Museum der Dinge gekündigt

Entmietung in der Oranienstraße 25 schreitet voran

15.000 Exponate und 45.000 Dokumente brauchen voraussichtlich ab Juli einen neuen Ort. Foto: JF / Museum der Dringe

Am 27. Mai feiert das Werkbundarchiv sein 50-jähriges Bestehen – doch ob man bei dem Verein, der in der Oranienstraße 25 das Museum der Dinge betreibt, dann in Feierlaune sein wird, steht derzeit auf einem anderen Blatt. Denn Ende November kam die Kündigung für die Räumlichkeiten zum 30. Juni. Damit droht dem Museum der Verlust seiner Ausstellungsflächen sowie der Archiv- und Büroräume.

Verantwortlich für die Kündigung, bei der laut Verein noch nicht einmal die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Jahr eingehalten wurde, ist einmal mehr der Luxemburger Immobilienfonds Victoria Immo Properties V S.à r.­l. Der war bereits 2020 auffällig geworden, als er der im Erdgeschoss ansässigen Buchhandlung Kisch & Co. eine längerfristige Vertragsverlängerung verweigerte. Auch die neue Gesellschaft für bildende Kunst e.V. (nGbK) muss voraussichtlich im August ihre Räume im Haus aufgeben.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge widmet sich der alltäglichen Produktkultur des 20. und 21. Jahrhunderts und verfügt über eine Sammlung von derzeit rund 15.000 Exponaten, 45.000 Dokumenten und eine umfangreiche Bibliothek und versteht sich als Anlaufpunkt für alle Menschen, die sich kritisch mit der Gestaltung, der Produktion und dem Gebrauch von Produkten unserer Lebenswelt auseinandersetzen wollen.

»Durch die überraschende Kündigung sind die für die kommenden Jahre geplanten und zum Teil schon gestarteten Projekte – Ausstellungen, Veranstaltungen und Kooperationen – gefährdet«, teilt das Museum mit. Insbesondere aber sei es schwierig und kostspielig, innerhalb der Kündigungsfrist geeignete Flächen für das Archiv zu finden.

Museum der Dinge will geplante Veranstaltungen so lange wie möglich durchziehen

Die derzeitigen Flächen umfassen immerhin rund 1.000 Quadratmeter. Tatsächlich ist ohnehin ein Umzug in einen Pavillon auf der Karl-Marx-Allee ge­plant – allerdings erst in 2027. Dieses Zeit muss nun irgendwie überbrückt werden, wenn der Vermieter nicht einlenkt.

Schon bevor das Archiv 2007 in die Oranienstraße einzog, war es fünf Jahre lang gewissermaßen obdachlos, nachdem es die ständigen Ausstellungsräume im Martin-Gropius-Bau verloren hatte. Doch seitdem ist das Archiv zu einer Institution geworden, deren Partnerschaften ihren besonderen Charakter auch durch die Einbettung in den Kiez erhalten.

Trotz allem gibt man sich kämpferisch: »Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge wird so lange wie möglich die geplanten Ausstellungen und Veranstaltungen in der Oranienstraße realisieren, um für das Publikum, alle Ko­opera­tions­partner*innen, die Nachbar*innen und den Kiez da zu sein. Wir hoffen auf die Solidarität und die Unterstützung des Publikums«, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Neben den Herausforderungen, die die Kündigung für das Museum selbst bedeute, beklagt man vor allem den durch Entmietung verursachten, fortlaufenden Verlust gewachsener kultureller und sozialer Orte und Strukturen.

Die Entmietung der Buchhandlung Kisch & Co. hatte 2020 zu einer Reihe von Demonstrationen und Protestveranstaltungen geführt. Der Verlust der Räumlichkeiten konnte allerdings nicht verhindert, sondern nur verzögert werden. Quasi in letzter Minute hatte ausgerechnet die Deutsche-Wohnen-Tochter GSW der Traditionsbuchhandlung einen Mietvertrag für Räume in der Oranienstraße 32 angeboten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2023.

Kisch & Co kämpft gegen Verdrängung

Auch nGbK e.V. und Museum der Dinge sind mittelfristig bedroht

Kundgebung vor der Oranienstraße 25 in KreuzbergGut 150 Menschen demonstrierten Ende Juni für den Erhalt der Buchhandlung Kisch & Co. Foto: rsp

Gut 150 Menschen kamen Ende Juni zu einer Kundgebung vor der Oranienstraße 25 zusammen. Die dort seit 23 Jahren ansässige Buchhandlung Kisch & Co ist akut von Verdrängung bedroht. Nachdem Verhandlungen über eine Mietvertragsverlängerung mit dem neuen Hausbesitzer, einem anonymen luxemburger Immobilienfonds, gescheitert waren, steht der Buchladen seit Anfang Juni ohne Mietvertrag, aber dafür mit Räumungsaufforderung da.

Schon nach dem letzen Eigentümerwechsel hatten Buchhändler Thorsten Willenbrock und sein Kompagnon Frank Martens das Ende vor drei Jahren nur durch eine Mieterhöhung auf 20 Euro pro Quadratmeter abwenden können. Eine Verlängerung zu gleichen oder gar besseren Konditionen kam für den neuen Eigentümer offenbar nicht infrage. Dem ebenfalls im Haus ansässigen Architekturbüro kleyer.koblitz wurde jedenfalls eine Quadratmetermiete von 38 Euro angeboten.

Tatsächlich hatte man der Buchhandlung zwar eine leicht reduzierte Miete angeboten, verbunden aber mit dem definitiven Aus zum 31. Dezember – und einer Verschwiegenheitsklausel sowie der Verpflichtung, auf YouTube und gegenüber Politik und Presse Positives über das Entgegenkommen zu berichten – ein Ansinnen, das bei der Kundgebung für amüsiertes Kopfschütteln sorgte, als Willenbrock die Klausel verlas.

»Wir wollen uns nicht vertreiben lassen, wir wollen hierbleiben«, erklärte er unter Applaus und rief auch andere von Verdrängung akut bedrohte Gewerbemieter dazu auf, dem Beispiel der Buchhandlung nachzueifern.

Kommentar: Hauptsache nicht in aller Stille

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2020.