Kreisverband der SPD lehnt CDU-Koalition ab

Delegierte aus Friedrichshain-Kreuzberg folgen dem Landesvorstand nicht

Darüber herrschte Einigkeit: Die SPD des Bezirks ist gegen die Karstadt-Pläne des Unternehmens Signa am Hermannplatz. Archivfoto: rsp

Immerhin bei einem Punkt zeigte sich der Kreisparteitag der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg dann einig. Die Pläne des österreichischen Investors Signa für den Karstadt am Hermannplatz lehnt man ab. Aber ansonsten krachte es beträchtlich. Selbst für einen so diskussionsfreudigen Kreisverband war das dann eher unüblich. Die Gemüter scheiden sich an der geplanten Koalition mit der CDU.

59 Delegierte stimmten gegen eine Koalition mit der CDU auf Landesebene, 44 waren dafür und drei enthielten sich. Für eine war das ganz besonders bitter: Cansel Kiziltepe aus Kreuzberg ist nicht nur Bundestagsabgeordnete, sondern auch stellvertretende Landesvorsitzende. Außerdem gehört sie der Delegation an, die mit der CDU den Koalitionsvertrag aushandeln soll. Sowohl sie als auch Landesgeschäftsführer Sven Heinemann, der ebenfalls dem Kreisverband angehört, warben vor den Delegierten des Kreisverbandes für die angestrebte Koalition, ein Weg, den die Mehrheit der Anwesenden nicht mitgehen will. Viele stellten sich die Frage, ob denn die SPD tatsächlich mehr Schnittmengen mit der Union als mit Grünen und der Linken habe.

Vor allem die Position von Cansel Kiziltepe gab etlichen Mitgliedern Rätsel auf, wird sie doch eher dem linken Lager in der SPD zugeordnet. Als  Staatsekretärin im Bundesbauministerium gehört sie auch der Bundesregierung an, wo die Koalitionsverhandlungen in Berlin ebenfalls mit Sorge verfolgt werden. Eine neue Koalition verschiebt auch das Kräfteverhältnis im Bundesrat. Allerdings ist fraglich, ob Cansel Kiziltepe noch lange im Bauministerium bleibt. Laut Berliner Zeitung wird sie nämlich bereits als Kultursenatorin in einem Senat unter Führung von Kai Wegner gehandelt.

CDU soll Ampelprojekten zustimmen

Was wird mit vielen Projekten der Ampel, wenn in Berlin eine schwarz-rote Koalition regiert? Normalerweise wird in solchen »Mischkoalitionen« vereinbart, dass sich das Bundesland bei Abstimmungen im Bundesrat enthält, wenn man sich nicht einigen kann. Etlichen Ampelprojekten könnte daher spätestens im Bundesrat das Aus drohen, weil die Stimmen aus Berlin fehlen.

Das trieb auch die queere SPD in Friedrichshain-Kreuzberg um. Sie beantragte, dass in den Koalitionsvertrag, so er denn zustande kommen sollte, ein Passus aufgenommen wird, dass Berlin im Bundesrat bestimmten Projekten zustimmen muss. Genannt werden insgesamt elf. Darunter fallen die Kindergrundsicherung und die Legalisierung von Cannabis. Sollte die CDU dieser Liste nicht zustimmen können, dann solle es auch keinen Koalitionsvertrag geben, fordert die queere SPD.

Noch sind die Verhandlungen nicht beendet, doch bis zum 23. April sollen die Mitglieder darüber abstimmen. Der Ausgang ist ungewiss. »Das gibt jetzt einen richtigen Wahlkampf«, meint die Fraktionsvorsitzende der SPD in der BVV, Hannah Lupper, die sich ebenfalls gegen eine Koalition mit der CDU stemmt. Selbst wenn sich eine Mehrheit der Mitglieder für eine Koalition aussprechen sollte, ist das noch nicht entschieden. Offiziell muss das ein vorgezogener Landesparteitag beschließen. »Der Parteitag ist eines der höchsten Beschlussgremien. Aber natürlich muss er sich auch an ein Mitgliedervotum halten.«

Tendenziell votieren die SPD-Mitglieder bei einer Befragung eher etwas konservativer. Doch dieses Mal wagt kaum jemand eine Prognose abzugeben. Das Rennen scheint völlig offen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2023.

Wollen die eigentlich?

Jahrelang war der Konflikt zwischen Fundis und Realos ein stilbildendes Element der Grünen. In keiner Partei wurde so viel und so lustvoll gestritten wie bei der Ökopartei. Inzwischen scheinen sich die Grünen aber zum Ruhepol der Republik gewandelt zu haben. Nicht einmal die absehbare Bauchlandung bei Stuttgart 21 scheint die Partei im Inneren zu erschüttern – und das, wärend sich die Konkurrenz reihenweise innerparteilich zerlegt. Die Linken haben ihre Gesine und ihren bayerischen Springteufel, die SPD ihre Nahles und die Steinis, die FDP schafft sich selbst ab, und bei der CDU ist der latente Zwergenaufstand ein chronischer Zustand geworden. Vor einem knappen Jahr hatten die Grünen die SPD sogar erstmals in Umfragen überflügelt. Das müssen sie so gefeiert haben, dass der Restalkohol heute noch wirkt. Renate Künast, von der man wohl zu Recht behauptet, sie sei eine intelligente Frau, hat seit November – als sie in Umfragen gleichauf oder vor Wowi stand – alles, aber auch alles erdenkliche getan, um ja nicht auf dem unbequemen Bürgermeisterstuhl im Roten Rathaus Platz nehmen zu müssen. Ist ja auch ein undankbarer Job, eine Stadt mit 63 Milliarden Euro Schulden zu regieren. Das entspricht übrigens ziemlich exakt dem Bruttoinlandsprodukt der Slowakei. Wer will sich das schon ans Bein hängen? Aber auch auf den Senatsstühlen sitzt es sich offensichtlich sehr hart. Wie sonst ist es zu erklären, dass Volker Ratzmann den Verzicht auf den Ausbau der A 100 zur Bedingung für eine Koalition macht. Gerade die Grünen müssten doch wissen, dass Wowereit Koalitionsverhandlungen ganz schnell platzen lassen kann. Schon vor zehn Jahren hatten die Grünen hoch gepokert und am Ende alles verloren. Doch selbst auf den Abgeordnetenbänken scheint sich’s für die Grünen nicht bequem genug zu sitzen. Wenn Renate Künast davon spricht, die Piraten müssten »resozialisiert« werden, könnte das die Grünen ein bis zwei Sitze im Abgeordnetenhaus kosten.

Es scheint fast so, als wollten die Grünen um jeden Preis eine Regierungsbeteiligung vermeiden. Dann wird es eben Rot-Schwarz. Das wird alle Autobahnfetischisten freuen, weil die A 100 dann todsicher gebaut wird. Und wenn sich die Grünen weiterhin so dusselig anstellen, wird Wowi in 20 Jahren das Band durchschneiden und feierlich die Schließung des Autobahnrings verkünden. Danach können sich die Grünen ja überlegen, ob sie vielleicht doch wieder in eine Regierung einsteigen wollen. Aber wahrscheinlich haben die Piraten die Grünen dann schon so überflüssig gemacht, wie heute die FDP überflüssig ist.