Halina Wawzyniak will es wieder packen

Die Netzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken stellt sich im Dodo

Halina Wawzyniak mit KuK-Chefredakteur Peter S. Kaspar.

Foto: philsHalina Wawzyniak mit KuK-Chefredakteur Peter S. Kaspar. Foto: phils

Der Titel ist schon ein wenig sperrig: Netzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von »Die Linke«. Doch wer vor kurzem noch geglaubt hat, dass Halina Wawzyniak nur in einem Exotenfach unterwegs ist, dürfte sich spätestens nach dem NSA-Skandal eines Besseren belehrt sehen.

Vor vier Jahren war die heute 40jährige Juristin sehr überraschend über die Liste ihrer Partei in den Bundestag gekommen.

Im »Dodo« in der Großbeerenstraße erklärte sie beim Redaktionsgespräch der KuK mit Manuela Albicker und Peter S. Kaspar, wie sie das Kunststück wiederholen will. Rund 20 Prozent muss die Linke in Berlin erreichen, damit es wieder klappen kann. Das ist sehr ambitioniert, aber nicht ganz unmöglich. Das Gespräch wurde vor der Syrien-Krise geführt, die nach einigen Umfragen die Werte der Linken deutlich hat steigen lassen.

Was ihr Kernthema betrifft, nämlich die Netzpolitik, hatte sie Erfreuliches für Kneipen mitgebracht, die auf ein offenes WLAN setzen. Die sogenannte Störerhaftung soll endlich fallen. Danach kann bislang jemand, der WLAN zu Verfügung stellt, dafür haftbar gemacht werden, wenn ein Dritter über dieses frei zugängliche WLAN illegale Dinge herunterlädt. Diese Hürde gibt es nach ihren Worten in anderen europäischen Ländern kaum. Und sie ist gleichzeitig auch ein Hindernis für den flächendeckenden Ausbau von freien WLAN-Netzen.

Nach dem NSA-Skandal sieht sie selbst sich kaum in der Lage, konkrete Konsequenzen für sich und ihren Gebrauch von Sozialen Netzwerken wie »Facebook« und »twitter« zu ziehen. Zu wichtig sind sie auch für ihre direkte Kommunikation mit dem Bürger. Allerdings sieht sie auch Änderungen kommen. »Die Generation nach der Generation nach mir fühlt sich von Facebook gar nicht mehr so angesprochen. Da wird Facebook zum Teil schon als Seniorennetzwerk bezeichnet.«

Zwei andere wichtige Schwerpunkte in den vergangenen Jahren sah sie in ihrem Kampf gegen die steigenden Mieten in Kreuzberg und in der Asylpolitik. Da gibt es gleich zwei Protestcamps, nur einige hundert Meter voneinander entfernt. Beide hat sie zum Teil mehrfach besucht.

Das Protestcamp am Oranienplatz ist auch schon ins Visier der Neo­nazis geraten. Und da steht Halina Wawzyniak als wackere Kämpferin gegen alles was aus der Neonazi-Ecke kommt, schon lange. Durch ihre exponiertere Stellung als Abgeordnete lud sie natürlich den Zorn der braunen Gesellen auf sich, weil sie bei Gegendemonstrationen meist in den vorderen Reihen zu finden ist. Die Konsequenz: Drei Mal hat es in den letzten vier Jahren Anschläge auf ihr Bürgerbüro am Mehringplatz gegeben. Lässt sie sich beeindrucken? Sie meint: »Standhaft bleiben«.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Standhaft und optimistisch

Halina Wawzyniak kämpft um ihren erneuten Einzug in den Bundestag

Halina Wawzyniak (Linke) im Gespräch mit der Kiez und Kneipe.

Foto: philsHalina Wawzyniak (Linke) im Gespräch mit der Kiez und Kneipe. Foto: phils

Vor vier Jahren sorgte sie für die große Überraschung im Wahlkreis 83: Halina Wawzyniak gelang über den vierten Platz der Linken-Landesliste der Einzug in den deutschen Bundestag. Wenn ihr das noch einmal gelingen sollte, wäre die Überraschung kaum weniger groß. Das räumte die 40jährige Juristin durchaus auch ein bei ihrem Besuch im »DODO« in der Großbeerenstraße. Dorthin hatte die KuK am Mittwochabend eingeladen. Allerdings zeigte sich Halina Wawzyniak auch durchaus kämpferisch. Warum soll diesmal nicht wieder das gelingen, was schon vor vier Jahren gelang? Damals sorgte sie mit einem ungewöhnlichen Wahlplakat bundesweit für Aufsehen. Dieses Mal kommt sie auf den Plakaten eher bieder daher. Doch das wird wohl kaum so bleiben. Sie hat wohl schon noch einen pfiffigen Pfeil im Köcher. Was für einen, wollte sie indes nicht verraten.

In den vergangenen vier Jahren arbeitete sie im Rechtsausschuss und war netzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Und hier, so glaubt sie, habe sie einiges bewegen können. War Netzpolitik vor vier Jahren im bundesdeutschen Parlament eher eine exotische Angelegenheit, haben inzwischen immer mehr Abgeordnete begriffen, wie wichtig das weltweite Netz ist, und sie holen sich auch immer häufiger Rat bei ihr. Gerade die Vorgänge um den amerikanischen Geheimdienst NSA haben aktuell wieder belegt, welche Bedeutung das Thema inzwischen gewonnen hat.

Darüber hinaus hat sie sich auch intensiv mit Kotti & Co. sowie dem Flüchtlingscamp am Oranienplatz beschäftigt. Und Neonazis haben sich mit ihr beschäftigt. Gleich drei Anschläge haben Rechtsradikale in den letzten vier Jahren auf ihr Bürgerbüro am Mehringplatz verübt. In allen Fällen gilt dann stets ihr Grundsatz: Man muss standhaft bleiben.

Hier ist der komplette Mitschnitt des KuK-Redaktionsgespräches:

Heute abend um 19:00 Uhr geht es weiter mit der SPD-Kandidatin Cansel Kiziltepe im Gasthaus Valentin.

Die Einschläge kommen näher

Eigentlich gibt es ja gute Nachrichten vom rechten Rand. Korruptionsaffären und Führungskämpfe schwächen die Neonazis. Seit ihr wichtigster Geldgeber gestorben ist, scheint auch der Geldhahn zu zu sein, und von der heftigen Intergrationsdebatte können sie auch nicht profitieren.

Aber es gibt auch sehr schlechte Nachrichten. Die braunen Trupps wagen sich nun immer öfter dahin, wo für sie früher eine echte No-Go-Aerea war: Nach Kreuzberg SO 36. Natürlich tun sie es nachts und sie tun es feige, aber sie tun es. Die Einschläge kommen offenbar immer näher.

Vielleicht hat ja das eine mit dem anderen zu tun. Wenn die Führungsstrukturen erodieren, dann wird die Basis unberechenbar. Vielleicht zeigen die Anschläge im autonomen Herzen Kreuzbergs die wahre Verzweiflung der Neonazis. Doch wenn sie wirklich ihre letzte Schlacht schlagen, dann könnte es in den nächsten Wochen und Monaten eher schlimmer als besser werden.

Neonazis fackeln Revolutionsladen ab

Übergriffe von Rechtsextremisten nehmen zu

Zum Glück keine Verletzten. Die verbrannte Auslage des »M99«. Foto: Andreas Potzlow

Ende Oktober verübten Neonazis einen nächtlichen Brandanschlag auf den linksalternativen Laden »M99« in der Manteuffelstraße. Nachdem sie die Auslage des Geschäftes in Brand gesetzt hatten, griff das Feuer auf die Fassade des Wohnhauses über. Laut Geschäftsführer Hans-Georg Lindenau entstand ein Sachschaden von rund 4000 Euro. Das Feuer konnte relativ schnell von der anrückenden Feuerwehr gelöscht werden, so dass glücklicherweise niemand verletzt wurde.

In derselben Nacht kam es zu neonazistischen Sprühereien an dem benachbarten Szeneladen »Red Stuff« und in Neukölln. Dort wurden unter anderem die Scheiben von zwei Kiezinitiativen durch Steinwürfe zerstört und eine Morddrohung an die Wand eines Gewerkschafters gesprüht, der in einem Prozess gegen Neonazis ausgesagt hatte.

Eine weitere Morddrohung wurde in einem Hausflur in Kreuzberg entdeckt. Auch diese betroffene Antifaschistin hatte in einem Prozess gegen Nazis ausgesagt.

Am Abend darauf versammelten sich spontan etwa 300 Linke am Heinrichplatz, um gegen die Angriffe zu demonstrieren. Sie brannten Feuerwerkskörper ab und machten durch Parolen und Transparente auf sich aufmerksam. Als die Polizei anrückte, kam es zu Rangeleien und Festnahmen.

In Neukölln planen lokale Initiativen derweil den zweiten Langen Tag gegen Nazis. Am 13. November wollen sie bei Informations- und Kulturveranstaltungen im Kiez Stellung beziehen. Vorbeischauen lohnt sich bestimmt.

Mehr Informationen zu der Veranstaltung gibt es unter neukoelln.blogsport.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2010.