»Mieter sollen am Mietspiegel beteiligt werden«

Halina Wawzyniak (die Linke) will ungewöhnliche Wege beim Strukturwandel gehen

Da Hans-Christian Ströbele mit dem Rad unterwegs ist, stellt sich auch bei den anderen Kandidaten die Frage, welches Verkehrsmittel sie präferieren. Halina Wawzyniak kommt zum Redaktionsgespräch mit der KuK im »Mrs Lovell« mit dem Motorroller. Tags zuvor hat sie sich beim Viertelmarathon schon laufenderweise durch den Kiez bewegt. Sportlich ist sie auf jeden Fall.

Die 36jährige ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, arbeitet als Justiziarin für die Bundestagsfraktion und gehörte der Programmkommission ihrer Partei an, das heißt sie bestimmt den Kurs ihrer Partei auch ganz maßgeblich mit.

Trotzdem sitzt da auf dem hohen Barhocker eine junge Frau, die die Probleme im Kiez nicht nur aus eigenem Erleben kennt, sondern sich sowohl positioniert, als auch engagiert. An der Admiralbrücke, so gesteht sie unumwunden, hat sie abends auch gerne gesessen und hat noch ein oder zwei Bierchen getrunken, als sie noch in Kreuzberg wohnte. Als das Thema auf das »SO 36« kommt, ruft sie gleich zum Besuch des Solidaritätskonzertes auf.

Ihre Rezepte gegen die Verdrängung aus den angestammten Wohngebieten, entnimmt sie dem Mietrecht. Miet­erhöhungen darf es nur im Rahmen des Erlaubten basierend auf dem Mietspiegel geben. An dem sollen in Zukunft aber auch Mieter beteiligt sein.

Direktkandidatin Halina Wawzyniak von der Linken im KuK-Redaktionsgespräch

Foto: piDirektkandidatin Halina Wawzyniak von der Linken im KuK-Redaktionsgespräch Foto: pi

Für ein anderes Problem, das der Strukturwandel mit sich bringt, hat die Juristin eine verblüffend einfache Lösung parat. Dass sich viele Zugezogene über den Lärm eingesessener Kneipen beklagten und bisweilen auch deren Aufgabe erzwingen können, ist in ihren Augen gar nicht nötig – wenn die Mietverträge anders ausgestaltet werden. »Zum Beispiel drin stehen würde: dem Mieter ist klar, dass er über eine Kneipe zieht, die Öffnungszeiten sind von da bis da. Dann würde es für ein Gericht schwieriger, zu Gunsten des Mieters zu entscheiden.«

Auf die Frage nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen bekennt sie, dass sie dafür eine gewisse Sympathie habe, räumt aber ein: »die Frage nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen ist bei uns in der Partei noch nicht ausdiskutiert.« Derzeit fordere die Linke laut ihrem Parteiprogramm, auf das sie verpflichtet sei, eine sanktionsfreie Mindestischerung von 800 Euro. Allerdings werde die Frage nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen nach der Wahl diskutiert werden.

Fragen ums Internet treffen bei Halina Wawzyniak ins Schwarze. Sie gibt zu, »süchtig« zu sein. Bei ihr wird getwittert und gechattet und gebloggt wann immer es geht.

Die Webseitensperre für kinderpornografische Seiten, der sich Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen verschrieben hat, nennt sie unverholen den Einstieg in die Zensur. Bayerns Innenminister Hermann versuche diese Zensur jetzt schon auf andere Bereiche zu übertragen. Halina Wawzyniak fordert dringend mehr Sachverstand in die Netzpolitik mit einzubringen und will sich dafür auch einsetzen.

Ihre persönlichen Chancen sieht sie realistisch. Sie glaubt nicht wirklich daran, Hans-Christian Ströbele gefährden zu können, schätzt aber, dass es zu einem interessanten Zweikampf zwischen ihr und Björn Böhning um den zweiten Platz geben wird. Und der Listenplatz: »Ich sammle ja fleißig Zweitstimmen und wenn wir 20 Prozent bekommen, dann bin ich im Bundestag.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2009.