Senat zieht Urbane Mitte Süd an sich

SPD wirft Florian Schmidt Verschleppung vor

Die Planungen zum Bauprojekt Urbane Mitte sorgen weiter für Ärger. Nun hat Bausenator Christian Gaebler (SPD) die Planungen an sich gezogen. Das stößt bei den Grünen und der LINKEN in der BVV auf heftigen Widerstand.

Das Projekt steht schon seit Beginn in der Kritik. Sieben Hochhäuser, von denen zwei 90 Meter hoch werden sollen, sind zwischen Technikmuseum und Gleisdreieckpark geplant. Einerseits stören sich die Gegner an der schieren Dimension der Urbanen Mitte, und dann vor allem daran, was da rein soll: Büros und Geschäfte. Wohnungen sind hier nicht vorgesehen.

Allerdings wäre es wohl auch zu Protesten gekommen, wenn es sich um Wohnprojekte handeln würde. Die Verschattung des Parks wird befürchtet und auch erhebliche ökologische Auswirkungen sind nicht auszuschließen.

Auf der Brache zwischen Ost- und Westgelände des Gleisdreieckparks soll das umstrittene Projekt Urbane Mitte entstehen. Foto: rsp

In der Planungsphase gelang es dem Bezirksamt, dem Bauträger einige kleinere Änderungen abzuringen. Doch ein Ende dieser Planungsphase war nicht abzusehen. Nun platzte dem zuständigen Senator offenbar der Kragen und er zog das ganze Verfahren an sich. Es entsteht eine Situation, die dem Bezirk nicht so ganz unbekannt ist. Auch die Planungen für die Mediaspree zogen sich immer weiter in die Länge, bis die damalige Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer 2008 das Verfahren an sich zog.

In der BVV stimmten nun die Grünen und die LINKEN gemeinsam für eine Resolution gegen das Vorgehen des Senators. Die SPD ent­hielt sich fast geschlossen. Einer der Genossen stimmte mit der CDU gegen die Resolution.

Das Abstimmungeverhalten der SPD erklärt sich wohl auch daraus, dass man mit Christian Gaebler keinen eigenen Genossen in einer schwierigen Koalition anschießen will. Grundsätzlich ist nämlich auch die SPD skeptisch, was das Projekt Urbane Mitte betrifft. Immerhin hoffen die Sozialdemokraten, dass die wenigen bereits besprochenen Änderungen erhalten bleiben und dass Gaebler das Rad nicht noch einmal auf Null zurückdreht. Gleichzeitig wirft die SPD Baustadtrat Florian Schmidt vor, mit seiner Hinhaltetaktik den Bausenator überhaupt erst auf den Plan gerufen zu haben.

Schmidt seinerseits bezeichnet die Urbane Mitte als ein »Aus der Zeit gefallenes Projekt« und vergleicht es mit den inzwischen obsoleten Planungen von Sig­na für den Karstadt am Hermannplatz.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2024 (auf Seite 1).

Urbane Mitte macht mobil

Widerstand gegen Hochhausprojekt am Gleisdreieckpark

Gleisdreieckpark mit 3D-Modell der geplanten HochhäuserEinschüchternde Skyline: So sehen die Gegner das Projekt. Fotomontage: KJD/Gleisdreieck-Blog

Ein Gespenst geistert um den Gleisdreieckpark, ein ziemlich großes sogar. Fast 100 Meter soll es messen. Sein Name: Urbane Mitte. Zwischen Park und Technikmuseum sollen insgesamt sieben Gebäude entstehen. Zwei von ihnen sollen die stattliche Höhe von 90 Metern erreichen, und am Ende stehen 100.000 Quadratmeter zur Verfügung – für Büros. Wohnungen sind nicht geplant.

Dagegen formiert sich inzwischen ein breiter und massiver Widerstand. Die Bauten, so fürchten viele Kritiker, könnten die Lebensqualität im Park nachhaltig beeinträchtigen.

Das Aufbegehren kommt allerdings ziemlich spät. Denn an den Plänen wird seit Jahren gebastelt. Bereits 2014 begann das Werkstattverfahren. 2018 wurde das ganze Projekt in einen nördlichen und einen südlichen Teil getrennt.

Spätestens mit der Einweihung des temporären Labs B-Part vor knapp zwei Jahren war im Grunde klar, wohin die Reise geht. Doch richtigen Protest hatte es in den letzten Jahren kaum gegeben. Der artikulierte sich erst in den letzten Wochen, als die Pläne für das Baufeld Süd ausgelegt wurden.

Das Areal im heutigen, unbebauten Zustand. Foto: KJD/Gleisdreieck-Blog

Entsprechend zurückhaltend ist denn auch der Baustadrat von Friedsrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, wenn es darum geht, ob das Bauvorhaben noch gekippt werden kann. Gegenüber dem Berliner Tagesspiegel erklärte er: »Wer das grundsätzlich in Frage stellt, muss sich mit erheblichen Entschädigungen auseinandersetzen, die vom Land Berlin aufzubringen wären.«

Dennoch verweisen die Kritiker auf eine ganze Menge Argumente, die gegen das Vorhaben sprechen. Dass zum Beispiel die typische Kreuzberger Mischung, die ortsnahes Arbeiten und Wohnen miteinander verbindet, bei dem großen Projekt keine Rolle spielt, ärgert viele Kritiker, ebenso wie die Tatsache, dass für den Bauherrn elementare baurechtliche Regeln keine Rolle spielen, wie etwa die Traufhöhe von 22 Metern.

Neues Quartier rund um einen Verkehrsknotenpunkt

Doch die eigentliche Empörung wird durch das Bauvolumen entfacht. Die Hochhäuser würden einen Teil des Parks verschatten, ihre schiere Größe die Landschaft verschandeln. Hinzu kommen die üblichen Bedenken in Sachen Naturschutz: Bäume verschwinden, der Vogelwelt gehen Nistplätze verloren, und es gibt Befürchtungen, dass sich das Mikroklima verändern könnte.

Die Bauherren halten dagegen, dass hier Raum für 3000 Arbeitsplätze geschaffen werde. In einem dreieinhalbminütigen Präsentationsvideo weisen sie gleich eingangs darauf hin, dass das Projekt zusammen mit der Stadt und der Nachbarschaft entwickelt worden sei. Von einem »Lebendigen Brückenkopf mitten in der Stadt« ist die Rede, der die Innenstadtbezirke miteinander verbinde.

Viel wird in dem Video über Natur und Mobilität gesprochen. Tatsächlich gruppieren sich die Gebäude des neuen Quartiers um ein Verkehrskreuz des öffentlichen Personen-Nahverkehrs. So soll hier auch ein S-Bahnhof für die geplante S-Bahn 21 enststehen, die dadurch an die U-Bahnlinien 1, 2 und 3 angeschlossen wird.

Als »Stadtquartier der Zukunft« bezeichnen die Planer ihr Projekt in ihrer Präsentation. Doch bis zur Zukunft ist es noch ein paar Jährchen hin. Zunächst sollen die beiden Gebäude im Baufeld Süd errichtet werden. Mit der Fertigstellung wird in den Jahren 2025 oder 2026 gerechnet.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2021.