Sky schockt Wirte

Bezahlsender will von zahlreichen Fußballkneipen viel mehr Geld

Bald eine Seltenheit? Immer mehr Wirte können sich kein Sky-Abo mehr leisten.

Foto: rspBald eine Seltenheit? Immer mehr Wirte können sich kein Sky-Abo mehr leisten. Foto: rsp

Für Fußballfans könnten harte Zeiten anbrechen. Viele Wirte, die das Schild des Bezahlsenders »Sky« an ihrer Hausfront hängen haben, sind von verärgert bis geschockt. Das Münchner Unternehmen hat die Gebühren für die Sportsbars zum Teil drastisch erhöht. Je nach Lage und Größe der Kneipe kann das fast eine Verdoppelung der Preise bedeuten.

Viele haben schon darauf reagiert. Joachim Mühle vom »Gasthaus Valentin« in der Hasenheide hat seinen Vertrag mit Sky gekündigt. Er will fortan lieber auf Fußball verzichten, nachdem sich für ihn der Preis nahezu verdoppelt hat. Dabei sind es nicht nur die Anhänger des FC Bayern, sondern auch Fans anderer Clubs aus dem Freistaat, die das Fußballangebot zu schätzen wissen. So werden hier auch regelmäßig Spiele des FC Nürnberg oder der Münchner Löwen gezeigt. Die haben kaum Alternativen, anderswo hin auszuweichen.

Ähnlich sieht es in der Cantina Orange aus. Dort stieg die Gebühr um knapp 50 Prozent. »Wir haben mal mit 220 Euro im Monat begonnen«, erzählt die Wirtin Carmen. »Jetzt müssten wir 460 Euro im Monat bezahlen.« Erhöhungen habe es jedes Jahr gegeben, aber so hoch seien sie noch nie ausgefallen. Die Konsequenz war nun klar: Der Vertrag wurde gekündigt, und so gibt‘s Sky in der Cantina nur noch bis zum 31. August. Allerdings arbeiten die Wirte Carmen und Bashkim an einer Lösung, um auch weiterhin Fußball zu zeigen.

Der Fall Cantina Orange zeigt exemplarisch das Dilemma, in dem kleinere Kneipen stecken. Einerseits hat sich hier ein VfB-Fanclub gefunden, der verlässlich jedes Wochenende seinen Umsatz bringt. Andererseits hat der Herzensclub in der letzten Saison alles andere als gut gespielt. Auch das zeigt sich am Umsatz. Eine brillante Saison der Schwaben, vor allem auch auf der internationalen Bühne, würde die erhöhten Kosten von Sky schnell kompensieren. Doch eine weitere Grottensaison der Stuttgarter könnte die Cantina Orange existenziell treffen. Dann lieber auf Fußball verzichten oder doch nach einer anderen Lösung suchen. Doch den Vertrag zu verlängern war keine Option.

Massenkündigungen sind ein Thema

Kneipen, die sich auf Bayern München, Borussia Dortmund oder Hertha BSC verlegt haben, haben nun weniger Probleme. Sie sind in der Regel so gut besucht, dass sie die höheren Kosten wegstecken können.

Doch bei vielen ist die Wut über die Abzockermentalität des Münchner Senders so groß, dass sie sich wehren.

In Hannover hatten 40 Kneipen ihr Abonnement kurzerhand abbestellt. Ähnliches will Joachim Mühle auch erreichen. Er hatte die Wirte aus dem Kiez zu einem Treffen eingeladen, um die Lage zu diskutieren. Da dieses Treffen erst nach Drucklegung dieser Ausgabe stattfand, können wir erst im nächsten Monat darüber berichten.

Doch selbst wenn es eine große Welle von Abbestellungen gibt, ist es fraglich, ob der Sender weich wird und nachverhandelt – wie er es in den letzten Jahren immer wieder einmal in Einzelfällen getan hat.

Tatsächlich hatte das Fußballengagement von Sky und seinem Vorgänger Premiere immer nur einen Zweck: Die Abonnementzahlen im privaten Bereich zu steigern. Dieses Prinzip hat nie funktioniert, und so dümpelt das Unternehmen seit Jahren in den roten Zahlen – sehr zum Verdruss seines greisen Mehrheitsaktionärs Rupert Murdock. Sky beteuert zwar, dass es mit dem neuen Preissystem auch viele Kneipen gäbe, die weniger bezahlen würden. Das betrifft aber in erster Linie ländliche Regionen.

In der Vergangenheit hatte sich Sky bei Kündigungen von Kneipen oft noch gesprächsbereit gezeigt. Ob das diesmal auch so läuft, ist bislang unklar. Klar scheint nur eins: Es wird in Zukunft wohl weniger Fußballkneipen geben.

Update: Rund 40 Wirte kamen bei dem Treffen am Montag im Gasthaus Valentin zusammen, um über Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. Viele von ihnen wollen ihr Sky-Abo jetzt kündigen. Mit einer Facebook-Seite wollen sie über die Problematik informieren und sich weiter vernetzen. Immerhin die Berliner Tagespresse haben sie mit ihrem Treffen schon erreicht. Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, B.Z. und der Berliner Kurier waren vor Ort, und auch Radio Eins berichtete ausführlich über die Not der Kneipiers.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2013.

Cantina in Cannstatter Hand

VfB-Fans vom Prenzelberg finden neue Heimat

Fans des VfB Stuttgart haben in der Cantina Orange ihre neue Heimat gefunden.

Foto: pskFans des VfB Stuttgart haben in der Cantina Orange ihre neue Heimat gefunden. Foto: psk

Es mag ja vielleicht auch daran liegen, dass man in Kreuzberg Minderheiten gegenüber wesentlich toleranter ist als am Prenzelberg. Dort jedenfalls hatte der VfB-Fanclub »Landesvertretung Cannstatt 07« lange Zeit sein Domizil. Aber am Prenzelberg sind auch Plakate aufgetaucht, die den Weg zurück nach Stuttgart weisen (650 Kilometer). Als es dann auch noch innerhalb der Fangruppe Differenzen gab, zog der größere Teil hinaus, um sein Glück zu suchen.

Er fand es in der Cantina Orange. Die Schwäbisch-Albanische Kneipe in der Mittenwalder Straße nahm die Landsleute aus dem Südwesten auch sogleich mit offenen Armen auf. Die VfB-Fans landeten zwar nicht im Land wo Milch und Honig fließen, aber dafür in einer Kneipe, wo sich schwäbische Köstlichkeiten nicht nur in Kässpätzle und Maultaschen erschöpfen. »Außerdem versteht man hier, wenn man eine Halbe bestellt«, schildert einer der Fans die Vorzüge der neuen Fan-Arena.

Seit Anfang Oktober werden die Spiele des VfB Stuttgart in der Cantina nun in voller Länge übertragen, die Konferenz gibt es nur noch dann, wenn die Schwaben nicht spielen. Für das Wirtepaar Carmen und Bashkim rechnet sich das allemal. So drängten sich zum Championsleague-Spiel Stuttgart gegen Sevilla so viele Fußballfans wie noch nie zuvor über die beiden Stockwerke.

Allerdings begannen die ersten Stuttgarter Fans schon zu zweifeln, denn die ersten Spiele an neuer Stätte verliefen durch die Bank nicht gerade so, wie sie sich die erhofft hatten. Der VfB verlor eine Begegnung nach der anderen. Immerhin gab es Trost von den letzten verbliebenen Hertha-Fans. Denen ging es noch schlechter.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.