Kehren vor der eigenen Tür

Putzaktion für Toleranz in der Gneisenaustraße

Putzaktion Gneisenaustraße: Reinemachen als Toleranzkonzept. Foto: psk

Unter dem Moto: »Frühjahrsputz zum Kennenlernen« hatte die Initiative »Tolerantes Kreuzberg« an die U-Bahnstation Gnei­se­nau­straße eingeladen. Nachbarn aus dem Kiez und die Gruppe jener Methadonpatienten, die sich bei kühlem Wetter im U-Bahnhof treffen, sollten gemeinsam die Grünanlagen des Mittelstreifens säubern und sich dabei kennenlernen.

Schon im Vorfeld hatte es für diese Aktion große Unterstützung gegeben. Das Bezirksamt hatte unbürokratisch geholfen, die BSR stellte Reinigungsmaterial zur Verfügung, und aus der Nachbarschaft gingen zahlreiche Sachspenden zum gemeinsamen Verzehr ein. Selbst an die Hunde wurde gedacht. Passanten brachten Leckerlis für die Vierbeiner vorbei. Für den ständigen Kaffee-Nachschub sorgte das »backbord«. Das neu eröffnete »Nonne & Zwerg« überraschte die fleißige Truppe mit mediterranen Schnittchen. »Getränke George« sowie »Nah und gut« be­tei­lig­ten sich mit Getränkespenden, ebenso wie viele andere Privat- und Geschäftsleute, wie zum Beispiel Blumen-Heidi oder die Bäckerei in der Mittenwalder, die alle zum Gelingen dieses Tages irgendwie beitrugen.

Nur das Wetter schien zunächst nicht richtig mitzuspielen. Regen- und Graupelschauer sowie Temperaturen unter zehn Grad ließen nicht darauf schließen, dass sich am Ende insgesamt mehr als 50 Menschen an der Putzaktion beteiligten. Am Nachmittag besuchte auch der stellvertretende Bezirksbürgermeister und Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler den Ort des Geschehens und zeigte sich beeindruckt von diesem Beispiel des nachbarschaftlichen Miteinanders »für einen lebens- und liebenswerten Kiez«, wie es in einem Flyer der Initiative »Tolerantes Kreuzberg« hieß.

Mit diesem Flyer versuchten Mitglieder der Initiative und der Gruppe von U-Bahnhof auch mit Passanten ins Gespräch zu kommen. Ziel war es, Verständnis für die soziale Situation der Methadonpatienten zu wecken und klar zu machen, dass von der Gruppe weder Gewalttätigkeiten noch sonst eine Gefahr ausgehe.

»Trittbrettfahrer« sorgen für Verunsicherung

Meist stießen sie damit auf Verständnis. Doch nicht immer. Es gab allerdings manchmal auch harte Diskussionen und unüberbrückbare Gegensätze. Dann wurde die Gruppe zum Störfaktor erklärt und sie auch schon mal kriminalisiert.

Die Vorurteile schienen sich ausgerechnet wenige Tage nach der sehr gelungenen Veranstaltung zu bestätigen, als die Polizei gleich zwei Mal anrückte.

Tatsächlich hatten sich zwei harte Junkies unter die Gruppe gemischt, die es aber nicht zulassen wollte, dass hier gefixt wurde. Es kam zu körperlichen Auseinandersetzungen und es war schließlich ein Vertreter der Gruppe, der die Polizei alarmierte.

Der Vorfall sorgte anschließend für zahlreiche Spekulationen, die von »reiner Zufall« über »Trittbrettfahrer« bis hin zu »geplanter Provokation« reichten. Trotzdem hält die Gruppe auch weiter an ihrem Plan fest, sich möglichst bald als Verein zu konstituieren, um die Situation langfristig zu verbessern. Dafür haben das Bezirksamt und die Initiative »Tolerantes Kreuzberg« ihre Unterstützung zugesagt.

Zudem sind auch weitere Projekte angedacht. So steht zum Beispiel ein Modell zum Thema »Nachbarschaftshilfe« zur Diskussion.

Mit der Putzaktion, so glauben die Vertreter der Initiative, ist eine gute Grundlage für künftige Aktionen gelegt. Sylvia Zepfel, Kopf der Initiative, erklärte: »Mein Fazit ist, wir brauchen noch mehr solcher Aktionen und Toleranz, um diese Probleme zu lösen. Ich freue mich schon auf das nächste Miteinander.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2017.

Görlitzer Park kommt nicht zur Ruhe

Neue Taskforce soll die Situation verbessern

Mit der Gründung einer Taskforce reagiert nun die Politik auf die sich offenbar verschärfende Drogensituation im Gör­lit­zer Park. Pikant ist die Zusammensetzung des Gremiums. Mit Innensenator Frank Henkel, seinem Staatssekretär Bernd Krömer und Justiz­se­na­tor Thomas Heilmann sitzen drei CDU-Leute, die für Law-and-Order stehen, zwei Vertretern der Grünen, Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Bezirksstadtrat Hans Panhoff, gegenüber. Beide stehen naturgemäß für eine liberalere Drogenpolitik.

Der Görlitzer Park gilt schon lange als Umschlagplatz für meistens weiche Drogen. Doch seit geraumer Zeit ist die Zahl der Dealer enorm gewachsen. Zudem klagen vor allem Anwohner, dass das Auftreten der Rauschgiftverkäufer inzwischen auch ziemlich forsch geworden ist.

In wie weit das richtig oder eher eine subjektive Wahrnehmung ist, ist nur schwer zu überprüfen. Dass die Zahl der Dealer enorm gewachsen ist, lässt sich hingegen belegen. Auch ein Zusammenhang mit den Asylsuchenden in der nahegelegenen Gerhard-Hauptmann-Schule ist schlecht wegzudiskutieren.

So ergeben sich zwei Linien, wie dem Problem beizukommen sei. Der Innensenator sähe am liebsten eine Null-Toleranz-Politik mit hoher Polizeipräsenz in und um den Park. Und ihm geht der Umgang mit den Flüchtlingen in Kreuzberg entschieden zu weit.

Monika Herrmann dagegen hofft, mit einem legalen Coffeeshop den Dealern die Grundlage zu entziehen. Sie setzt mehr auf Dialog und glaubt, dass eine weniger restriktive Flüchtlingspolitik ohne Residenzpflicht und Arbeitsverbot hilfreich wäre.

Einig sind sich die beiden unterschiedlichen Lager in der Taskforce jedoch in einem: Die jetzige Situation im Gör­litzer Park ist so nicht mehr tragbar und den eigentlichen Nutzern des Parks auch so nicht mehr zuzumuten.

Mit den Anwohnern will die Grünen-Fraktion in der BVV im Januar ins Gespräch kommen.

Grünflächenamt vergrämt die Dealer

Bei einer Veranstaltung – so sie zustande kommt – sollen die Mitglieder der Taskforce ihre Vorstellungen kundtun.

Bis dahin ist die Taskforce allerdings auch schon tätig geworden. Zum Teil mit überraschenden Erfolgen. So hat Baustadtrat Hans Panhoff, das Grünflächenamt losgeschickt, um das Unterholz einmal so richtig auszuforsten – das Unterholz, in dem die Dealer auch schon mal gerne ihren Stoff deponieren.

Tatsächlich fanden die Mitarbeiter des Grünflächenamtes nicht nur weiche Drogen in Form irgendwelcher Cannabisprodukte, sondern auch richtig hartes Zeug wie Crystal Meth und Kokain.

Der Hohlweg am Spreewaldbad, den Panhoff einen »richtigen Angstraum« nennt, soll zugeschüttet werden. Durch solche und ähnliche Maßnahmen soll den Dealern die Lust am Dealen genommen werden.

Innensenator Frank Henkel setzt da auf eine andere Strategie. Er will die Grenze für den in der Regel nicht verfolgten Besitz von Cannabis-Produkten für den Eigenbedarf von 10 bis 15 Gramm auf sechs Gramm herabsetzen – und zwar nur für den Park und seine Umgebung.

Die Polizei sieht den Ruf nach größerer Präsenz mit sehr gemischten Gefühlen, denn personell arbeiten die Ordnungshüter am Park sowieso bereits am Anschlag. Noch mehr Präsenz ist angesichts der Personalsituation nur schwer darstellbar. Zudem gerät die Polizei auch immer wieder mit Anwohnern des Görlitzer Parks aneinander. Viele fühlen sich zwar durch die Dealer bedroht, doch die Festnahme eines Dealers wird andererseits auch gerne als unangemessene Polizeigewalt interpretiert.

Inwieweit die Maßnahmen wirklich greifen und welche Konzepte am Ende möglicherweise zum Erfolg führen, wird so schnell nicht festzustellen sein. In der kalten Jahreszeit und den kurzen Tagen, wenn Bäume und Büsche entlaubt sind, sind auch nicht nur weniger Parkbesucher, sondern auch weniger Dealer unterwegs.

Doch das Problem könnte sich im nächsten jahr auch ohne Tatort von selbst lösen. Die Polizei beobachtet, dass viele Dealer den Park verlassen, um andernorts zu dealen. Im Görli gibt es zuviele Kollegen. Das ruiniert die Preise.

Kommentar: Bringt das wirklich was?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2014.

Tourismusdebatte entspannt sich

Weniger Party auf der Admiralbrücke / Preisaufschläge für Touris in der Wiener Straße

Schön ruhig ist es auf der Admiralbrücke zwar immer noch nicht, aber viel entspannter. Foto: psk

In der »Jungle World« war es ein Aufregerthema: Eine Kneipe in der Wiener Straße diskriminiert Touristen, in dem sie von ihnen höhere Preise verlangt, als von Einheimischen. Hat damit das Touristenbashing, das seit etwa drei bis vier Jahren zu den Kreuzberger Populärsportarten gehört, einen neuen unrühmlichen Höhepunkt erreicht?

Gaby Hartmann vom Deutschen Seminar für Tourismus (DSFT) sieht das nicht so. Die in Kreuzberg beheimatete Akademie unterstützt nicht nur Unternehmer, die sich hier im Fremdenverkehr engagieren, sondern betrachtet auch die Entwicklungen sehr genau. »Die Touri-Diskussion hat nicht an Schärfe zugenommen«, erklärt Gaby Hartmann. Eher habe sich die Debatte noch mehr in Richtung Gentrifizierung verlagert. Sie führt als Beispiel die Diskussion um das Guggenheim-Lab an, das ursprünglich in der Schlesischen Straße geplant war und nach massiven Protesten von Gentrifizierungsgegnern an den Prenzlauer Berg abgewandert ist.

Tatsächlich hat sich die Auseinandersetzung um die Touristen an manchen Stellen sogar entschärft. Bis vor einem Jahr galt die Admiralbrücke als der große Brennpunkt. Wo sich an warmen Tagen manchmal drei- oder vierhundert Menschen auf der Brücke drängelten, sind es inzwischen kaum noch die Hälfte. Üppige musikalische Darbietungen sind ebenfalls deutlich weniger geworden.

Gaby Hartmann, die selbst dort in der Nähe wohnt, führt das auf die Polizeipräsenz zurück und darauf, dass die Beamten um 22 Uhr auch tatsächlich für Ruhe sorgen. Sie meint: »Es sind immer noch viele Leute auf der Brücke, aber offenbar ist es den meisten unter Polizeiaugen zu ‚ungemütlich‘, und dann wechseln sie halt den Ort.«

Und der Ort ist kaum hundert Meter weiter die Wiese am Urbanhafen. Da sitzt es sich sowieso viel weicher als auf den harten Beton-Pollern auf der Brücke.

Kommentar zum Thema: Von Eulen und Ochsen

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2012.

Bethanien brennt

Zwölf Verletzte nach mutmaßlicher Brandstiftung

Steine und Scherben – Das Rauchhaus nach dem Brand. Foto: fh

Bei einem Brand im ehemaligen Schwesternhaus des früheren Bethanienkrankenhauses am Mariannenplatz sind am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages zwölf Personen verletzt worden. Gegen sieben Uhr ging der Alarm bei Feuerwehr und Polizei ein. Noch ehe die Rettungskräfte eintrafen, waren zwei Männer im Alter von 32 und 44 Jahren in Panik aus dem ersten Stock des Gebäudes gesprungen und hatten sich dabei Knochenbrüche zugezogen. Im dem Gebäude leben 40 Menschen, doch wegen einer Weihnachtsfeier am Vorabend hielten sich wesentlich mehr Personen in dem Haus auf. Zehn Verletzungsopfer wurden mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert.

Über die Brandursache wurde zunächst wenig bekannt. Allerdings ließ die Polizei verlauten, dass die Kripo von Brandstiftung ausgehe. Tatsächlich soll das Feuer an zwei verschiedenen Stellen ausgebrochen sein. Ein Brandherd soll im Keller, einer im Treppenhaus gelegen haben.

Mit 120 Mann war die Feuerwehr am Morgen ausgerückt. Trotzdem waren zwei Stunden nötig, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Starke Rauchentwicklung behinderte zudem die Bergung der Opfer. Viele von ihnen gelangten zwar selbst rechtzeitig ins Freie. Doch die Feuerwehrleute mussten noch 26 Personen aus dem Gebäude retten. Während der Löscharbeiten war der Bethaniendamm mehr als zwei Stunden komplett für den Verkehr gesperrt.

Äußerlich hat der Brand nur wenig Spuren an dem Gebäude hinterlassen. Dagegen wurden die Innenräume und die elektrischen Intstallationen stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Sachschaden lässt sich derzeit kaum beziffern. Allerdings scheint die Bausubstanz des Hauses nicht beschädigt worden zu sein. Einsturzgefahr bestehe laut Feuerwehr nicht. Trotzdem mussten die meisten Bewohner das Haus verlassen und sich für die nächsten Tage eine neue Bleibe suchen.

Bei dem Schwesternhaus handelt es sich um jenen Teil des Bethanien, der 1971 besetzt und zum „Georg-von-Rauch-Haus“ erklärt wurde und dem die Band „Ton Steine Scherben“ mir dem „Rauch-Haus-Song“ (Das ist unser Haus) ein musikalisches Denkmal gesetzt hatte.

Was für ein Konzept?!

6.500 Polizisten waren im Einsatz. Nur so zum Vergleich: Das entspricht etwa der Einsatzstärke der Polizei am 1. Mai. 6.500 Beamte schützten also das Leben eines 84-jährigen Priesters. Gut, das ist noch einigermaßen verständlich, da Benedikt XVI. als ebenso gefährdet eingestuft wird, wie die Präsidenten Russlands, der USA, Israels, und Afghanistans. Dass zu dem Sicherheitskonzept auch gehört, dass über Fahrtrouten kurzfristig entschieden wird und deshalb gleich mehrere Straßen abgesperrt werden, ist in diesem Sinne auch noch zu verstehen. Aber dass die Polizei eine falsche Telefonnummer für Bürgerfragen angibt, ist schon eine peinliche Panne. Wenn aber jemand, der endlich die richtige Nummer herausbekommen hat, 16 Mal keine Antwort auf eine Frage bekommt, die für einen Wirt durchaus von vitalem Interesse ist, wenn Bewohner ihre eigene Wohnung nicht mehr betreten dürfen, dann darf man schon mal freundlich nachfragen, um was für ein Sicherheitskonzept es sich eigentlich handelt. So richtig populär war der Papstbesuch in Berlin nicht, schon gar nicht in Kreuzberg. Hat sich der Vatikan nichts sagen lassen, oder hat ihm niemand gesagt, dass es wahrscheinlich eine sehr schlechte Idee ist, dass der Heilige Vater ausgerechnet vor den Toren Kreuzbergs am Rande eines für seine Dealer berühmten Parks, sein Haupt zur Ruhe bettet? Am Abend des 22. Septembers stand der Südstern kurz vor einer veritablen Straßenschlacht, wie man sie eigentlich nur vom 1. Mai früherer Tage kennt. Irgendjemand hat dafür gesorgt, dass es überraschenderweise nicht dazu kam. Vielleicht hat ja der Heilige Geist gewirkt.

Der Papst ruht, und der Verkehr bricht zusammen

Straßenschlacht am Südstern fällt aus

6.500 Polizisten aus der ganzen Republik bewachten das Kirchenoberhaupt. Foto: psk

Wenigstens die Polizei ist zufrieden. Aus ihrer Sicht verlief der Besuch von Papst Benedikt »störungsfrei«. Nun gut, nicht ganz. Eine Bremer Polizistin erlitt am Donnerstagabend ein Knalltrauma, als am Südstern ein Feuerwerkskörper in ihrer Nähe detonierte. Allerdings werden vor allem die Bewohner des südlichen Kreuzbergs den Besuch des Kirchenoberhaupts bei weitem nicht so stressfrei in Erinnerung behalten. Beispielsweise eine Bewohnerin der Lilienthalstraße, die in der Mittagspause kurz nach Hause an ihren Computer wollte: Daraus wurde leider nichts, denn sie wurde von der Polizei einfach nicht zu ihrer Wohnung gelassen, obwohl sie sich ausweisen konnte. Erst um 15 Uhr dürfe sie ihre Wohnung wieder betreten, erklärte ihr der Polizeibeamte. Das lag daran, dass Benedikt unplanmäßig in der Nuntiatur mittags eine kleine Auszeit von seinem durchaus anstrengenden Besuchsprogramm genommen hatte. Das Nickerchen führte zu einem Verkehrschaos vor allem in der Gneisenau- und den benachbarten Straßen. Das einzig Gute daran war die Tatsache, dass die Rede des Papstes im Bundestag auf 16:30 Uhr terminiert war und so zumindest absehbar war, wann der außerplanmäßig voll gesperrte Mehringdamm wieder frei sein würde.

Bisweilen wirkten die Sicherheitsbemühungen ein wenig grotesk. 6.500 Polizeibeamte aus der ganzen Republik waren zusammengezogen worden, um über die Sicherheit des 84-jährigen zu wachen. So »bewachte« eine Polizeieinheit aus Lüneburg längere Zeit in der Baerwaldstraße den Willy-Boos-Sportplatz. Vor allem für die Gewerbetreibenden rund um den Südstern war der Donnerstag ein Tag voller Geduldsproben. Die Wirtin des »Mrs. Lovell« versuchte 16 Mal telefonisch bei der Polizei zu erfahren, ob sie ihre Kneipe am Abend öffnen könne und erhielt keine befriedigende Auskunft. Ein Polizist, der Mittags vor dem »Lovells« patroulierte, erklärte ihr schließlich, dass sie am Abend ruhig öffnen könne.

So bot sich den Besuchern am Abend, soweit sie draußen saßen, dann doch ein interessantes Schauspiel. Zahlreiche Demonstranten hatten sich rund um den Südstern, vorallem aber in der Fontanepromenade, versammelt. Zeitweise standen die Zeichen auf Straßenschlacht. Mehrere Hundertschaften aus verschiedenen Bundesländern hatten am Südstern Stellung bezogen, und zum Teil hatten sich die Beamten bereits in Kampfmontur geworfen. Feuerwerkskörper flogen, doch zu weiteren Auseinandersetzungen kam es nicht. Gegen 22:30 Uhr war der Spuk vorbei, und die Polizei konstatierte erleichtert: »Die Nachtruhe des Papstes in der nahe gelegenen Apostolischen Nuntiatur wurde durch die Kundgebung nicht gestört.«

Der Verkehr und der Heilige Vater

Benedikt XVI. macht den Südstern zum Nadelöhr

Ein Bett für den Papst gibt es in der Nuntiatur. Für die Anwohner im Umkreis eines halben Kilometers dagegen jede Menge Stress. Foto: rsp

[Aktualisierte Fassung!]

50.000 Katholiken gibt es in Berlin, von denen sich wohl die meisten auf den Besuch von Papst Benedikt XIV. zwischen dem 22. und 23. September freuen werden. Soweit sie jedoch rund um den Südstern leben, wird ihre Freunde möglicherweise auf eine harte Geduldsprobe gestellt werden.

Der Grund ist recht einfach. Während seines Besuchs wohnt das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates nicht etwa in einer Nobelherberge, sondern in der eigenen Botschaft, der Nuntiatur, die in der Lilienthalstraße liegt, direkt neben der Johannes-Basilika, der Papstkirche in Berlin.

Es fängt bereits am 20. September mit den Einschränkungen an, also zwei Tage vor dem Eintreffen des Pontifex mit weiträumigen Sperrungen um den Südstern. Zwischen 6 und 18 Uhr wird es dort laut Polizeipräsidium zu Verkehrsbeinträchtigungen kommen.

Am 22. landet der Papst um 10:30 Uhr auf dem Flughafen Tegel. Derweil sind die Straßen rund um den Südstern bereits geräumt. Ab sechs Uhr dürfen keine Fahrzeuge, nicht einmal mehr Motorräder, Roller, Mofas oder Fahrräder auf den betroffenen Straßen stehen.

Von Tegel aus geht es aber nicht etwa in die Nuntiatur, sondern gleich ins Schloss Bellevue, wo Bundespräsident Christian Wulff das Oberhaupt der Katholiken empfängt.

Ob sich der Heilige Vater danach schnell in der Nuntiatur frisch machen wird, ehe er im Bundestag um 16:45 Uhr zu den Volksvertretern sprechen wird, ist nicht ganz klar, aber wenn dem so ist, dann wird der Verkehr um den Südstern erst einmal ruhen.

Vom Reichstag geht es dann ins Olympiastadion, wo die so lange umstrittene Messe jetzt doch stattfindet. Ursprünglich war sie vor dem Schloss Charlottenburg geplant.

Danach wird es am Südstern wieder eng, wenn sich Benedikt zur Nachtruhe begibt.

Um welche Straßen handelt es sich nun eigentlich? Sperrungen und Halteverbote gibt es auf der Hasenheide vom Haus 63 (Berliner Mieterverein) bis Südstern und auf der Nordseite von Hasenheide 58 bis Körtestraße. Schlimmer trifft es hingegen die Gneisenaustraße, die bis zur Baerwaldstraße betroffen ist, gleiches gilt für die Blücherstraße. Auch Lilienthal-, Zülichauer und Golßener Straße (bis Jüterboger Straße) sind davon betroffen. Anwohner müssen sich in den abgesperrten Bereichen mit ihrem Personalausweis identifizieren.

Der Trost bleibt, dass der ganze Spuk am nächsten Tag vorbei ist. Um 12 Uhr sollen die Sperrungen wieder aufgehoben werden. Allerdings weiß niemand, wie sich die Übernachtung des Papstes in der Nacht von Donnerstag auf Freitag auf die angrenzende Gastronomie auswirken wird. Die hat wenigstens einen Trost: Am Samstag beginnt dann schon das Berlin-Marathon-Wochenende – und da gibt es bestimmt wieder viel zu tun.

Bereits am Dienstag wurden in der Lilienthalstraße die Kanal- und Gullideckel versiegelt. Foto: rsp

Update: Anscheinend werden die Einschränkungen nicht so stark sein, wie anfangs befürchtet. Auf Rückfrage teilte der für die Maßnahmen rund um die Nuntiatur zuständige Polizeiabschnitt 55 mit, dass nur der Bereich unmittelbar um die vatikanische Botschaft von den Sperrungen betroffen ist. Zwar gilt in den angrenzenden Straßen ein umfassendes Halteverbot – auch für Mopeds und Fahrräder – doch kommt es nur während der An- und Abreise des Papstes tatsächlich zu Sperrungen für den Durchgangsverkehr. Auch der U-Bahnhof Südstern ist entgegen einer Meldung des Tagesspiegels laut BVG ganz normal geöffnet. Allerdings werden die dazugehörigen Bushaltestellen zwischen Donnerstagmorgen und Freitagmittag nicht angefahren. Wegen der derzeitigen Bauarbeiten auf der U7 wirkt sich das dann aber nicht erst auf den Nachtverkehr (N7), sondern bereits auf den ab ca. 22 Uhr verkehrenden Schienenersatzverkehr aus.

Aufatmen können auch die in der Gneisenaustraße ansässigen Gastronomen und Ladenbesitzer: Laut Polizei steht einer Öffnung nichts entgegen. Lediglich in der Lilienthalstraße ist der Zutritt ausschließlich für Anwohner mit Personalausweis möglich. Ein Ausweisdokument mit sich zu führen, dürfte sich aber grundsätzlich für alle Besucher der Gegend empfehlen. (rsp)

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2011.

Der Südstern bleibt unerreicht

1. Mai so ruhig wie seit Jahren nicht mehr

Seht wie der Zug der Millionen...: es waren aber nur 10.000 auf dem Kottbusser Damm. Foto: rsp

Die Routenführung der revolutionären Mai-Demo hatte schon seit Tagen zu Diskussionen geführt. Über den Kottbusser Damm, die Sonnenallee, in einem Kringel durch Neukölln sollte der Zug über die Hasenheide schließlich bis zum Südstern ziehen. Warum es gerade der Südstern sein sollte, blieb ein wenig schleierhaft, und außerdem schien eine Demonstrationsstrecke von 6,21 Kilometern am Sonntagabend doch reichlich ambitioniert.

Immerhin, die rund 10.000 Demonstranten, die sich um 18 Uhr an der Kottbusser Brücke versammelten, hätten es zumindest zeitlich schaffen können. Um 20.30 Uhr wollten sie am Südstern sein. Um 20 Uhr endete die Demo vorerst am Hermannplatz. Zuvor war es zu den üblichen Rangeleien zwischen Polizei und Autonomen gekommen. Von der einen Seite flogen Steine und Flaschen, von der anderen kam Pfefferspray. Doch im Großen und Ganzen blieb alles doch sehr verhalten.

Dass bei einigen Steinwürfen ausgerechnet die genossenschaftlich organisierten Volksbanken der Zorn der Demonstranten traf, irritierte den Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne).

Kurz nach 20 Uhr schienen sich die Ereignisse am Hermannplatz zu überschlagen. Da wurde von Rauch über dem Hermannplatz getwittert, von blutigen Nasen und von Pfefferspray. Dann kam plötzlich die Nachricht, dass die eigentlich für beendet erklärte Demo doch noch bis zum Südstern weiterziehe, was Sekunden später widerrufen wurde.

Etwa zur gleichen Zeit wurden noch einmal massiv Polizeikräfte aus der ehemaligen Polizeikaserne am Columbia­damm herangeführt. Parallel dazu kamen auch zahlreiche Mannschaftsfahrzeuge aus dem Volkspark Hasenheide, die sich dort bisher in Deckung gehalten hatten.

Nun begann sich die Menge am Hermannplatz zu verteilen. Das Gros allerdings setzte sich nun doch wieder in Richtung Südstern in Bewegung, bog dann allerdings unvermittelt in die Jahnstraße ab.

Der Zug war unterwegs in den Graefekiez. Und so kamen schnell Spekulationen auf, dass es am Zickenplatz noch zu einer größeren Auseinandersetzung kommen könne, die aber trotz oder wegen eines starken Polizeiaufgebotes ausblieb.
Am Ende landeten die meisten doch wieder dort, wo alles angefangen hatte. Nun bewahrheitete sich das, was die Polizeiführung schon im Vorfeld vermutet hatte: Statt großer Straßenschlachten würde es diesmal zu einer Art »Guerilla-Taktik« kommen. Immerhin brannte an der Ecke Wiener-/Glogauer Straße ein Auto.

Am Ende waren sich alle Seiten wenigstens über eines einig. So ruhig und friedlich war der 1. Mai in Kreuzberg lange nicht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2011.

Heiter bis wolkig

1. Mai in Kreuzberg verlief weitgehend friedlich

Frau mit kleinem Kind auf dem Arm, das Ohrenschützer trägtEin ruhiger 1. Mai – wer wünscht sich das nicht? Foto: rsp

Noch wenige Tage vor dem 1. Mai waren die Medien geprägt von übelsten Befürchtungen zum Verlauf der Kreuzberger Maifeierlichkeiten. Doch trotz Schwarzmalerei im Vorfeld verlief die Traditionsveranstaltung bis auf einige wenige Scharmützel weitgehend friedlich.

Dazu trug sicher auch die gelöste Stimmung nach dem erfolgreich verhinderten Nazi-Aufmarsch in Prenzlauer Berg bei. Linke Gegendemonstranten hatten am Nachmittag, teilweise gewissermaßen gemeinsam mit der Polizei, die Straßen blockiert, so dass die Rechtsextremisten ihre Route auf rund 800 Meter verkürzen mussten. Im Kreuzberger MyFest-Gebiet rund um den Mariannenplatz wurde derweil kräftig gefeiert und gebechert – im wahren Sinne des Wortes, denn das Glasflaschenverkaufsverbot des Bezirks (KuK berichtete im April) wurde relativ konsequent durchgesetzt. Selbst die Aral-Tankstelle in der Skalitzer Straße musste ihr Sortiment kurzfristig auf Bier in Plastikflaschen umstellen – offiziell über das Verkaufsverbot informiert wurde Tankstellenpächter Thomas Kalweit erst am Morgen des 1. Mai.

Nicht ungetrübt war die Veranstaltung auch für die Organisatoren des »Netzwerk MyFest«. Nach Angaben der Initiative, die seit 2003 das MyFest organisiert, wurde der Etat für Bühnen durch den Bezirk gekürzt, so dass die ursprünglich geplante Rockbühne am Oranienplatz kurzfristig abgesagt wurde. Die Finanzierung notwendiger Sicherheitsmaßnahmen wäre auch mit Erlösen aus Getränkeausschank nicht gewährleistet gewesen.

Räuber und Gendarm

Für einige Aufregung sorgte dieses youtube-Video

Zu kleineren Reibereien zwischen Polizei und Demonstranten kam es im Zuge der traditionellen 18-Uhr-Demo. Für einige Aufregung sorgte allerdings eine im Laufe des Abends beim Video­portal youtube veröffentlichte Aufnahme, die zeigt, wie ein Demonstrant am Spreewaldplatz von einem Polizisten ins Gesicht getreten wird. Erfreulicherweise hat die Polizei noch am Abend mit internen Ermittlungen begonnen.

Doch auch die Polizei hat mindestens einen schwerverletzten Beamten zu beklagen, der allerdings nicht, wie es zunächst hieß, mit einem Messer in den Rücken gestochen wurde.

Rangeleien mit der PolizeiNachts um drei kam es nur noch zu den üblichen Rangeleien. Foto: rsp

Spätestens als gegen 22 Uhr Regen einsetzte, war der größte Teil des Krawalls vorbei, vermutlich auch, da zahlreiche potentiell Beteiligte den Heimweg antraten. Erst einige Stunden später kam es in der Adalbertstraße noch zu den üblichen »Räuber-und-Gendarm«-Spielchen. Ausgehend von einigen wenigen amüsierwilligen Krawallmachern, die mitgebrachte Feuerwerkskörper und herumliegenden Müll entzündeten, sahen sich die Ordnungshüter schließlich genötigt, die Straße gegen 4 Uhr morgens komplett zu räumen.

Beste Gelegenheit für die BSR, den gesammelten Müll eines rauschenden Festes von den Straßen zu schaffen. Der bestand – insofern ging die Rechnung des Bezirks auf – tatsächlich kaum aus Glasscherben sondern zum größten Teil aus Plastikbechern.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2010.

Ordnungsrechtliche Kleinkrämerei

Seit Jahren ist Kreuzberg alljährlich Schauplatz von Randale und Krawall. Jetzt hat das Bezirksamt den Übeltäter ausfindig gemacht: Alkohol, vor allem in Flaschen. Zweifellos enthemmt Alkohol, und zweifellos fliegen im Zuge der Konfrontationen mit der Polizei leere Flaschen oder meinetwegen auch volle Dosen. Und ja, der 1. Mai ist ein gesetzlicher Feiertag, an dem die Ladenöffnungszeiten per Gesetz eingeschränkt sind. Aber ein Straßenfest lebt auch und gerade von seiner Stellung als Ausnahmezustand: Wo sonst Autos fahren stehen Bühnen, und am Straßenrand gibt es Stände, und da gibt es dann eben auch – einmal im Jahr – Bier zu kaufen. Wenn jetzt das Bezirksamt durch ordnungsrechtliche Kleinkrämerei versucht, die Problematik des 1. Mais zu lösen, dann ist das vor allem eine Bankrotterklärung, die auch die trifft, die einfach friedlich feiern wollen und ihr Bier lieber trinken als es zu werfen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2010.

Alkoholfrei in den Mai

Bezirksamt verhängt Verkaufsverbot für Glasflaschen

Wer am Morgen eines 2. Mais zwischen Mariannenplatz und Kotti durch die Straßen von Kreuzberg 36 schlendert, darf sich auf das Durchwaten etlicher Scherbenhaufen gefasst machen. Wenn es nach dem Bezirksamt geht, soll sich das dieses Jahr ändern.

Bald arbeitslos? (Glas-)Flaschensammler auf dem Mariannenplatz Foto: rsp

In einem im Internet veröffentlichten Schreiben teilte man Mitte März den Anwohnern und ansässigen Gewerbetreibenden mit, dass dieses Jahr ein umfassendes Verkaufsverbot für Glasflaschen und Getränkedosen bestehe. Darüber hinaus dürfe an Anwohnerständen kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden, auch nicht in Pappbechern. Auch wolle man die ohnehin bestehenden gesetzlichen Regelungen zu Ladenöffnungszeiten konsequent verfolgen. Im Klartext heißt das, dass Kiosk- und Spätkaufbesitzer ihre Geschäfte nicht öffnen dürfen und auch Dönerläden und Kneipen der Außer-Haus-Verkauf von Glasflaschen untersagt ist.

Begründet wird das Verkaufsverbot mit der Unfallgefahr, aber auch mit der besonderen Eignung von herumliegenden Flaschen als Wurfgeschoss bei den alljährlichen Randalen. Und »auch gefüllte Dosen«, so der stellvertretende Bezirksbürgermeister Dr. Peter Beckers, »sind Wurfgeschosse.«

Mit Vorgaben oder Vorschlägen der Polizei habe die neue Regelung nichts zu tun, vielmehr handle es sich Ideen der MyFest-Organisatoren, erklärte Beckers weiter. Betroffen ist das gesamte Areal zwischen Mariannenplatz, Oranienplatz und Skalitzer Straße.

Eben dort, Skalitzer Ecke Mariannenstraße, befindet sich der Getränkehändler, der am 1. Mai vermutlich den größten Umsatz erwirtschaftet: Die Aral-Tankstelle von Thomas Kalweit. Laut Beckers soll das Flaschenverkaufsverbot auch hier gelten.

Glasflaschenverkaufsverbot soll auch für Tankstelle gelten

Für Thomas Kalweit würde ein Verkaufsverbot einen Umsatzausfall von 40.000 Euro bedeuten, immerhin mehr als ein Viertel des MyFest-Etats. Bescheid gesagt hat ihm indessen noch niemand. »Da kann man mir auch nicht mit Staatsraison kommen«, sagt der Aral-Pächter, der der Angelegenheit aber gelassen entgegensieht und auch auf die Lobby seiner ‚Company‘ vertraut.

Das mit der Regelung einhergehende faktische Alkoholverkaufsverbot hält er selbst für keine gute Idee: »Solange die immer noch ihren Alkohol kriegen, sind sie friedlich.«

Wenn er wirklich kein Bier verkaufen darf, wird er seine Tankstelle am 1. Mai einfach schließen. Das wäre ärgerlich für die Einsatzkräfte von Polizei und Rettungsdienst, dient ihnen doch die Tankstelle traditionell auch als eine Art Knotenpunkt und Rückzugsort.

Noch ist nicht hundertprozentig sicher, ob sich das Flaschenverbot tatsächlich auch auf die Aral-Tankstelle bezieht, und Kalweit will erst einmal abwarten, bis er direkt vom Ordnungsamt angesprochen wird. Fest steht aber schon jetzt, dass das Vorhaben des Bezirksamts in der Umsetzung nicht unproblematisch sein wird. Das Mitbringen von Flaschen in die ‚Bannmeile‘ ist nicht verboten, folglich wird es auch keine Taschenkon­trollen geben, die, wie es hieß, ohnehin nicht politisch gewünscht seien. So dürfte es, was den Alkoholkonsum aber auch die Anzahl potentieller »Wurfgeschosse« angeht, kaum einen Unterschied zu den Vorjahren geben, in denen teilweise sogar noch Mehrweg-Flaschen zum Zwecke der Müllvermeidung propagiert wurden.

Für Kalweit, aber vor allem auch die vielen kleinen Geschäfte in der Festzone werden die Umsatzeinbußen sicher spürbar sein. Profitieren werden höchstens die Betreiber der wenigen Alkohol ausschenkenden Stände, die in der Nähe von Bühnen genehmigt werden. Abzuwarten bleibt, wie die Besucher angesichts der Mangelsituation reagieren. Ob Alkoholentzug bei den Feierwilligen zur guten Laune beiträgt, ist wohl eher ungewiss.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2010.

Protest, Polizeipräsenz und Party

Wissenschaftliche Studie zum 1. Mai in Kreuzberg veröffentlicht

Die Auseinandersetzung mit den alljährlichen Geschehnissen am 1. Mai in Kreuzberg wird seit jeher sehr emotional geführt. Jetzt hat sich ein Forschungsteam der FU Berlin wissenschaftlich mit dem Phänomen auseinandergesetzt. Die Wissenschaftler um den Strafrechtler Prof. Dr. Klaus Hoffmann-Holland haben einen ersten Forschungsbericht veröffentlicht, der die Gewalthandlungen aus kriminologischer Sicht analysiert.

Grundlage für die Studie waren Strafakten der Berliner Justiz zum 1. Mai 2009, Interviews mit Besuchern und Beteiligten sowie die Auswertung von Weblogs.

Ein Fazit der Studie ist die Erkenntnis, dass es sich bei den Ereignissen um »ein komplexes soziales Geschehen« handelt, dass »von den verschiedenen Akteuren sehr unterschiedlich gedeutet wird«. Denn selbst die Gruppe der Teilnehmer der traditionellen 18-Uhr-Demo, der das Hauptaugenmerk der Forscher galt, ist mitnichten homogen und hat teilweise sehr widersprüchliche Wahrnehmungen von den gleichen Abläufen. Dies zeigt etwa die Rekon-struktion der Geschehnisse entlang der Demo-Route. Wer wann wen provoziert oder angegriffen hat, was zuerst war, Festnahmen durch die Polizei oder Flaschenwürfe – all das ist selbst unter Demonstrationsteilnehmern bestenfalls unklar.

Ganz grob unterschieden werden drei Gruppen von teilnehmenden Privatpersonen: Diejenigen, die grundsätzlichen politischen Protest zum Ausdruck bringen wollen, diejenigen, die sich vor allem gegen die Polizeipräsenz wenden, und die, für die das »aufregende Erlebnis« im Vordergrund steht.

Erwartungsgemäß viel Raum nimmt die Beschäftigung mit der Wahrnehmung des Verhaltens der Polizei durch MyFest-Besucher und Demonstranten ein.

Katz-und-Mausspiel mit vielen Akteuren

Während ein Teil der Beobachter das Verhalten der Polizei als einschüchternd und bedrohlich wahrnimmt, halten andere es für professionell und routiniert. Von manchen wiederum wird die bloße Präsenz der Polizei als Provokation begriffen und entsprechend reagiert.

Einschüchtern und bedrohlich oder professionell und routiniert? Polizeieinsatz am 1. Mai.

Foto: rspEinschüchtern und bedrohlich oder professionell und routiniert? Polizeieinsatz am 1. Mai. Foto: rsp

Interessant sind auch die Analysen der Wissenschaftler zum weiteren Verlauf des Abends gegen Ende der eigentlichen Demonstration am Kottbusser Tor. Übereinstimmend wird die Situation als chaotisch und unübersichtlich beschrieben. Vielfach wird der Ritualcharakter der Auseinandersetzungen mit der Polizei betont, die von vielen als »Katz-und-Mausspiel« oder als »Sportveranstaltung« gesehen wird. Zunehmend verschwimmen dabei auch die Grenzen zwischen Zuschauern und Beteiligten.

Immer wieder steht dabei auch die Gewaltbereitschaft der Polizei im Fokus der Beobachtungen der Interviewten und Blogger. Häufig wird das Verhalten der Beamten als überzogen kritisiert, auch wenn selbst direkt involvierte gelegentlich Verständnis für »die Bullen« mitbringen und auch übertriebene Gewaltbereitschaft in den eigenen Reihen eingestehen.

Deutlich zeigt die Studie in einer umfangreichen Auswertung der Strafanzeigen aber auch, dass die in den Medien genannten Zahlen von Gewalttätern mit einiger Vorsicht zu genießen sind.

Indessen machen die Forscher in ihrem Bericht keine konkreten Vorschläge zur Prävention. Das war allerdings auch nicht die Aufgabenstellung. Vielmehr ging es um ein grundsätzliches Verstehen der Akteure und Zusammenhänge. Weitere Erkenntnisse könnten sich nach Ansicht der Autoren der Studie etwa durch qualitative Interviews mit beteiligten Polizisten ergeben – und durch Erhebungen zu Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt.

Weitere Informationen sowie der ausführliche Bericht finden sich auf der Webseite des Lehrstuhls unter: fu-berlin.de/maistudie

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2010.

Hubschrauber, Bürgerwehr und gute Worte

Ratlosigkeit im Kampf gegen Autobrandstifter

Brennende Autos in Kreuzberg und Friedrichshain scheinen inzwischen zum Alltag zu gehören. Wie die Berliner Polizei diesem inzwischen chronischen Problem endlich Herr werden will, hat Polizeipräsident Glietsch in einem großen Interview, das er dem »Tagespiegel« gegeben hat, leider nicht verraten. Dagegen hat der frühere CDU-Bundestagskandidat für Kreuzberg der gleichen Zeitung verraten, was er ablehnt, nämlich eine Bürgerwehr.

Tatsächlich ist die Ratlosigkeit aller Orten inzwischen ziemlich groß. Die Bürgerlichen Parteien werfen der Berliner Polizei vor, zu wenig gegen die steigende Zahl der Brandstiftungen zu unternehmen, doch ein Patentrezept haben auch sie nicht.

Einen Rückschlag mussten die Ermittlungsbehörden nun hinnehmen, als die Justiz zwei Verdächtige wieder laufen ließ und der Polizei mehr oder minder deutlich Schwächen in der Ermittlung unterstellten.

Tatsächlich scheinen die Beamten bisweilen etwas unbedarft zur Werke zu gehen. In der militanten linken Szene amüsiert man sich jetzt noch über die polizeiliche Einschätzung eines Brandanschlages auf einen mehr als zehn Jahre alten japanischen Mittelklassewagen. Da dieses Modell nun schon ziemlich betagt war und außerdem entschieden nicht ins Hochpreissegment passte, entschied die Polizei messerscharf, dass es sich dabei nicht um einen politisch motivierten Brandanschlag handele.

Die Polizei musste sich dann allerdings von der linken Szene korrigieren lassen. Ein Wagen mit dem Kennzeichen B-DM 1933 habe durchaus eine politische Bedeutung, zumal er einer, wie die Linken behaupteten, bekennenden Rechtsextremistin gehöre.

Dieter Glietsch, will im Kampf gegen die Autozündler weder Hubschrauber einsetzen, wie das zum Beispiel schon im Kampf gegen Sprayer passiert ist, noch will er bestätigen, dass die Polizei Lockfahrzeuge einsetzt.

Er hofft, dass vor allem linke Politiker mit guten Worten auf die Szene einwirken können, damit die Brandanschläge aufhören. Kurt Wanser wird das nicht genügen. Er fürchtet sowohl um seinen Kiez, als auch, dass Bürger zur Selbtsjustiz schreiten könnten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Krach um die Brücke

Bürgerdiskussion um die Admiralbrücke erneut ergebnislos

Partymeile im Wohnviertel

Foto: rspPartymeile im Wohnviertel Foto: rsp

Dienstagabend, 22 Uhr. Rund 70 feierfreudige junge Menschen sitzen neben und zwischen den schmalen Fahrspuren, teils auf den hässlichen Waschbetonpollern, teils auf dem Boden. Sie haben gute Laune, und manche haben eine Gitarre oder Bongotrommeln dabei. Als sich ein Polizeiwagen zwischen den Füßen der am Straßenrand sitzenden durchschiebt, hört der junge Mann, der eben noch rhythmisch mit einem Löffel auf einer Metallschüssel und seinem Flaschenbier herumgetrommelt hat, instinktiv auf, bis die Streife weitergefahren ist. Vom anderen Ende der Brücke schallt von einer größeren Gruppe Gesang herüber. Nebenan führen ein paar Teenager eine angeregte Diskussion, deren Inhalt allerdings in der allgemeinen Geräuschkulisse untergeht.

Kaum einer von ihnen weiß, dass bis vor zwei Stunden noch heftig über sie diskutiert wurde. Denn an den Ufern des Landwehrkanals, die hier von der Admiralbrücke miteinander verbunden werden, wohnen Menschen, die lieber schlafen wollen, als akustisch an der allabendlichen Party teilzuhaben. An jenem Dienstag trafen sie sich erneut zur Bürgerdiskussionsrunde, zu der Baustadträtin Jutta Kalepky ins Rathaus geladen hatte.

Eigentlich sollte es dabei um zwei Alternativvorschläge für bauliche Veränderungen an der Brücke gehen. Wenn Autos und Fahrräder in großer Zahl die Brücke kreuzten, so das Kalkül, würde die Aufenthaltsqualität für feierwillige Fußgänger so weit sinken, dass die nächtlichen Ruhestörer sich einen anderen Treffpunkt suchen würden.

Doch schon zu Anfang der Diskussionsrunde ruderte Kalepky zurück. Einerseits ginge es ihr gar nicht darum, das jugendliche Partyvolk komplett zu vertreiben, andererseits sei zumindest der eine der Vorschläge aus Gründen der Statik vermutlich nicht durchführbar. Für echten Durchgangsverkehr ist die Brücke, die derzeit als Spielstraße ausgewiesen ist, nämlich nicht stabil genug.

Die meisten Anwohner haben ja auch gar nichts gegen das lustige Treiben auf der Brücke – solange es denn irgendwann endet. Doch um zehn Uhr abends geht es auf der Brücke erst richtig los. »Man merkt regelrecht, wie sich das Publikum am späteren Abend verändert«, sagt eine genervte Anwohnerin, »es kommen jüngere, lautere und betrunkenere Leute.« Denen scheint die Nachtruhe der Anwohner egal zu sein. Einige Nachbarn rufen drei Mal am Abend die Polizei, doch die sorgt immer nur kurzzeitig für Abhilfe und erklärt sich ansonsten für unzuständig, von sich aus tätig zu werden.

So wurden dann auch teils abenteuerliche Ideen in die Diskussion geworfen. »Wäre die Straße keine Spielstraße«, so ein Anwohner, »könnte die Polizei gegen die auf der Straße sitzenden vorgehen.« Auch über ein Alkoholverbot wie auf dem Alexanderplatz oder eine uhrzeitabhängige Spielstraßenregelung wurde diskutiert.

Für einigen Unmut sorgte dann allerdings die von einem SPD-Abgeordneten der BVV zutage geförderte Presseerklärung der Grünen, in der bauliche Veränderungen kategorisch ausgeschlossen werden. »Es ist verkehrspolitischer Quatsch, wenn man die Geräusche der Brückenbesucher durch Lärm von neuem Durchgangsverkehr ersetzt«, wird darin Kalepky zitiert. Pikant daran ist, dass die Presseerklärung vorgibt, das Ergebnis der Diskussionsrunde wiederzugeben, obwohl sie bereits im Vorfeld veröffentlicht wurde. Viele Anwohner stellen sich jetzt die Frage, ob ihre Anregungen zu alternativen Umbau- und Umgestaltungsmaßnahmen in der weiteren Planung überhaupt berücksichtigt werden. Sicher scheint aber, dass sich an der derzeitigen Situation in nächster Zeit nichts ändern wird.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2009.