Edel sei das Wohnen oder bezahlbar und gut

Gentrifizierungsdabatte über 4 Hektar auf dem Dragonergelände

Es sind meist kleine Schrauber, die dort untergekommen sind, ein Autohaus, eine Taxischule. Es ist nun nicht gerade die Perle Kreuzbergs. Aber eine ganze Menge steht unter Denkmalschutz, denn geschraubt wird hier auf historischem Boden.

Mitte des 19. Jahrhunderts war hier die Kaserne des 1. Dragoner-Garderegiments erbaut worden, und der repräsentativste Teil, die Soldatenunterkünfte, sieht heute noch ganz schick aus. Allerdings wohnen dort keine Soldaten mehr, sondern schon seit 90 Jahren das Finanzamt Kreuzberg am heutigem Mehringdamm.

Ein Filetstück im Innenstadtbereich, das irgendwann bebaut werden soll.

Foto: pskEin Filetstück im Innenstadtbereich, das irgendwann bebaut werden soll. Foto: psk

Doch um den Hinterhof geht es. 4,2 Hektar in Innenstadtlage, mehr oder minder unbebaut – da läuft jedem Immobilienschaffenden doch das Wasser im Munde zusammen – und wer damit nichts zu tun hat, aber in der Yorck- oder Großbeerenstraße wohnt, fängt schon reflexartig an, mit dem Zähnen zu knirschen.

Die Frontlinien sind klar. Für die einen ist es ein Filetstück, mit dem sich mal so richtig Kohle machen lässt, die anderen sehen darin eine heißersehnte Platzreserve für bezahlbaren Wohnraum für die wachsende Zahl jener, die aus dem Kiez verdrängt werden.

Im November hat man sich erstmals getroffen: Anwohner, Investoren, Stadtplaner, Bezirk und Senat. Das ist Teil eines »Dialogischen Planungsverfahrens«. So nennt das die Urbanitas, jenes Unternehmen, das vom Bezirks und der ABR German Real Estate beauftragt wurde, für möglichst wenig Nebengeräusche zu sorgen. Tatsächlich verspricht die Urbanitas, dass es hier im einstigen Belle-Alliance-Quartier »keine Stuttgarter Zustände« geben soll.

Die Bedenken der Investoren sind verständlich. Viele Skeptiker sind nämlich sauer, dass weder der Bezirk, noch das Land Berlin in der Lage waren, das Gelände selbst zu erwerben, um es dann dem sozialen Wohnungsbau zuzuführen.

Doch was wären sozialverträgliche Mieten? Baustadtrat Hans Panhoff spricht von 5,50 Euro, aber die Zahl acht wurde ebenfalls genannt.

Nur etwa 70 Prozent des Geländes soll für die Wohnbebauung genutzt werden. Das können Eigentumswohnungen, genossenschaftliche Projekte oder privat errichtete Mietshäuser sein. 30 Prozent ist für Gewerbemieter vorgesehen.

So richtig hat das viele an diesem Abend allerdings noch nicht überzeugt. Doch was nicht ist, kann ja noch kommen. Jedenfalls sind für das dialogische Planungsverfahren noch mehr Treffen geplant.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2013.

Helmut Metzner glaubt nicht an Gentrifizierung

Westerwelles Ex-Büroleiter verteidigt die FDP-Positionen in der Cantina Orange

Helmut Metzner lässt sich vom Blick des KuK-Redakteurs Robert S. Plaul und den kritischen Nachfragen des Publikums nicht beirren.

Foto: csHelmut Metzner lässt sich vom Blick des KuK-Redakteurs Robert S. Plaul und den kritischen Nachfragen des Publikums nicht beirren. Foto: cs

Friedrichshain-Kreuzberg ist ja nun nicht gerade als Hochburg der FDP bekannt. Und so bekundet Direktkandidat Helmut Metzner, er »kandidiere aus Solidarität mit der Idee der Freiheit, damit die Liberalen hier im Bezirk auch einen Ansprechpartner haben.« Immerhin hat er als Vierter auf der Landesliste zumindest bei einem sehr guten Abschneiden seiner Partei in Berlin die Chance auf einen Nachrückerposten.

Der 45-jährige Franke ist studierter Historiker und arbeitet derzeit als selbständiger Politikberater. Zuvor war er einige Monate als Büroleiter von Außenminister Guido Westerwelle tätig gewesen, musste dann aber nach der Wikileaks-Affäre seinen Hut nehmen.

Vor diesem Hintergrund liegt es natürlich nahe, dass die KuK-Redakteure Robert S. Plaul und Peter S. Kaspar im Redaktionsgespräch in der Cantina Orange auch auf das Thema NSA und Edward Snowden zu sprechen kommen. Metzner hätte sich einerseits gewünscht, dass Snowden seine Erkenntnisse vor einem amerikanischen Gericht dargelegt hätte, anstatt sich nach Russland abzusetzen, und hält andererseits dringend Vereinbarungen auf internationaler Ebene gegen die massenhafte anlasslose Datensammlung für nötig.

Kontrovers diskutiert werden Metzners Ansichten zum Thema Mieten und Verdrängung. Den Begriff Gentrifizierung lehnt er ab. Zwar seien die Mieten tatsächlich »in speziellen Kiezen sehr angestiegen«, aber die Herangehensweise, hier mit Verboten von Mieterhöhungen und Luxussanierungen hält er für falsch. Dass immer noch rund 10% der Berliner jedes Jahr umziehen, ist für ihn ein Zeichen dafür, dass es wohl noch genügend freie Wohnungen geben müsse, das sei zum Beispiel in München ganz anders. Er fordert, dass mehr Geld für Wohnungsneubau in die Hand genommen werde, allerdings nicht von staatlicher Seite aus, sondern von privaten Investoren, und dass dabei zugunsten von Wohnraum kein »Recht auf freie Aussicht« das Schließen von Baulücken verhindern dürfe. In speziellen Härtefällen könne ein kommunales Wohngeld, das zum Beispiel durch Einnahmen durch die Grundsteuer finanziert werden könnte, Abhilfe schaffen.

In anderen Fragen sind Metzners Ansichten deutlich kiezkompatibler. So hält er die Residenzpflicht für Asylbewerber für überholt und sieht auch keinen triftigen Grund, warum man Flüchtlingen das Arbeiten verbieten solle.

Das Thema Drogenhandel im Görlitzer Park könne sich von selbst erledigen, wenn der Verkauf von Cannabis ebenso wie der von Tabak staalich geregelt wäre. Davon abgesehen könnten Steuereinnahmen erzielt werden, und die personellen Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden könnten stattdessen für die Verfolgung »echter Krimineller« genutzt werden.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.