»Die CDU ist eine andere als vor 20 Jahren«

Vera Lengsfeld zu Gast im Brauhaus Südstern

Dass es überhaupt eine Kandidatin Vera Lengsfeld in Kreuzberg gibt, ist ihrem Kandidatenvorgänger Kurt Wansner zu verdanken. Der rief eines Tages bei ihr an und fragte sie in aller Unschuld, ob sie nicht die Kandidatin für den Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain werden wolle. Zunächst war sie verblüfft, dann aber dachte sie »Das ist aber ein nettes Angebot«.

Diese Aussage sollte nicht die einzige Überraschung an diesem Abend im »Brauhaus Südstern« sein. Die erste war, dass Vera Lengsfeld mit einem ausgesprochen wohlerzogenen Hund zur Fragerunde kam. Ein andere war ihre Reaktion auf die Reaktionen zu ihren umstrittenen Plakaten. Sie kann das Grumeln in der Partei gar nicht verstehen, erklärt aber, dass Frank Henkel, der neue Landesvorsitzende der Meinung sei, dass dieses Plakat der Landes-CDU 200.000 Euro Wahlkampfkosten gespart habe.

CDU-Kandidatin Vera Lengsfeld im KuK-Redaktionsgespräch

Foto: rspCDU-Kandidatin Vera Lengsfeld im KuK-Redaktionsgespräch Foto: rsp

Dass ihre Einstellungen häufig so gar nichts mit den Vorstellungen ihrer Partei zu tun haben, erklärt sie so: »Wenn ich heute hier rumgehe, habe ich das Gefühl, die Leute glauben, es sei noch die Partei wie vor 25 Jahren. Das kann ich ja verstehen, weil dieses Feindbild hatte ich vor 20 Jahren auch. Aber die Partei ist nicht mehr so. Den besten Beweis bietet mein Wahlplakat. Das wäre vor 20 Jahren unmöglich gewesen.«

Man wird an diesem Abend das Gefühl nicht los, als ob der einstmals treue Parteisoldat Kurt Wansner seiner CDU, die ihm vor vier Jahren so übel mitgespielt hat, einen Streich spielen wollte, der ihm noch besser geglückt ist, als er sich das vielleicht gedacht hat. Denn Vera Lengsfeld fand sich nach ihrer Wahlkreiskandidatur plötzlich auf einem einigermaßen aussichtsreichen Listenplatz wieder, nachdem die Basis gegen die Landesführung geputscht hatte.

Insofern hat Vera Lengsfeld wohl recht, dass sich ihre Partei geändert habe, doch als die Frage kommt, was ihre Partei für sie tue, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: »Nichts.«

Tatsächlich scheinen ihre Ansichten in vielen Fällen auch nicht gerade CDU-affin zu sein: in Sachen Vorratsdatenspeicherung findet die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin, die selbst lange unter Observation gelitten hat, die Argumentation nicht schlüssig. »Ich habe Erfahrungen mit flächendeckender Überwachung gemacht. Ich bin nicht dafür, dass man die Bevölkerung entmündigt wegen einer Handvoll Terroristen.«

Nicht anders sieht es bei der Sperrung von Internetseiten aus. »Der Sperrung stehe ich sehr skeptisch gegenüber«, erklärt die CDU-Kandidatin zu dem Gesetz, das immerhin von der Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) stammt.

Die Piratenpartei will Vera Lengsfeld nicht unterschätzen. »Die beackert ein Feld, das von der Politik bisher vernachlässigt wird«, erklärt sie.

In der Diskussion überraschte Vera Lengsfeld schließlich noch mit ihrem klaren Bekenntniss zum bedingungslosen Grundeinkommen. Sie nennt es einen »Befreiungsschlag gegen die Überbürokratisierung, mit der wir zu kämpfen haben.«

Als es um die Mitbewerber ging, schnitt ausgerechnet Halina Wawzyniak von der Linken in den Augen der Unionspolitikerin am besten ab. Über ihren einstigen Mitstreiter Hans-Christian Ströbele zeigte sich die frühere Grüne dagegen verwundert. »Christian hat ganz zugeknöpft auf mein Plakat reagiert.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2009.

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