Ein Raum für Kiezprojekte

mog61 eröffnet Kiez-Laden in der Mittenwalder Straße

Der neue Kiez-Laden steht offen für Kiezprojekte und soll Solidarität und soziales Miteinander stärken. Foto: rsp

Noch hängen die Schilder des Wollgeschäfts »Die Wolllust« über dem Schaufenster, doch in der Mittenwalder Straße 49 hat sich seit Mitte Januar eine Menge getan: Der gemeinnützige Verein mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. hat den Laden bezogen und verfügt damit das erste Mal seit seiner Gründung 2011 über eigene Räumlichkeiten.

Die neuen Räume sollen aber mehr sein als bloß ein Vereinslokal. »Die Idee ist, dass sich der Kiez den Laden aneignet«, erklärt die Vorsitzende Marie Hoepf­ner. Der Kiez-Laden soll offen sein für alle aus der Nachbarschaft, die hier ihre Projekte umsetzen wollen. Ob Brettspieltreffs oder Gesprächskreise, Hofbegrünungs-AGs oder Handarbeitsrunden – der Verein freut sich über jeden, der mit interessanten Ideen vorbeikommt.

Auch wenn der Kiez-Laden, wie Marie einräumt, ein wenig »mit angezogener Handbremse« gestartet ist, weil die Förderung über Wochen auf der Kippe stand, finden bereits die ersten regelmäßigen Veranstaltungen statt: Monatliche Lesungen – das nächste Mal am 28. Mai mit Otmane Lihiya – gehören ebenso dazu wie der Stricktreff »Betreutes Stricken« mit Birgit Freyer, der hier schon zu Wolllust-Zeiten etabliert wurde. Ab 2. Mai können im Rahmen des Projekts »Taschen-Kreation« auch Stofftaschen genäht werden, wozu mog61 eigens drei Nähmaschinen angeschafft hat. Wie bei allen Angeboten ist die Teilnahme kostenlos.

Und apropos Nähen: Der Laden beherbergt auch ein »Kuscheltier-Hospital«: Abgelegte Stofftiere werden hier desinfiziert, repariert und an neue Familien vermittelt.

Überhaupt ist der neue Laden Dreh- und Angelpunkt für die vielfältigen Aktivitäten des Vereins, der sich auch über die Kiezgrenzen hinaus für Inklusion einsetzt und Obdachlose und Geflüchtete unterstützt.

Kiez-Laden wird zum Dreh- und Angelpunkt fürs Straßenfest und andere Projekt

Im »Kuscheltier-Hospital« im Kiez-Laden warten Stofftiere auf neue Familien. Foto: rsp

»Logistisch ist der Laden sehr wichtig für uns«, sagt Marie. Das hat auch mit der Lage in der Mittenwalder Straße zu tun, wo der Verein einst gegründet wurde und seit zehn Jahren ein jährliches Straßenfest veranstaltet. Dort wurde letztes Jahr ein Zero-Waste-Konzept mit gemietetem Geschirr erprobt. Für künftige Straßenfeste und andere Veranstaltungen will mog61 selbst Mehrweggeschirr anschaffen. Und auch das wird man sich dann in dem neuen Kiez-Laden ausleihen können.

Ab Mitte Mai soll der Kiez-Laden mindestens wochentags von 14 bis 17 Uhr geöffnet haben – und natürlich immer dann, wenn die neuen Räume von Projekten aus dem Kiez genutzt werden.

Mehr Infos & Kontakt: mog61.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2024.

Fristgerecht gekündigt

Entmietung in der Mittenwalder Straße

Eben noch ein Altbau, jetzt schon ein Anlageobjekt.

Foto: rspEben noch ein Altbau, jetzt schon ein Anlageobjekt. Foto: rsp

»Schade«, steht auf dem Schild am Fenster, »wäre schön, man hätte mich hier bleiben lassen«. Doch Katja Werner, die in ihrem Atelier in der Mittenwalder Straße 47 alten Fahrradschläuchen zu einem zweiten Leben als Hand- oder Handytasche verholfen hat, ist schon weg. »K.W.D.« (kawedesign.de) ist nach Friedrichshain gezogen, denn der neue Eigentümer des Hauses hat den Mietvertrag gekündigt. »Fristgerecht und juristisch sauber«, wie Katja zugeben muss, aber trotzdem ärgerlich.

Auch ihre Ladennachbarn Birgit und Martin Freyer hatten im Dezember die Kündigung auf dem Tisch und ziehen mit ihrem Wollladen »WollLust« im April zwei Häuser weiter in die Mittenwalder 49. Auch sie wissen nicht, was der neue Eigentümer vorhat.

Fest steht, dass das Haus Anfang letzten Jahres verkauft wurde und jetzt in Teileigentum aufgeteilt wird. Bereits im letzten Frühjahr wurden Wohnungen des Hauses auf der Webseite der »Berlin Aspire Real Estate GmbH« israelischen Interessenten angepriesen. Kurioserweise war das Angebot, das inzwischen offline ist, mit dem Vermerk »Sold Out« versehen.

Das kann Beatrice Tillmann, die mit ihrer Filmproduktion »Modzilla Films« ebenfalls Mieterin in dem Haus ist, nicht nachvollziehen. »Noch sind die Wohnungen vermietet«, sagt sie. Außerdem gäbe es noch keine Abgeschlossenheitsbescheinigung. Die Wohnungen können also noch gar nicht einzeln verkauft werden.

Doch sobald die Teilung durchgezogen ist, dürfte es für die Mieter unschön werden. Schon jetzt lässt sich die neue Hausverwaltung, die »Stein Asset Concept GmbH«, viel Zeit mit notwendigen Reparaturen und Ausbesserungen. Es ist dieselbe Hausverwaltung, die Katja noch im Sommer mitteilte, sie solle sich keine Sorgen um ihren Mietvertrag machen.

Über Schönefeld nach Zypern

Was auf die Mieter zukommt, scheint klar, gibt es doch genügend ähnlich gelagerte Fälle in anderen Gegenden. So berichten etwa Neuköllner Mieter aus dem Eckhaus Wildenbruchstraße 6 / Weserstraße 59/60 in ihrem Blog unter wildeweser.blogsport.de über Gesprächsgesuche der berüchtigten »pro soluta«, einer Ein-Frau-Firma, sie sich darauf spezialisiert hat, Mieter zum Auszug zu bewegen. Auch deftige Mieterhöhungen wurden dort angekündigt. Gemeinsamkeit zur Mittenwalder Straße: Die Häuser gehören zwei GmbH & Co. KGs, die sich eine Firmenanschrift in Schönefeld teilen – zusammen mit einer Reihe weiterer Gesellschaften, die allesamt nach der Adresse des jeweiligen Hauses benannt sind. Es ist die gleiche Anschrift, unter der »Berlin Aspire »residiert.

Doch die Spuren führen weiter als bis Brandenburg. Einzige Gesellschafter zumindest der Vorgänger-GmbHs sind ominöse Holdings in Zypern – auch jeweils mit gleicher Anschrift. Stets als Geschäftsführerin mit an Bord ist die israelische Rechtsanwältin Liat Tal. Ihre Firma Liat Tal Consulting wurde laut Webseite »gegründet mit dem Zweck, Investoren den Eintritt in den deutschen Immobilienmarkt zu erleichtern«.

Für die Bewohner der Mittenwalder Straße 47 dürfte es egal sein, zu welchem Zweck ihre Wohnungen verkauft werden. Noch wurden keine direkten Versuche unternommen, die nicht ohne weiteres kündbaren Privatmieter zu vertreiben. Doch die einzige leerstehende Wohnung im Haus wird im Internet bereits als »sofort bezugsfrei« angeboten. Zu einem Quadratmeterpreis von 3.100 Euro.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2013.