Schnicken, plitschen, hüpfen lassen

6. Titscher Masters Kreuzberg am Landwehrkanal

Es gibt vermutlich nur wenige Menschen, die es selbst noch nicht gemacht haben: Steine titschen. Das Freizeitvergnügen – auch als flitschen, platschen, plitschen, schnicken, hüpfen oder flippen bekannt – beschreibt das Werfen eines flachen Steins über eine Wasseroberfläche, sodass er mehrfach aufsetzt und wieder hochspringt, bevor er schließlich sinkt. Um das zu bewerkstelligen, muss ein möglichst platter Stein mit einer Drehbewegung in flachem Winkel zur Wasseroberfläche geflitscht werden – und das schnell genug, damit der Stein den nötigen Auftrieb erzeugt. Als ungeübter Laie lassen sich dabei zwei bis fünf Aufpraller schaffen, ehe der Stein untergeht. Der von Kurt Steiner in den USA aufgestellte Weltrekord für die meisten Titscher liegt hingegen bei sagenhaften 88 Sprüngen.

Gruppenfoto am UrbanhafenSo sehen fröhliche Steinewerfer*innen aus. Foto: Consu

Dass Titschen bei Weitem keine reine Kinderbeschäftigung ist, beweisen die regelmäßig stattfindenden Meisterschaften und Turniere, wie das »Titscher Masters Kreuzberg«, das am 8. Mai in die sechste Runde geht. Gestartet wird um 12 Uhr am Landwehrkanal, Höhe Paul-Lincke-Ufer 1, von dort aus ziehen die Teilnehmenden samt Publikum entlang des Wassers Richtung Urbanhafen und zum Finale weiter zum Engelbecken. Insgesamt sind an der Strecke sechs Stationen vorgesehen, an denen jede*r Werfer*in drei Würfe hat, wobei möglichst viele Titscher des Steins auf dem Wasser erzielt werden sollen. Ein ausgeklügeltes Wertungssystem verspricht dabei Spannung bis zur letzten Runde, da alle Teilnehmenden bis zum Finale im Spiel bleiben. Wer am Ende die meisten Punkte erreicht hat, erhält den Wanderpokal, einen aus Fahrradteilen zusammengebauten weißen Schwan.

»Dieser wird übrigens von den echten Schwänen auch als einer von ihnen wahrgenommen, denn sie versuchen Kontakt aufzunehmen und zwicken gelegentlich unsere Trophäe«, erzählt Sebo, einer der Organisatoren. Anekdoten rund um das Turnier gibt es viele, so ist anstelle des Steins auch mal ein Werfer ins Wasser gefallen oder der Wettkampf wurde kurzfristig von aufgeschreckten Ordnungshütern unterbrochen. Allen Widrigkeiten zum Trotz konnte aber in jedem Jahr ein*e Kreuzberger Titscher-Meister*in gekürt werden. Aktuell ist der Amtsinhaber Olli Ernesto the Eagle.

Das Titscher Masters Kreuzberg findet traditionell am 8. Mai – am Tag der Befreiung von den Nazis – statt, »als unser Statement gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Verdummung«, erklärt Sebo.

Die Startplätze sind für dieses Jahr bereits vergeben. Wer nun auf den Geschmack gekommen ist und selbst gern bei so einem Event dabei sein möchte, hat am 4. Oktober 2025 bei dem offiziellen Turnier »Berlin Titscher Masters« die Chance dazu. Weitere Informationen finden sich auf www.­titschermasters.de.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2025 (auf Seite 3).

Zu kalt, zu früh, zu Montag

Kunterbunte Klamotten gegen den deprimierendsten Tag des Jahres

Novemberwetter im Januar schlägt auf die Stimmung. Foto: Marco Massimo / pixabay

Der dritte Montag im Januar trägt den Beinamen Blue Monday – denn er ist angeblich der deprimierendste Tag des Jahres. Zumindest wird es gerne so behauptet. Das Problem dabei? Dieser Tag hat zwar einen Titel, aber noch lange keine wissenschaftliche Grundlage. Ein bisschen PR, ein bisschen »Januar ist eh doof«, und schon haben wir den perfekten Schuldigen für unsere Laune gefunden. Wen wundert es da, dass es ausgerechnet einen Montag erwischt hat – denn sind nicht alle Montage immer irgendwie ein bisschen … meh?

Im fortgeschrittenen Januar treffen einfach alle Faktoren aufeinander, die einem das Leben schwer machen. Es regnet vermehrt, draußen ist es insgesamt recht trüb, die Sonne lässt sich kaum blicken, und der Vitamin D-Spiegel ist im Keller. Hinzu kommt, dass der Geldbeutel nach den Feiertagen leer ist, die euphorische Freude über etwaige Geschenke abgeflaut und die guten Vorsätze von vor drei Wochen schon längst in die Tonne getreten wurden. Ganz im Gegensatz natürlich zu den angefutterten Gewichtsreserven, die sich eher hartnäckig halten.

Auch wenn es keine nachweisbare wissenschaftliche Grundlage gibt, die für eine konkrete Bestimmung, des deprimierendsten Tag des Jahres verantwortlich zeichnet, so ist das Ergebnis auf der emotionalen Ebene durchaus nachvollziehbar. Zu kalt, zu früh, zu Montag eben. Unterkriegen lassen wir uns davon aber trotzdem nicht, wir tricksen den Blue Monday dieses Jahr aus und drehen den Spieß um. Einfach im Bett bleiben zählt nicht, heute werden härtere Geschütze aufgefahren – schließlich gilt es auch noch unbedarfte Mitmenschen aus der Tristesse zu retten.

Graue Grummelstimmung bekämpft man am besten mit Farbe. Viel Farbe. Also ran an die kunterbunten Klamotten im Schrank. Für einige mag sich das – je nach persönlichem Kleidungsstil – wie ein Bad Taste Day anfühlen. Aber mal ehrlich, wer kann noch Trübsal blasen, wenn er aussieht wie ein explodiertes Müsli? Kommen wir zum nächsten Schritt: Lächeln. Kein Scherz, das ist völlig ernst gemeint. Jeder Mensch wird heute angelächelt, sogar die grantige Kollegin oder der genervte Bäckereifachverkäufer. Es wird an vielen abprallen, aber einigen wird es den Tag versüßen – und diese Stimmung kommt ungetrübt zum Sender zurück. Pro-Tipp für diejenigen, die sonst eher seltener lächeln: ab und zu leicht auf die Backen klopfen zum Auflockern – sonst gibt es Muskelkater. Das ist übrigens auch kein Scherz.

Bleibt zu hoffen, dass dieses Jahr viele farbenfrohe Gestalten am 20. Januar in Kreuzberg gesichtet werden, die sich selbst und anderen ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Eines ist aber gewiss: Die anderen 51 Montage im Jahr sind bei Licht betrachtet neben dem Blue Monday gar nicht mehr so schlimm.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2025 (auf Seite 14).