Nach Farbbeuteln fliegen Steine

Der Protest gegen das Hotel »Orania« nimmt nicht ab

Ärger ums Hotel: das neue Orania. Foto: psk

Hier irrt die Bezirksbürgermeisterin: »Es hätten auch Luxuslofts sein können«, kommentierte sie das noble Hotel »Orania«, das seine Pforten im Sommer am Oranienplatz geöffnet hat und seither immer wieder Ziel unerfreulicher Aktionen ist. Mal fliegen Farbbeutel, zuletzt gar Pflastersteine.

Und warum irrt die Bürgermeisterin? Weil es natürlich ein Loft im Dachgeschoss gibt, das das »Orania« so bewirbt: »354 qm Loft im Dachgeschoss inklusive Orania.45 Suite + Orania.60 Juniorsuite + Orania.Salon, eigener Bar, Küche, Leinwand mit Beamer für TV & Kino, Steinway B Flügel, Bibliothek, offenem Kamin, 2 Esstische, drei franz. Balkone und große Fensterfront mit Balkon und herrlichem Ausblick über die Skyline von Kreuzberg & Berlin. Kapazität 10 bis 150 Personen.«

Wer es etwas kleiner mag, kann auch eine 86 Quadratmeter große Suite beziehen. Kostenpunkt 1889,25 Euro – pro Nacht. Das alles ist in einem Haus zu haben, in dem vor wenigen Jahren noch ein Discounter angesiedelt war, der am Ende aufgeben musste, weil er am 1. Mai immer wieder gerne mal ausgeräumt wurde.

Dass in Kreuzberg immer wieder Farbbeutel oder Schlimmeres gegen Gebäude fliegen, die für Gentrifizierung stehen, ist nichts Neues. Bisher war das Lieblingsziel das Carloft in der Reichenberger Straße. Vielen galt es als der Gipfel der spießbürgerlichen Dekadenz und Symbol für den Gentrifizierungs-Wahnsinn. Die Luxusherberge am O-Platz hat nun alle Möglichkeiten, den Carlofts den Rang abzulaufen.

Noch immer ist SO 36 der Hotspot für Spontis und Autonome. Sie betrachten einen Edelschuppen am Oranienplatz als Einbruch in ihr ureigenes Territorium. Nun besteht SO 36 nicht nur aus Autonomen und Spontis. Für gutwilligere Nachbarn gibt es regelmäßig Konzerte.

Der Besitzer, Dietmar Müller-Elmau wollte ganz bewusst ein Hotel im kreativen Zentrum Berlins. Dass er ausgerechnet auch noch Schloss Elmau besitzt, in dem 2015 der G7-Gipfel stattfand, macht die Situation nicht gerade einfacher. Gentrifizierungs- und Globalisierungsgegner gehen meistens Hand in Hand.

Gegner planen Daueraktionen

Über 200 Millionen Euro hatte das Spektakel in den bayerischen Alpen damals gekostet, der Löwenanteil ging dafür drauf, die Globalisierungs- und Gipfelgegner so weit wie möglich von Schloss Elmau fernzuhalten.

So ganz fern liegt der Gedanke da nicht, dass der eine oder andere nun vielleicht noch eine Rechnung begleichen will, die seit dem Sommer 2015 in seinen Augen noch offen ist.

Zunächst war das Hotel nur Opfer von Farbbeutelwerfern geworden. Mitte Oktober hat sich das Bild nun geändert. Erstmals wurden die großzügigen Scheiben mit Pflastersteinen attackiert. Für Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann ein Unding. Sie sagt, der Kampf gegen die Gentrifizierung könne nicht mit Pflastersteinen vollzogen werden. Doch das wird die Gegner des Hotels am Oranienplatz kaum abschrecken, denn die hatten sich schon nach den ersten Farbbeutelwürfen mit Bekennerschreiben zu Wort gemeldet. Darin stellten sie Überlegungen an, wie sie den »Investor aus dem Kiez jagen können«. Auch von Daueraktionen ist schon die Rede.

Das Unbehagen über das Hotel Orania ist aber nicht nur bei Autonomen und Spontis groß. Auch viele Nachbarn fürchten die langfristigen Folgen für den Kiez, wovon etliche Plakate rund um den Oranienplatz zeugen.

Allerdings weist der Bezirk auch darauf hin, dass das ehemalige Kaufhaus lange leergestanden habe. Immerhin, so sagen viele, sei kein Hostel eingezogen. Die Zahl der Easy-Jetter sollte wohl in der Tat durch die neue Nobelherberge in Kreuzberg nicht steigen. Auch irgendwie ein Trost.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2017.

Bezirk muss NPD-Plakate dulden

Die NPD hat ihren Vorsitzenden Udo Voigt an einen Laternenmast gehängt und ihm die Worte: »Gas geben« in den Mund gelegt. Kreuzberger Farbbeutel-Kunstwerfer haben dazu ihr eigenes Statement abgegeben. Foto: psk

Ausgerechnet in der Kreuzberger Lindenstraße, in Sichtweite des Jüdischen Museums hat die NPD Wahlplakate angebracht, auf denen der zynische Spruch »Gas geben« zu lesen ist. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Peter Beckers reagiert als Leiter der Ordnungsamtes darauf mit einer Untersagungsverfügung. Der NPD wurde dabei ein Zwangsgeld angedroht, wenn sie nicht die Plakte mit dem Inhalt »Gas geben« und »Gute Reise« aus dem Straßenbild entfernen würde. »Bei den beiden Plakaten handelt es sich nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums um Äußerungen, die nicht zu billigen sind und die den Tatbestand der Volksverhetzung nach dem Strafgesetzbuch erfüllen, so dass ein behördliches Eingreifen geboten ist«, erklärt Dr. Peter Beckers. Das wurde am 7. September gegen Mittag als Pressemitteilung verbreitet. Doch letztlich blieb es nur bei dem Versuch, sich der rechten Wahlpropaganda zu entledigen.

Am gleichen Tag entschied die erste Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts: Die Plakate dürfen hängen bleiben. Das Gericht wollte in den Inhalten keine Volksverhetzung sehen. Zwar schließt das VG nicht einmal aus, dass das »Gas geben« auf die Verfolgung der Juden im dritten Reich abzielt, aber die Kammer zieht auch in Betracht, dass eine andere Deutung möglich sei.

Die Kreuzberger haben allerdings schon vor Wochen ihre Haltung zu den Plakaten der NPD deutlich gemacht. In der Lindenstraße hängt kein einziges NPD-Plakat, das nicht durch Farbbeutel ziemlich unkenntlich gemacht wurde. Dabei hingen diese »Werbemittel« sowieso stets ganz oben an den Laternenpfählen. Wäre eigentlich auch ein guter Slogan für die NPD: »Höher hängen«.