Die meisten Brunnen sind kaputt

Mitten in der Jahrhunderthitze macht Kiez und Kneipe den großen Schwengelpumpentest

Seltene Glücksmomente für Bienenschützer und die Freunde von Straßenbäumen: Das Wasser fließt! Hier an der Ecke Schleiermacher- / Blücherstraße. Foto: ksk

Unauffällig stehen sie am Gehsteigrand. Wer nicht bewusst auf sie achtet, sieht sie oft gar nicht. Wahre Kunstwerke sind darunter, zum Beispiel die alten Lauchhammerpumpen aus dem 19. Jahrhundert mit dem Fischkopf, dem Drachenkopf oder dem Pelikan. Berlin hat einen großen Schatz: Es sind an die 2000 von der öffentlichen Wasserversorgung unabhängige Straßenbrunnen.

Die Idee mit den Pumpen geht auf den Großen Kurfürsten zurück, der 1666 »für Berlin und Cölln die Ordnung feststellte, welche bei der Benutzung und Unterhaltung der öffentlichen Straßenbrunnen beobachtet werden sollte«, wie der Historiker Ernst Fidicin später berichtete. Heute existieren in Kreuzberg noch rund 100 und in Friedrichshain knapp 50 davon.

Sie heißen im Volksmund »Plumpe«, liefern nur Brauchwasser und dienen in Zeiten, in denen das Trinkwasser auf Knopfdruck sprudelt, als eine Art Notwasserversorgung für Krisenfälle. Etwa die Hälfte gehört dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die andere dem Land.

Natürlich können Kinder an so einer Pumpe auch wunderbar herumplanschen. Und sie könnten die Geheimwaffe gegen trockene Sommer, gegen dürstende Straßenbäume und dahinwelkende Wildblumen sein. Wenn, ja wenn die wunderbaren Pumpen nur funktionieren würden. Denn das tun sie häufig nicht.

Mitten in der Jahrhunderthitze hat die KuKden großen Plumpentest gemacht. Im engeren Verbreitungsgebiet existieren laut Plan 34 solcher Pumpen. Zwei davon wurden ohnehin entfernt. Von den übrigen 32 Straßenbrunnen spenden lediglich elf frisches Wasser. Die restlichen 21 sind versiegt.

Wie Pumpe Nummer 4 am Marheinekeplatz. »Die ist schon lange kaputt«, klagt eine Frau, die auf dem Flohmarkt einen Stand mit Playmobilfiguren betreibt. »Wenn Touristen kommen, sag ich immer: Pass auf, sonst fällt dir der Schwengel noch auf den Kopf!« Nummer 52 am Chamissoplatz war ein Jahr lang tot, jetzt geht sie wieder. »Aber die ist so schwergängig, dass ich immer Leute zum Helfen brauche«, beschwert sich eine Frau, die dort Blumen einpflanzt.

Der Pumpentyp »Lauchhammer I« von 1895 mit dem berühmten Fischmaul. Hier vor der Nostitzstraße 49. Foto: ksk

Laut Bezirksamt kostet die Reparatur einer Pumpe nur zwischen 2000 und 10 000 Euro. Warum werden sie nicht flächendeckend alle wieder in Gang gebracht? Vor allem der Bund lässt sich damit Zeit. Tatsächlich haben beim KuK-Test von den 18 Landesbrunnen im Kiez immerhin acht, von den 14 Bundesbrunnen aber nur drei funktioniert.

Es sei in den letzten Jahren ein »erheblicher Investitionsstau« entstanden, gibt das Bonner Bundesamt für Bevölkerungsschutz zu. Gegen das Wässern von Straßenbäumen hat man dort nichts einzuwenden. Allerdings bestehe kein Anspruch auf eine »irgendwie geartete Lieferleistung«.

Derweil hat der Bezirk wieder alle Bürger dazu aufgerufen, angesichts der herrschenden Trockenheit bei der Rettung der Straßenbäume mitzuhelfen. »Jeder Liter zählt«, so Stadtrat Florian Schmidt. Zwei bis drei Eimer pro Baum und Tag sollten es mindestens sein. Woher das Wasser kommen soll, erklärt er nicht. Notfalls eben von der Rentnerin aus dem fünften Stock.

Letzten Sommer wurde noch eine Karte der Schwengelpumpen publiziert. Traut man sich offenbar gar nicht mehr. Hülfe auch wenig genug – die meisten sind ohnehin außer Betrieb.

 

 

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2019.

Für einen Kofferraum voll Enten

Peter S. Kaspar trifft sich mit Bernd Knümann

Einen Tag nachdem wir die Oktober-Ausgabe, in der dieses Porträt erschienen ist, fertiggestellt hatten, ist Bernd Knümann völlig überraschend gestorben. Wir sind tief betroffen und geschockt über seinen plötzlichen Tod, und wir sind sehr traurig darüber, dass aus dem Porträt jetzt gewissermaßen ein Nachruf geworden ist. Leider hatten wir keine Möglichkeit mehr, noch etwas an der gedruckten Ausgabe zu ändern. Das KuK-Team

Bernd Knümann: Technischer Zeichner, Entenhändler Fremdenführer.

Foto: privatBernd Knümann: Technischer Zeichner, Entenhändler Fremdenführer. Foto: privat

Allzu lange ist er noch kein Kreuzberger. Seit zweieinhalb Jahren wohnt er in der Solmsstraße. Doch der Weg, den Bernd Knümann genommen hat, um dahinzukommen, war schon ein etwas abenteuerlicher.

Im Münsterland wurde er geboren, wurde technischer Zeichner, arbeitete in einem Ingenieurbüro, heiratete, wurde in Reken in der Nähe von Münster Gemeinderat für die Grünen und Vater von zwei Kindern. Bis hierhin war das alles ganz normal, abgesehen davon vielleicht, dass er im Münsterland einer der ersten Männer überhaupt war, die Erziehungsurlaub nahmen. Doch dann veränderte ein ganz normaler Urlaub in Ägypten so ziemlich alles.

Bei einem Abstecher in das nördlich von Hur­gha­da gelegene El Gouna, jener jungen Stadt am Roten Meer, die inzwischen auch einen Campus der Technischen Universität Berlin beherbergt, verpassten er und seine damalige Frau einen Abzweig und landeten nicht in der mondänen Hotelstadt, sondern in dem Ortsteil El Bustan, der eigentlich für die einheimischen Bediensteten errichtet wurde. Und dort standen sie plötzlich vor der deutschen Hotelfachschule.

»Wäre das nicht was für dich?«, fragte er seine Frau, die Berufsschullehrerin war. Und so blieben sie in Ägypten hängen. Die Frage war nun allerdings, wie Bernd Knümann selbst seinen Lebensunterhalt verdienen sollte.

Kurz vor Weihnachten klagte ihm ein Hotelier, dass er keine Enten fürs Fest habe. Er setzte sich ins Auto, fuhr 500 Kilometer nach Kairo und tat dort einen Entenhändler auf. Er füllte den Kofferraum mit dem tiefgekühlten Federvieh und bot die Tiere in verschiedenen Hotels in Hurghada und El Gouna an.

Das ging so eine ganze Zeit lang gut, aber die ganze Sache war, wie er heute einräumt, irgendwie ein wenig grenzlegal. Da kam das Angebot der Firma Interwater gerade recht. Dort sollte er technischer Leiter werden – und wurde zum Experten für Umkehrosmose. Während dieses Verfahren in Deutschland bestenfalls für die Herstellung von alkoholfreiem Bier wichtig ist, spielt es in einem notorisch wasserarmen Land wie Ägypten eine überragende Rolle. Damit lässt sich aus Salzwasser Trinkwasser herstellen.

Dass etwas in der Luft lag, bemerkte er schon im Herbst 2010. Nach zehn Jahren brach er seine Zelte in Ägypten ab, rechtzeitig, ehe dort die Revolution ausbrach. Nach einem Abstecher in die Schweiz landete er in Berlin. Er machte eine Ausbildung zum Stadtführer, hat sich selbständig gemacht und inzwischen sein eigenes Unternehmen. Da bietet er beispielsweise so ausgefallene Dinge an, wie die »Poor but Sexy-Tour«, frei nach Klaus Wowereit.

Und was hat er aus seinen Jahren in der Wüste mitgebracht? »Ich habe in Ägypten Demut gelernt – und, dass Wasser viel kostbarer ist, als Benzin.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2013.