Fragiles Gleichgewicht

Galerie des NKZDie Galerie des NKZ soll künftig eine Polizeiwache beherbergen. Foto: rsp

Die Probleme am Kotti sind vielfältig und allesamt nicht neu. Und sie sind immerhin so groß, dass selbst traditionell eher polizeikritische Akteure eine stärkere Polizeipräsenz offenbar grundsätzlich für eine einigermaßen gute Idee halten. Doch das Verhältnis zur Staatsmacht ist von einem fragilen Gleichgewicht geprägt, und Innensenatorin Iris Spranger ist auf dem besten Weg, dieses Gleichgewicht zu beschädigen. Wenn selbst Polizisten (wie etwa der Kontaktbereichsbeamte Norbert Sommerfeld Mitte Juni in der taz) daran zweifeln, dass die Wache in der geplanten Form irgendetwas bringt, dann sollte man das als kluge Politikerin ernst nehmen – außer halt, es geht einem wirklich nur darum, ein Renommierprojekt durchzuziehen. Dass eine Wache in derart exponierter Lage nicht dazu angetan ist, das Grundvertrauen in die Polizei zu stärken, wird Frau Spranger ja wohl klar sein. Oder?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2022.

Kommt die Kotti-Wache im NKZ?

Kritik an Innensenatorin Spranger wächst

Galerie des NKZDie Galerie des NKZ soll künftig eine Polizeiwache beherbergen. Foto: rsp

Wie Mitte Juni bekannt wurde, ist der Mietvertrag für die von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor bereits unterschrieben – sehr zum Verdruss der zahlreichen lokalen Initiativen, die den Standort im ersten Stock des Neuen Kreuzberger Zentrums (in der Galerie über der Adalbertstraße) kritisch sehen. 

»Wir sind fassungslos, mit welcher Ignoranz gegenüber Widerspruch und Kritik von allen Seiten Frau Innensenatorin hier ihr persönliches Prestige-Projekt rücksichtslos durchpeitscht«, so Lino Hunger von »Kotti für alle«.

Kritik gibt es aber auch vonseiten der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die die angedachte Personalausstattung mit 20 Kräften wie auch die Fläche von rund 200 Quadratmetern für unzureichend hält und – auch aus Sicherheitsgründen – eine ebenerdige Wache präferiert. 

Bei den Anwohner- und Gewerbetreibendeninitiativen ist man nicht grundsätzlich gegen eine Polizeiwache am Kotti, sondern stört sich vor allem an der Symbolik der exponierten Lage über den Köpfen der Menschen – und daran, dass die Innensenatorin bislang nicht den Dialog mit den Initiativen oder auch der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gesucht hat. Zuletzt ließ sich Spranger für eine Sonderausschusssitzung der BVV entschuldigen. Einen runden Tisch mit den Beteiligten will die Innensenatorin frühestens im August stattfinden lassen.

BVV mahnt Bürgerbeteiligung an

Die Ausschussmitglieder, die sich am 22. Juni vor Ort dann ohne die Innensenatorin trafen, fordern dagegen, dass der runde Tisch zeitnah stattfindet und bis dahin keine Baumaßnahmen eingeleitet werden. Bis dahin solle auch »Transparenz zu den Ergebnissen der Prüfungen von alternativen Standorten für eine Polizeiwache hergestellt werden«, heißt es in der Resolution, die Ende Juni von der BVV beschlossen wurde. »Insgesamt muss die Sicherheit, Lebens- und Aufenthaltsqualität am Kottbusser Tor mit einem Bündel aus städtebaulichen, verkehrlichen und sozialen Maßnahmen, wie dem Ausbau der aufsuchenden Sozialarbeit, der Absicherung der Gesundheitsangebote der Suchthilfe und des Drogenkonsumraums, aber auch der Müllvermeidung und besseren Entsorgung sowie einer klimafreundlichen Umgestaltung durch Begrünung und Entsiegelung gesteigert werden, um die vielfältigen Problemlagen vor Ort nachhaltig lösen zu können«, so das Fazit des Antrags.

Neben der Kritik aus dem Bezirk hat die von der Innensenatorin stets als alternativlos dargestellte Kotti-Wache auf der NKZ-Galerie aber auch noch mit einer Kos­ten­ex­plo­sion zu kämpfen. Bereits im Frühjahr war klar geworden, dass die Kosten für das Projekt nicht bei den im Koalitionsvertrag ursprünglich ausgehandelten 250.000 Euro bleiben würden, sondern sich eher verzehnfachen. Inzwischen sind gar zusätzliche 3,5 Millionen Euro beschlossen. 

Wegen der Lage im ersten Stock muss unter anderem ein Aufzug gebaut werden, der aber nach der derzeitigen Planung offenbar noch nicht einmal groß genug sein wird, um mit dem Rollstuhl benutzt werden zu können. Auch die große Glasfront muss zum Schutz der Polizeiwache durch Sicherheitsglas ersetzt werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2022.

NKZ als Schicksals- und Zufluchtsort

In ihrem Roman »Mond über Beton« macht Julia Rothenburg das Neue Kreuzberger Zentrum zum Protagonisten

Als die überregionale Presse das Kottbusser Tor vor fünf Jahren zum »gefährlichsten Platz Deutschlands« hochstilisierte, war das womöglich übertrieben, aber ein etwas rauer Charme lässt sich dem Kotti zweifellos attestieren. Es ist jener raue Charme, der sich auch in dem 12-stöckigen Stahlbetonbau an seiner Nordflanke wiederfindet, dem »Neuen Kreuzberger Zentrum« (NKZ), das eigentlich schon seit der Jahrtausendwende »Zentrum Kreuzberg« heißt – was hier aber niemanden so recht interessiert, weil die Umbenennung auch bloß eine gescheiterte Marketingmaßnahme zum Aufpolieren des miesen Image war.

Julia Rothenburg widmet beidem – Platz und Haus – ihren neuesten Roman »Mond über Beton« und macht darin in gewisser Weise das NKZ selbst zum Protagonisten. Die anderen sind seine Bewohner: Mutlu, Witwer, Gemüsehändler und überforderter Vater zweier pubertierender Jungs, die ins Drogenmilieu abzudriften drohen; seine Nichte Aylin, die als Ersatzmutter für Mutlus Söhne herhalten muss, während sie gleichzeitig Studium, Supermarktjob und die Avancen des anhänglichen Obdachlosen Ario unter einen Hut kriegen muss; die alleinstehende Stanca, der wegen eines Eigentümerwechsels ein Rauswurf aus der Wohnung droht; Marianne und Günther, ein alterndes Ex-Hausbesetzerpaar, das gegen die Junkies im und ums NKZ eine Bürgerwehr gründet, deren nächtliche Streifzüge tüchtig aus dem Ruder laufen.

Rothenburgs Charaktere, deren Gedanken sie in kurzatmigen, assoziativen (Halb-)sätzen wiedergibt, stehen wacklig auf der Welt, sind aber gleichzeitig tief verwurzelt in ihrer prekären Lebenssituation, verstrickt miteinander, mit dem Kiez, mit dem Kotti und mit dem NKZ, das für sie Schicksals- und Zufluchtsort zugleich ist. Dazwischen immer wieder Zeitungszitate über das NKZ aus verschiedenen Jahrzehnten und die zunehmend lakonischer werdenden Einlassungen aus der Perspektive des Gebäudes, das sich als erstaunlich resilient erweist – aber nun ja, es ist ja auch aus Beton.

Auch wenn der schroffe, aber doch poetische Stil des Romans ebenso abschreckend wirken mag wie der Kotti für Wilmersdorfer Witwen, gelingt es der Autorin doch, den Finger präzise in die Wunde zu legen – um ihn dort in aller Ruhe verweilen zu lassen, während das erschaffene Kartenhaus anfängt zu wackeln.

Julia Rothenburg: »Mond über Beton«, FVA, ISBN 978-3-627-00282-4, 320 Seiten, 22 Euro / E-Book 14,99 Euro.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2021.

Deutliches Warnsignal

Wenn attraktive Altbauhäuser luxussaniert und in teure Eigentumswohnungen umgewandelt werden, wie dies seit Jahren in Kreuzberg passiert, dann ist das zwar tragisch für das Kiezgefüge im Allgemeinen und die betroffenen Mieter im Besonderen, aber in gewisser Weise immerhin noch nachvollziehbar. Stichwort: Angebot und Nachfrage. Dass sich Spekulanten jetzt aber um das traditionell nicht gerade unproblematische »Neue Kreuzberger Zentrum« am schlagzeilenträchtigen Kotti reißen, sollte uns ein Warnsignal sein. Alle Beteuerungen von Immobilienhaien, es ginge ihnen ja irgendwie auch immer um so etwas wie Stadtentwicklung, verkommen damit zur Farce. Hier geht es nur um knallhart kalkulierten Profit und sonst nichts. Zu einem Verkauf gehören aber immer zwei. So werden sich auch die derzeitigen Eigentümer fragen lassen müssen, ob sie nicht eine Verantwortung für ihre Mieter haben. Man muss nämlich keineswegs immer an den Meistbietenden verkaufen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2017.

Bezirk prüft Vorkaufsrecht fürs NKZ

Privater Investor bietet 60 Millionen für den Wohnblock am Kotti

Vom sozialen Brennpunkt zum Spekulations­objekt? Foto: rsp

Knapp 60 Millionen Euro sollen Medienberichten zufolge von einem privaten Investor für das »Zentrum Kreuzberg« geboten worden sein. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG unterlag in der Bieterrunde knapp.

Mit dem Verkauf droht den über tausend Bewohnern des in den Siebzigern als »Neues Kreuzberger Zentrum« (NKZ) errichteten Stahlbetonbaus mutmaßlich die Verdrängung. Deshalb will der Bezirk jetzt prüfen, ob und wie er sein Vorkaufsrecht ausüben kann, um die Umwandlung in ein Spe­ku­la­tions­objekt abzuwenden. Dieses bereits mehrfach angewandte Instrument ist allerdings ein »Vorkaufsrecht für Dritte«, das heißt, es braucht einen Käufer, der bereit und in der Lage ist, wenigstens einen Großteil des Kaufpreises aufzubringen. Im Falle einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft könnte der Senat dann mit dem Differenzbetrag aushelfen. Unklar ist auch, zu welchem Preis der Bezirk in den – noch gar nicht existierenden – Kaufvertrag einsteigen kann. Nur wenn der Kaufpreis deutlich über dem Verkehrswert liegt, könnte dieser angesetzt werden.

»Ich kann den Eigentümern nur dringend empfehlen, diesen Deal nicht tatenlos über sich ergehen lassen«, sagt Baustadtrat Florian Schmidt. Sollte es wegen Geltendmachung des Vorkaufsrechts zu einem Rechtsstreit kommen, könnte sich der über Jahre hinziehen.

Kommentar: Deutliches Warnsignal

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2017.

Danke Frank Henkel! Danke AfD!

Die eigentliche Gewinnerin der Berlin-Wahl heißt Monika Herrmann. Oft angefeindet vom politischen Gegner und auch in den eigenen Reihen bisweilen misstrauisch beäugt, wird sie nun eine gefragte Gesprächspartnerin sein. Ihre Erfahrungen als erprobte Moderatorin einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit sind von großem Nutzen für die anstehenden Koalitionsverhandlungen und die daraus vermutlich resultierende Koalition. Sie selbst hat stets beteuert, keinem Ruf in die Landesregierung zu folgen. Dazu sei sie zu sehr Kommunalpolitikerin. Es wäre auch unlogisch, denn mit einer neuen Regierung kann sie die Früchte ihrer Arbeit ernten. Mit Sicherheit wird es unter einem neuen Innensenator zu einem vernünftigen Sicherheitskonzept am Kotti kommen, auch die gescheiterte Null-Toleranz-Politik um den Görli eines mindestens ebenso gescheiterten Frank Henkel wird ein Ende haben. Monika Herrmanns Lieblingsprojekt – die Coffee-Shops – werden wieder auf der Agenda erscheinen. Sie bilden den Gegenentwurf zu Henkels kaputtem Görli-Plan. Es drängt sich bei einer R2G-Koalition geradezu auf, es mit der Methode Herrmann zu versuchen. Das ist doch mal ein fettes Dankeschön an den scheidenden Innensenator wert.

Dank gilt auch der rechtsnationalkonservativen Zusammenballung namens AfD. Die sorgt nämlich dafür, dass das notorisch zerstrittene linke Lager auf einmal zusammenrückt. Wenn das gelingen sollte, dann hätte das geradezu historische Dimensionen. Wer heute die Nazi-Keule über der AfD schwingt, sollte nämlich nicht vergessen, dass der Auftieg der Nazis auch dem Umstand geschuldet war, dass sich Sozialdemokraten und Kommunisten spinnefeind waren. Wenn die AfD Grüne, Linke und SPD zusammenschweißt, dann könnte es auf Jahre hinaus eine stabile linksliberale Mehrheit geben. Abgesehen davon ist das bürgerlich-rechte Lager, das in Berlin jetzt auf 38 Prozent kommt, so heterogen, wie es das linke Lager über Jahrezehnte war. Eine Zusammenarbeit von AfD und CDU ist auf lange Sicht nur schwer vorstellbar. Eine FDP, die sich gerade so berappelt hat, wird die Rechtspopulisten nicht einmal mit der Feuerzange anfassen, falls sie nicht erneut politischen Suizid begehen will. Das heißt, so ärgerlich die Existenz der AfD in den Bezirksparlamenten und im Abgeordnetenhaus ist, so sehr garantiert sie R2G eine lange und stabile Regierungszeit, in der sehr viel möglich ist. Eigentlich können sich die künftigen Koalitionäre nur selbst ein Bein stellen.

Wenig Spannung im Titelkampf

Für kleinere Parteien sind Überraschungen bei der BVV-Wahl möglich

In vielen Teilen Deutschlands ist eine Kommunalwahl ein mühsames Geschäft. In Städten wie etwa Stuttgart kämpfen sich die Wähler durch wandtapetengroße Stimmzettel. Zudem wird von ihnen verlangt, sich mit Wahltechniken herumzuschlagen, die auf so schöne Namen wie Kumulieren, Panaschieren oder Unechte Teilortswahl hören. Das alles klingt mehr nach Kamasutra als nach demokratischem Urnengang.

In Berlin ist es dagegen denkbar einfach. Es gibt einen Stimmzettel und ein Kreuzchen für die Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung. Die 55 Sitze im Rathaus in der Yorckstraße werden dann proportional verteilt.

Klare Verhältnisse

Die Verhältnisse in der derzeitigen BVV ist sehr eindeutig. Bei momentan nur 51 Mitgliedern sind die Grünen mit ihren 22 Sitzen schon sehr nah an der absoluten Mehrheit. Dass nicht die volle Zahl der Bezirksverordneten ins Kommunalparlament einzog, lag einfach daran, dass die Piraten nach ihrem Überraschungserfolg nicht über genügend Kandidaten verfügten, um alle Sitze zu besetzen. Ihnen hätten neun zugestanden. Vier blieben frei.

Alle buhlten damals um die Gunst der Politikneulinge – und das hatte nicht nur mit Welpenschutz zu tun. Rein theoretisch hätten SPD, Linke und Piraten eine Zählgemeinschaft gegen die Grünen bilden können. Doch am Ende blieb es bei einer klassischen Rollenverteilung, die den Grünen im Bezirksamt drei von fünf Stadtratsposten bescherte.

Dass die Piraten ihren Überraschungserfolg von 2011 noch einmal wiederholen, ist sehr unwahrscheinlich. Auch die kleine Fraktion blieb nicht vom Zerfall der Gesamtpartei verschont. Statt fünf hat sie heute nur noch vier Mitglieder. Eine Bezirksverordnete verließ die Fraktion.

Das Erbe der Piraten

Es geht also bei der BVV-Wahl vermutlich um die Hinterlassenschaft der Piraten, das heißt um bis zu neun Sitze, die sich nun andere Parteien erobern können – mal ganz abgesehen von den üblichen Verschiebungen, die so eine Wahl sonst mit sich bringt. Doch ganz abschreiben kann man die Piraten auch nicht, denn um in die BVV zu gelangen, benötigen sie nur drei Prozent. Das ist etwa der Wert, den Demoskopen den Piraten berlinweit derzeit einräumen. Rechnet man den Kreuzberg-Bonus dazu – nirgendwo haben die Piraten vor fünf Jahren besser abgeschnitten – dann könnte es durchaus noch reichen.

Wer überrascht?

Monika Herrmann bleibt wohl im Amt.

Foto: Sedat Mehder Monika Herrmann bleibt wohl im Amt. Foto: Sedat Mehder

Allerdings ist es ja nicht ausgeschlossen, dass eine andere Partei ebenfalls einen solchen Überraschungscoup landen könnte, und da geht der bange Blick automatisch auf die AfD. Eigentlich scheint es ausgeschlossen, dass eine so rechte Partei in Friedrichshain-Kreuzberg reüssieren könnte, denn in ganz Berlin gibt es keine linkere BVV. Wenn man die Piraten zum linken Block zählt, blieben dem rechts-bürgerlichen Lager gerade mal vier Verordnete der CDU.

Nun haben die letzten Landtagswahlen gezeigt, dass die AfD bei allen Parteien wildern konnte. In den ostdeutschen Bundesländern wurde dabei aber ausgerechnet die Linke schwer gerupft.

Es ist also überhaupt nicht auszuschließen, dass die AfD mit einigen Bezirksverordneten in die BVV einzieht. Bei einem so meinungsfreudigen Parlament, das häufig große Zuschauermassen anzieht, dürfte das für noch wesentlich turbulentere Sitzungstage sorgen.

Bleibt das Bezirksamt?

Peter Beckers, Spitzenkanddidat der SPD. Foto: Joachim GernPeter Beckers, Spitzenkanddidat der SPD. Foto: Joachim Gern

Die wichtigste Aufgabe zu Beginn der neuen Legislatur wird die Wahl eines neuen Bezirksamtes sein. Derzeit stellen die Grünen mit Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, Baustadtrat Hans Panhoff und Kämmerin Jana Borkamp drei der fünf Posten. Dr. Peter Beckers (SPD), zuständig für Wirtschaft, und der Linke Knut Mildner-Spindler (Soziales), vervollständigen das Gremium.

Da die beiden letzteren als Spitzenkandidaten für ihre jeweilige Partei ins Rennen gehen und bei den Grünen wenig auf ein Abweichen von der bisherigen Rollenverteilung hindeutet, könnte das alte Bezirksamt wieder das neue sein.

Es gibt jedoch ein paar Unwägbarkeiten. Da ist zunächst die Bezirksbürgermeisterin. Monika Herrmann gilt als streitbar und hat vor allem in der Auseinandersetzung mit Innensenator Frank Henkel sehr an Profil gewonnen. Vor allem dem bürgerlichen Lager gilt sie als der Fleisch gewordene Gott­sei­mit­uns. Das hilft ihr in Kreuzberg ungemein und auch die eine oder andere innerparteiliche Auseinandersetzung ist inzwischen längst vergessen. Paradoxerweise könnte Frank Henkels unsägliches Verhalten in Sachen Rigaer Straße den Grünen am 18. September ein Rekordergebnis bescheren. Der eine oder andere Grüne träumt bereits von einer absoluten Mehrheit im Kreuzberger Rathaus.

Allerdings bröckelt auch die Grüne Wählerbasis in Kreuzberg. Immer wieder bläst der Fraktion von den Zuschauerrängen im Rathaus ein rauher Wind entgegen. Von alternativem Durchregieren und mangelnder Kompromissbereitschaft im Angesicht der eigenen Stärke ist da die Rede.

Die SPD als zweit­stärks­te Fraktion ist in der BVV nur halb so stark wie die Grünen. Dass der stellvertretende Bezirksbürgermeister Peter Beckers den Chefposten erobern könnte, gilt als nahzu ausgeschlossen. Für ihn wird es ein Erfolg sein, den großen Abstand zu den Grünen zu verringern.

Linke muss kämpfen

Führt die Linke in den Wahlkampf: Knut Mildner-Spindler.Führt die Linke in den Wahlkampf: Knut Mildner-Spindler.

Während sich die beiden größeren Parteien kein ernsthaftes Duell liefern, sondern bestenfalls die eigene Position etwas verbessern oder verschlechtern werden, stehen die Linken vor einer sehr schweren Wahl. Schon vor fünf Jahren war die Partei auf Rang vier abgeruscht. Dabei stellte sie – damals noch als PDS – vor nicht allzu langer Zeit sogar noch die Bezirkbürgermeisterin. Ihre Verluste in Friedrichshain hat sie in Kreuzberg nicht kompensieren können. Allerdings hat sie bei Bundestagswahlen immer gut abgeschnitten – davon könnte sie auch jetzt profitieren. Mehr als sieben Sitze wären schon ein Erfolg. Doch wenn sich der Trend fortsetzt, wird sie im schlimmsten Fall vielleicht den einen oder anderen Sitz an die AfD verlieren.

Splitterpartei CDU

Bleibt noch die CDU, die schon vor vier Jahren denkbar schlecht abgeschnitten hat. Nirgendwo werden die Henkelschen Eskapaden eine so starke Auswirkung haben wie in Kreuzberg. Sein Versagen am Gör­litzer Park, die Tatenlosigkeit am Kotti und die Tricksereien in der Rigaer Straße dürften die CDU eher Stimmen kosten, zumal die feurigsten Law-and-Order-Anhänger es dieses Mal eher mit der AfD versuchen werden.

Am Ende wird es bei der BVV-Wahl wohl eher wie in der Fußball-Bundesliga zugehen. Wie es oben ausgeht, scheint klar, aber unten wird es spannend.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2016.

Razzia am Kotti

Beamte der 11. Einsatzhundertschaft waren am Mittwochabend bei einem Schwerpunkteinsatz zur Überwachung der Drogenkriminalität in Kreuzberg unterwegs. Auf dem U-Bahnhof Kottbusser Tor kontrollierten die Polizisten im Zeitraum von 19 bis 22 Uhr insgesamt zwölf Personen.

Dabei leiteten sie unter anderem vier Strafermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz ein. Es konnten Drogen und drei Mobiltelefone sowie ca. 1300 Euro Handerlös beschlagnahmt werden.

Wowi am Kotti

Der Regierende erfährt etwas über das Kreuzberger Gewerbe

Für die Junkies war es an diesem Tag nicht einfach, den direkten Weg aus dem U-Bahnhof zum Dealer zu finden, denn die Menschentraube, die sich um Wowi scharte, versperrte gewohnte Pfade. So huschten sie, vor sich hinschimpfend, sich klein machend, Wowi keines Blickes würdigend und völlig irritiert außen herum oder durch die Masse hindurch.

Wowi – bürgernah Foto: mr

Mit einer Verspätung von 20 Minuten traf der Tross mit und um den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit am Kottbusser Tor ein. Der Stuhlkreis im Graefekiez hatte etwas länger gedauert. Umringt von seinen Bodyguards, Reportern, seinen politischen Mitstreitern und Wirtschaftsstadtrat Peter Beckers aus Kreuzberg war für die Bevölkerung nur ein Durchkommen unter heftigstem Einsatz von Ellenbogen, gepaart mit einer nicht zu überhörenden Lautstärke. So wird Wowereit womöglich das Plakat einer Bürgerinitiative mit der Aufschrift »Wowi, rück die Verträge raus« entgangen sein. Gemeint waren hier die Verträge der Wasserbetriebe.

Nachdem sich Wowi und seine Groupies in Richtung Seniorenwohnheim, das wegen der Dominanz der Junkies unter Bewohnermangel leidet, in Bewegung setzte, hatte Houda Tautenhahn endlich die Chance, Klaus Wowereit ihr Projekt vorzustellen. Houda Tautenhahn ist im Auftrag von LOK im Projekt »Kreuzberg handelt« seit Januar rund um das Kottbusser Tor unterwegs mit dem Ziel, die ansässigen Geschäftsleute zu einer Ideenwerkstatt zu ermutigen. Am Kottbusser Tor können in den Geschäften keine hohen Preise verlangt werden, hier sind die Lebenssituationen der Kiezbewohner in der Regel prekär, der Cent wird vor dem Ausgeben mehrfach umgedreht. »Im Verhältnis zu den Einnahmen sind die Mieten genauso hoch wie am Kudamm«, so einer der anwesenden Geschäftsinhaber zu Wowereit. Die studierte Sozialwissenschaftlerin und perfekt arabisch sprechende Houda Tautenhahn zeigt mit großem Engagement, wie es geht: »zwei bis dreimal pro Woche besuche ich die ansässigen Geschäftsleute, immerhin gibt es einen intensiven Kontakt bereits zu fünf Geschäftsinhabern, die ihre Situation gemeinsam ändern möchten.« Eine stolze Leistung, denn Houda Tautenhahns Auftritt rund um den Kotti wurde zunächst sehr kritisch beäugt. Ihr Charme, ihre respektvolle Haltung gegenüber Menschen und ihre Unermüdlichkeit machten dies möglich. »Und wir sind erst am Anfang«, denn das Projekt ist auf drei Jahre angelegt“, so Houda Tautenhahn. Wer weiß, vielleicht macht der Kreuzberger aus dem Bergmann- oder Graefekiez in drei Jahren einen Ausflug zum Flanieren in der Adalbertstraße.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2010.

Alkoholfrei in den Mai

Bezirksamt verhängt Verkaufsverbot für Glasflaschen

Wer am Morgen eines 2. Mais zwischen Mariannenplatz und Kotti durch die Straßen von Kreuzberg 36 schlendert, darf sich auf das Durchwaten etlicher Scherbenhaufen gefasst machen. Wenn es nach dem Bezirksamt geht, soll sich das dieses Jahr ändern.

Bald arbeitslos? (Glas-)Flaschensammler auf dem Mariannenplatz Foto: rsp

In einem im Internet veröffentlichten Schreiben teilte man Mitte März den Anwohnern und ansässigen Gewerbetreibenden mit, dass dieses Jahr ein umfassendes Verkaufsverbot für Glasflaschen und Getränkedosen bestehe. Darüber hinaus dürfe an Anwohnerständen kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden, auch nicht in Pappbechern. Auch wolle man die ohnehin bestehenden gesetzlichen Regelungen zu Ladenöffnungszeiten konsequent verfolgen. Im Klartext heißt das, dass Kiosk- und Spätkaufbesitzer ihre Geschäfte nicht öffnen dürfen und auch Dönerläden und Kneipen der Außer-Haus-Verkauf von Glasflaschen untersagt ist.

Begründet wird das Verkaufsverbot mit der Unfallgefahr, aber auch mit der besonderen Eignung von herumliegenden Flaschen als Wurfgeschoss bei den alljährlichen Randalen. Und »auch gefüllte Dosen«, so der stellvertretende Bezirksbürgermeister Dr. Peter Beckers, »sind Wurfgeschosse.«

Mit Vorgaben oder Vorschlägen der Polizei habe die neue Regelung nichts zu tun, vielmehr handle es sich Ideen der MyFest-Organisatoren, erklärte Beckers weiter. Betroffen ist das gesamte Areal zwischen Mariannenplatz, Oranienplatz und Skalitzer Straße.

Eben dort, Skalitzer Ecke Mariannenstraße, befindet sich der Getränkehändler, der am 1. Mai vermutlich den größten Umsatz erwirtschaftet: Die Aral-Tankstelle von Thomas Kalweit. Laut Beckers soll das Flaschenverkaufsverbot auch hier gelten.

Glasflaschenverkaufsverbot soll auch für Tankstelle gelten

Für Thomas Kalweit würde ein Verkaufsverbot einen Umsatzausfall von 40.000 Euro bedeuten, immerhin mehr als ein Viertel des MyFest-Etats. Bescheid gesagt hat ihm indessen noch niemand. »Da kann man mir auch nicht mit Staatsraison kommen«, sagt der Aral-Pächter, der der Angelegenheit aber gelassen entgegensieht und auch auf die Lobby seiner ‚Company‘ vertraut.

Das mit der Regelung einhergehende faktische Alkoholverkaufsverbot hält er selbst für keine gute Idee: »Solange die immer noch ihren Alkohol kriegen, sind sie friedlich.«

Wenn er wirklich kein Bier verkaufen darf, wird er seine Tankstelle am 1. Mai einfach schließen. Das wäre ärgerlich für die Einsatzkräfte von Polizei und Rettungsdienst, dient ihnen doch die Tankstelle traditionell auch als eine Art Knotenpunkt und Rückzugsort.

Noch ist nicht hundertprozentig sicher, ob sich das Flaschenverbot tatsächlich auch auf die Aral-Tankstelle bezieht, und Kalweit will erst einmal abwarten, bis er direkt vom Ordnungsamt angesprochen wird. Fest steht aber schon jetzt, dass das Vorhaben des Bezirksamts in der Umsetzung nicht unproblematisch sein wird. Das Mitbringen von Flaschen in die ‚Bannmeile‘ ist nicht verboten, folglich wird es auch keine Taschenkon­trollen geben, die, wie es hieß, ohnehin nicht politisch gewünscht seien. So dürfte es, was den Alkoholkonsum aber auch die Anzahl potentieller »Wurfgeschosse« angeht, kaum einen Unterschied zu den Vorjahren geben, in denen teilweise sogar noch Mehrweg-Flaschen zum Zwecke der Müllvermeidung propagiert wurden.

Für Kalweit, aber vor allem auch die vielen kleinen Geschäfte in der Festzone werden die Umsatzeinbußen sicher spürbar sein. Profitieren werden höchstens die Betreiber der wenigen Alkohol ausschenkenden Stände, die in der Nähe von Bühnen genehmigt werden. Abzuwarten bleibt, wie die Besucher angesichts der Mangelsituation reagieren. Ob Alkoholentzug bei den Feierwilligen zur guten Laune beiträgt, ist wohl eher ungewiss.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2010.

Bau auf, Bau auf

Baustellen legen Verkehr in Kreuzberg lahm

Hier baut der Bund: Baustelle Gneisenau.

Foto: piHier baut der Bund: Baustelle Gneisenau. Foto: pi

Selbst das Bauamt hat es inzwischen wohl aufgegeben und den Überblick über die Baustellen verloren. Eine Liste gibt es jedenfalls nicht. Nur soviel ist klar: Die Bauorgie im Bezirk wird noch einige Wochen weitergehen.

Ärgerlich ist es für die Autofahrer vor allem, wenn sie in Ost-West-Richtung unterwegs sind. Die drei Magistralen Gitschiner/Skalitzer, Urbanstraße und Gneise­nau­straße sind alle unterschiedlich von Baustellen betroffen. Es nützt also nicht besonders viel, von der einen auf die andere auszuweichen.

Hart hat es die Bewohner rund um den Südstern getroffen. Seit gefühlten fünf Jahren wird da nun gebaut. Grund war der Umbau des U-Bahnhofs. In den letzten Jahren waren sogar Karneval der Kulturen und der Berlin-Marathon immer wieder gezwungen gewesen, ihre angestammten Routen zu verändern. Endlich, so schien es, war ein Ende abzusehen. Die Anlagen nördlich der Kirche waren frisch eingesät, die letzten Bagger verschwunden, und dann kamen schon die nächsten. Jetzt wurde die Fahrbahndecke im Zuge der Stra­ßen­sa­nie­rung erneuert.

Inzwischen ist auch die Zufahrt zur Blücherstraße blockiert, womit eine weitere Ausweichmöglichkeit, dem zwangsläufigen Stau in der Gneisenau zu entkommen, genommen ist.

Immerhin outet sich der Übeltäter an der Gneisenau sehr klar. Hier baut nämlich die Bundesregierung, die dem staunenden Autofahrer mehr oder weniger aufdringlich auf einem Schild klarmacht, dass die Gelder aus dem Konjunkturpaket II gerade in der Gneisenaustraße verbuddelt werden.

Wenn diese Gelder ihre segensreiche Wirkung getan haben werden, dann wird der Verkehr wunderbar und ungestört durch die Gnei­se­nau­straße rollen? Von wegen. Die BVG saniert derzeit die Tunnel der U7, und das bleibt auch nicht ganz ohne Auswirkungen auf den oberirdischen Verkehr.

Wer sich dem Ost-West-Chaos entziehen will, der kann es ja einfach mit einer Nord-Süd-Verbindung versuchen. Auf der Baerwald- und Prinzenstraße kommt er allerdings auch nicht besonders weit. Auch hier wird seit Wochen gebaut. Dann nichts wie raus aus der Stadt, am besten über die Stadtautobahn, doch um dorthin zu kommen, muss der Autofahrer erstmal den Engpass auf dem Tempelhofer Damm passieren.

Bleibt noch die U-Bahn zu benutzen. Aber bitte nicht die U1. Zwischen Warschauer Brücke und Kotti gibt es Schienenersatzverkehr. Vorausgesetzt, der Bus steckt nicht im Stau fest.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2009.

Betroffen am Kotti

Der Protest der Anwohner und der grüne Familienstreit zwischen Franz Schulz und Cem Özdemir hat nun scheinbar Erfolg – zumindest einen kurzfristigen. Die Polizei hat innerhalb einer Woche gleich zwei Mal starke Präsenz am Kotti gezeigt. Zusammengerechnet kam sie dabei auf 16 Stunden Einsatzzeit. Die Beamten haben in dieser Zeit 68 Platzverweise erteilt. Das heißt, etwa alle Viertelstunde musste sich ein mutmaßlicher Junkie vom Kotti trollen. Außerdem wurden noch zehn Personen festgenommen. Das ist ja alles schön und gut, nur haben uns die Polizeiaktionen letztlich der Lösung keinen Schritt näher gebracht. Die Anwohner dürften nur kurzfristig sediert sein, denn die des Platzes verwiesenen kommen ja alle wieder. Und schließlich lösen sich Junkies und Dealer auch nicht einfach in Luft auf, wenn sie von den Ordnungshütern des Spielfeldes verwiesen werden. Sie suchen sich dann eben neue Spielfelder. Natürlich muss die Polizei Präsenz zeigen, wenn der Kotti gerade mal wieder durch alle Medien getrieben wird. Aber das kann auf die Dauer keine Lösung sein. Schon gar nicht fünf Wochen vor dem 1. Mai. Wenn es dieses Jahr wieder richtig krachen sollte, dann zeigen sich sicher diejenigen wieder ganz besonders betroffen, die nicht in der Lage sind, ein vernünftiges Konzept für die Situation am Kotti zu entwickeln.

Polizei nimmt Kotti ins Visier

Der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität galt ein Schwerpunkteinsatz des Polizeiabschnitts 23 am Dienstag in Kreuzberg.  In der Zeit von 12 bis 19 Uhr überprüften die Polizisten im Bereich Kottbusser Tor 52 Personen und erteilten 38 Platzverweise. Gegen einen 41-Jährigen und einen weiteren Konsumenten leiteten sie Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein. Trotz eines Betretungsverbotes hielt sich ein 19-Jähriger auf der Mittelebene des U-Bahnhofes auf. Er musste den Bahnhof verlassen und erhielt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Wegen des Handels mit Tabletten leiteten die Beamten auch gegen einen 45-jährigen Mann ein Strafermittlungsverfahren ein. Außerdem überprüften die Polizisten acht Fahrräder und führten eine Reihe von Informationsgesprächen mit interessierten Bürgern.

30 Mal die Rote Karte

Zwischen 13 und 22 Uhr überprüfte die Polizei am Mittwoch insgesamt 46 Personen am Kottbusser Tor, die der Rauschgiftszene zuzurechnen waren. In 30 Fällen sprachen die Beamten Platzverweise aus, acht Personen wurden wegen Verdachts des Rauschgifthandels beziehungsweise -besitzes festgenommen.