Sky zeigt Nerven und die Wirte die Zähne

Bezahlsender bietet inzwischen Rabatte an

Es hat etwas von Fingerhakeln, was der Münchener Bezahlsender Sky gerade mit den Wirten veranstaltet. So ist es wohl auch kein Wunder, dass sich in Berlin der Widerstand gegen die teils horrenden Preiserhöhungen ausgerechnet im Bayerischen »Gasthaus Valentin« formiert. Auch hier versteht man sich prächtig auf das bajuwarische Brauchtum. Selten war zwischen Bayern und Preußen soviel Einigkeit, als sich die Wirte zum zweiten Mal innerhalb eines Monats im Valentin trafen.

Die Zahlen, die Wirt Joachim Mühle nannte, waren recht aufschlussreich. Nach seinen Worten habe Sky eingeräumt, dass 16 Prozent der rund 500 Sportkneipen in Berlin ihre Verträge gekündigt hätten. 16 Prozent – das wären 80 Kneipen. Diese Zahl bezweifelt der Wirt allerdings. »Alleine in Neukölln, Kreuzberg und Mitte weiß ich schon von 50, die gekündigt haben.« Außerdem wies er noch auf jene Kneipen hin, deren Verträge erst Ende des Jahres auslaufen und die das Geschäft der Hinrunde jetzt einfach noch mitnähmen. Daher betrachtet er die Angaben von Sky mit großer Skepsis.

Die Wirte wehren sich derzeit auf ihre eigene Art und Weise. Die Facebook-Seite »Rettet den Kneipenfußball« hat inzwischen über 3.100 »Likes« bekommen – mit weiter steigender Tendenz.

Aktionstag gegen Sky – Jede achte Sportbar in Berlin hat schon gekündigt

Am letzten Augustwochenende, das für viele Wirte auch ihr letztes Wochenende bei Sky war, blieb die Video­lein­wand dunkel. Stattdessen wurde die gute alte Radioübertragung bemüht. Bei den einen gab‘s Quiz, bei anderen Tip-Kick-Turniere.

Allerdings mehren sich die Zeichen, dass der Sender aus Unterföhring so langsam nervös wird. In zahlreichen Kneipen haben sich inzwischen Sky-Vertreter eingefunden, die den abtrünnigen Wirten ein, zwei oder sogar drei Monate als Rabatt gratis gewähren wollen.

Doch bislang scheint der Wille, auf solche Angebote einzugehen, nicht besonders ausgeprägt: Carmen Weichsel-Dreshaj von der Cantina Orange in der Mittenwalder Straße meint etwa: »Was nützt es mir, wenn sie mir ein oder zwei Monate Rabatt geben und ich im nächsten Jahr dann doch das Doppelte bezahlen muss?«

Doch die Nervosität von Sky zeigt sich auch an anderen Dingen. Auf dem Höhepunkt der Wirte-Krise bietet Sky plötzlich seine Privat­abonnements für ein Jahr zum halben Preis an. Sollte Skys Rechnung stimmen, dass jeder Gast während eines vom Bezahlsender übertragenen Fußballspiels für 18,11 Euro verzehrt, dann könnte diese Rechnung ja wohl aufgehen.

Die Wirte hingegen haben für solche Zahlenspiele nur Hohngelächter übrig. Beim Treffen im »Valentin« fand sich kein einziger Kneipier, der auch nur annähernd solche Durschnittsumsätze erzielt. Die Antworten sind eigentlich stets die gleichen: »Die Leute trinken beim Fußball meistens zwei Bier: Eins in der ersten Halbzeit und eines in der zweiten Halbzeit.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Auch Nichtraucher für Entscheidungsfreiheit

Die IGKW informierte am Marheinekeplatz über die Probleme der Kneipen

Foto: pskDie IGKW informierte am Marheinekeplatz über die Probleme der Kneipen Foto: psk

Die Interessengemeinschaft Kreuzberger Wirte hat sich erstmals in der Öffentlichkeit präsentiert. Mit einem Stand an der Marheineke-Halle machten Kneipenbesitzer aus dem Kiez auf die Probleme der örtlichen Gastronomie aufmerksam. Bei dieser Gelegenheit sammelten sie auch rund 100 Unterschriften für das Volksbegehren der Genussinitiative, die die Entscheidung, ob in Kneipen geraucht werden darf oder nicht, den jeweiligen Wirten überlassen will. Eine erstaunlich hohe Anzahl von Nichtrauchern gab dabei im übrigen ihre Unterschrift für das Volksbegehren ab. Sie begründeten ihr Votum damit, dass sie sich durch ihre Teilnahme gegen die wachsende staatliche Regulierung wenden wollten.

Insgesamt zeigten sich die teilnehmenden Wirte mit dem Ergebnis dieser ersten öffentlichen Veranstaltung sehr zufrieden. Weitere Aktionen werden bereits vorbereitet.

Wirte gründen Interessengemeinschaft

Vier Wochen nach ihrem ersten Treffen kamen Wirte aus Kreuzberg abermals zusammen, um sich über die Situation zu beraten. Dass es nicht nur beim Reden bleiben soll, machte „Mrs Lovell“-Chef Rick Ellis deutlich, der auf ein baldiges drittes Treffen drängte. „Es eilt“, meinte er. Stand bei der ersten Zusammenkunft noch das Nichtraucherschutzgesetz im Mittelpunkt der Diskussion, so verlagerte sie sich nun auf die Frage, wie dem fortschreitenden Kneipensterben Einhalt zu gebieten sei. Schnell wurde klar, dass nachhaltige Maßnahmen nur gemeinsam mit einer klaren Organisationsstruktur ergriffen werden können.

So vereinbarte die Gruppe am Montagabend, zunächst eine Interessengemeinschaft „Kreuzberger Wirte“ zu bilden. Die IGKW soll in erster Linie die Gründung eines Vereines vorantreiben. Davon versprechen sich die Gastronomen eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Ämtern und Politik. Darüber hinaus streben sie eine stärkere Vernetzung mit anderen Initiativen an, die sich aus ähnlichen Beweggründen zusammengeschlossen haben. Auch die Künstler, denen immer mehr Veranstaltungsorte abhanden kommen, sollen mit ins Boot genommen werden. Einige von ihnen verfolgen die Aktivitäten der Kneipenbetreiber bereits aufmerksam. Im Gespräch ist auch eine gemeinsame juristische Vertretung, die allerdings erst dann sinnvoll wird, wenn es durch den Verein einen entsprechenden Ansprechpartner gibt. Schließlich wurde eine Telefonkette vereinbart, mit deren Hilfe sich die Wirte gegenseitig schnell über aktuelle Ereignisse informieren können.

Bereits am 30. März wollen sich die Wirte wieder treffen, diesmal in der Cantina Orange. Das Treffen beginnt um 18 Uhr, und weitere Interessenten sind natürlich willkommen.

Es drängt

Drei Mal innerhalb von sechs Wochen wollen sich die Wirte aus dem Kiez zusammensetzen. War das erste Treffen noch geprägt vom gegenseitigen Erfahrungsaustausch, ging es diesmal ans Eingemachte. Einen Verein wollen sie gründen, sich vernetzen, kreative Wege aus der Krise suchen. Sie dokumentieren damit sehr deutlich: Es geht nicht ums Jammern, es geht um die Tat. Am deutlichsten wurde das beim Nichtraucher-Thema, das auf dem zweiten Treffen schon keines mehr war. Vielmehr ist vielen Wirten klar geworden, um was es tatsächlich geht: Ums nackte Überleben. Steigende Mieten, steigende Bierpreise, dramatisch zurückgehende Gästezahlen, verstärkte Kontrollen durch die Ämter und nicht zuletzt der Strukturwandel im Kiez haben in den letzten zwei, drei Jahren bereits ein gutes Dutzend Kneipen aufgeben lassen – allein in Kreuzberg 61! Namen, die für große Kneipentraditionen standen, sind verschwunden: Matto, Malheur, Enzian, Bermuda, Mistral… die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen. Gut, dass sich die Wirte jetzt zusammensetzen und versuchen, diese Liste nicht noch länger werden zu lassen.

Glück und Pech und Willkür

»Glücksrad könnte auch zu Jubel führen, und Sie wissen, das dürfen Sie nicht.« Diese Auskunft einer Mitarbeiterin des Umweltamtes war wenig hilfreich für Gerald, Wirt des Anno64, der unlängst sämtliche Konzerte in seiner Kneipe bis auf weiteres absagen musste und jetzt nach Alternativen sucht. Denn für Live-Musik fehlt ihm die passende Konzession, und ohne beträchtlichen finanziellen Aufwand für Lärmschutzmaßnahmen und Gutachten wird sich daran auch nichts ändern. Denn was schon immer geduldet wurde, wird auf einmal behördlich verfolgt. Und damit ist Gerald nicht alleine. Die meisten Gastwirte im Kiez hatten schon Besuch vom Ordnungsamt und fühlen sich immer mehr gegängelt. Daher lud die KuK eine Reihe von Wirten zu einem Treffen ein, um über die Problematik zu sprechen.

Joachim vom Valentin konnte von ähnlichen Problemen berichten. Für seinen »Kabarettistischen Jahresrückblick« hatte er eigens eine Sondergenehmigung für 200 Euro beantragt – nachdem er einen längeren Behördenmarathon zwischen Ordnungs- und Umweltamt absolviert hatte. Dabei nützt ihm der teure Wisch im Zweifelsfall auch nichts, sollte es Beschwerden über Lärmbelästigungen geben. Und die gibt es bei fast jedem Gastronom, und sei es, weil er seine Gäste vorschriftsmäßig zum Rauchen vor die Tür schickt.

Vor die Tür schicken muss auch Sylvia ihre Gäste, denn weil es im hinteren Bereich Billard und Kicker gibt, herrscht im Logo trotz eigens eingerichtetem Raucherraum Rauchverbot. Gerade im Winter gehen da viele Gäste lieber gleich nach Hause statt noch auf ein Bier wieder reinzukommen. Andere Wirte, wie zum Beispiel Andreas vom Backbord, gerieten in Konflikt mit der behördlichen Definition von »zubereiteten Speisen«: Obwohl das Backbord unter die Einraumkneipenregelung des Bundesverfassungsgerichtes fällt, darf er das Rauchen nicht erlauben, ohne sein Essensangebot einzustellen. Genau das hat er jetzt getan, denn seinen Gästen ist die Möglichkeit, auch im Winter im Warmen zu rauchen, wichtiger.

»Glück und Pech und Willkür finden momentan ganz unten statt«, meint Andreas. Denn häufig scheint es von der Tagesform der Kontrolleure abzuhängen, was erlaubt sein soll und was nicht oder welche Bußgelder fällig werden.

So erntete dann auch Sylvias Vorschlag, sich einen gemeinsamen Rechtsbeistand zu suchen, der auch die einzelnen laufenden Verfahren miteinander vergleicht, regen Zuspruch. Überhaupt würde sie gerne eine Art Interessensgemeinschaft gründen, die dem Erfahrungsaustausch dienen soll. Zwar wurden organisatorische Details noch vertagt, doch einigte man sich darauf, sich auf jeden Fall wiedertreffen zu wollen. Dann sollen auch weitere ‚Schlachtpläne‘ geschmiedet werden, um die schwierige Situation gemeinsam zu meistern. Gefragt sein werden einerseits Ideen, wie die Bedrohung der Kneipenkultur auch politisch zu thematisieren ist, andererseits gilt es, die Probleme auch als Chance für neue Konzepte wahrzunehmen und zu nutzen. So hat etwa Gerald gerade ein neues Programm angekündigt – mit wöchentlichen Terminen für Kartenspiel und After-Work-Partys, letztere sogar mit Glücksrad. Jetzt kann er nur hoffen, dass der Jubel unbemerkt bleibt.

Der Wirtestammtisch trifft sich wieder am 16.3. um 18:00 Uhr im Mrs. Lovell’s in der Gneisenaustraße 53. Weitere interessierte Gastwirte sind herzlich eingeladen vorbeizukommen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2009.