Götz Müller will keinen Coffeeshop

Der BVV-Fraktionsvorsitzende der CDU stellt sich im »Galander« der Diskussion

Götz Müller beim Redaktionsgespräch im »Galander«.

Foto: csGötz Müller beim Redaktionsgespräch im »Galander«. Foto: cs

»Politik für die Menschen« will er machen, das sagt er ganz am Anfang, und tatsächlich ist ein gutes Dutzend Besucher ins »Galander« gekommen, um sich anzuhören, wie die Politik von Götz Müller aussehen könnte. Seit 2006 ist der gebürtige Wiesbadener für die CDU in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, jetzt will er das Direktmandat erkämpfen – und rechnet sich dafür durchaus Chancen aus.

In der »B.Z.« outete sich Müller kürzlich als Gegner des Flüchtlingscamps am Oranienplatz. Flüchtlinge, sagt er, sähe er kaum noch am Oranienplatz, sondern vielmehr »Linksradikale«, die die Flüchtlinge für »eigene Zwecke« missbrauchten. Überhaupt handele es sich bei dem Gelände um eine öffentliche Grün- und Erholungsanlage, und schon deshalb sei das Camp nicht länger zu tolerieren.

Auch die politischen Forderungen der Flüchtlinge teilt er nicht. Die Residenzpflicht diene unter anderem dazu, zu verhindern, dass alle Flüchtlinge in die Großstädte strömen. Eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber lehnt er ab, da er befürchtet, dass damit ein neuer Niedriglohnsektor eröffnet würde. Außerdem könne ein potentieller Arbeitgeber mit Flüchtlingen nicht planen, da im Schnitt neun von zehn Asylanträgen abgelehnt werden würden.

Eine andere »Grünfläche«, die derzeit die Gemüter in Kreuzberg erhitzt, ist der Görlitzer Park, in dem teilweise ganz offen Drogen gehandelt werden. Den Vorschlag von Bezirksbürgermeisterin Herrmann, einen Coffeeshop einzurichten, um die Problematik zu entschärfen, hält er für ein Grünes Wahlkampfmanöver. Für einen Coffeeshop sieht er nicht nur keine Rechtsgrundlage, sondern befürchtet auch, dass Dealer dann auf den Verkauf von harten Drogen umsteigen. Stattdessen erhofft er sich von einer Verstärkung der Polizeipräsenz eine allmähliche Verdrängung der Dealer.

In fast allen Parteien – auch in der CDU – gibt es Arbeitskreise, die sich mit dem Konzept »Bedingungsloses Grundeinkommens« (BGE) beschäftigen. Als Anhänger des Satzes »Leistung muss sich lohnen« glaubt Müller, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die aus Leidenschaft arbeiten. Damit würde es bald an Mitteln fehlen, ein BGE auszuzahlen. Und auch ein flächendeckender Mindestlohn, so Müller, »ist entweder wirkungslos oder vernichtet Arbeitsplätze.«

Gegen steigende Mieten hat Müller ein einfaches Rezept: Wohnungsneubau, gerne auch am Rande des Tempelhofer Feldes. Außerdem setzt er auf staatliche Förderprogramme, die es Mietern ermöglichen sollen, die von ihnen bewohnte Wohnung zu kaufen.

Mit seinen teils recht exklusiven Ansichten stößt Müller nicht auf ungeteilte Zustimmung, und so entwickelt sich in der anschließenden Fragerunde eine kontroverse Diskussion um Asyl- und Bildungspolitik.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Protest, Polizeipräsenz und Party

Wissenschaftliche Studie zum 1. Mai in Kreuzberg veröffentlicht

Die Auseinandersetzung mit den alljährlichen Geschehnissen am 1. Mai in Kreuzberg wird seit jeher sehr emotional geführt. Jetzt hat sich ein Forschungsteam der FU Berlin wissenschaftlich mit dem Phänomen auseinandergesetzt. Die Wissenschaftler um den Strafrechtler Prof. Dr. Klaus Hoffmann-Holland haben einen ersten Forschungsbericht veröffentlicht, der die Gewalthandlungen aus kriminologischer Sicht analysiert.

Grundlage für die Studie waren Strafakten der Berliner Justiz zum 1. Mai 2009, Interviews mit Besuchern und Beteiligten sowie die Auswertung von Weblogs.

Ein Fazit der Studie ist die Erkenntnis, dass es sich bei den Ereignissen um »ein komplexes soziales Geschehen« handelt, dass »von den verschiedenen Akteuren sehr unterschiedlich gedeutet wird«. Denn selbst die Gruppe der Teilnehmer der traditionellen 18-Uhr-Demo, der das Hauptaugenmerk der Forscher galt, ist mitnichten homogen und hat teilweise sehr widersprüchliche Wahrnehmungen von den gleichen Abläufen. Dies zeigt etwa die Rekon-struktion der Geschehnisse entlang der Demo-Route. Wer wann wen provoziert oder angegriffen hat, was zuerst war, Festnahmen durch die Polizei oder Flaschenwürfe – all das ist selbst unter Demonstrationsteilnehmern bestenfalls unklar.

Ganz grob unterschieden werden drei Gruppen von teilnehmenden Privatpersonen: Diejenigen, die grundsätzlichen politischen Protest zum Ausdruck bringen wollen, diejenigen, die sich vor allem gegen die Polizeipräsenz wenden, und die, für die das »aufregende Erlebnis« im Vordergrund steht.

Erwartungsgemäß viel Raum nimmt die Beschäftigung mit der Wahrnehmung des Verhaltens der Polizei durch MyFest-Besucher und Demonstranten ein.

Katz-und-Mausspiel mit vielen Akteuren

Während ein Teil der Beobachter das Verhalten der Polizei als einschüchternd und bedrohlich wahrnimmt, halten andere es für professionell und routiniert. Von manchen wiederum wird die bloße Präsenz der Polizei als Provokation begriffen und entsprechend reagiert.

Einschüchtern und bedrohlich oder professionell und routiniert? Polizeieinsatz am 1. Mai.

Foto: rspEinschüchtern und bedrohlich oder professionell und routiniert? Polizeieinsatz am 1. Mai. Foto: rsp

Interessant sind auch die Analysen der Wissenschaftler zum weiteren Verlauf des Abends gegen Ende der eigentlichen Demonstration am Kottbusser Tor. Übereinstimmend wird die Situation als chaotisch und unübersichtlich beschrieben. Vielfach wird der Ritualcharakter der Auseinandersetzungen mit der Polizei betont, die von vielen als »Katz-und-Mausspiel« oder als »Sportveranstaltung« gesehen wird. Zunehmend verschwimmen dabei auch die Grenzen zwischen Zuschauern und Beteiligten.

Immer wieder steht dabei auch die Gewaltbereitschaft der Polizei im Fokus der Beobachtungen der Interviewten und Blogger. Häufig wird das Verhalten der Beamten als überzogen kritisiert, auch wenn selbst direkt involvierte gelegentlich Verständnis für »die Bullen« mitbringen und auch übertriebene Gewaltbereitschaft in den eigenen Reihen eingestehen.

Deutlich zeigt die Studie in einer umfangreichen Auswertung der Strafanzeigen aber auch, dass die in den Medien genannten Zahlen von Gewalttätern mit einiger Vorsicht zu genießen sind.

Indessen machen die Forscher in ihrem Bericht keine konkreten Vorschläge zur Prävention. Das war allerdings auch nicht die Aufgabenstellung. Vielmehr ging es um ein grundsätzliches Verstehen der Akteure und Zusammenhänge. Weitere Erkenntnisse könnten sich nach Ansicht der Autoren der Studie etwa durch qualitative Interviews mit beteiligten Polizisten ergeben – und durch Erhebungen zu Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt.

Weitere Informationen sowie der ausführliche Bericht finden sich auf der Webseite des Lehrstuhls unter: fu-berlin.de/maistudie

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2010.