Comeback zum 25. Jubiläum

Karneval der Kulturen lockt Hundertausende nach Kreuzberg

Tänzerinnen und Tänzer der Gruppe #WAS BEWEGT DICH beim Karneval der KulturenZum 25. Mal tanzte sich der Karneval der Kulturen durch Kreuzberg. Foto: phils

Es war fast wie früher – und dann doch irgendwie anders. Vier Jahre hatte der Karneval der Kulturen auf seine 25. Auflage warten müssen – und alle schienen froh, dass das bunte Treiben nach Kreuzberg zurückgekehrt ist.

Aber es war eben doch nicht ganz so wie früher. Dass der Zug am Pfingstsonntag gefühlt in die falsche Richtung unterwegs war, ließ sich ja noch leicht verschmerzen, zumal das Experiment schon beim letzten Karneval gewagt wurde. Ungewohnt war indes der Startpunkt: Gneisenaustraße Ecke Zossener Straße. Der Grund dafür war ein bitterer. Von den über 90 Gruppen vergangener Jahre sind gerade mal 48 übrig geblieben. 2.500 Menschen beteiligten sich an der Parade bis zum Hermannplatz. Das reichte immerhin für ein siebenstündiges Spektakel. So lange dauerte es, bis die letzte Gruppe die Grenzen von Neukölln erreicht hatte. Die Halbierung des Zuges fiel so gesehen gar nicht so richtig auf. 

Doch warum ist der Zug plötzlich so geschrumpft? Tatsächlich können sich viele Gruppen den finanziellen Aufwand nicht mehr leis­ten. In einem Interview mit dem rbb am Rande des Zuges erklärte Edson Marcelino da Rocha jr von der Furiosa Samba Band: »Mein Wunsch an die Politiker und die Investoren wäre, dass sie ein bisschen mehr uns unterstützen. Wir brauchen Platz und ein bisschen mehr Geld gehört auch dazu.«

Ein Wunsch, der bislang nach jedem Karneval geäußert wurde, aber offensichtlich bislang ungehört verhallte, wie die Halbierung der Gruppen beim Umzug vermuten lässt.

Und einfacher wird es nicht. Der Versuch, dieses Mal auf jegliche motorisierte Unterstützung zu verzichten, war zwar einerseits ein eindrucksvolles umweltpolitisches Statement.

Teilnehmer hoffen auf größere Unterstützung

Andererseits braucht es mindestens acht Leute, um einen großen Wagen durch den Umzug zu ziehen. Es könnte also sein, dass die Zahl der Wagen in Zukunft weiter abnehmen wird.

Während die Teilnehmer des Zuges mangelnde finanzielle Unterstützung beklagten, war manch ein Zuschauer am Straßenrand geschockt und besorgt um seine eigenen Finanzen. Zum Teil wurden für das KdK-Kultgetränk Caipirinha neun Euro aufgerufen. Eine simple Bratwurst war für fünf und eine Dose Bier für vier Euro zu haben.

Für Marie Höpfner, Vorsitzende von mog61 und Veranstalterin des Mittenwalder Straßenfests am 2. September, ein Unding. »Der Karneval der Kulturen ist ja auch ein multikulturelles Fest und dadurch auch ein Fest für Migranten. Viele von denen haben nur wenig Geld. Ausgerechnet sie können sich die Preise beim Karneval der Kulturen gar nicht mehr leisten.«

Die Kommerzialisierung und Professionalisierung des Festes, die schon 2019 mit dem neuen Veranstalter ihren Anfang genommen hatte, war auch dieses Mal Anlass zu manchen Diskussionen. Im Mittelpunkt  der Kritik standen neben den Preisen auch die ausgedehnten Straßensperrungen. Viele Besucher kamen nicht einmal zum Umzug durch, weil alle Zugänge gesperrt waren. Ärgerlich für viele Anwohner, etwa von Mittenwalder oder Zossener Straße. Sie bekamen nur Zugang zur heimischen Wohnung, wenn sie ihren Personalausweis vorzeigten. 

Am Ende wurden mehr als eine halbe Million Zuschauer auf dem Umzug gezählt. Am Ende waren die meisten froh, dass der Karneval zurück ist. Die Frage ist allerdings, für wie lange. In zwei Jahren wird das Straßenfest wegen Bauarbeiten auf dem Blücherplatz weichen müssen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2023.

Qualität vor Quantität

Überzeugende literarische Auswahl am Marheinekeplatz

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Buchhändler Lutz Stolze und Laura Rupp am Tresen der Buchhandlung KommediaZwei Generationen Buchhandel: Lutz Stolze mit Mitarbeiterin und Tochter Laura Rupp. Foto: rsp

Wenn wie gerade der neue Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre erschienen ist, kann es auch schnell mal etwas voller werden in der Buchhandlung Kommedia. Das ist auch kein Wunder: Erstens kann sich Buchhändler Lutz Stolze über ein, wie er es nennt, »extrem informiertes, neugieriges und angenehmes Publikum« freuen. Und zweitens misst der Laden an der Stirnseite der Marheineke-Markthalle gerade einmal die 30 Quadratmeter, in die man auch durch die zwei großen Schaufenster hineinblickt – falls man es schafft, seinen Blick von der täglich aktualisierten Auslage im Fenster abzuwenden.

Doch die 30 Quadratmeter haben es durchaus in sich: Stolze und seine drei Mitarbeiterinnen halten eine sorgfältig kuratierte Auswahl aus den Unmengen von jährlichen Neuerscheinungen bereit. So gilt hier umso mehr das Prinzip »Qualität vor Quantität«, durchaus mit dem Ziel, den Leserinnen und Lesern auch einmal den Zugang zu etwas anspruchsvolleren Lektüren zu vermitteln.

Einen Großteil des Sortiments macht naturgemäß der Bereich Belletristik aus, viel davon auch von unabhängigen Verlagen. Dazu kommen etwa ein Drittel Sachbücher, vorwiegend zu aktuellen Diskussionsthemen, sowie eine kleine, aber feine Auswahl von Kinderbüchern.

Am Marheinekeplatz ist Kommedia übrigens seit 2004. 1981 war die Buchhandlung von acht Kommunikationswissenschaftsstudenten in der Bundesallee gegründet worden. Stolze kam 1985 dazu und übernahm das Geschäft zehn Jahre später.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2023.

Fachgeschäft für Fug und Unfug

In der Zossener Straße kommen Comic-Freunde auf ihre Kosten

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Bert Henning und Solange Adjakoh im Groben UnfugMitinhaber Bert Henning und Mitarbeiterin Solange Adjakoh im Groben Unfug. Foto: rsp

1982 hatten Comics bei Teilen der Bevölkerung noch einen eher schwierigen Ruf, und so darf man die Eröffnung des Comic-Ladens Grober Unfug – damals noch in Friedenau – ebenso wie den Namen wohl durchaus als kulturpolitisches Statement verstehen. Seit 1986 ist das Geschäft am heutigen Standort in der Zossener Straße 33 zu finden, zudem gibt es seit Ende der Neunziger eine Filiale in Mitte.

Während in der Torstraße auch die Importabteilung beheimatet ist, besteht das Kreuzberger Sortiment überwiegend aus deutschsprachigen Titeln des inzwischen stark diversifizierten Comic-Markts: Viele franko-belgische Sachen sind dabei, darunter natürlich Klassiker wie Asterix oder Lucky Luke, die seit Ladengründung zum Sortiment gehören, aber auch andere Funnies wie Donald Duck, außerdem Superhelden-Comics und Mangas. Und natürlich Graphic Novels, die mit ihrer langen Erzählform dazu beigetragen haben, Comics als Kunstform salon- und feuilletonfähig zu machen. Um die 4.000 Titel finden sich auf den rund 60 m² Ladenfläche. Dazu kommt ein ausgewähltes Sortiment an Postern, T-Shirts und Sammelfiguren.

Für Orientierung sorgen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die »alle einen Comic-Background haben«, wie Bert Henning, Mitinhaber seit 1985, erklärt. Er selbst zeichnet ebenfalls Comics (sein »50-jähriger Punk« erschien jahrelang in der KuK), Kollegin Solange Adjakoh kommt aus der Fan-Szene, früher standen hier Zeichner wie Fil und TOM hinterm Tresen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2023.

Klein, aber oho

Beratung steht bei der Buchhandlung Ludwig Wilde an erster Stelle

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Raumfüllendes volles Bücherregal, davor ein mit Bücher überquellender Verkaufstresen, lächelnd daneben Buchhändler Harald KirchnerBuchhändler Harald Kirchner findet für jeden das passende Buch – und hat es vermutlich auf Lager. Foto: rsp

Ewig zwischen Regalen und Büchertischen umherzuschweifen klappt in der Buchhandlung Ludwig Wilde schon deshalb nicht, weil der eigentliche Verkaufsraum kaum mehr als 20 Quadratmeter misst und nur zum kleineren Teil dem Publikumsverkehr dient. Aber das ist auch gar nicht nötig, denn Buchhändler Harald Kirchner und seine beiden Mitarbeiterinnen kennen ihre Stammkundschaft sehr gut und oft seit Jahren und finden auch für alle anderen schnell das passende Buch. Neben Belletristik und Kinderbuch gehört auch eine Auswahl an politischer und feministischer Literatur zum Sortiment, dazu kommen Krimis und – in kleinen Mengen – Comics. Außerdem werden etliche Schulen regelmäßig mit Schulbüchern beliefert.

Die kleine Buchhandlung in der Körtestraße 24 blickt auf eine über hundertjährige Geschichte zurück, was auch den immensen Lagerbestand erklären dürfte, in dem sich für jeden literarischen Geschmack etwas findet: Einige Zehntausend Titel werden es wohl sein, die fast jede waagerechte Fläche der Räumlichkeiten einnehmen, sowohl vor als auch hinter den Kulissen. »Nur das Genie beherrscht das Chaos«, könnte man meinen, doch die Wahrheit ist viel banaler: Alle Titel sind mit ihrem Standort in der Warenwirtschaft gespeichert. Sie alle zu erfassen, war aber wohl ebenso anstrengend wie der Umzug aus der Fichtestraße damals im Jahr 1995, an den sich Kirchner noch lebhaft erinnert: »Ich gebe Ihnen einen Tipp: Ziehen Sie nie mit einer Buchhandlung um.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2023.

Phantastik-Beratungsstelle

Im Otherland kommen Fantasy- und SciFi-Fans auf ihre Kosten

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Buchhändler Wolfgang Treß vor den Bücherregalen im Otherland.Mitinhaber Wolfgang Treß ist der Science-Fiction-Experte im Otherland-Team. Foto: rsp

Wer bei Fantasy nur an Tolkien und bei Science-Fiction nur an Raumschiff Enterprise denkt, sollte dringend mal zum Marheinekeplatz gehen und das Otherland besuchen. Die bereits 1998 eröffnete Buchhandlung (damals noch unter dem Namen UFO) hat sich ganz auf SciFi, Horror und Fantasy spezialisiert und ist damit eine der wenigen Anlaufstellen für Fans der Phantastik-Genres in Deutschland.

Auf den rund 90 Quadratmetern Verkaufsfläche in der Bergmannstraße 25 finden sich aber nicht nur belletristische Werke der drei Bereiche, sondern auch ein Regal mit wissenschaftlicher Sekundärliteratur, passende Comics, eine Auswahl an Kinder- und Jugendbüchern sowie eine Rollenspielabteilung. Zusätzlich gibt es etliche Regalmeter mit antiquarischen Titeln – wie auch das sonstige Sortiment mit einem großen Anteil an englischsprachigen Ausgaben – sowie ein wenig »Merch«, also alles von der Star-Wars-Tasse bis zur Spock-Perücke.

»Wir sind vor allem eine Beratungsbuchhandlung«, sagt Wolfgang Treß, der das Geschäft zusammen mit Jakob Schmidt und Simon Weinert 2013 übernommen hat. Überhaupt ist den Betreibern die Kommunikation mit der Leserschaft wichtig. So gibt es monatliche Plauder­abende (»Gatherland«), Rollenspiel-Treffen und Abende mit Autorinnen und Autoren. Der Renner seit Corona: individuell zugeschnittene Überraschungsbuchpakete.

Benannt ist das Otherland übrigens nach der Cyberpunk-Reihe von Tad Williams, dessen Bücher natürlich auch in den Regalen stehen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2023.

Wenn man trotzdem lacht

Lesung in der Junction Bar

Sandra Reichert liest auf der Bühne des unterRock.Sandra Reichert bei einer Lesung im unterRock im Oktober. Foto: rsp

Dass man sich mit den Themen Depression und Suizid durchaus unterhaltsam und trotzdem tiefgründig auseinandersetzen kann, hat Sandra Reichert mit ihrem Debütroman »Der Himmel muss warten« mehr als deutlich gemacht (Rezension in KuK 10/2022). Mit Schmerzlust und Galgenhumor zeichnet die Autorin darin das Porträt einer Frau, die sich zurück in die Welt erzählt – gegen ihre Überzeugung, dass das Leben eine Zumutung ist. Wer bisher dachte, dass die Verhandlung von solcherlei Themen Humor verbietet, kann sich hier vom Gegenteil überzeugen und vom frechen, freien und bisweilen flapsigen Ton in den Bann ziehen lassen.

Als Beitrag für die Enttabuisierung von Depressionen und ihrer Anerkennung als geläufige Krankheit mit vielen Facetten liest die Autorin ausgewählte Kapitel in Kooperation mit dem Vivantes-Netzwerk für Gesundheit GmbH sowie dem Soulspace Berlin und dem Fritz am Urban, beides Anlaufstellen für junge Menschen in Krisen. 

Begleitet wird der Abend von Ärzten der psychotherapeutischen Abteilung des Vivantes, die im Anschlussgespräch der Lesung ebenfalls zur Verfügung stehen.

Die Lesung findet am 20. Februar in der Junction Bar in der Gneisenaustraße 18 statt. Start ist um 20 Uhr, der Eintritt ist frei.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2023.

Die richtige Mischung

Großes Angebot mit Design-Schwerpunkt in der Buchhandlung Moritzplatz

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Buchhändler Ben von Rimscha steht vor den Regalen seiner Buchhandlung.Aufbau-Pionier: Ben von Rimscha eröffnete seine Buchhandlung bereits im Mai 2011. Foto: rsp

Das Aufbau Haus war gerade noch im Aufbau begriffen, als Ben von Rimscha dort im Mai 2011 die Buchhandlung Moritzplatz eröffnete. Es war zweifellos ein Wagnis, denn die Gegend um den Moritzplatz war damals beileibe nicht so beliebt und belebt wie heute. Doch die Idee des Hauses für Kultur und Kreative ging auf, und es ist nicht zuletzt die Firma Modulor, die auch der Buchhandlung ein wenig Laufkundschaft beschert.

So verwundert es nicht, dass ein Teil des »allgemeinen Sortiments«, wie es buchhändlerisch so schön heißt, dem Thema Design gewidmet ist. Dazu kommen Belletristik und Kinderbücher. Eine Abteilung mit englischsprachigen Titeln trägt dem Umstand Rechnung, dass zur Kundschaft außer Deutsch sprechenden Kiezbewohnern inzwischen auch zunehmend ausländische Touristen und Expats zählen – keine leichte Aufgabe also, da die richtige Mischung zu finden, wenn es gut 200 Quadratmeter Verkaufsfläche zu bespielen gilt.

Trotz des üppigen Platz­angebots kann es aber eng werden, dann nämlich, wenn die Buchhandlung zu abendlichen Veranstaltungen einlädt. Dann werden die Tische zur Seite gerollt und bis zu 120 Personen lauschen einer Lesung oder einem der Vorträge, die die Buchhandlung zusammen mit dem Bürgerverein Luisenstadt veranstaltet. Bei allzu großem Andrang weicht von Rimscha auch mal auf die Räume der Nachbarn von der Galerie CLB aus – dafür sitzt man schließlich gemeinsam in einem Haus der Kreativen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2023.

Museum der Dinge gekündigt

Entmietung in der Oranienstraße 25 schreitet voran

15.000 Exponate und 45.000 Dokumente brauchen voraussichtlich ab Juli einen neuen Ort. Foto: JF / Museum der Dringe

Am 27. Mai feiert das Werkbundarchiv sein 50-jähriges Bestehen – doch ob man bei dem Verein, der in der Oranienstraße 25 das Museum der Dinge betreibt, dann in Feierlaune sein wird, steht derzeit auf einem anderen Blatt. Denn Ende November kam die Kündigung für die Räumlichkeiten zum 30. Juni. Damit droht dem Museum der Verlust seiner Ausstellungsflächen sowie der Archiv- und Büroräume.

Verantwortlich für die Kündigung, bei der laut Verein noch nicht einmal die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Jahr eingehalten wurde, ist einmal mehr der Luxemburger Immobilienfonds Victoria Immo Properties V S.à r.­l. Der war bereits 2020 auffällig geworden, als er der im Erdgeschoss ansässigen Buchhandlung Kisch & Co. eine längerfristige Vertragsverlängerung verweigerte. Auch die neue Gesellschaft für bildende Kunst e.V. (nGbK) muss voraussichtlich im August ihre Räume im Haus aufgeben.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge widmet sich der alltäglichen Produktkultur des 20. und 21. Jahrhunderts und verfügt über eine Sammlung von derzeit rund 15.000 Exponaten, 45.000 Dokumenten und eine umfangreiche Bibliothek und versteht sich als Anlaufpunkt für alle Menschen, die sich kritisch mit der Gestaltung, der Produktion und dem Gebrauch von Produkten unserer Lebenswelt auseinandersetzen wollen.

»Durch die überraschende Kündigung sind die für die kommenden Jahre geplanten und zum Teil schon gestarteten Projekte – Ausstellungen, Veranstaltungen und Kooperationen – gefährdet«, teilt das Museum mit. Insbesondere aber sei es schwierig und kostspielig, innerhalb der Kündigungsfrist geeignete Flächen für das Archiv zu finden.

Museum der Dinge will geplante Veranstaltungen so lange wie möglich durchziehen

Die derzeitigen Flächen umfassen immerhin rund 1.000 Quadratmeter. Tatsächlich ist ohnehin ein Umzug in einen Pavillon auf der Karl-Marx-Allee ge­plant – allerdings erst in 2027. Dieses Zeit muss nun irgendwie überbrückt werden, wenn der Vermieter nicht einlenkt.

Schon bevor das Archiv 2007 in die Oranienstraße einzog, war es fünf Jahre lang gewissermaßen obdachlos, nachdem es die ständigen Ausstellungsräume im Martin-Gropius-Bau verloren hatte. Doch seitdem ist das Archiv zu einer Institution geworden, deren Partnerschaften ihren besonderen Charakter auch durch die Einbettung in den Kiez erhalten.

Trotz allem gibt man sich kämpferisch: »Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge wird so lange wie möglich die geplanten Ausstellungen und Veranstaltungen in der Oranienstraße realisieren, um für das Publikum, alle Ko­opera­tions­partner*innen, die Nachbar*innen und den Kiez da zu sein. Wir hoffen auf die Solidarität und die Unterstützung des Publikums«, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Neben den Herausforderungen, die die Kündigung für das Museum selbst bedeute, beklagt man vor allem den durch Entmietung verursachten, fortlaufenden Verlust gewachsener kultureller und sozialer Orte und Strukturen.

Die Entmietung der Buchhandlung Kisch & Co. hatte 2020 zu einer Reihe von Demonstrationen und Protestveranstaltungen geführt. Der Verlust der Räumlichkeiten konnte allerdings nicht verhindert, sondern nur verzögert werden. Quasi in letzter Minute hatte ausgerechnet die Deutsche-Wohnen-Tochter GSW der Traditionsbuchhandlung einen Mietvertrag für Räume in der Oranienstraße 32 angeboten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2023.

Bücher für Kinder und Christen

Gemütliche Kiezbuchhandlung in der Zossener Straße

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Bilderbuchladen von innen mit Buchhändlerin Elisabeth BreitenbachElli Breitenbach im Bilderbuchladen in der Zossener Straße. Foto: rsp

Keine 25 Quadratmeter misst die Verkaufsfläche des Bilderbuchladens in der Zossener Straße 6. Es ist ein kleines Idyll an der lauten Hauptverkehrsstraße. Für eine Frontalpräsentation der Bücher ist da wenig Gelegenheit, sodass das Geschäft, das hier unter diesem Namen schon seit 1985 existiert, eher wie eine gemütlich eingerichtete kleine Bibliothek wirkt.

Zum Sortiment gehören, wie der Name bereits vermuten lässt, zum großen Teil Bücher für Kinder bis zum Schulalter. Dazu gesellen sich einige ausgewählte Jugendbücher, ein paar Romane für Erwachsene – und ein relativ großes christliches Sortiment aus Bibeln und theologischer Literatur, das auch Kunden aus Lichterfelde, Hellersdorf oder Weißensee in die kleine Kiezbuchhandlung lockt. Tatsächlich war der Laden gut zehn Jahre lang unter der Trägerschaft der Berliner Stadtmission, Anfang 2018 haben dann die langjährige Mitarbeiterin Brigitte Geselle und ihre Kollegin Elisabeth Breitenbach das Geschäft übernommen.

Neben Büchern findet sich in dem Laden auch ein kleines Non-Book-Sortiment: Kalender, Postkarten, aber auch ein Regalbrett mit Tee, Kaffee und Schokolade. Passend zur Adventszeit und der christlichen Ausrichtung, verkauft der Bilderbuchladen auch die berühmten Herrnhuter Sterne. Und natürlich gilt auch im Bilderbuchladen, was in so gut wie jeder Buchhandlung gilt: Jedes lieferbare Buch, egal welchen Genres, kann in der Regel zum nächsten Werktag bestellt werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2022.

Spezialist für Mord und Totschlag

Das Hammett berät seit 27 Jahren Freunde der Kriminalliteratur

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Buchhändler Christian Koch vor einer Regalwand der Buchhandlung HammettKrimileser und -Händler aus Leidenschaft. Christian Koch im Hammett. Foto: rsp

Es gibt in ganz Deutschland nur eine Handvoll spezialisierter Krimibuchhandlungen – eine davon ist das Hammett in der Friesenstraße 27, benannt nach dem amerikanischen Krimi-Schriftsteller Dashiell Hammett. Der kleine Laden nahe des Marheinekeplatzes blickt bereits auf eine 27-jährige Geschichte zurück und ist inzwischen zu einer festen Institution geworden, sowohl im Kiez als auch darüber hinaus. Rund 2700 deutsche und um die 700 englische Bücher aus dem Kriminalgenre finden auf den etwa 35 Quadratmetern Platz, dazu kommt eine eigene Abteilung mit gebrauchten Exemplaren, darunter auch seltenere und bereits vergriffene Titel.

Etliche Regalmeter sind Berlin-Krimis gewidmet, und auch his­torische und politische Kriminalliteratur findet sich im Angebot. Außer True Crime, Hörbüchern und Spielen ist alles dabei, was das Herz des Krimifans höher schlagen lässt.

Das Entscheidende dürfte aber weniger die Zahl der vorrätigen Titel sein – alles andere, übrigens auch aus anderen Genres, kann kurzfristig bestellt werden – sondern die Expertise des dreiköpfigen Teams um Inhaber Christian Koch, der bereits seit 1998 Kundinnen und Kunden in Sachen Spannungslektüre berät.

Apropos Kundinnen: Tatsächlich schätzt Christian Koch das Geschlechterverhältnis auf 50:50. Und noch ein Tipp: auf hammett-­krimis.de pflegt das Team die mittlerweile drittgrößte Krimiwebseite Deutschlands mit rund 39.000 verzeichneten Titeln.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2022.

Kiezbuchhandlung mit Couch

Persönliche Beratung spielt eine wichtige Rolle in der Buchhandlung LeseGlück

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In unserer neuen Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Buchhändlerinnen im (Lese)Glück: Susan Pfannstiel und Stefanie Mousa. Foto: rsp

Ziemlich genau 15 Jahre ist es her, dass Eleni Efthimiou und Susan Pfannstiel die Buchhandlung LeseGlück eröffnet haben, zunächst noch auf der anderen Straßenseite, inzwischen in der Ohlauer Straße 37. Auf rund 60 Quadratmetern findet sich dort eine bunte Auswahl von deutschen und internationalen Romanen, Kinderbüchern, Sachbüchern zu gesellschaftspolitischen und Berlin-Themen, Kochbüchern und Postkarten.

Mit geschätzt 80 Prozent Stammkundschaft ist das LeseGlück eine echte Kiezbuchhandlung, bei der die persönliche Beratung eine wichtige Rolle spielt. Die dürfte den vier Buchhändlerinnen, die inzwischen im LeseGlück arbeiten, relativ leicht fallen, sind doch alle Bücher im Laden selbst ausgewählt.

Beraten werden aber nicht nur Privatpersonen, sondern auch Kitas und Schulen aus der Nachbarschaft. Buchhändlerin Eleni Efthimiou ist außerdem regelmäßig in der Radio-Eins-Sendung »Literaturagenten« mit Lesetipps zu hören. Beliebt bei Fortgezogenen und als Geschenk ist auch das »GlücksAbo«: Dann kommt einmal im Monat ein handverlesenes Buch per Post, orientiert natürlich an den persönlichen Vorlieben.

Aber eigentlich will man dann ja doch lieber vor Ort sein: Zu einer der regelmäßigen Sig­nier­stun­den auf der gemütlichen Couch im Laden, mit einem leckeren Kaffee und einem guten Buch am Tischchen vor der Tür oder zu einer Lesung im benachbarten Theater Expedition Metropolis, mit dem das LeseGlück seit Jahren kooperiert.

→ LeseGlück im Web

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2022.

Ein Ort für Visionen

Der »Pfad der Visionäre« soll ein Zeichen für die Werte und Kulturen Europas setzen

Blick über die Granitplatten des Pfads der Visionäre in Richtung NordenEndlich begehbar: Der »Pfad der Visionäre« wurde eröffnet. Foto: rsp

»Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen« soll Alt-Kanzler Helmut Schmidt einst gesagt haben – »eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage«, wie er 30 Jahre später einräumte. Und schon deshalb ist es nicht das unbelegte Schmidt-Zitat, das den deutschen Beitrag auf dem »Pfad der Visionäre« ziert, sondern der kategorische Imperativ von Immanuel Kant: »Handle stets so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.«

27 »Tafeln der Nationen« à 1,2 Quadratmeter, eine für jedes Mitgliedsland der EU, sind es, die am südlichsten Ende der Friedrichstraße in einer begehbaren Kunstinstallation dazu einladen, über gemeinsame Werte wie Frieden, Völkerverständigung, aber eben auch über die jeweilige kulturelle Identität der teilnehmenden Länder nachzudenken. Getreu dem EU-Motto »In Vielfalt geeint« ist auf jeder der Granitplatten ein Zitat eingraviert, meist das einer herausragenden Persönlichkeit, das gewissermaßen stellvertretend für das kulturelle »Mindset« des Landes steht. Eine Jury, bestehend aus Akteuren aus Politik, Kultur und Wissenschaft, wählte schließlich unter den Einreichungen der Länder aus.

Bereits 2004 hatte der Trägerverein Kunstwelt e.V. mit der Kon­zep­tion begonnen. 2006 war der »Pfad der Visionäre« zunächst als temporäre Installation eröffnet worden, musste dann aber wegen der langjährigen Baustelle der BVG weichen. Die Neugestaltung des Mehringplatzes verzögerte die Umsetzung weiter. Mit der Wiedereröffnung des Platzes Mitte Mai ist nun auch der »Pfad der Visionäre« eingeweiht worden.

Eine weitere Granittafel mit einem Zitat aus der Verfassung der UNES­CO (»Da Kriege im Geiste der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geiste der Menschen verankert werden.«) deutet bereits darauf hin, dass das Projekt mit der Einweihung zwar einen Meilenstein erreicht hat, aber keineswegs ein Ende. Geht es nach Projektleiter Bonger Voges vom Kunstwelt e.V., so soll die Installation zu einem »Pfad der Visionäre der Welt« erweitert werden. Während beim derzeitigen »Pfad« die gemeinsamen Werte der europäischen Länder im Vordergrund stehen, soll die erweiterte Version ein Zeichen für Völkerverständigung und die sich gegenseitig inspirierenden Kulturen auf globaler Ebene setzen.

Neben der UNESCO haben bereits 121 Länder einen Beitrag für das Projekt geleistet, berichten die Initiatoren auf ihrer Website. Offen ist neben der Finanzierung, die beim vorhandenen Projekt zum größten Teil von den Botschaften der Länder und privaten Sponsoren getragen wurde, derzeit auch der Standort. Der Vorschlag von Kunstwelt e.V. ist es, den »Pfad der Visionäre der Welt« als eine Art Verlängerung entlang der gesamten Friedrichstraße bis zum historischen Nordtor, also dem Oranienburger Tor, anzulegen. Noch aber ist die Erweiterung – eine Vision.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2022.

AGB bekommt Anbau

An der Blücherstraße entsteht bis Ende des Jahres eine temporäre Bibliothekserweiterung

Das Hauptgebäude der Amerika-Gedenkkbibliothek aus der LuftperspektiveDie AGB am Blücherplatz platzt mit ihren 3500 bis 4000 Besuchern am Tag aus allen Nähten. Foto: rsp

Wer vor dem Haupteingang der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) steht, sieht nichts von der Baustelle, doch von der Blücherstraße aus erkennt man, dass hier etwas passiert: Neben dem großen Lesesaal entsteht ein einstöckiger Ergänzungsbau, der die Nutzfläche der AGB um rund 800 Quadratmeter erweitern soll. Der symbolische Spatenstich ist für Mitte Mai geplant, doch bereits jetzt wird die Grundplatte gegossen. Ende des Jahres sollen die neuen Räume dann bezogen werden.

»Die AGB ist wahnsinnig voll«, klagt Pressesprecherin Anna Jacobi, »vieles, was man heutzutage erwartet, zum Beispiel Gruppenarbeitsplätze, können wir nicht anbieten.« Auch der »Salon« im Bestandsgebäude funktioniere nur in Grenzen für Veranstaltungen.

Mit dreieinhalb- bis viertausend Besuchern am Tag platzt die für 500 Personen ausgelegte Bib­lio­thek aus allen Nähten.

Perspektivisch ist für die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) deshalb ein großer Neubau neben dem Altgebäude geplant, der dann auch die Bestände des Standorts Breite Straße (Berliner Stadtbibliothek) und des Außenmagazins im Westhafen beherbergen soll. Doch dafür wird gerade erst die Ausschreibung für den Architekturwettbewerb vorbereitet. Mit einem Baubeginn rechnet Jacobi frühestens in fünf Jahren. Deshalb müsse jetzt erst einmal eine Zwischenlösung her.

Ergänzungsbau sucht einen Namen

Die Zwischenlösung, die gewissermaßen im Garten der AGB entsteht, wird äußerlich ein eher schlichter Bau sein. Bücherregale wird es dort nicht geben, dafür die dringend benötigten Gruppen-, Arbeits- und Veranstaltungsräume. Zugänglich sein wird das Gebäude über den Lesesaal der AGB und einen kleinen Innenhof, der mit Tischen und Stühlen im Sommer auch zum Freiluftaufenthalt einlädt. Im östlichen Flügel entsteht ein großer Saal mit flexibler Möblierung, der sich für Veranstaltungen eignet und ansonsten für freie Nutzung offen steht. Auf der anderen Seite sollen zahlreiche kleinere, aber durch Entfernen von Trennwänden vergrößerbare Gruppenräume eingerichtet werden, die beispielsweise für Schulungen genutzt werden können. Auch ein Medialab soll dort in den nächsten Monaten entstehen.

Baustelle mit Bagger, dahinter Lesesaal der AGBHier entstehen 800 Quadratmeter neue Publikumsfläche. Foto: ZLB

Beeinträchtigungen für die Nutzerinnen und Nutzer der Bibliothek wird es – vom Baulärm einmal abgesehen – nicht geben, verspricht Jacobi. So wird die AGB auch in der Bauphase sieben Tage die Woche geöffnet haben.

Auch wenn das intern zunächst »Tempobau« getaufte Gebäude nur als Überbrückungslösung bis zur Realisierung des »großen« Neubaus gedacht ist, soll es gleichwohl einen schöneren Namen bekommen. Dafür können AGB-Nutzerinnen und -Nutzer in den nächsten Wochen Vorschläge einreichen, über die später abgestimmt wird.

Vor der Corona-Pandemie besuchten jährlich 1,5 Millionen Menschen die beiden Standorte der ZLB. Mit 3,7 Millionen Medien ist sie die größte öffentliche Bibliothek Deutschlands. Trotzdem stehen derzeit weniger als 7.000 Quadratmeter Fläche für den Publikumsverkehr zur Verfügung. Mit dem Neubau in – frühestens – fünf Jahren sollen daraus 21.000 Quadratmeter werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2022.

Frischer Lesestoff von nebenan

Neuerscheinungen aus Kreuzberger Verlagen

Die Leipziger Buchmesse war vor zwei Jahren eines der ersten »Opfer« der Corona-Pandemie und findet in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge nicht statt. Das ist blöd für Bücherliebhaber, aber auch ein Problem für Verlage, die dort gerne ihre Neuerscheinungen präsentiert hätten. Auch KuK-Redakteur Robert S. Plaul, hauptberuflich Inhaber des Carpathia Verlags, ärgert sich, dass die zweitgrößte Buchmesse Deutschlands schon wieder ausfällt.

Um zumindest den Kreuzberger Verlagen etwas Sichtbarkeit zu geben, hat er sich bei den Kolleginnen und Kollegen umgehört und gefragt: Was ist euer Spitzentitel, den ihr gerne in Leipzig gezeigt hättet?


Cover »Der Frau«

»Der Frau« ist eine dreistimmige lyrische Textcollage über das Frausein, die im März im VHV-Verlag für Gegenwartsliteratur erscheint. Es sprechen: Mutter, Frau, Eine. Es geht um Mutterschaft und Geburt, um Menstruation und weibliche Sexualität, um das Frauwerden und das Tochtersein, um Sexismus und Rollenbilder, um Schwangerschaftsabbruch, Gewalt gegen Frauen und Selbstbestimmung. Vor allem geht es darum, Dinge auszusprechen, um misogyne Verhaltensmuster und Tabus zu verändern.
Der titelgebende Text wird durch drei weitere ergänzt, die toxische Männlichkeit persiflieren und sich mit Identität an sich und Vergänglichkeit auseinandersetzen. Ein Buch für alle Geschlechter.

Victoria Hohmann
Der Frau
Hardcover
96 S., 22,00 €
VHV-Verlag
ISBN 978-3-948574-07-9
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Cover »Achtung, Geschichtsdiebe«

Eigentlich haben Pavel, Jana und ihr Hund Streusel genug damit zu tun, ihrem Nebenjob als Prager Geister auf Touristenführungen nachzukommen und jeden Sonntag den Geschichten der geheimnisvollen Museumsleiterin Frau Vondráčková zu lauschen. Doch plötzlich geschehen beängstigende Dinge in Prag. Die Firma, eine geheime Untergrundorganisation, will das Herz der Stadt stehlen und sie in eine Geisterstadt verwandeln. Pavel, Jana und Streusel nehmen den Kampf gegen die Firma und ihre gruseligen Helfer auf. Ob sie es schaffen werden, Prag aus dem kalten Griff zu befreien?
Ein wortgewaltiger Kinderroman aus Prags Altstadt von der Historikerin Nicole Grom und Zeichnungen der tschechischen Illustratorin Barbora Kyšková.

Nicole Grom, Barbora Kyšková
Achtung, Geschichtsdiebe
ab 10 Jahren, Hardcover
424 S., 18,00 €
World for kids
ISBN 978-3-946323-20-4
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Cover » Die tollpatschige Giraffe und der verlorene Traum«

Die Giraffe Annette hatte einen ganz wunderbaren Traum. Doch worum ging es nur? Wie sehr sie es auch versucht, sie kann sich einfach nicht erinnern … Ein Glück wollen ihre Freunde helfen! Also probiert sie, eindrucksvoll zu springen wie Rainer Maria, der Fuchs, oder grandios zu singen wie Heinrich, der Frosch – doch jeder ihrer Versuche geht schief. Wird Annette ihren Traum wiederfinden und werden ihr die anderen Tiere neuen Mut machen können?
»Die tollpatschige Giraffe …« von Julia Nüsch ist eine liebevolle Geschichte über verlorene Träume und außergewöhnliche Talente, über das Scheitern und Fassen neuen Muts – aber vor allem über fantastische Freunde und die Erkenntnis, dass jede:r einzigartig ist!

Julia Nüsch
Die tollpatschige Giraffe und der verlorene Traum
ab 3 Jahren, Hardcover
40 S., 18,00 €
Kindermann Verlag
ISBN 978-3-949276-04-0
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Cover » Querkenbeck und die goldene Trompete«

»Querkenbeck und die goldene Trompete« – genau so einzigartig wie der Titel sind auch die Personen dieser brandenburgischen Kriminalgroteske. Geschrieben von einem Autorenduo – freier Musikproduzent Jörg Reinhardt aus Lindow und ehemaliger Studienrat Frank Müller aus Berlin – ist dieser Roman eine Liebeserklärung an den schon von Fontane hochgepriesenen Landstrich zwischen Berlin, Lindow, Kremmen und Kyritz.
Auf der Jagd nach der goldenen Trompete der Prignitz, begeben sich Eigenbrodt und Bentheim, (ebenfalls) zwei wunderbar schräge Vögel, auf die Suche nach Trompetenkenner Querkenbeck, der am Weihnachtsabend spurlos verschwand … Doch sind sie nicht die Einzigen, die es auf das wertvolle Stück abgesehen haben.

Frank Müller, Jörg Reinhardt
Querkenbeck und die goldene Trompete
350 Seiten, 15,90 €
Parlez Verlag
ISBN 978-3-86327-070-4
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Cover »Alles Arschlöcher überall«

Im Carpathia Verlag erscheint im März ein skurriler Roman über eine aus dem Ruder laufende Kneipennacht. Als das Café Exquisit nach einem Streit von einer Horde Nazis belagert wird, müssen sich die unfreiwilligen und nicht mehr wirklich nüchternen Insassen des Etablissements nicht nur mit einem korrupten Polizeidienststellenleiter, einer älteren Dame mit fragwürdigen politischen Ansichten und dem unbändigen Hunger nach Nachos und Pizza herumschlagen. Auch boxt sich bereits der erste Nazi durch die marode Kneipentür. Ob die Bekanntschaft mit einer sprechenden Kakerlake oder der vermeintliche Fund einer antiken Handfeuerwaffe wohl geeignet sind, das Problem zu lösen? Eins ist klar: Es wird eine verdammt lange Nacht.

Jan Bratenstein
Alles Arschlöcher überall
Hardcover mit Schutzumschlag 344 S., 25,00 €
Carpathia Verlag
ISBN 978-3-98630-000-5
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Cover » Herumtreiberinnen«

Die 17-jährige Manja und ihre beste Freundin Maxie schwänzen die Schule und treffen sich mit Jungs im Leipzig der 1980er Jahre. Bis Manja von der Volkspolizei auf die Venerologische Station für Frauen mit Geschlechtskrankheiten gebracht wird.
Eingewoben sind auch Erlebnisse von Lilo, die in den 1940er Jahren an diesem Ort festgehalten wurde, da sie mit ihrem Vater für den kom­mu­nis­tischen Widerstand gearbeitet hat, und der Sozialarbeiterin Robin, die in den 2010er Jahren in diesem Haus, nun eine Unterkunft für Geflüchtete, tätig ist.
»Herumtreiberinnen« erzählt die Geschichten drei junger Frauen aus verschiedenen Zeiten und stellt die Frage, welchen Einfluss die Zeit und die jeweilige Staatsform auf ihre Leben hatten.

Bettina Wilpert
Herumtreiberinnen
Hardcover
256 S., 25,00 €
Verbrecher Verlag
ISBN 978-3-95732-513-6
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Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2022.