unter Federführung der CDU wurde eine Entscheidung über die Unterkunft in der GHS jetzt vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses auf September vertagt. Den Familien steht nun ein Umzug nach Hohenschönhausen bevor, die übrigen Personen sollen berlinweit verteilt werden, unter anderem in die Hangars des Flughafens Tempelhof.

Bei »Kreuzberg hilft« hält man den Auszug aus den provisorischen Notunterkünften zwar grundsätzlich für einen dringend notwendigen Schritt, ist aber besorgt über die Art und Weise, wie die Betroffenen informiert werden. »Die Menschen brechen in eine ungewisse Zukunft auf. Das schafft Raum für Spekulationen und schürt natürlich Ängste«, so die Initiative. Zudem sei unklar, ob in Hohenschönhausen überhaupt ausreichend Kita- und Schulplätze zur Verfügung stünden.

»Planungen ignorieren Sozialraumbezüge«

Kritik erntet das Vorhaben des Lageso auch beim Nachbarschaftshaus Urbanstraße (NHU), wo man sich seit Monaten mit engagierten Mitarbeitern und Freiwilligen um eine »Beheimatung« der Geflüchteten im Stadtteil bemüht. Die Planungen ignorierten soeben erst entwickelte Sozialraumbezüge, beklagt der Verein in einem offenen Brief. »Es bestürzt uns, dass Menschen mit traumatisierenden Erfahrungen der Entwurzelung nun erneut aus persönlichen Beziehungen in einer engagierten Nachbarschaft herausgerissen werden sollen.«

Adressat des NHU-Briefes ist neben Lageso-Leiter Muschter, dem Regierenden Bürgermeister Müller und dem zuständigen Staatssekretär Glietsch auch Mario Czaja (CDU), der als Sozialsenator für die Flüchtlingsunterbringung zuständig ist. Noch vor einem Monat hatte Czaja erklärt, dass bei der bevorstehenden Räumung der Turnhallen soziale Aspekte berücksichtigt und Familien mit Kindern im Kiez bleiben würden, damit Schule und Kita nicht gewechselt werden müssten. Mit der Entscheidung, die Eröffnung der Unterkunft in der GHS weiter auf die lange Bank zu schieben, düpiert die CDU so auch ihren eigenen Senator, der sich zusammen mit dem Bezirk um eine rasche Belegung der GHS bemüht hatte.

Kommentar: Wahlkampf auf Flüchtlingskosten?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.