Was kommt da noch?

Rolf-Dieter Reuter blickt schon mal voraus

Das Jahr geht zu Ende und man würde ihm wohl kaum ein Unrecht antun, wenn man es als etwas zäh bezeichnen würde.

In den USA reiht sich eine trumpsche Ungeheuerlichkeit an die andere, und jede neue Ungeheuerlichkeit ist noch ungeheurer als die vorige, und je ungeheurer die Ungeheurigkeiten werden, desto wurstiger werden die Wähler, die Trump in einem Jahr wiederwählen werden.

Erinnert einen irgendwie an den Brexit, nicht wahr? Immer wenn man meint, es ginge nicht mehr schlimmer, beweisen die Briten dem restlichen Kontinent das Gegenteil. Der Brexit kommt und kommt nicht.

In unseren schönen Landen ist es ja auch nicht viel besser. Die kleinste große Koalition aller Zeiten quält sich durch die Legislatur, und alle hoffen, dass es bald ein Ende nähme. Es traut sich aber niemand aus der Koalition raus, weil vor der Tür ein zähnefletschender blauroter Hund sitzt. Hätten die Koalitionäre mehr Mut, müssten sie sich vielleicht auch nicht vor diesem knurrenden Köter fürchten.

Holzschnitt einer Ratte in Brehms Thierleben2020 ist das Jahr der Ratte.
Zumindest im chinesischen Horoskop. Holzschnitt: Brehms Thierleben

Und so ging es 2019 weiter … oder besser nicht. Der Berliner Flughafen … oje. Bayern München schon wieder Meister. Inzwischen werden in Deutschland Kinder eingeschult, die nie einen anderen deutschen Fußballmeister erlebt haben. Es ist zum Heulen.

Immerhin hat dieses Jahr der Welt eine wütende 16-jährige Schwedin gebracht. Nach dem ersten Schock hat sich schnell der Widerstand gegen das bezopfte Mädchen aus Stockholm formiert, wobei den Zöpfen durchaus eine entscheidende Rolle zukommt. Der eine oder andere Greta-Hasser hat dann auch noch versucht, sich an ihrem Asperger-Syndrom abzuarbeiten. Das war freilich ein Rohrkrepierer, weil sich unter den Greta-Feinden kaum einer etwas unter Asperger vorstellen kann.

Und jetzt? Wie geht’s weiter? Erwartet uns 2020 noch mal so ein Jahr, das sich thematisch zieht wie Kaugummi?

Fangen wir mal von hinten an. Ja, Trump wird wiedergewählt (war ja damals bei Nixon auch so). Doch er hat sich so viele Feinde auch in seiner Partei gemacht, dass das Impeachment gegen ihn knapp erfolgreich ist. Und da sein Vize Mike Pence gleich mitstolpert, wird Nancy Pelosi die erste Frau im Oval Office – und die erste Präsidentin, die gar nicht gewählt wurde (auch nicht als Vizepräsidentin).

Aber Wahlen sind überschätzt. In Großbritannien gibt es kein eindeutiges Ergebnis. Die EU schmeißt die Briten jetzt raus. Da ruft das Parlament den Ex-Speaker John Berkow (»Order«) zurück. Der wird Premier, hält ein zweites Referendum ab und die EU muss die Briten wieder zurücknehmen.

Auch in Deutschland wird es Neuwahlen geben, ohne eindeutiges Ergebnis. Grüne und Union sind gleichauf. Da Söder niemals mit Robert Habeck oder Annalena Baerbock als Kanzler leben könnte, einigt man sich in der Grün-Schwarz-Rot-Rot-Gelben Koalition auf Winfried Kretschmann als neuen Kanzler. Und Cem Özdemir wird sein Nachfolger als MP in BaWü.

Bleiben schließlich noch zwei Fragen offen: Wann öffnet der Berliner Flughafen und bekommt Greta Thunberg den Friedensnobelpreis? Zwei kurze Antworten: Nie und ja, aber sie lehnt ihn ab.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Betroffen am Kotti

Der Protest der Anwohner und der grüne Familienstreit zwischen Franz Schulz und Cem Özdemir hat nun scheinbar Erfolg – zumindest einen kurzfristigen. Die Polizei hat innerhalb einer Woche gleich zwei Mal starke Präsenz am Kotti gezeigt. Zusammengerechnet kam sie dabei auf 16 Stunden Einsatzzeit. Die Beamten haben in dieser Zeit 68 Platzverweise erteilt. Das heißt, etwa alle Viertelstunde musste sich ein mutmaßlicher Junkie vom Kotti trollen. Außerdem wurden noch zehn Personen festgenommen. Das ist ja alles schön und gut, nur haben uns die Polizeiaktionen letztlich der Lösung keinen Schritt näher gebracht. Die Anwohner dürften nur kurzfristig sediert sein, denn die des Platzes verwiesenen kommen ja alle wieder. Und schließlich lösen sich Junkies und Dealer auch nicht einfach in Luft auf, wenn sie von den Ordnungshütern des Spielfeldes verwiesen werden. Sie suchen sich dann eben neue Spielfelder. Natürlich muss die Polizei Präsenz zeigen, wenn der Kotti gerade mal wieder durch alle Medien getrieben wird. Aber das kann auf die Dauer keine Lösung sein. Schon gar nicht fünf Wochen vor dem 1. Mai. Wenn es dieses Jahr wieder richtig krachen sollte, dann zeigen sich sicher diejenigen wieder ganz besonders betroffen, die nicht in der Lage sind, ein vernünftiges Konzept für die Situation am Kotti zu entwickeln.

Parteifreunde

Der Kotti ist wieder im Gespräch, Zeitungen ist er große Reportagen wert, andere Medien stellen tiefschürfende Reflexionen an. Interessant dabei ist der Auslöser. Da haben Anwohner mal wieder gegen die Fixer-Szene aufbegehrt. Das Problem ist in den letzten Jahren größer geworden und wird auch nicht kleiner, wenn nun eine Drückerstube in der Dresdener Straße geschlossen wird. Auf der Suche nach einer Lösung verfiel Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz auf die – zumindest parteiintern wahnwitzige – Idee, das ganze Päckchen einfach vor der Türe seines Bundesvorsitzenden Cem Özdemir abzulegen, und zwar buchstäblich. Ein kurdisches Café, unmittelbar in Özdemirs Nachbarschaft an der Kottbusser Straße, macht dicht, und da könnte die Drückerstube ja unterkommen, meinte der Bezirksbürgermeister. Was Schulz, gewollt oder ungewollt, übersah: Es gibt bereits einen Nachmieter. Das musste ihm ausgerechnet der Grünenchef erst mal sagen. Blöd ist jetzt nur, dass sein Parteifreund Özdemir so dasteht, als unterlaufe er nun die Drogenpolitik des Bezirks und sei nur darauf bedacht, Probleme von seiner Heimstatt fernzuhalten. Dächte Özdemir so, hätte er auch in den Chamissokiez ziehen können. Ist das nicht putzig: Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl stellt ein grüner Bezirksbürgermeister im einzigen grünen Wahlkreis der Republik den Bundesvorsitzenden der Grünen ohne Not bloß. Fragt sich eigentlich nur, was Hans-Christian Ströbele dazu sagt. Der will schließlich im Herbst wieder gewählt werden. Ach ja, sein Wahlkreisbüro liegt übrigens direkt am Kotti.