Abschied und Neustart

Die Kiez und Kneipe feiert ihr 20. Jubiläum

Neun Ausgaben der Kiez und Kneipe liegen aufgefächert daInsgesamt 240 Ausgaben der Kiez und Kneipe sind in den letzten 20 Jahren erschienen. Foto: cs

Als am 3. Dezember 2004 die erste Ausgabe der Kiez und Kneipe erschien, ahnte wohl niemand – auch nicht Gründer und Chefredakteur Peter S. Kaspar –, dass das ambitionierte Projekt so viele Jahre bestehen würde. Zwei Jahrzehnte später sind mit dieser Ausgabe 20 Jahrgänge komplett!

Das ist auch ohne Eigenlob und ganz objektiv betrachtet eine ziemlich beachtliche Leistung, insbesondere wenn man bedenkt, dass die KuK immer wieder mit finanziellen und personellen Engpässen zu kämpfen hatte. Denn – wer hätte das gedacht? – Zeitungmachen kostet Geld und ist Arbeit. Arbeit, die bei der KuK ganz überwiegend ehrenamtlich erbracht wird, sozusagen als Service für den Kiez. Umso dankbarer sind wir allen Mitstreitern der letzten 20 Jahre, vor allem aber auch unseren treuen Anzeigenkunden, die das Projekt schon so lange unterstützen.

Nach 20 Jahren ist aber auch Zeit für ein paar Veränderungen: Peter S. Kaspar wird die Kiez und Kneipe mit der Fertigstellung dieser Ausgabe verlassen – seine Abschiedsworte lest Ihr hier – und in neue Hände übergeben.

Wobei: So »neu« sind die Hände dann doch nicht, denn Cordelia Sommhammer und Robert S. Plaul, die das Blatt künftig weiterführen werden, sind bereits seit 2008 in der Redaktion, sodass für die Kontinuität gesorgt sein wird. Keine Angst also: Die KuK wird nicht vierspaltig und bunt!

Wir werden in nächs­ter Zeit aber an einigen Stellschrauben drehen und ein paar überfällige Modernisierungen umsetzen. Dazu gehört auch der Verzicht auf die Redaktionsräume in der Fürbringerstraße – in Zeiten von Videocalls und steigenden Kosten ein entbehrlicher Luxus, vor allem, da die KuK seit Corona ohnehin größtenteils verteilt in mehreren (Home-)Offices entsteht. Natürlich ist ist das gedruckte Heft weiterhin an rund 120 Verteilstellen im Kiez zu haben.

Kiezzeitung sucht Mitstreiter und Unterstützer

Mit der »Virtualisierung« der redaktionellen Arbeit wollen wir es vor allem aber auch einfacher machen, sich bei uns zu beteiligen, auch abseits fester Termine an konkreten Orten. Denn nach wie vor lebt die Kiez und Kneipe vom Mitmachen. Wenn Du also Lust hast, mit uns die Zukunft Deiner Lieblingskiezzeitung zu gestalten und nebenbei etwas über journalistisches Arbeiten zu lernen, dann melde Dich unter info@­kiezundkneipe.de!

Unter der gleichen Adresse nehmen wir auch jederzeit gerne Feedback unserer Leserinnen und Leser entgegen. Habt Ihr Verbesserungsvorschläge, Anregungen, Wünsche? Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, all das loszuwerden, denn wir machen die KuK ja für Euch und nicht für uns. Schreibt uns ruhig, was Ihr nicht so gut oder einfach nur doof findet, wir wollen auch das wirklich gerne hören!

Das Gleiche gilt natürlich für überschwängliche Jubiläumsgratulationen, schamlose Lobhudelei und sons­tige Sympathiebekundungen. Eine schöne Möglichkeit, seine Wertschätzung für die KuK zu zeigen, besteht übrigens darin, uns finanziell unter die Arme zu greifen: Mit einer Anzeigenbuchung für das eigene Unternehmen, mit Einkäufen in unserem Fanshop oder auch mit regelmäßigem Support über die Plattform Steady könnt Ihr dazu beitragen, dass es die Kiez und Kneipe auch die nächsten 20 Jahre noch gibt. Mehr dazu erfahrt ihr hier.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2024 (auf Seite 1).

Nach 20 Jahren darf man auch mal gehen

Peter S. Kaspar verabschiedet sich

Peter S. Kaspar dreht sich auf einem gepflasterten Weg noch einmal umDas war’s! Macht’s gut und vielen Dank für alles. Foto: Leif Karpe

Und dann war da noch die Geschichte der Financial Times Deutschland. Die wurde am 7. Dezember 2012 eingestellt. Die Kiez und Kneipe war da gerade acht Jahre alt geworden. »Nur noch vier Jahre durchhalten«, dachte ich mir damals, »dann haben wir die FTD überholt.« Wer hätte schon ahnen können, dass die KuK das ambitionierte Projekt, das Gruner und Jahr im Jahr 2000 gestartet hatte, tatsächlich überleben könnte.

Im Überleben war die KuK von Anfang an gut. Ob nun ein Brand, ein Einbruch, schwere innerredaktionelle Krisen oder am Ende Corona, 20 Jahre hat sich die KuK tapfer gegen jede Art des drohenden Untergangs zur Wehr gesetzt. Ohne die Hilfe von Anzeigenkunden, Freunden und Unterstützern der KuK wäre das allerdings kaum möglich gewesen. Dafür wollte ich jetzt auch noch mal ganz persönlich danke sagen. Immerhin war ich von Beginn an derjenige, der hinter allem stand, erst alleine mit einer Idee, dann in einem kleinen Team bei der Umsetzung und immer begleitet von so aufmunterden Kommentaren: »Das wird doch eh nix! Mehr als drei Ausgaben wird es sowieso nicht geben.«

Es wurden dann viel, viel mehr. Nach den ersten Zweiflern kamen die ersten Fans und mit ihnen die starke Motivation, mehr als die drei prognostizierten Ausgaben zu machen – okay, auch die Zweifler hatten uns sehr motiviert. Die Redaktion wuchs, wurde wieder kleiner, flog mir ganz um die Ohren und ich fing noch einmal an.

Doch nun, nach genau 20 Jahren, lass ich es dann mal gut sein. Die FTD ist schon so lange Geschichte, wie sie exis­tiert hat – und die KuK gibt es immer noch. Vermutlich habe ich in den letzten Jahren einiges falsch gemacht, aber offenbar auch ein paar Dinge richtig, sonst wäre unser kleines Kiezblatt nicht so alt geworden. 

Mir ist klar, dass ich in den letzten Jahren auch polarisiert habe. Die einen nennen mich einen Menschenfänger, andere schimpfen mich manipulativ. Manche rühmen mich als großen Kommunikator, die nächsten halten mich für einen Labersack. Sei es, wie es sei. Ich bin eben so, wie ich bin, und mit bald 65 Jahren ist die Gefahr nicht so groß, dass ich mich noch einmal ändern werde. 

65 war einmal das klassische Renteneintrittsalter. Passt doch ganz gut. 20 Jahre KuK. Da kann ich vier Monate vor diesem halbrunden Geburtstag auch aufhören. Viele haben mich aufgefordert, trotzdem weiterzumachen. Aber, ganz ehrlich, bin ich auch ein wenig müde geworden. Früher bezeichnete ich mich einigermaßen stolz als Journalisten. Fragt mich heute jemand nach meinem Beruf, überlege ich manchmal, ob ich sage, ich sei Auftragskiller der Mafia oder Leichenwäscher. 

Der Beruf hat sich verändert, und ich habe in den letzten Jahren auch gespürt, wie er mich verändert hat. Neben Neugier sollte ein Journalist drei Dinge mitbringen: Verantwortung, Verlässlichkeit und Anstand. Jeder mag für sich selbst beurteilen, wie viel von diesen Tugenden noch übrig geblieben ist. Auch ich bin ihnen zuletzt nicht immer gerecht geworden.

Meinen Nachfolgern Cordelia Sommhammer und Robert S. Plaul wünsche ich eine glückliche Hand und dass sie möglichst viel von diesen Tugenden retten können.

Mindestens ein halbes Jahr werde ich es nicht beurteilen können, weil ich mir ein persönliches KuK-Verbot auferlegt habe. Ich schaue nicht einmal ins Blatt. Das hat einen sehr simplen Grund: Ich möchte nicht wie Waldorf und Statler auf der Tribüne sitzen und über meine Nachfolger schimpfen. So wie ich meine Chance hatte, sollen sie auch die ihre haben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2024 (auf Seite 3).

Die KuK erscheint weiter

Geschrumpfte Notausgabe im April

Das Corona-Virus ist auch an der Kiez und Kneipe nicht ganz spurlos vorübergegangen. Zwar fühlen sich alle Mitarbeiter gesund und wohl, doch trotzdem produzieren wir diese Ausgabe nicht in den vertrauten Redaktionsräumen, sondern – mit einer Ausnahme – am heimischen Computer, und verbunden sind wir alle über das Netz.

Viele unserer Kunden und Geschäftsfreunde mussten ihre Läden schließen, so wie alle Kneipen und Restaurants in Kreuzberg. Für Kiez und Kneipe bedeutet das einerseits einen erheblichen Anzeigenrückgang. Dass wir überhaupt erscheinen können, verdanken wir all jenen, die der Krise aus unterschiedlichsten Gründen trotzen können und uns weiterhin unterstützen. Dafür an dieser Stelle ein ganz dickes Dankeschön.

Doch nicht nur die Anzeigen gingen zurück. Von ehemals 122 Verteilstellen in Kreuzberg, sind unter 20 geblieben. Dort und vor unserer Redaktion werden wir unser geschrumpftes Blatt nun verteilen. Geschrumpft heißt ganz konkret: zwölf Seiten und eine Auflage von 500 Exemplaren.Dieser Entscheidung gingen lange Diskussionen voraus. Wir debattierten auch darüber, die nächsten Ausgaben komplett ins Netz zu verlegen. Lohnt es sich denn wirklich, eine Kiezzeitung mit 500 Exemplaren zu veröffentlichen? Selbst die erste Ausgabe der KuK ging mit 1.000 Heften an den Start.

Die KuK liegt unter normalen Umständen nicht nur in Kneipen aus. Wir liefern auch in Einrichtungen der Pflege und Seniorenbetreuung, also genau dorthin, wohin Freunde und Bekannte aus einleuchtenden Gründen nicht mehr kommen dürfen.

Die KuK mag in diesen Zeiten dann vielleicht dem ein oder anderen nur ein kleines Fetzchen Normalität bedeuten. Aber schon dafür lohnt es sich, unser schlank gewordenes Magazin auch in der realen Welt unter die Leute zu bringen.

Wir hoffen, dass Sie die KuK im Juni, vielleicht auch erst im Juli oder August, in gewohnter Form wieder lesen können. Wir versuchen durchzuhalten. Bleiben Sie gesund!

Peter S. Kaspar und das ganze Team der KuK

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2020.

15 Jahre Kiezgeschichten

In 15 Jahren Kiez und Kneipe hat sich nicht nur die Zeitung weiterentwickelt, sondern auch der Kiez. Wir haben einige Schlaglichter aus 15 Jahren Lokaljournalismus aus dem Archiv geholt.

2004/2005

Nach der Erstausgabe im Dezember 2004 bleibt der Einzugsbereich der Kiez und Kneipe im ersten Jahr noch überschaubar. So geht es auch inhaltlich meist um Ereignisse aus dem »Kiez ohne Namen« nördlich der Gneisenaustraße. Ausgiebig berichtet das junge Kiezblatt über Partys, Konzerte und Kneipenjubiläen, die damals in der Tat mit merklich mehr Verve zelebriert wurden. Doch auch Themen, die größer sind als der Kiez, finden ihren Niederschlag in der Zeitung: Nach der Tsunamikatastrophe in Asien Ende 2004 begleitet die KuK die private Hilfsinitiative »Khao Lak Friends« medial und rührt die Spendentrommel. Zur Bundestagswahl werden die Direktkandidaten des Wahlkreises zu öffentlichen Gesprächen eingeladen.

2006

Jubel bei der Fußball-WMZum einjährigen Bestehen dehnt die KuK ihr Verbreitungsgebiet auf den Bergmannkiez aus – und der liefert prompt berichtenswerten Gesprächsstoff: Das umstrittene Projekt Ärzte­haus wird trotz enormer Widerstände von der BVV beschlossen, und bei der Marheineke-Markthalle stehen Veränderungen ins Haus. Das Lieblingsthema des Sommers aber ist die Fußball-WM im eigenen Land, die mehr denn je auch Fußball-Muffel vor die Leinwände der Kiezgastronomie lockt.

2007

FichtebunkerWährend die Markthalle am Marheinekeplatz rund zehn Monate lang aufwändig saniert wird, zeichnen sich bereits Anfang des Jahres weitere Veränderungen im Kiez und der Nachbarschaft ab. Große Uneinigkeit herrscht über die im Raum stehende Schließung des Flughafens Tempelhof. Die Pläne zur Überbauung des Fichtebunkers mit Eigentumswohnungen stoßen auf überwiegend kritische Stimmen. Nach einem Brand in der KuK-Redaktion ist die Zeitung für zwei Monate obdachlos, bevor die jetzigen Räume in der Fürbringerstraße bezogen werden.

2008

Zigaretten im Aschenbecher2007 geht und das Rauchverbot kommt, zumindest in gastronomischen Betrieben, die auch »zubereitete Speisen« anbieten – was auch immer unter diese Definition fallen mag. Lokalpolitisch stehen die Media­spree und die Zukunft von THF zur Abstimmung – mit dem bekannten Ergebnis.

2009

Menschen auf der AdmiralbrückeDas Thema Nichtraucherschutzgesetz ist noch nicht ausgestanden, aber auch lärmempfindliche Nachbarn werden für manchen Wirt zur Bedrohung. Die gibt es auch an der Admiralbrücke, die sich im Sommer eines regen Zulaufs durch laute Touristengruppen erfreut. Die Kleingärtner im Gleisdreieckpark bangen um ihre Existenz, und dann ist ja auch mal wieder Bundestagswahl.

2010

Tempelhofer Feld mit FlughafengebäudeWas lange währt wird endlich gut: Das Tempelhofer Feld wird für die Öffentlichkeit geöffnet. Im heißesten Sommer seit Jahren bevorzugen viele trotzdem ein kühles Bier zum Public Viewing der WM. Und im Nachbarbezirk gründet sich die Kiez und Kneipe Neukölln.

2011

Mitglieder der PiratenparteiIn der Mittenwalder Straße, also quasi im Zentrum von KuK-Land, gründet sich der Nachbarschaftsverein mog61 e.V., von dem man noch viel hören und lesen wird. Ende September sorgt der Papstbesuch für Verkehrschaos am Südstern. Bei der Berlinwahl überraschen die Piraten in Kreuzberg mit einem deutlich zweistelligen Ergebnis und zu wenig Abgeordneten für die gewonnenen BVV-Sitze.

2012

Schüler und Künstler bemalen TelefonkastenEs ist nicht die erste Kneipe, die dicht macht, und es wird auch nicht die letzte sein. Trotzdem trauern viele dem Mrs. Lovell hinterher. Im Graefekiez üben sich mehrere Wirte in Selbstbeschränkung, was den abendlichen Außenausschank angeht. Am Südstern eröffnet ein neuer Wochenmarkt, und mog61 bemalt Stromkästen.

2013

Gleisdreieckpark (Westgelände)Schon wieder mog61: Der Verein veranstaltet das erste Straßenfest in der Mittenwalder. Monika Herrmann löst Franz Schulz als Bezirksbürgermeisterin ab und »erbt« nicht nur einen eröffnungsreifen Gleisdreieckpark, sondern auch eine besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS). Neuer Ärger bei den Wirten: Der Bundesliga-Pay-TV-Sender SKY wird erheblich teurer.

2014

Bettie Berlin mit Kiez und KneipeNicht nur die GHS, sondern auch die Dealer im Görli schlagen hohe Wellen im Bezirk und darüber hinaus. Kiez-und-Kneipe-Chef Peter lädt das erste Mal zum Pub-Quiz ins TooDark, das, kurz nach einem rauschenden KuK-Fest zum Zehnjährigen, zwecks Umfirmierung und Inhaberwechsel seine Pforten schließt.

2015

Gemüseladen »Bizim Bakkal«Das Jahr steht im Zeichen der Ini­tiativen: Kreuzberg hilft sammelt Spenden für Geflüchtete, in der Schleiermacherstraße organisiert sich Widerstand gegen eine Verlegung des Spielplatzes an der Ecke Fürbringerstraße, und Bizim Kiez kämpft in SO36 gegen Verdrängung von Mietern – mit gewissem Erfolg: Im Dezember nimmt der Bezirk erstmals sein Vorkaufsrecht wahr, um ein Haus der Spekulation zu entziehen.

2016

Kottbusser TorManchmal schreiben auch andere die Schlagzeilen: Im Frühjahr jedenfalls erklären mehrere bundesdeutsche Medien den Kotti zur No-Go-Area. Ob da was dran ist? Unklar ebenfalls: die Zukunft der Cuvry-Brache. Nur zwei von vielen Problemen, mit denen sich die insgesamt acht in die BVV gewählten Parteien beschäftigen dürfen.

2017

Canan Bayram mit KuK-Redakteurin Manuela Albicker.Der Bericht über Methadonpatienten am U-Bahnhof Gneisenaustraße und zwei gegenläufige Initiativen beschert der Kiez und Kneipe einen kostspieligen Rechtsstreit. Bei der Bundestagswahl im September beerbt Canan Bayram den langjährigen grünen Direktkandidaten Christian Ströbele.

2018

MöckernkiezMan mochte schon gar nicht mehr dran glauben: Nach Finanzierungsproblemen und Baustopp sind die Mietwohnungen im Möckernkiez nun doch noch fertig geworden. In der Friesenstraße hingegen gehen die Bauarbeiten am Straßenbelag erst los.

2019

Elektro-Tretroller mitten auf dem BürgersteigZum Dauerthema entwickelt sich die geplante Begegnungszone in der Bergmannstraße mit ihren Parklets, Findlingen und farbigen Punkten. Der Kiez wird derweil von Elektro-Tretrollern überflutet, die auch von der Redaktion mutig getestet werden. Neue Hoffnung für Gentrifizierungsbedrohte: Der Mietendeckel kommt.

 

Fotos: Hoepfner (2012), Hungerbühler (2010), Kaspar (2007, 2008, 2015, 2016), Plaul (2009, 2011, 2013, 2017, 2018), Stark (2019), Tiesel (2014), Vierjahn (2006)

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Ansporn und Motivation

Kiez und Kneipe feiert Geburtstag und geht optimistisch ins 16. Jahr

Dies ist eine ganz besondere Ausgabe der Kiez und Kneipe. Einerseits markiert sie unseren Geburtstag. Am 4. Dezember vor 15 Jahren erschien das Kreuzberger Lokalblättchen nämlich zum ersten Mal.

Dass wir nun in unseren 16. Jahrgang gehen, ist so selbstverständlich nicht. Wer in den letzten Wochen und Monaten die Berichterstattung in eigener Sache verfolgt hat, wird registriert haben, dass diese Ausgabe und damit auch der weitere Fortbestand der KuK zeitweise in den Sternen stand.

Mittlerweile hat sich einiges geändert. Getragen von einer Welle der Solidarität und aktiver Unterstützung, die uns überrascht und berührt hat, ist die Existenz der KuK für das kommende Jahr und hoffentlich darüber hinaus aus heutiger Sicht gesichert.

Wir sind sehr froh und all jenen dankbar, die mitgeholfen haben, dass dieses kleine journalistische und unabhängige Biotop weiter existieren kann – und dass es offensichtlich eine ganze Menge Leute gibt, die wollen, dass die KuK auch in Zukunft erscheint. Natürlich ist das für die Redaktion jetzt Ansporn und Motivation, unseren Lesern möglichst viel wieder zurück zu geben.

In den letzten Wochen haben wir mit den unterschiedlichsten Leuten gesprochen und diskutiert. Manche wünschen sich, dass die KuK wieder ein wenig wird wie früher, zu ihren Anfangszeiten, als viel direkt aus den Kneipen berichtet wurde, dafür aber damals noch weniger über die lokale Politik.

Anderen kommt gerade die Politik immer noch ein wenig zu kurz. Sie wünschen sich mehr härtere Themen und eine klare Kante.

Allen werden wir es gewiss nie recht machen können, doch die Redaktion wird sich auch in Zukunft darum bemühen, dass jeder wenigstens ein bisschen von dem wiederfindet, was er sich in seinem Kiezblatt erhofft.

In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal im Namen der ganzen Redaktion bedanken und allen schöne Feiertage und ein erfolgreiches 2020 wünschen.

Herzlichst,
Peter S. Kaspar

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Die KuK sucht Förderer

Neues Modell soll den Fortbestand sichern

Redaktion der Kiez und KneipeFreut sich über zahlreiche Unterstützer: KuK-Redaktion. Foto: kuk

In zwei Monaten, am 4. Dezember, jährt sich das erste Erscheinen von Kiez und Kneipe zum 15. Mal. Eigentlich sollte das ein Grund zum Feiern sein, doch das Jubiläum wird von großer Sorge um den Fortbestand unseres Magazins begleitet.

Es ist kein großes Geheimnis, dass das Umfeld für anzeigenfinanzierte Printmedien immer schwerer wird. Immerhin haben wir uns in den letzten Jahren in diesem Umfeld tapfer gehalten, trotz zurückgehender Einnahmen.

Allerdings erleben wir nun auch, dass sich immer mehr Kunden von uns verabschieden, nicht etwa, weil sie ihr Heil in Online-Medien suchen, sondern weil sie einfach verschwinden. Immer mehr Läden müssen schließen, weil sie die steigenden Mieten nicht mehr tragen können. Andere sind so zum Sparen gezwungen, dass sie sich nicht einmal mehr die moderaten Anzeigenpreise der KuK leisten können.

Dass unser Blatt bis zum heutigen Tage durchgehalten hat, liegt unter anderem daran, dass die Redakteure von Kiez und Kneipe alle ehrenamtlich tätig sind. Mit einer auch nur zum Teil finanzierten Redaktion hätten wir schon längst unser Erscheinen einstellen müssen.

Trotzdem glauben wir daran, dass es weitergeht. Wenn das anzeigenfinanzierte Modell nicht mehr ausreicht, dann müssen wir andere Wege finden, um das monatliche Erscheinen des Blattes zu gewährleisten. Andere Blätter haben den Weg bereits bestritten und ihre Leser um Mithilfe gebeten. Diesen Weg wollen nun auch wir gehen.

Helfen soll uns dabei das Portal Steady, das auch zahlreiche andere Medien unterstützt, so etwa die Satiremagazine Postillon und Titanic, die Blogs des Medienjournalisten Stefan Niggemeier, aber auch lokale Medien zum Beispiel in Steglitz oder am Prenz­lauer Berg.

Gesucht werden Förderer, die bereit sind, mit einem monatlichen Betrag zur Finanzierung des jeweiligen Mediums beizutragen.

Wir hoffen, dass wir nach 15 Jahren genügend Unterstützer finden, die uns dabei helfen, auch in den nächsten 15 Jahren Kreuzberg in seiner ganzen bunten Vielfalt jeden Monat abzubilden.

Hier könnt Ihr uns unterstützen: Kiez und Kneipe bei SteadyHQ

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2019.

Mehr Kameras, weniger Müll

Karneval der Kulturen setzt auf Nachhaltigkeit – und verschärft sein Sicherheitskonzept

Umzugshelferin in Dienstkleidung. Foto: rsp

Bereits zum 24. Mal findet am Pfingstwochenende der Karneval der Kulturen statt. Neben dem Straßenfest rund um den Blücherplatz lockt vor allem der Umzug am Sonntag jedes Jahr unzählige Besucher in den Kiez – 2018 waren es zusammen eine knappe Million Menschen.

Wie schon im letzten Jahr geht der Umzug wieder in der noch etwas ungewohnten Richtung von der Yorckstraße über Gneisenaustraße und Hasenheide bis zum Hermannplatz. 74 Gruppen mit gut 4.400 Beteiligten ziehen über die Strecke. Neu ist, dass rund ein Drittel der Gruppen ohne motorbetriebenen Wagen auskommt. Stattdessen kommen Lastenräder, Rikscha und geschobene Plattformen zum Einsatz. 

Überhaupt solle der Karneval nachhaltiger werden, erklärte Leiterin Nadja Mau bei der Pressekonferenz zwei Wochen vor dem Event und hob unter anderem das ausgeklügelte Mehrwegsystem des Straßenfests hervor. Die Berliner Wasserbetriebe, die die Akteure des Umzugs seit 16 Jahren mit Trinkwasser versorgen, verzichten zudem komplett auf Einweg-Plastikbecher. Für den trotzdem allenthalben anfallenden Müll stehen drei Mal soviele Behälter bereit wie noch im Vorjahr.

Nachhaltigkeit und Achtsamkeit finden sich auch im Programm wieder: Bei zahlreichen Gruppen des Umzugs stehen explizit Themen wie Umweltschutz, Müllvermeidung und Artenvielfalt im Vordergrund. Mit »Shanti Town« wird mitten auf dem Festgelände ein Aktionscamp gegen Rassismus und Krieg, für Vielfalt, Nachhaltigkeit und Verantwortung errichtet. Unter anderem gibt es dort Filmprojektionen, Workshops und Mitmach-Aktionen.

Weniger Müll und überhaupt mehr Nachhaltigkeit ist eines der Ziele des Karnevals der Kulturen. Foto: rsp

Die kulturelle Vielfalt, für die der Karneval steht, schlägt sich wie immer auch im Musikangebot nieder. Neben den drei großen Bühnen »Latinauta« (Gitchiner Straße; Latin Grooves), »Black Atlantica« (vor der Heilig-Kreuz-Kirche; afrikanische Musik) und »East2West« (AGB; u.a. Reggae, Ska, Balkan Beats) gibt es zehn kleinere »Music Corners«, die übers ganze Festgelände verteilt sind.

»Eine neue Kultur des Miteinanders auf Großveranstaltungen« wollen die Veranstalter des Karnevals der Kulturen etablieren, und dazu gehöre es auch, alle Beteiligten für die Bedürfnisse der Anwohner zu sensibilisieren – etwa durch eine Reduktion der Zeit für den Soundcheck im Aufstellungsbereich des Umzugs.

Zudem sind die Gruppen angehalten, unsoziales Verhalten in der Umgebung ihres Wagens zu identifizieren und anzusprechen. Angespannte Situationen sollen mit angepasster Musik beruhigt werden.

Zur Entspannung der Sicherheitslage soll eine punktuelle Videoüberwachung entlang der Strecke und auf dem Straßenfest beitragen. Damit sollen Besucherströme beobachtet und gegebenenfalls gelenkt werden. Am Tag des Umzugs sind Nostitz‑, Solms‑, Zossener und Mittenwalder Straße zwischen Gneisenau- und Baruther bzw. Fürbringerstraße auch für Fußgänger komplett gesperrt, Mehringdamm und Schleiermacherstraße funktionieren als Einbahnstraße (siehe Plan). Anwohner sollten deshalb unbedingt einen Ausweis oder ein ähnliches Dokument dabei haben, wenn sie vorhaben, vor Ende des Umzugs nach Hause zu kommen. In den genannten Straßen wird es auch ein flächendeckendes Parkverbot geben.

Quo vadis, Karnevalsbesucher? Am Pfingstsonntag sind zahlreiche Straßen komplett gesperrt, auch für Fußgänger. Grafik: KdK

Ob speziell die Straßensperrungen bei den unmittelbaren Anwohnern für eine höhere Akzeptanz sorgen, erscheint fraglich. Immerhin dürfte die Zahl der Wild- und Hauseingangspinkler in den gesperrten Straßen rückläufig sein. 

Die Fürbringerstraße fungiert als eine Art »Rückstaubereich« – für ortsfremde Besucher vermutlich verwirrend, da es von dort keinen Zugang zum Umzug und keinen direkten Rückweg zum Fest gibt. Von außerhalb des Festes kommt man nur via Baruther oder Schleiermachenstraße in die Fürbringerstraße.

Wer doch in diesen Bereich findet – oder nicht mehr heraus –, ist jedenfalls herzlich willkommen vor den Redaktionsräumen der Kiez und Kneipe (Fürbringerstraße 6), wo wie immer der Bierzelttisch aufgestellt ist und Caipirinha bereitsteht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.

Lettland weist Demonstranten aus

KuK-Mitarbeiter darf nicht über Proteste gegen SS-Gedenken berichten

Der Protest endete noch ehe er begonnen hatte. Lothar Eberhardt, Mitarbeiter von Kiez und Kneipe, war mit vier weiteren Mitstreitern gerade in der lettischen Hauptstadt Riga gelandet, da wurden sie auch schon von Sicherheitsbeamten des baltischen Staates abgefangen. Die erklärten dem Besuch aus Berlin, dass er hier unerwünscht sei und sich sofort wieder auf die Heimreise begeben solle.

Rückblende: Zwei Jahre zuvor hatte sich schon einmal eine Delegation aus Berlin auf den Weg nach Riga gemacht. Ihre Absicht: Sie wollten gemeinsam mit lettischen Antifaschisten gegen den »Tag der Legionäre«, den Lettland traditionell am 16. März feiert, protestieren. Dahinter verbirgt sich das Gedenken an die 15. und 19. SS-Waffen-Grenadier-Division. Die beiden Großverbände waren 1943 aufgestellt worden. Von 1998 bis 1999 galt der 16. März sogar als Nationaler Gedenktag.

Abgeschoben: KuK-Mitarbeiter Lothar Ebehard (links) im Gefangenentransport auf dem Weg nach Litauen.

Foto: privatAbgeschoben: KuK-Mitarbeiter Lothar Ebehard (links) im Gefangenentransport auf dem Weg nach Litauen. Foto: privat

In Lettland ist das Gedenken an die baltischen Legionäre durchaus umstritten. Für die einen sind es Kollaborateure mit dem Naziregime, für andere Freiheitskämpfer gegen die sowjetischen Unterdrücker des Baltikums.

Von zahlreichen deutschen Demonstranten gegen den Marsch zum Nationaldenkmal wurden vor zwei Jahren die Personalien aufgenommen. Fünf von ihnen wurden am Flughafen von Riga abgefangen, einer sechste Person wurde in Hamburg der Zutritt in die Maschine nach Riga verwehrt.

Den fünf Berlinern wurde mitgeteilt, dass sie »eine Gefahr für die öffentliche Ordnung« darstellten und deshalb mit einem Einsreiseverbot bis 16. März belegt worden seien – einem Einreiseverbot, von dem sie allerdings nichts wussten. Und da sie sich weigerten, den nächsten Flieger zurück nach Deutschland zu nehmen, sollten sie zunächst in das Lager für illegale Einwanderer nach Dagopils verfrachtet werden. Pinkanterweise handelt es sich dabei um ein ehemaliges KZ.

Von dort aus ging es im vergitterten Gefangenentransport an die Litauische Grenze, wo die Abgeschobenen in einen Fernbus nach Berlin gesetzt wurden. 20 Stunden später waren sie wieder zu Hause.

Doch damit ist der Fall noch lange nicht ausgestanden. Lothar Eberhardt, der auch in seiner Eigenschaft als Journalist über den »Gedenktag der Legionäre« berichten wollte, sieht sich nicht nur in der Versammlungsfreiheit, sondern auch in der Pressefreiheit beschnitten. Er hat nun die Deutsche Journalisten-Union (dju) eingeschaltet.

dju rügt die lettischen Behörden

Die Gewerkschaft hat sich mittlerweile mit den Behörden in Lettland in Verbindung gesetzt und scharf gegen Maßnahmen und vor allem gegen die Einschränkung der Pressefreiheit protestiert.

Lothar Eberhard will aber wieder nach Lettland. Spätestens zum nächsten Aufmarsch am »Tag der Legionäre«. »Wenn ich die Chance habe, wieder einzureisen, dann werde ich das tun«, gibt er sich kämpferisch. »So etwas geht gar nicht«, sagt er und verweist darauf, dass es sich dabei um ein natio-nales Gedenken an Nazis handele. Das ist nicht nur für ihn ein unerträglicher Gedanke. Die Deutschen waren unter anderem auf Einladung lettischer Opferverbände nach Riga gereist. Auch jüdische Organisationen hatten sich an dem Protest gegen den Gedenktag, der übrigens auf Druck Russlands im Jahr 2000 seinen offiziellen Charakter verlor, be­tei­ligt. Der Tag ist auch ein großer Konfliktpunkt zwischen baltisch- und russischstämmigen Letten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2016.

Zehn Jahre Kiez und Kneipe

Ein Dank an Leser, Kunden und Mitarbeiter / von Peter S. Kaspar

Die KuK-Redaktion arbeitet seit sechs Jahren in dieser Besetzung zusammen.

Foto: philsDie KuK-Redaktion arbeitet seit sechs Jahren in dieser Besetzung zusammen. Foto: phils

Alle paar Jahre gibt es eine neue Welle des Zeitungs- und Zeitschriftensterbens in Deutschland. Große und namhafte Blätter verschwinden. In der Welt der Printprodukte haben fast nur noch Lifestyle- oder Special-Interest-Magazine eine Chance.

So gesehen haben wir, das Team von Kiez und Kneipe, wahrlich Grund, stolz zu sein. Seit zehn Jahren gibt es das Stadtteilmagazin jetzt schon. Erstmals erschien es am 4. Dezember 2004 mit dem bescheidenen Umfang von zwölf Seiten. Heute sind es mal 16, mal 20 und ganz selten sogar mal 24 Seiten.

Im Grunde ist die KuK ein gedruckter Anachronismus, vielleicht sogar ein Paradoxon, das dem berühmten Hummel-Paradoxon gar nicht so unähnlich ist: Gemessen an ihrer Körpergröße und ihrer Flügelfläche, kann eine Hummel angeblich gar nicht fliegen – aber sie tut es trotzdem.

Fröhlich wandelt die KuK seit einem Jahrzehnt auf einem schma­len Grat. So richtig in die Gewinnzone ist sie nie gekommen, aber auch nicht richtig in die Gefahr, pleite zu gehen. Es gab zwei existenzgefährdende Situationen. Einmal nach dem Brand der Redaktionräume und einmal nach dem Versuch ehemaliger Mitarbeiter, die Kreditwürdigkeit des Blattes zu untergraben.

Am Ende aber ist es alles immer irgendwie gut ausgegangen und die KuK steht heute besser da, als jemals zuvor in ihrer Geschichte.

Das hat sie in erster Linie ihren engagierten Mitarbeitern zu verdanken, die das Blatt jeden Monat ehrenamtlich und mit goßer Hingabe neu erfinden. Dieser harte Kern, der so seit sechs Jahren zusammen ist, hat die KuK zu dem gemacht, was sie heute ist.

Überleben könnte die KuK auch nicht ohne jene Kunden, die dem Blatt seit Jahren die Treue halten und die Kiez und Kneipe mit ihren Anzeigen unterstützen.

Das Überleben der KuK hat sicherlich auch damit zu tun, dass wir uns selbst nicht immer all zu ernst nehmen. Das Honorar für die Mitarbeit ist der Spaß am Zeitungsmachen und die Resonanz der Leser. Ohne sie wäre die Produktion einer Kiezzeitung ein sehr sinnbefreites Unterfangen. So kann denn auch eine Zeitung, die nichts kostet, nur durch ihre Leser überleben. Das sind jeden Monat zwischen 10.000 und 15.000.

Und die Zukunft? Wachsen wollen wir nicht mehr. Aber zum 20-Jährigen würden wir alle gerne wieder einladen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2014.

Das Interesse verlagert sich

Kandidaten der Außenseiter locken mehr Zuhörer an als früher

Warten auf den Kandidaten: An sechs Abenden interviewte die KuK Abgeordnete und solche, die es werden wollen.

Foto: philsWarten auf den Kandidaten: An sechs Abenden interviewte die KuK Abgeordnete und solche, die es werden wollen. Foto: phils

Sechs Kandidaten innerhalb von zweieinhalb Wochen stellten sich der Kiez und Kneipe in sechs verschiedenen Kneipen. Etwas mehr als einen Monat vor der Bundestagswahl konnten sich die Leser der KuK selbst ein Bild von denen machen, die sie in den nächsten Bundestag schicken sollen. Hans-Christian Ströbele ist dort schon – und zwar seit drei Legislaturperioden als einziger Grüner, der bislang direkt in den Bundestag gewählt wurde. Vor vier Jahren ist neben ihm auch noch Halina Wawzyniak von den Linken für den Wahlkreis 83 ins Parlament eingezogen.

Zu den Veranstaltungen der beiden Abgeordneten waren diesmal etwas weniger Interessierte gekommen, als in den Vorjahren. Dafür zogen die Kandidaten von SPD, CDU und FDP mehr Besucher an. Wegen ihrer Präsenz in der BVV und im Abgeordnetenhaus wurde dieses Mal auch der Kandidat der Piraten eingeladen.

Es gibt nur wenige, die ernsthaft daran zweifeln, dass der Grüne Hans-Christian Ströbele auch ein viertes Mal den Wahlkreis Friedrichhain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost direkt erobern wird. Ob er es allerdings erneut mit nahezu 50 Prozent schaffen wird, ist nicht ganz so sicher. Dagegen gibt es zwei gute Gründe – und die sind beide nicht nur jung und charmant, sondern offenbar auch sehr kompetent.

Halina Wawzyniak hat nicht nur vier Jahre im Bundestag geackert, sondern auch mit ihrem Wahlkreisbüro sehr starke Präsenz im Kiez gezeigt. Das könnte sich nun in einem höheren Stimmenanteil auszahlen.

Cansel Kiziltepe von der SPD wirbt nicht nur damit, dass sie ein Kiezkind aus dem Wrangelkiez ist. Die Volkswirtin beim VW-Konzern ist der perfekte Gegenentwurf zu den umstrittenen Thesen ihres Parteigenossen Thilo Sarrazin. Auf Platz fünf der Landesliste stehen ihre Chancen gar nicht mal so schlecht.

Für sie gilt wie für Halina Wawzyniak, die als fünfte auf der Linken-Liste ist: Es kommt darauf an, wieviel Direktmandate die jeweilige Partei in Berlin erringt und wieviele Zweitstimmen abgegeben werden, die letztlich über die Listenkandidaten entscheiden.

Vor vier Jahren hatte die einstige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld mit ihren tiefen Einblicken nicht nur Kanzlerin Angela Merkel irritiert, sondern mit ihren Ansichten auch konservative Wähler verstört. Der CDU-Fraktionsvorsitzende in der BVV Götz Müller könnte hier verlorenes Terrain ein wenig zurückerobern.

Nachdem vor vier Jahren der geschasste Landesvorsitzende der FDP, Markus Löning, im Wahlkreis 83 kandidierte, muss nun der einstige Büroleiter von Guido Westerwelle ran. Helmut Metzner stolperte über seine ganz persönliche Wikileaks-Affäre. Und so wird man das Gefühl nicht los, dass der 83er für die Liberalen so eine Art Strafwahlkreis darstellt.

Bleibt noch der Pirat Sebastian von Hoff – ein Schornsteinfeger. Wie er und seine Mitstreiter sich geschlagen haben, erfahren Sie in den folgenden Artikeln:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

KuK lädt die Kandidaten

Offene Redaktionsgespräche in sechs Kiez-Kneipen

An sechs Terminen werden wir mit den Direktkandidaten des Wahlkreises über ihre Positionen zu Bundes- und Lokalpolitik sprechen. Plakat: csAn sechs Terminen werden wir mit den Direktkandidaten des Wahlkreises über ihre Positionen zu Bundes- und Lokalpolitik sprechen. Plakat: cs

Die Bundestagswahl naht wieder. Am 22. September wird gewählt, und auch diesmal hat Kiez und Kneipe wieder die Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen. Es gibt dieses Mal allerdings eine Neuerung. Aufgrund ihres sensationellen Erfolges bei der Berlinwahl und der Tatsache, dass die Partei auch stark in der Bezirksverordnetenversammlung vertreten ist, wollen wir in diesem Jahr auch mit dem Kandidaten der Piraten diskutieren.

Die Spielregeln sind die gleichen wie immer: Die Kandidaten werden von unseren Redakteuren etwa 45 Minuten lang befragt. Dann ist das Publikum dran. Auch hier sind ca. 45 Minuten eingeplant.

Der Auftakt gebürt dem Doyen in der Runde. Hans-Christian Ströbele wird am 7. August um 19 Uhr in das Too Dark in der Fürbringerstraße 20a kommen. Er kennt das Format und die Location bestens und kommt auch jedes Mal gerne, weil ihm nach eigenem Bekunden beides sehr gut gefällt.

Tradition hat auch die Cantina Orange als Treffpunkt mit dem Kandidaten der FDP. Das hat allerdings nichts mit der Präferenz der Wirtsleute zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass Baden-Württemberg als das Stammland der Liberalen gilt. Und so ist auch Helmut Metzner in das Schwäbische Lokal in der Mittenwalder Straße eingeladen. Er kommt am 13. August ebenfalls um 19 Uhr.

Einen Tag später ist Halina Wawzyniak an der Reihe. Vor vier Jahren zog sie über die Landesliste überraschend für den Wahlkreis als Kandidatin der Linken in den Bundestag ein. Sie kommt am 14. um 19 Uhr ins Dodo in der Großbeerenstraße 32.

Für die SPD will Cansel Kiziltepe in den Bundestag einziehen. Wie sie das machen will, wird sie am 15. August ab 19 Uhr im »Gasthaus Valentin« in der Hasenheide erklären.

Für die CDU geht Götz Müller ins Rennen. Die KuK hat ihn für den 20. August um 19 Uhr in die Bar »Galander« in der Großbeerenstraße 54 eingeladen.

Da Piraten und Karibik irgendwie zusammengehören, liegt es auf der Hand, dass der piratische Kandidat Sebastian von Hoff im passenden Ambiente befragt wird.Im »Martinique« in der Monumentenstraße 29 steht er am 21. August ab 19 Uhr Rede und Antwort.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2013.

Besuch aus Russland

Gäste des »Pressenetzwerk« besuchen Kiez und Kneipe

UNTER KOLLEGEN: Eine russische Delegation informierte sich bei der KuK darüber, wie ein Kiez-Magazin entsteht. Foto: g

Wie doch die Zeit vergeht. Galt in Zeiten des Kalten Krieges der Spruch: »Die Russen kommen!« als ultimativer Schreckensruf im Kampf der Systeme, so löste diese Ankündigung in der KuK-Redaktion nur freudige Erwartung hervor.

Zum ersten Mal besuchte eine internationale Journalisten-Delegation das Kreuzberger Kiez-Magazin. Organisiert hatte den Besuch der in Bonn ansässige Verein »Pressenetzwerk für Jugendthemen«.

Fünf Journalisten und Journalistinnen aus Nowosibirsk und Moskau informierten sich in der Redaktion von Kiez und Kneipe in der Fürbringerstraße über das Projekt – und staunten nicht schlecht. Ein solches Projekt, so räumten sie am Ende ein, hätten sie nicht erwartet.

Nachdem Chefredakteur Peter S. Kaspar das Blatt und die Idee dahinter vorgestellt hatte, kamen auch schnell die Fragen. Einen jungen Kollegen interessierte es brennend, woher die KuK die Lizenz zum Herausgeben einer Zeitung bekommen habe. Dass es keiner solchen Lizenz bedürfe beindruckte ihn tief.

Es folgten Fragen nach Finanzierung und Vertrieb, aber auch Themenbezogenes wie etwa die Haltung zum Migration und Integrationspolitik. Letzteres mündete in dem spontanen Vorschlag, sich doch zum Karneval der Kulturen im nächsten Jahr wieder zu treffen. Natürlich stieß auch die Schilderung vom größten Multikulturellen Ereignis in Berlin auf großes Interesse und so werden die Kollegen vielleicht ja bald wieder kommen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2010.

Die KuK-Drucker

Wie kommt die Kiez und Kneipe eigentlich auf Papier? Wir waren zu Besuch bei unserer Druckerei KOMAG

Drucker Uli Sattler beim Einspannen der Druckplatte. Trotz Schnellspannvorrichtung ist die Benutzung eines Schraubenschlüssels obligatorisch.

Foto: rspDrucker Uli Sattler beim Einspannen der Druckplatte. Trotz Schnellspannvorrichtung ist die Benutzung eines Schraubenschlüssels obligatorisch. Foto: rsp

Es ist nicht wenig Arbeit, eine Zeitung wie die Kiez und Kneipe zu machen. Artikel müssen recherchiert und geschrieben werden, Fotos müssen gemacht werden, Anzeigen müssen akquiriert werden, und dann muss die ganze Angelegenheit auch noch umbrochen, also in eine Form gegossen werden, die nach Zeitung aussieht. Doch wenn sich die Redaktion nach einem erfolgreichen Umbruchwochenende erschöpft zurücklehnt, geht die Arbeit für andere Akteure erst richtig los. Denn was wäre eine Zeitung ohne die Druckerei?

Seit der ersten Ausgabe wird die KuK bei der »Kommunikations- und Marketingagentur GmbH«, kurz KOMAG, in der Schlesischen Straße gedruckt. Der kleine Kreuzberger Betrieb ist seit 1995 im Geschäft und eigentlich auf das Komplettprogramm von Satz, Layout und Druck spezialisiert. Doch auch der Druck alleine ist aufwendig genug.

Schwer reißend vom Spachtel zieht sich die ölige Druckfarbe. Ein Pfund reicht für 3000 Zeitungen.

Foto: piSchwer reißend vom Spachtel zieht sich die ölige Druckfarbe. Ein Pfund reicht für 3000 Zeitungen. Foto: pi

Aber der Reihe nach: Wenn die fleißigen Redakteure die Zeitung fertiggestellt haben, laden sie die Druckdatei auf den Server von KOMAG hoch. Früher wurden dort direkt vor Ort Filme hergestellt, von denen die Druckplatten belichtet wurden. Inzwischen bedient man sich eines externen Dienstleisters, der die nicht einmal einen Millimeter starken Metallbleche direkt und ohne Umweg aus der Datei erzeugt.

Gedruckt wird die KuK im Bogenoffset-Druckverfahren. Dazu verfügt die Druckplatte über eine spezielle Beschichtung, die die Eigenschaft hat, dass die aufgetragene Druckfarbe nur an bestimmten Stellen haftet, denjenigen Stellen nämlich, an denen später Buchstaben auf dem Papier landen sollen. Mit dieser Druckplatte, die um eine Walze herum eingespannt ist, wird nicht direkt auf Papier gedruckt, sondern zunächst auf eine Gummiwalze, die die Farbe aufnimmt und wiederum an das Papier abgibt. Im Unterschied zum Rollenoffset, der bei »großen« Zeitungen Verwendung findet, wird nicht auf Papier von der Rolle, sondern auf Einzelblätter gedruckt. Das Einzelblatt hat allerdings DIN-A2-Format und entspricht 8 Seiten Kiez und Kneipe.

Bei KOMAG stehen gleich zwei Druckmaschinen für Offsetdruck, die zwar kleiner als ihre großen Kollegen bei Axel Springer und Co sind, daheim in der guten Stube aber trotzdem arg im Weg wären.

Doch bevor gedruckt werden kann, muss einerseits Farbe in die Maschine – für die Monatsauflage einer KuK wird etwa ein Pfund der öligen Masse gebraucht – und andererseits Wasser, mit dem die Druckplatte benetzt wird, um den beschriebenen Adhäsionseffekt auf der Druckplatte zu erzeugen. Zwar kommt das Wasser aus der KOMAGschen Teeküche, doch bevor es in die Maschine darf, muss sein pH-Wert – und damit die Oberflächenspannung – durch einen speziellen Feuchtwasserzusatz gesenkt werden.

Neugierige Redakteure mit KOMAG-Chef Stefan Kriebel

Foto: piNeugierige Redakteure mit KOMAG-Chef Stefan Kriebel Foto: pi

Außerdem braucht man natürlich Papier. Etwa 80 cm hoch ist der Stapel, den Drucker Uli Sattler einmal pro Monat von Hand in die Druckmaschine einlegen muss. Das wuchtige Gerät, eine »Heidelberg« aus den 90ern, verfügt über einen sogenannten Schuppenanleger: Um die Geschwindigkeit zu erhöhen, wird das Papier den Druckwalzen nicht Blatt für Blatt, sondern überlappend zugeführt. Damit es nicht zu Papierstau kommt und auch nicht etwa zwei Bögen auf einmal eingezogen werden – das würde zu weißen Seiten in der Zeitung führen – gibt es eine komplizierte Vorrichtung aus Luftdüsen, Lichtschranken und Rädchen, die die Druckwalzen im Fehlerfall sofort stoppen.

Wenn‘s dann endlich losgeht, landen die ersten paar dutzend Exemplare erst einmal als Makulatur im Müll, weil sich die Farbe noch nicht optimal im Druckwerk verteilt hat.

Prinzipbedingt wird der Bogen zunächst nur einseitig bedruckt, was bedeutet, dass der ganze Stapel erneut – mit der Rückseite nach oben – auf den Einzugsstapel gewuchtet werden muss. Zuvor muss Uli Sattler aber erst die Druckplatte wechseln, was trotz Schnellspannvorrichtung eine Angelegenheit ist, die etliche Handgriffe und einen Schraubenschlüssel erfordert. Außerdem muss nach jedem Druckvorgang die Gummituchwalze, die die Farbe aufs Papier aufträgt, gereinigt werden. Die dafür erforderliche Chemie ist zwar heutzutage einigermaßen umweltfreundlich, beschert Druckereien wie KOMAG aber trotzdem regelmäßige Kontrollen durchs Umweltamt.

Bei 20 Seiten KuK wiederholt sich dieser Vorgang sechs Mal. Alles in allem dauert das Ganze vier bis fünf Stunden.

Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Fehlen nur noch der Druck der Rückseite, Beschnitt, Heftung, Vertrieb...

Foto: piEntscheidend ist, was hinten rauskommt. Fehlen nur noch der Druck der Rückseite, Beschnitt, Heftung, Vertrieb... Foto: pi

Sind schließlich die drei Stapel Kiez-und-Kneipe-Bögen gedruckt, dann ist die Zeitung natürlich trotzdem noch nicht fertig. Denn bevor Du, lieber Leser, das Endprodukt in die Hände bekommst, müssen die Seiten noch geschnitten und geheftet werden. Das erledigt allerdings auch nicht KOMAG selbst, sondern ein externer Buchbinder.

Wie der das macht, das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll – genauso, wie die rätselhaften redaktionellen Ereignisse, in deren Verlauf die Druckdatei zustande kommt.

Robert S. Plaul

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2009.