Der Rio-Platz war bunt, so viele Leute waren da

Umbenennung des Heinrichplatzes wird zum Fest für den Kiez

Viele Personen stehen vor einer Bühne auf dem Rio-Reiser-Platz, auf der »Ton Steine Scherben« spielen. Davor ein Transparent »Keine Macht für niemand«Keine Macht für Niemand: Rio-Reiser-Platz passend eingeweiht. Foto: psk

Für die Hardcore-Fans von »Ton Steine Scherben« wurde es ein richtig langes Wochenende. Freitag und Samstag tuckerte, wie jedes Jahr, der Scherben-Musikdampfer über Spree und Landwehrkanal und am Sonntag dann wurde der Heinrichplatz in Rio-Reiser-Platz umbenannt.

Im Vorfeld hatte das für reichlich Diskussionsstoff gesorgt, seit der damalige Fraktionsvorsitzende der Linken, Oliver Nöll, seine Idee in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht hatte.

Hauptkritikpunkt in der Debatte war, dass die BVV mit dieser Entscheidung ihren eigenen Beschluss von 2005 über Bord geworfen habe, Straßen und Plätze solange nur noch nach Frauen zu benennen, bis eine Parität bei den Namen erreicht sei. Die Befürworter des Rio-Reiser-Platzes verwiesen dagegen auf die Ausnahmeregelung, die der Beschluss schon damals vorgesehen hatte.

Geht man von den Gäs­ten aus, die zur Einweihung geströmt sind, scheint die BVV mit ihrer Entscheidung für Rio Reiser voll ins Schwarze getroffen zu haben. Grob geschätzt 5000 bis 6000 Menschen waren gekommen, um den Heinrichplatz zu verabschieden und den Rio-Reiser-Platz willkommen zu heißen.

Moderiert wurde die Veranstaltung von der Dragqueen Gloria Viagra, die aber zunächst den Rest-Scherben die Bühne für ein gut eineinhalbstündiges Konzert überließ. Die beglückten die Fans mit den hymnischen Songs der Hausbesetzerzeit wie »Macht kaputt, was euch kaputt macht« oder »Keine Macht für niemand«.

Mit »Sklavenhändler« gab es einen Song mit direktem Bezug auf den umbenannten Platz. In Sichtweite des Bethanien durfte natürlich auch der »Rauchhaussong« nicht fehlen.

Doch zu einer Einweihung gehören auch Reden. Den Auftakt machte Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann.

Schwerer Stand für Claudia Roth

Sie schlug eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart, als sie daran erinnerte, dass auch die Scherben mit Rio Reiser ihren Anteil daran hatten, dass es heute an diesem Platz eben keine Autobahn gebe, wie ursprünglich einmal ge­plant. Auch heute gehe es wieder darum, eine Autobahn zu verhindern. Sie meinte damit der A 100, deren nächste geplante Ausbaustufe durch Friedrichshain führen soll.

Wurde die Bezirksbürgermeisterin noch einigermaßen freundlich empfangen, hatte es ihre Parteifreundin, die Kulturstaatssekretärin Claudia Roth, deutlich schwerer. Die einstige Managerin von »Ton Steine Scherben« wurde mit Pfiffen und Buhrufen empfangen. Sichtlich angefasst wehrte sie sich gegen die Zwischenrufer mit einem energischen »Ich haue nicht ab«, was dann der größte Teil der Besucher mit heftigem Applaus quittierte. Fortan wurde sie nur noch durch lauten Beifall unterbrochen, etwa, als sie daran erinnerte, dass sich Rio Reiser als einer der ersten Sänger offen zu seiner Homosexualität bekannt hatte und dadurch zu einem Wegbereiter der LGBTQ+-Bewegung wurde.

»Für Rio war das Private auch immer politisch«, rief sie mit Blick auf jene, die dem späten Rio Reiser seine Songs vorwarfen, in denen seine Aussagen eher poetisch als politisch erschienen.

So fand die Einweihung am Ende doch ein versöhnliches Ende.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2022.

Poller, Kiezblocks, Umwidmungen

Kreuzberger Verkehrswende schreitet voran

Versenkbarer Poller auf der KörtestraßeThou shalt not pass: versenkbarer Poller in der Körtestraße. Foto: psk

Nicht nur im Zusammenhang mit den X-Hain-Terrassen ändert sich in Kreuzberg einiges für den bewegten und unbewegten Kraftfahrzeugverkehr. Seit Mitte Mai ist die Durchfahrt durch die Bergmannstraße für Autos und Lkw zumindest in der Theorie nur noch für Anlieger möglich. Es ist der erste Schritt der geplanten Umgestaltungsmaßnahmen in Bergmann- und Chamissokiez. Über kurz oder lang soll die Bergmannstraße zwischen Nostitzstraße und Marheinekeplatz komplett zur Fußgängerzone werden. Damit steht auch die derzeit noch offene beliebte Verbindung zwischen Columbiadamm und Gneisenaustraße durch Friesen- und Zossener Straße nicht mehr zur Verfügung.

Obwohl sich an der Situation in der Körtestraße seit letztem August eigentlich nichts geändert hat, war die kürzlich erfolgte Aufstellung eines versenkbaren Pollers ein kleines Politikum. Damals war die Fahrradstraße zwar mittig für den Autoverkehr gesperrt worden, doch immer wieder waren Schilder ignoriert und Absperrungen entfernt oder umfahren worden, so dass Bezirk und Senatsverwaltung jetzt zu drastischeren Maßnahmen greifen mussten.

Parallel dazu formieren sich in vielen Teilen Berlins Initiativen, die sogenannte Kiezblocks fordern: autofreie Areale, in denen das Straßenland als zusätzliche Fläche für nachbarschaftliche Begegnungen zur Verfügung steht. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) steht der Idee offenbar positiv gegenüber.

Umgestaltung der Oranienstraße geplant

Doch dass Friedrichshain-Kreuzberg als Innenstadtbezirk mit einem hohen Maß an Durchgangsverkehr zu kämpfen hat, ist auch ihr klar.

Der soll künftig allerdings aus möglichst vielen Straßen herausgehalten werden. Ende Mai stimmte die Bezirksverordnetenversammlung mehrheitlich für eine Verkehrsberuhigung im Viktoria- und Reichenbergerkiez. So soll etwa die Katzbachstraße zur Nebenstraße herabgestuft und für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. Damit würde sich die Zuständigkeit für die Straße vom Senat zum Bezirk verschieben.

Schließlich gibt es auch für die Oranienstraße zwischen Moritzplatz und Skalitzer Straße hehre Pläne, die allerdings erst ab 2023 umgesetzt werden sollen. Auf dem gesamten, etwa einen Kilometer langen Abschnitt soll die Fahrbahn verschmälert werden, so dass zusätzliche Streifen auf Bürgersteigniveau entstehen, die beispielsweise für Fahrradständer und Straßenlaternen genutzt werden sollen. Am kürzlich in Rio-Reiser-Platz umbenannten Heinrichplatz sollen die diagonalen Querstraßen aufgehoben werden und die jetzigen Parkbuchten für Autos  als zusätzliche Fläche für »Fahrradständer, Gastronomie und weitere Anlagen« genutzt werden, heißt es in einem anschaulichen Film der planenden Stattbau GmbH, der auf YouTube angesehen werden kann. Unter anderem sind dort auch Spielflächen für Kinder und Jugendliche ge­plant.

Ebenfalls zum Bürgersteig werden die Querverbindung zur Dresdener und die Rechtsabbiegerspur zur Skalitzer Straße.

Parkplätze entlang der Straße sind für den Abschnitt nicht geplant. Lediglich für den Lieferverkehr sollen eine Reihe von Ladezonen auf den neuen Seitenstreifen eingerichtet werden.

Erst in einem zweiten Schritt soll der Durchgangsverkehr eliminiert werden. Wie bei der Katzbachstraße ist dafür die Herausnahme aus dem Hauptstraßennetz erforderlich, die mit der Senatsverwaltung geklärt werden muss.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2021.