Ladung vorn oder hinten? Zwei oder drei Räder?

Kleine Lastenradkunde

Lastenräder mit unterschiedlich langem RadstandGrößenvergleich: Mit kürzerem Radstand ist das Rad wendiger, während der größere Radstand mehr Zuladung ermöglicht. Foto: rsp

Sie sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken: Lastenräder haben längst ihr Öko-Nerd-Image hinter sich gelassen und sind zum Massenphänomen geworden. Doch was sollte man beachten, wenn man selbst mit der Anschaffung eines Lasten­rads liebäugelt, zum Beispiel hinsichtlich der Bauform?

»Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen ein- und zweispurigen Rädern«, erklärt Jan Pleus. Er ist einer der Mitstreiter beim Fahrradkollektiv Crow, das nicht nur die Kiez und Kneipe per Lastenrad zu den Verteilstellen bringt, sondern mit der Cyclery auch eine eigene Werkstatt in der Neuenburger Straße betreibt. Einspurige Räder sind wendiger, insbesondere wenn die Ladefläche über dem (kleineren) Vorderrad angebracht ist. Ähnlich wie bei den als »Long John« oder »Bakfiets« bekannten Rädern mit zwischen Steuerrohr und Vorderrad gelegener Ladefläche erfolgt die Lenkung über eine Lenkstange, die Lenkerrohr und Vorderrad verbindet.

Im Gegensatz dazu haben zweispurige (dreirädrige) Lastenräder, bei denen die Ladung zwischen zwei nor­mal­gro­ßen Vorderrädern verstaut wird, eine Drehschemel-Lenkung, die zunächst einmal gewöhnungsbedürftig ist, wenn man bisher nur mit klassischen Fahrrädern unterwegs war. Und anders als man denkt, seien zweispurige Räder »eher prädestiniert umzukippen«, sagt Jan – zumindest während der Fahrt. Sie haben mehr Zuladung (je nach Hersteller und Modell bis zu 150 kg + Fahrer) als die zweispurigen Modelle (bis zu ca. 85 kg + Fahrer), aber natürlich wiegt das Gefährt auch leer deutlich mehr.

Zweispurige Cargobikes gibt es auch mit Ladefläche hinten – professionell beispielsweise oft als Coffee-Bike zu sehen. Nachteil: Man hat als Fahrer die Ladung nicht im Blick. Dafür sind solche Modelle eher für den Personentransport geeignet als jene, bei denen der Nachwuchs gewissermaßen die Knautschzone bildet.

Auch wenn Lastenräder prinzipbedingt durch Muskelkraft angetrieben werden, gibt es, wie auch bei klassischen Fahrrädern, Modelle mit Elektromotor, der insbesondere beim Anfahren eine Hilfe sein kann. »Das ist aber auch eine extra Fehlerquelle«, warnt Jan. »Und wenn es Probleme gibt, bist du auf den Hersteller angewiesen.«

Und natürlich steigen auch die Anschaffungskosten: Die Omnium-Räder, die die Cyclery verkauft, starten mit rund 3000 Euro, die E-Varianten kosten bereits über 5000 Euro. »Auf jeden Fall empfiehlt sich eine Fahrradversicherung«, rät Jan.

Immerhin: im Unterhalt fallen Lastenräder nicht bedeutend mehr ins Gewicht als normale Fahrräder. Natürlich haben auch Cargo-Bikes Verschleißteile, aber bis auf wenige Spezialteile (z.B. die Lenkstange) besteht alles aus handelsüblichen Komponenten. »Was am meisten ausmacht«, sagt Jan, »ist die Pflege.«

Eine gute Möglichkeit, das Lastenradfahren auszuprobieren, bietet übrigens das kostenlose Verleihangebot fLotte Berlin des ADFC.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2024 (auf Seite 3).

Mehr Kameras, weniger Müll

Karneval der Kulturen setzt auf Nachhaltigkeit – und verschärft sein Sicherheitskonzept

Umzugshelferin in Dienstkleidung. Foto: rsp

Bereits zum 24. Mal findet am Pfingstwochenende der Karneval der Kulturen statt. Neben dem Straßenfest rund um den Blücherplatz lockt vor allem der Umzug am Sonntag jedes Jahr unzählige Besucher in den Kiez – 2018 waren es zusammen eine knappe Million Menschen.

Wie schon im letzten Jahr geht der Umzug wieder in der noch etwas ungewohnten Richtung von der Yorckstraße über Gneisenaustraße und Hasenheide bis zum Hermannplatz. 74 Gruppen mit gut 4.400 Beteiligten ziehen über die Strecke. Neu ist, dass rund ein Drittel der Gruppen ohne motorbetriebenen Wagen auskommt. Stattdessen kommen Lastenräder, Rikscha und geschobene Plattformen zum Einsatz. 

Überhaupt solle der Karneval nachhaltiger werden, erklärte Leiterin Nadja Mau bei der Pressekonferenz zwei Wochen vor dem Event und hob unter anderem das ausgeklügelte Mehrwegsystem des Straßenfests hervor. Die Berliner Wasserbetriebe, die die Akteure des Umzugs seit 16 Jahren mit Trinkwasser versorgen, verzichten zudem komplett auf Einweg-Plastikbecher. Für den trotzdem allenthalben anfallenden Müll stehen drei Mal soviele Behälter bereit wie noch im Vorjahr.

Nachhaltigkeit und Achtsamkeit finden sich auch im Programm wieder: Bei zahlreichen Gruppen des Umzugs stehen explizit Themen wie Umweltschutz, Müllvermeidung und Artenvielfalt im Vordergrund. Mit »Shanti Town« wird mitten auf dem Festgelände ein Aktionscamp gegen Rassismus und Krieg, für Vielfalt, Nachhaltigkeit und Verantwortung errichtet. Unter anderem gibt es dort Filmprojektionen, Workshops und Mitmach-Aktionen.

Weniger Müll und überhaupt mehr Nachhaltigkeit ist eines der Ziele des Karnevals der Kulturen. Foto: rsp

Die kulturelle Vielfalt, für die der Karneval steht, schlägt sich wie immer auch im Musikangebot nieder. Neben den drei großen Bühnen »Latinauta« (Gitchiner Straße; Latin Grooves), »Black Atlantica« (vor der Heilig-Kreuz-Kirche; afrikanische Musik) und »East2West« (AGB; u.a. Reggae, Ska, Balkan Beats) gibt es zehn kleinere »Music Corners«, die übers ganze Festgelände verteilt sind.

»Eine neue Kultur des Miteinanders auf Großveranstaltungen« wollen die Veranstalter des Karnevals der Kulturen etablieren, und dazu gehöre es auch, alle Beteiligten für die Bedürfnisse der Anwohner zu sensibilisieren – etwa durch eine Reduktion der Zeit für den Soundcheck im Aufstellungsbereich des Umzugs.

Zudem sind die Gruppen angehalten, unsoziales Verhalten in der Umgebung ihres Wagens zu identifizieren und anzusprechen. Angespannte Situationen sollen mit angepasster Musik beruhigt werden.

Zur Entspannung der Sicherheitslage soll eine punktuelle Videoüberwachung entlang der Strecke und auf dem Straßenfest beitragen. Damit sollen Besucherströme beobachtet und gegebenenfalls gelenkt werden. Am Tag des Umzugs sind Nostitz‑, Solms‑, Zossener und Mittenwalder Straße zwischen Gneisenau- und Baruther bzw. Fürbringerstraße auch für Fußgänger komplett gesperrt, Mehringdamm und Schleiermacherstraße funktionieren als Einbahnstraße (siehe Plan). Anwohner sollten deshalb unbedingt einen Ausweis oder ein ähnliches Dokument dabei haben, wenn sie vorhaben, vor Ende des Umzugs nach Hause zu kommen. In den genannten Straßen wird es auch ein flächendeckendes Parkverbot geben.

Quo vadis, Karnevalsbesucher? Am Pfingstsonntag sind zahlreiche Straßen komplett gesperrt, auch für Fußgänger. Grafik: KdK

Ob speziell die Straßensperrungen bei den unmittelbaren Anwohnern für eine höhere Akzeptanz sorgen, erscheint fraglich. Immerhin dürfte die Zahl der Wild- und Hauseingangspinkler in den gesperrten Straßen rückläufig sein. 

Die Fürbringerstraße fungiert als eine Art »Rückstaubereich« – für ortsfremde Besucher vermutlich verwirrend, da es von dort keinen Zugang zum Umzug und keinen direkten Rückweg zum Fest gibt. Von außerhalb des Festes kommt man nur via Baruther oder Schleiermachenstraße in die Fürbringerstraße.

Wer doch in diesen Bereich findet – oder nicht mehr heraus –, ist jedenfalls herzlich willkommen vor den Redaktionsräumen der Kiez und Kneipe (Fürbringerstraße 6), wo wie immer der Bierzelttisch aufgestellt ist und Caipirinha bereitsteht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.