Schneller zapfen für die Sicherheit

Es ist ja eine alte Binsenweisheit, dass Regen die folkloristischen Maikrawalle deutlich abmildert. Insofern hat auch das feuchte Nass seine segensreiche Wirkung entfaltet. Und natürlich die erfolgreiche Verhinderung des Naziaufmarsches am Prenzelberg! Auch das trug sicherlich zum relativen Frieden bei. Und die Alkoholverknappungsstrategie des Bezirks? Ein komplett alkoholfreier 1. Mai findet wohl nur in Hardcore-Temperenzler-Kreisen ungeteilte Zustimmung. Gut – man könnte dem Bezirksamt zugutehalten, dass jede Flasche, die nicht da ist, auch nicht geworfen werden kann. Dass aber ein Bühnenbetreiber vom Bezirks­amt faktisch gezwungen wird, während des My-Festes alle neun Sekunden einen halben Liter Bier zu verkaufen, um die verordneten Ordner finanzieren zu können, ist schon kurios. Kein Wunder, dass der Physiker Dr. Franz Schulz in die Politik gegangen ist. Wenn er so gut rechnen kann…

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2010.

Heiter bis wolkig

1. Mai in Kreuzberg verlief weitgehend friedlich

Frau mit kleinem Kind auf dem Arm, das Ohrenschützer trägtEin ruhiger 1. Mai – wer wünscht sich das nicht? Foto: rsp

Noch wenige Tage vor dem 1. Mai waren die Medien geprägt von übelsten Befürchtungen zum Verlauf der Kreuzberger Maifeierlichkeiten. Doch trotz Schwarzmalerei im Vorfeld verlief die Traditionsveranstaltung bis auf einige wenige Scharmützel weitgehend friedlich.

Dazu trug sicher auch die gelöste Stimmung nach dem erfolgreich verhinderten Nazi-Aufmarsch in Prenzlauer Berg bei. Linke Gegendemonstranten hatten am Nachmittag, teilweise gewissermaßen gemeinsam mit der Polizei, die Straßen blockiert, so dass die Rechtsextremisten ihre Route auf rund 800 Meter verkürzen mussten. Im Kreuzberger MyFest-Gebiet rund um den Mariannenplatz wurde derweil kräftig gefeiert und gebechert – im wahren Sinne des Wortes, denn das Glasflaschenverkaufsverbot des Bezirks (KuK berichtete im April) wurde relativ konsequent durchgesetzt. Selbst die Aral-Tankstelle in der Skalitzer Straße musste ihr Sortiment kurzfristig auf Bier in Plastikflaschen umstellen – offiziell über das Verkaufsverbot informiert wurde Tankstellenpächter Thomas Kalweit erst am Morgen des 1. Mai.

Nicht ungetrübt war die Veranstaltung auch für die Organisatoren des »Netzwerk MyFest«. Nach Angaben der Initiative, die seit 2003 das MyFest organisiert, wurde der Etat für Bühnen durch den Bezirk gekürzt, so dass die ursprünglich geplante Rockbühne am Oranienplatz kurzfristig abgesagt wurde. Die Finanzierung notwendiger Sicherheitsmaßnahmen wäre auch mit Erlösen aus Getränkeausschank nicht gewährleistet gewesen.

Räuber und Gendarm

Für einige Aufregung sorgte dieses youtube-Video

Zu kleineren Reibereien zwischen Polizei und Demonstranten kam es im Zuge der traditionellen 18-Uhr-Demo. Für einige Aufregung sorgte allerdings eine im Laufe des Abends beim Video­portal youtube veröffentlichte Aufnahme, die zeigt, wie ein Demonstrant am Spreewaldplatz von einem Polizisten ins Gesicht getreten wird. Erfreulicherweise hat die Polizei noch am Abend mit internen Ermittlungen begonnen.

Doch auch die Polizei hat mindestens einen schwerverletzten Beamten zu beklagen, der allerdings nicht, wie es zunächst hieß, mit einem Messer in den Rücken gestochen wurde.

Rangeleien mit der PolizeiNachts um drei kam es nur noch zu den üblichen Rangeleien. Foto: rsp

Spätestens als gegen 22 Uhr Regen einsetzte, war der größte Teil des Krawalls vorbei, vermutlich auch, da zahlreiche potentiell Beteiligte den Heimweg antraten. Erst einige Stunden später kam es in der Adalbertstraße noch zu den üblichen »Räuber-und-Gendarm«-Spielchen. Ausgehend von einigen wenigen amüsierwilligen Krawallmachern, die mitgebrachte Feuerwerkskörper und herumliegenden Müll entzündeten, sahen sich die Ordnungshüter schließlich genötigt, die Straße gegen 4 Uhr morgens komplett zu räumen.

Beste Gelegenheit für die BSR, den gesammelten Müll eines rauschenden Festes von den Straßen zu schaffen. Der bestand – insofern ging die Rechnung des Bezirks auf – tatsächlich kaum aus Glasscherben sondern zum größten Teil aus Plastikbechern.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2010.