Was geht und was nicht geht

Rolf-Dieter Reuter erinnert sich an einen alten Wiener Trick

Riesenrad auf dem Wiener PraterGeht’s? Ein alter Trick aus dem alten Wien machte manchen Ober reich. Foto: Thomas Ledl (CC BY-SA 4.0)

Mal abgesehen davon, dass ich die Lektüre der Kolumne meines hochverehrten Kollegen Marotzke wieder einmal sehr erquicklich fand, so fiel mir doch spontan ein, dass dort etwas fehlt.

Nun gut, die Anekdote ist schon ein paar Jahre älter und dürfte sich noch vor der Zeit meines Kollegen zugetragen haben, nämlich im alten Wien, als dort noch mit Schillingen statt mit Euro bezahlt wurde und KuK für »Kaiserlich und Königlich« und nicht für Kiez und Kneipe stand. Kellner hießen damals Ober, waren befrackt und über alle Zweifel erhaben.

Einer dieser Ober vermerkte nun regelmäßig auf jedem Obernblock (Kellner gab’s ja nicht) den Posten »Geht’s? 2 Schilling«. Als nun ein Gast fragte, was es denn mit diesen zwei Schillingen auf sich habe, zog der Ober seine Mundwinkel entäuscht herunter, murmelte so etwa: »Ja, dann göht’s halt neet« und strich den Posten wieder durch.

Als ich noch jung war, fand ich diese Geschichte ziemlich komisch. Nun, in den gesetzteren Jahren, habe ich das Gefühl, dass sich das Wiener Ober-Prinzip ziemlich flächendeckend durchgesetzt hat – am wenigsten übrigens in der Gastronomie.

Eine Insel am Rande des Nordatlantiks stürzt sich mit Wonne in den Abgrund, weil ein Spinner mit wirren blonden Haaren fragt: Brexit? Geht’s? Auf der anderen Seite des Atlantiks regiert einer mit kaum besserer Frisur, auf dessen Rechnungsblock nur solche »Geht’s-Posten« stehen, und er kommt damit seit drei Jahren durch.

Doch auch im eigenen Land scheint dieses fröhliche »Wird-schon-klappen«-Prinzip wunderbar zu funktionieren. Da wird eifrig über die Energiewende diskutiert und gleichzeitig werden Gesetze gebastelt, die die Windkraft faktisch unmöglich machen.

Bei der sich selbst zerstörenden SPD kommt ihr Jungstar auf die fundamental neue Idee, es mal mit direkter Demokratie zu versuchen, um dann im Hintergrund die Urwahl wie einen klassischen Parteitag mit Hinterzimmerpolitik zu dirigieren.

Über den Tempolimit-Verhinderungsminister mit seinem Mautdebakel lohnt es sich schon gar nicht mehr zu reden. Jeder Wiener Kaffeehaus-Ober hätte seine helle Freude an Herrn Scheuer.

Und dann gibt es da noch die Partei, deren Name an dieser Stelle niemals genannt wird. Deren Programm lässt sich sogar komplett auf dieses kleine »Geht‘s?« reduzieren.

Aber es sind bei weitem nicht nur Politiker. Da plustert sich der Deutsche Fußball-Bund seit Jahren auf, wie er gegen den Rassismus und für Menschenrechte kämpft. Aber in zwei Jahren zur Fußball-WM nach Katar fahren. Nein, das geht halt nicht!

Immerhin, es gibt ja Hoffnung: Auch wenn das blonde bezopfte Mädchen aus dem schwedischen Stockholm so manchen im letzten Jahr so richtig genervt hat, so hat sie doch immerhin laut und vernehmlich gesagt: »Nein, das geht nicht!«

Im Grunde genommen bin ich ja kein Freund von Vorsätzen zum neuen Jahr. Aber vielleicht wäre es an der Zeit, sich für die nun anbrechenden 20er Jahre tatsächlich mal vorzunehmen, öfter »Nein, so geht’s nicht« zu sagen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2020.

Unterwegs in Sachen Weltfrieden

Foto:pskStefan Horvath wandert für den Weltfrieden. Foto: psk

Außergewöhnlicher Besuch in der KuK-Redaktion: Der Weltfriedenswanderer Stefan Horvath aus Wien schaute auf einen kurzen Besuch herein, um Kreuzberg zu grüßen. Der 50jährige ist jetzt schon 20 Jahre auf Schusters Rappen unterwegs, um für den Weltfrieden zu werben. 48.000 Kilometer ist er seither gewandert. Das entspricht etwa einmal einer Wanderung entlang des Äquators mit einem kleinen Abstecher nach New York und zurück. Angefangen hatte bei ihm alles mit dem Fall der Mauer und der Erkenntnis, dass er nun hinaus in die Welt müsse, um für dieselbe etwas zu tun. So führte ihn seine Ein-Mann-Friedensmission zum Beispiel bis ins afrikanische Ruanda.

Derzeit ist er in Deutschland unterwegs. Berlin ist dabei stets ein ganz besonderer Anlaufpunkt für ihn. Vor allem Kreuzberg und Schöneberg schätzt er ganz besonders. Diesmal steht allerdings nicht der Weltfrieden im allgemeinen, sondern die Kinderarmut in Deutschland auf seiner Agenda. Gegen sie wendet er sich speziell bei dieser Wanderung. Der ehemalige Bauunternehmer hat mittlerweile zahlreiche Einrichtungen gefunden, die ihn in seinem Wirken unterstützen.