Neuer Wohnraum hinterm Posthochhaus

degewo plant 337 Wohnungen mit größtenteils bezahlbaren Mieten

337 neue Wohnungen entstehen bis 2024 hinterm Posthochhaus. Visualisierung: DAHM Architekten + Ingenieure GmbH

Zwischen sieben und acht Stockwerke sollen die sechs Wohnhäuser haben, die in den nächs­ten anderthalb Jahren auf dem 11.250 m² großen Areal nördlich des Posthochhauses am Halleschen Ufer entstehen. Gerade wurde Grundsteinlegung gefeiert, im Mai 2024 soll es dann so weit sein.

Von den 337 Wohnungen, die das landeseigene Wohnungsunternehmen degewo baut, sollen 75 Prozent gefördert werden und zu erschwinglichen Mieten zu haben sein, die vor­aussichtlich zwischen 6,50 Euro und 8,20 Euro pro Quadratmeter liegen werden. Neben jeweils rund 100 Ein- und Zweizimmerwohnungen entstehen auch Drei-, Vier- und einige Fünfzimmerwohnungen. Alle Wohnungen haben Balkon oder Terrasse.

Zusätzlich sind drei Gewerberäume sowie eine Kindertagesstätte mit 50 Plätzen geplant. Drumherum sollen Erholungsmöglichkeiten und Spielplätze entstehen.

Geplant sind eine umweltfreundliche Wärmeversorgung sowie eine Dachbegrünung nach dem ambitionierten KfW-55-Standard, der einen Primärenergiebedarf von nur 55 Prozent gegenüber dem Referenzwert vorsieht.

Die Wohngebäude sollen Teil eines »nachhaltigen urbanen Quartiers« werden, das zusammen mit Art-Invest Real Estate entwickelt wird. Art-Invest hatte den knapp doppelt so großen südlichen Teil des Areals inklusive des ehemaligen Postscheckamt-Hochhauses erworben, nachdem die CG Gruppe 2019 aus dem Projekt ausgestiegen war. Dem vorausgegangen war ein öffentlich ausgetragener Streit zwischen CG-Chef Christoph Gröner und Baustadtrat Florian Schmidt, bei dem es insbesondere um den Anteil bezahlbaren Wohnraums in dem neuen Quartier gegangen war.

Viel Fläche, wenig CO2

Urbanes Quartier mit Spielplätzen und Erholungsmöglichkeiten. Visualisierung: DAHM Architekten + Ingenieure GmbH

Für das jetzt entstehende Quartier findet der Baustadtrat dann auch dementsprechend freundliche Worte. »Hier entsteht ein modernes Quartier der Nachhaltigkeit mit kurzen Wegen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz«, lässt sich Schmidt auf der degewo-Website zitieren. »Mich freut, dass das landeseigene Wohnungsunternehmen degewo an dieser zentralen Stelle Berlins kostengünstigen Wohnraum entstehen lässt. So wird dieses Quartier zu einem Ort werden, an dem Stadtgesellschaft erlebbar wird.«

Art-Invest plant nicht nur die ökologisch verträgliche Sanierung des 23-stöckigen Posthochhauses, sondern errichtet noch zwei weitere Bürogebäude und ein Wohnhaus mit »78 modernen Wohnungen« – alles zusammengenommen knapp 70.000 m² Büro-, Event- und Wohnfläche. Die Gebäude sollen allesamt CO2-arm oder gar CO2-frei betrieben werden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2022.

Mehr Kameras, weniger Müll

Karneval der Kulturen setzt auf Nachhaltigkeit – und verschärft sein Sicherheitskonzept

Umzugshelferin in Dienstkleidung. Foto: rsp

Bereits zum 24. Mal findet am Pfingstwochenende der Karneval der Kulturen statt. Neben dem Straßenfest rund um den Blücherplatz lockt vor allem der Umzug am Sonntag jedes Jahr unzählige Besucher in den Kiez – 2018 waren es zusammen eine knappe Million Menschen.

Wie schon im letzten Jahr geht der Umzug wieder in der noch etwas ungewohnten Richtung von der Yorckstraße über Gneisenaustraße und Hasenheide bis zum Hermannplatz. 74 Gruppen mit gut 4.400 Beteiligten ziehen über die Strecke. Neu ist, dass rund ein Drittel der Gruppen ohne motorbetriebenen Wagen auskommt. Stattdessen kommen Lastenräder, Rikscha und geschobene Plattformen zum Einsatz. 

Überhaupt solle der Karneval nachhaltiger werden, erklärte Leiterin Nadja Mau bei der Pressekonferenz zwei Wochen vor dem Event und hob unter anderem das ausgeklügelte Mehrwegsystem des Straßenfests hervor. Die Berliner Wasserbetriebe, die die Akteure des Umzugs seit 16 Jahren mit Trinkwasser versorgen, verzichten zudem komplett auf Einweg-Plastikbecher. Für den trotzdem allenthalben anfallenden Müll stehen drei Mal soviele Behälter bereit wie noch im Vorjahr.

Nachhaltigkeit und Achtsamkeit finden sich auch im Programm wieder: Bei zahlreichen Gruppen des Umzugs stehen explizit Themen wie Umweltschutz, Müllvermeidung und Artenvielfalt im Vordergrund. Mit »Shanti Town« wird mitten auf dem Festgelände ein Aktionscamp gegen Rassismus und Krieg, für Vielfalt, Nachhaltigkeit und Verantwortung errichtet. Unter anderem gibt es dort Filmprojektionen, Workshops und Mitmach-Aktionen.

Weniger Müll und überhaupt mehr Nachhaltigkeit ist eines der Ziele des Karnevals der Kulturen. Foto: rsp

Die kulturelle Vielfalt, für die der Karneval steht, schlägt sich wie immer auch im Musikangebot nieder. Neben den drei großen Bühnen »Latinauta« (Gitchiner Straße; Latin Grooves), »Black Atlantica« (vor der Heilig-Kreuz-Kirche; afrikanische Musik) und »East2West« (AGB; u.a. Reggae, Ska, Balkan Beats) gibt es zehn kleinere »Music Corners«, die übers ganze Festgelände verteilt sind.

»Eine neue Kultur des Miteinanders auf Großveranstaltungen« wollen die Veranstalter des Karnevals der Kulturen etablieren, und dazu gehöre es auch, alle Beteiligten für die Bedürfnisse der Anwohner zu sensibilisieren – etwa durch eine Reduktion der Zeit für den Soundcheck im Aufstellungsbereich des Umzugs.

Zudem sind die Gruppen angehalten, unsoziales Verhalten in der Umgebung ihres Wagens zu identifizieren und anzusprechen. Angespannte Situationen sollen mit angepasster Musik beruhigt werden.

Zur Entspannung der Sicherheitslage soll eine punktuelle Videoüberwachung entlang der Strecke und auf dem Straßenfest beitragen. Damit sollen Besucherströme beobachtet und gegebenenfalls gelenkt werden. Am Tag des Umzugs sind Nostitz‑, Solms‑, Zossener und Mittenwalder Straße zwischen Gneisenau- und Baruther bzw. Fürbringerstraße auch für Fußgänger komplett gesperrt, Mehringdamm und Schleiermacherstraße funktionieren als Einbahnstraße (siehe Plan). Anwohner sollten deshalb unbedingt einen Ausweis oder ein ähnliches Dokument dabei haben, wenn sie vorhaben, vor Ende des Umzugs nach Hause zu kommen. In den genannten Straßen wird es auch ein flächendeckendes Parkverbot geben.

Quo vadis, Karnevalsbesucher? Am Pfingstsonntag sind zahlreiche Straßen komplett gesperrt, auch für Fußgänger. Grafik: KdK

Ob speziell die Straßensperrungen bei den unmittelbaren Anwohnern für eine höhere Akzeptanz sorgen, erscheint fraglich. Immerhin dürfte die Zahl der Wild- und Hauseingangspinkler in den gesperrten Straßen rückläufig sein. 

Die Fürbringerstraße fungiert als eine Art »Rückstaubereich« – für ortsfremde Besucher vermutlich verwirrend, da es von dort keinen Zugang zum Umzug und keinen direkten Rückweg zum Fest gibt. Von außerhalb des Festes kommt man nur via Baruther oder Schleiermachenstraße in die Fürbringerstraße.

Wer doch in diesen Bereich findet – oder nicht mehr heraus –, ist jedenfalls herzlich willkommen vor den Redaktionsräumen der Kiez und Kneipe (Fürbringerstraße 6), wo wie immer der Bierzelttisch aufgestellt ist und Caipirinha bereitsteht.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2019.