Der Eine

Eine Ausstandskolumne wird würdig geschrieben: Bowie!

David Bowie. Was für ein Name. David Bowie habe ich mir für diese Kolumne immer aufgehoben. Ich dachte, darauf greife ich zurück, wenn mir mal wirklich überhaupt nichts mehr einfällt. Und nun feiere ich Ausstand und das Ende dieser Kolumne, was nicht heißt, dass ich nicht noch ein paar musikalische Gastbeiträge aus meiner neuen Wahlheimat Spanien schicken werde. Zweieinhalb Jahre lang durfte ich die Kreuzberger Nächte aus der Nähe und Ferne betrachten, durfte mit Künstlerinnen reden, Konzerte besuchen, Plattenhändler kennenlernen. Und habe dabei noch kein einziges Mal Bowie erwähnt.

Zugegebenermaßen hat sich dieser ja auch viel in Schöneberg bewegt. Die Umbenennung der dortigen Hauptstraße, in der sich die Wohnung von ihm und seinem damaligen Mitbewohner Iggy Pop befand, steht wohl noch aus. Nach Kreuzberg hat es den Popstar allerdings doch so einige Male verschlagen, als er sich in den hier ansässigen Bars und Clubs umhertrieb.

Obwohl Bowie ja summa summarum nur drei Jahre in Berlin lebte, ziehen diese Jahre in alle Biografien als extrem wichtige Phase seines Werkes ein. Entzug von harten Drogen, eine Filmhauptrolle, wichtige Bekanntschaften, die sein Leben verändern sollten. Und auch Berlin ist mächtig stolz auf seinen Adoptivsohn: Immer wieder taucht der Name »Bowie« in allen Ecken der Stadt auf, es gibt Filme über die Berlin-Trilogie, ja sogar geführte Bowie-Touren werden angeboten.
Alles nur clevere Inszenesetzung? Auch. Und trotzdem veröffentlichte Bowie mit den drei Alben Low (1977), Lodger (1979), doch vor allen Dingen Heroes (1977) drei seiner wichtigsten Meisterwerke. Wussten Sie, dass Bowie neben naheliegenden Mauereindrücken im Song »Heroes« auch die Eindrücke des 20er-Jahre-Expressionismus verarbeitete?

Aufgenommen wurde das Ganze jedenfalls in – Sie ahnen es: Kreuzberg. Die Hansa-Studios sind mindestens so berühmtberüchtigt, wie Bowie selbst. Und entgegen einiger abtrünniger Meinungen eben nicht im Hansa-Viertel, sondern am Anhalter Bahnhof lokalisiert.

Nur wer vergessen wird, ist wirklich tot. Bowie – unsterblich.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2020.

Mit Perlenkette und Lippenstift

Ezra Furman ist mehr als ein genialer Musiker


Das Saallicht geht aus, vier komplett in weiß gekleidete Musiker betreten die Bühne des Festsaals Kreuzberg. Nach ihnen sieht man eine in langem, schwarzen Mantel gekleidete, schlaksige Person auf die Bühne wanken.

Als Ezra Furman mit seiner Musik be­ginnt, fühlt es sich nicht so an, als ob hier eine unglaublich berühmte Persönlichkeit spielen würde. Viel eher empfindet man, als fände das Konzert in einem Wohnzimmer unter Freunden statt. Der Künstler wirkt schüchtern, emotional und überhaupt nicht wie das, was man herkömmlich als Bühnenfigur bezeichnet. Allerdings ist er trotzdem voller Präsenz und Ausstrahlung. Furman interssiert sich für sein Publikum und versucht immer wieder beim Singen und Spielen inmitten des gedimmten Lichtes Gesichter auszumachen, Menschen zu erkennen. »Was sind das für Menschen, die meine Konzerte besuchen?« ist die Frage, die dem Künstler offensichtlich im Kopf umhergeistert. Vielleicht, weil er mehr verkörpert, als Popmusik. Mit rotem Lippenstift und einer großen, weißen Perlenkette um den Hals erinnert er ein wenig an den androgynen Bowie. In Zeiten der MeToo-Debatte ist das ein wichtiges Statement über Sexismus, sexuelle Orientierungen und das Sich-Definieren-Müssen. Doch nicht nur politisch sondern auch musikalisch und emotional überzeugt Furman auf ganzer Linie. Inmitten der in weiß gekleideten Musiker besingt er das Leben und wirkt teils zerissen von der eigenen Musik und den tiefgehenden Melodien. Performt die außergewöhnliche Formation auf der Bühne die schnellen und beschwingten Songs, die man teils auch bereits aus dem Radio kennt, springt Furman wie auf einem Trampolin auf der Bühne umher und steckt mit seinem strahlenden Lachen jeden und jede Einzelne bis in die hintersten Reihen an. Völlig verausgabt und mit Tränen in den Augen verabschiedet sich der aus Chicago stammende Musiker zusammen mit seiner Band »The Visions« nach drei Zugaben und unendlich vielen Danksagungen an das Publikum und hinterlässt es als einen ebenso emotionalen Haufen begeisterter Menschen.

In Ansätzen kann man das, was da auf der Bühne passiert ist auf dem neuesten Album »Transangelic Exodus« nachhören. Und auch wenn es nicht live ist: mitreißen tut die Musik so oder so.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2018.