Ade, Durchgangsverkehr

Bezirk stellt Konzept zur flächendeckenden Verkehrsberuhigung vor

Unter dem Titel »Xhain beruhigt sich« hat Friedrichshain-Kreuzberg Ende Juni als erster Bezirk ein Konzept zur flächendeckenden Verkehrsberuhigung vorgestellt. Erklärtes Ziel ist es, den Durchgangsverkehr aus den Nebenstraßen zurück auf die Hauptstraßen zu bringen – eine »funktionale Klärung«, wie es Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes formuliert. Damit soll sowohl die Verkehrssicherheit als auch die Lebensqualität in den Nebenstraßen erhöht werden. Maßnahmen am Hauptstraßennetz sind explizit nicht Bestandteil des Konzepts, da sie nicht im Zuständigkeitsbereich des Bezirks liegen. Gleichwohl soll weiterhin versucht werden, einzelne Straßen zu Nebenstraßen herabstufen zu lassen, wie das unlängst für die südliche Zossener Straße geschehen ist.

Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes, und Stadträtin Annika Gerold sitzen an einem Tisch. Im Hintergrund ein Bildschirm mit einer PräsentationFelix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes, und Stadträtin Annika Gerold stellen das Konzept zur Verkehrsberuhigung vor. Foto: rsp

Das Konzept ist im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme von bereits geplanten, beantragten und diskutierten Maßnahmen, ergänzt um Gebiete, für die es noch keine konkreten Vorschläge gab. Dabei wurden beispielsweise auch Einwohner*innen­anträge von Kiezblock-Initiativen be­rück­sich­tigt. So wurden insgesamt 280 Einzelmaßnahmen identifiziert, zusammengefasst in 15 Planungsräume.

Die einzelnen Maßnahmen funktionieren gewissermaßen nach einem Baukastenprinzip: Vorgesehen sind einerseits Querungshilfen/Gehwegvorstreckungen für Fußgänger, sogenannte Schulzonen sowie Geschwindigkeitsreduktionen durch Asphaltkissen oder Temposchwellen. Diese drei Maßnahmenarten dienen vor allem der Verkehrssicherheit und lassen sich auch ohne Beteiligungsverfahren umsetzen.

Anders sieht das mit den drei anderen Modulen aus: Modale Filter – also Diagonalsperren exklusiv für Autos –, Fußgänger*innenzonen und Einbahnstraßen finden unter Beteiligung der Anwohner statt. Bei diesen Maßnahmen geht es vor allem um das Ziel der Verdrängung des Durchgangsverkehrs. Allen Maßnahmen ist gemein, dass sie sich, anders als umfangreichere Umgestaltungen, verhältnismäßig kostengünstig umsetzen lassen. Derzeit geht man von insgesamt 2 Millionen Euro Planungs- und 1 Million Euro Baukosten aus.

Über den Stand der Planung informiert die Website xhain-beruhigt.berlin. Dort sind zu jedem Gebiet auch die zugrundeliegenden Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), existierende Machbarkeitsstudien und Ähnliches verlinkt. Darüber hinaus verweist jeder Eintrag auch auf eine dazugehörige Seite auf der Beteiligungsplattform mein.berlin.de, über die bereits im Vorfeld eines »echten« Beteiligungsverfahrens Kommentare und Meinungen von Anwohnern eingesammelt werden.

Screenshot mit einer Karte von xhain-beruhigt.berlinUnter den Maßnahmen finden sich auch »alte Bekannte« wie die seit 20 Jahren diskutierte Modalsperre Mittenwalder/Fürbringerstraße. Screenshot: xhain-beruhigt.berlin

Bis die Maßnahmen umgesetzt werden oder auch nur Detailplanungen und Beteiligungsverfahren beginnen, wird es indessen in den meisten Gebieten noch einige Jahre dauern. Einerseits ist dem Bezirksamt und Verkehrsstadträtin Annika Gerold an einer rechtssicheren Umsetzung gelegen, andererseits muss natürlich jeweils die Finanzierung geklärt werden, die unmöglich allein aus bezirklichen Mitteln erfolgen kann. Jetzt sei es an Verkehrssenatorin Schreiner, »zu zeigen, ob ihr die Sicherheit von Fuß­gän­ger*innen und Schü­ler*innen wirklich wichtig ist«, lässt sich Gerold in einer Pressemitteilung zitieren.

Tatsächlich sieht das Konzept, abgesehen von den angedachten Fußgängerzonen, kaum eine Reduktion von Parkplätzen vor, sodass es hier zu weniger Widerständen seitens der Senatorin kommen müsste als beim Radwegeausbau. Dagegen sind Verkehrs‑ und Schulwegsicherheit erklärte Ziele von Manja Schreiner.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2023.