1. Mai so ruhig wie seit Jahren nicht mehr
Die Routenführung der revolutionären Mai-Demo hatte schon seit Tagen zu Diskussionen geführt. Über den Kottbusser Damm, die Sonnenallee, in einem Kringel durch Neukölln sollte der Zug über die Hasenheide schließlich bis zum Südstern ziehen. Warum es gerade der Südstern sein sollte, blieb ein wenig schleierhaft, und außerdem schien eine Demonstrationsstrecke von 6,21 Kilometern am Sonntagabend doch reichlich ambitioniert.
Immerhin, die rund 10.000 Demonstranten, die sich um 18 Uhr an der Kottbusser Brücke versammelten, hätten es zumindest zeitlich schaffen können. Um 20.30 Uhr wollten sie am Südstern sein. Um 20 Uhr endete die Demo vorerst am Hermannplatz. Zuvor war es zu den üblichen Rangeleien zwischen Polizei und Autonomen gekommen. Von der einen Seite flogen Steine und Flaschen, von der anderen kam Pfefferspray. Doch im Großen und Ganzen blieb alles doch sehr verhalten.
Dass bei einigen Steinwürfen ausgerechnet die genossenschaftlich organisierten Volksbanken der Zorn der Demonstranten traf, irritierte den Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne).
Kurz nach 20 Uhr schienen sich die Ereignisse am Hermannplatz zu überschlagen. Da wurde von Rauch über dem Hermannplatz getwittert, von blutigen Nasen und von Pfefferspray. Dann kam plötzlich die Nachricht, dass die eigentlich für beendet erklärte Demo doch noch bis zum Südstern weiterziehe, was Sekunden später widerrufen wurde.
Etwa zur gleichen Zeit wurden noch einmal massiv Polizeikräfte aus der ehemaligen Polizeikaserne am Columbiadamm herangeführt. Parallel dazu kamen auch zahlreiche Mannschaftsfahrzeuge aus dem Volkspark Hasenheide, die sich dort bisher in Deckung gehalten hatten.
Nun begann sich die Menge am Hermannplatz zu verteilen. Das Gros allerdings setzte sich nun doch wieder in Richtung Südstern in Bewegung, bog dann allerdings unvermittelt in die Jahnstraße ab.
Der Zug war unterwegs in den Graefekiez. Und so kamen schnell Spekulationen auf, dass es am Zickenplatz noch zu einer größeren Auseinandersetzung kommen könne, die aber trotz oder wegen eines starken Polizeiaufgebotes ausblieb.
Am Ende landeten die meisten doch wieder dort, wo alles angefangen hatte. Nun bewahrheitete sich das, was die Polizeiführung schon im Vorfeld vermutet hatte: Statt großer Straßenschlachten würde es diesmal zu einer Art »Guerilla-Taktik« kommen. Immerhin brannte an der Ecke Wiener-/Glogauer Straße ein Auto.
Am Ende waren sich alle Seiten wenigstens über eines einig. So ruhig und friedlich war der 1. Mai in Kreuzberg lange nicht.
Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2011.