Vom Bürgeramt der Zukunft

Bezirk stellt Projekt in der Schlesischen Straße vor

Oliver Nöll, Martina Klement und Ernst BürgerDas Bürgeramt der Zukunft stellten (v.l.n.r.) Oliver Nöll, Martina Klement (Senat) und Ernst Bürger (Bundesinnenministerium) in der Schlesischen Straße vor. Foto: psk

Wenn es ein Symbol für die angeblich dysfunktionale Verwaltung in Berlin gibt, dann ist es der häufig frustrierende Versuch, einen Termin bei einem Bürgeramt zu bekommen. Von Wartezeiten von bis zu vier Monaten war schon die Rede, nur um an einen Personalausweis oder einen Reisepass zu kommen.

Als vor knapp zwei Jahren der heutige stellvertretende Bezirksbürgermeister Oliver Nöll als Stadtrat für Soziales auch noch die Bürgerdienste erbte, setzte er sich das ehrgeizige Ziel, den Stau auf den Bürgerämtern aufzulösen. Dieses Ziel scheint zwar noch nicht erreicht, aber immerhin ist der Plan soweit vorangeschritten, dass man nun der Öffentlichkeit »Das Bürgeramt der Zukunft« präsentieren konnte.

Mit im Boot bei diesem Projekt sitzen Bund und Land. Beide hatten Vertreter ins Ausbildungsbürgeramt in der Schlesischen Straße geschickt, wo vorgestellt wurde, wie das Bürgeramt der Zukunft aussehen soll. 

Doch um diese Zukunft sinnvoll zu gestalten, war es zunächst notwendig herauszufinden, woran es eigentlich hakt. Diese Aufgabe hatte das CityLab übernommen und dabei einige überraschende Erkenntnisse gewonnen. Unter anderem sind an den langen Wartezeiten auch Bürger schuld, die zwar einen oder möglicherweise auch mehrere Termine buchen, dann aber nicht erscheinen.

Dieses Problem wurde mit einem Check-in-System angegangen, das Oliver Nöll mit den bekannten Systemen auf einem Flughafen vergleicht. Das neue System wurde zunächst an zwei verschiedenen Standorten getestet.

Bearbeitungsplätze bekommen Fototerminals

Bürger, die nun zu einem Termin kommen, werden eingecheckt. Das spart Zeit, weil man nicht auf Kunden wartet, die gar nicht erschienen sind. »Sowohl im Ausbildungsamt in der Schlesischen Straße, als auch im Bürgeramt in der Yorckstraße konnten wir zehn Prozent mehr Termine in der Testphase abarbeiten«, berichtet Oliver Nöll, der aber auch noch an anderer Stelle Potenzial sieht, Zeit einzusparen. Oft seien die mitgebrachten Bilder für Ausweis, Pass oder Führerschein unzureichend. Bürger müssten dann wieder weggeschickt und ein neuer Termin vereinbart werden. Fest installierte Fototerminals sollen das in Zukunft vermeiden. Die Terminals werden in den nächsten Wochen zunächst in der Schlesischen Straße installiert.

Wer einen Personalausweis oder einen Reisepass beantragt, muss bislang zwei Termine vereinbaren: Einen für den Antrag und einen für die Abholung. In Zukunft sollen Bürgerinnen und Bürger nur noch zur Antragstellung einen Termin vereinbaren müssen. Abholboxen werden es ermöglichen, terminunabhängig an die Dokumente zu kommen.

Schließlich sind auch noch Terminals geplant, an denen Dienst­leis­tun­gen, etwa ein Führungszeugnis, direkt abgerufen werden können. Zum Teil ist das allerdings heute auch schon vom heimischen PC aus möglich.

Die Neuerungen sollen bis 2024 sukzessive eingeführt werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2023.

Der schnelle Weg zum Ausweis

Vielversprechender Versuch zur Reform der Terminvergabe

Ein Personalausweis und ein ReisepassSchneller zum Pass: Die endlos langen Wartezeiten auf Termine im Bürgeramt sollen bald der Vergangenheit angehören. Foto: psk

So groß der Ärger in Berlin war, so groß war in den letzten Jahren der Spott im Rest der Republik. Dass Bürger hier zwei, drei, manchmal vier Monate warten müssen, um an einen neuen Personalausweis, einen Reisepass oder eine Geburtsurkunde zu kommen, wurde Symbol für eine dysfunktionale Verwaltung und bot Satiresendungen wie »extra 3« oder der »heute-show« jede Menge Material.

Als Bezirksstadtrat Oliver Nöll im Herbst 2021 sein Amt antrat, versprach er, das zu ändern. Doch Corona-Krise, Flüchtlingsströme aus der Ukraine und nicht zuletzt die Wiederholungswahl schienen dieses Vorhaben zu durchkreuzen. Tatsächlich jedoch ist inzwischen enorm viel Bewegung in die Sache gekommen. Mit einem neuen System sollen Bürger nun viel schneller an Termine und ihre notwendigen Papiere kommen. Zwei Versuche im Ausbildungsbürgeramt in der Schlesischen Straße und im Bürgeramt in der Yorckstraße verliefen so vielversprechend, dass das neue System ab März langfristig in der Schlesischen Straße getestet werden soll.

»Die Ergebnisse haben meine kühnsten Erwartungen übertroffen«, erklärt Oliver Nöll, der nun die Hoffnung hat, dass die inakzeptabel langen Wartezeiten auf einen Termin nicht nur in Kreuzberg und Friedrichshain, sondern bald in ganz Berlin der Vergangenheit angehören.

Tatsächlich werden zwischen 20 und 25 Prozent der über die zentrale Teminvergabe vereinbarten Termine nicht eingehalten. Fast ein Viertel aller Terminslots könnte also theoretisch kurzzeitig vergeben werden. Durch die nicht eingehaltenen Termine ergibt sich zwangsläufig auch ein Stau, der immer größer wird. Wenn alle Terminslots vergeben werden könnten, müsste sich dieser Stau zwangsläufig auch wieder auflösen. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend.

Kreuzberger Modell auch für den Bund?

Offiziell hatten die Arbeiten an dem Programm, das die Terminvergabe auf neue Füße stellen sollte, bereits im Sommer begonnen. Hilfe dafür war nicht nur von der Senatsinnenverwaltung, sondern auch vom Bundesinnenministerium gekommen. Dort glaubt man nämlich, dass das Modell aus Kreuzberg so vielversprechend ist, dass es auch in anderen kommunalen Verwaltungen in ganz Deutschland eingesetzt werden könnte.

»Man muss sich das vorstellen wie Check-in-Automaten auf dem Flughafen«, erläutert der Bezirksstadtrat. Dort stehen dann die freien Slots sofort zur Verfügung. Die letzten kleineren Unstimmigkeiten bei der Software sollen während des Langzeitversuchs noch beseitigt werden.

Für Oliver Nöll bedeute das neue System aber nur einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung der Verwaltung. Er prophezeit: »In den nächsten drei Jahren werden wir bei der Digitalisierung der Dienstleistungen einen Quantensprung erleben.«

Darüber hinaus weist er auch noch auf einen anderen Aspekt hin. Die Zusammenarbeit zwischen Bezirksamt, Senats­innenverwaltung und Bundesinnenministerium habe in diesem Fall ausgezeichnet geklappt. »Das ist der Beweis dafür, was alles geht, wenn man zusammenarbeitet.«

Vor allem den Mitarbeitern im eigenen Haus fühlt er sich zu tiefem Dank verpflichtet. Neben dem Bereich Flüchtlinge, Corona und Wahlorganisation habe sein Amt auch noch das neue Wohngeld plus und das Bürgergeld bewältigt und bereits jetzt die ersten Bescheide verschickt. Ganz so dysfunktional könne die Verwaltung also nicht sein, meint er.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2023.