Die bitterbösen Guten

Die Rollen der Guten und der Bösen bei der Auseinandersetzung um das Flüchtlingscamp auf dem Ora­nien­platz sind im Prinzip ja klar verteilt. Wer für das Camp, die Abschaffung der Residenzplicht und das Recht auf Arbeit ist, gehört zu den Guten, und wer davon nichts wissen und räumen lassen will, entstammt dem Reich des Bösen.

Aber was ist mit den Guten, die humanitäre Lösungen ablehnen, weil dann das Ziel in Gefahr geraten könnte? Was ist mit jenen, die auf die Bilder von kranken und frierenden Flüchtlingen aus Lampedusa spekulieren? Was ist mit jenen, die es sogar ganz offen auf dem Oranienplatz aussprechen: »Es wär jetzt ganz gut, wenn einer von denen stirbt.« Wer in der politischen Auseinandersetzung hier mal locker das Märtyrertum einfordert, ist kein Unterstützer, sondern jemand der die Menschlichkeit im Grunde verachtet.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2013.

Edel sei das Wohnen oder bezahlbar und gut

Gentrifizierungsdabatte über 4 Hektar auf dem Dragonergelände

Es sind meist kleine Schrauber, die dort untergekommen sind, ein Autohaus, eine Taxischule. Es ist nun nicht gerade die Perle Kreuzbergs. Aber eine ganze Menge steht unter Denkmalschutz, denn geschraubt wird hier auf historischem Boden.

Mitte des 19. Jahrhunderts war hier die Kaserne des 1. Dragoner-Garderegiments erbaut worden, und der repräsentativste Teil, die Soldatenunterkünfte, sieht heute noch ganz schick aus. Allerdings wohnen dort keine Soldaten mehr, sondern schon seit 90 Jahren das Finanzamt Kreuzberg am heutigem Mehringdamm.

Ein Filetstück im Innenstadtbereich, das irgendwann bebaut werden soll.

Foto: pskEin Filetstück im Innenstadtbereich, das irgendwann bebaut werden soll. Foto: psk

Doch um den Hinterhof geht es. 4,2 Hektar in Innenstadtlage, mehr oder minder unbebaut – da läuft jedem Immobilienschaffenden doch das Wasser im Munde zusammen – und wer damit nichts zu tun hat, aber in der Yorck- oder Großbeerenstraße wohnt, fängt schon reflexartig an, mit dem Zähnen zu knirschen.

Die Frontlinien sind klar. Für die einen ist es ein Filetstück, mit dem sich mal so richtig Kohle machen lässt, die anderen sehen darin eine heißersehnte Platzreserve für bezahlbaren Wohnraum für die wachsende Zahl jener, die aus dem Kiez verdrängt werden.

Im November hat man sich erstmals getroffen: Anwohner, Investoren, Stadtplaner, Bezirk und Senat. Das ist Teil eines »Dialogischen Planungsverfahrens«. So nennt das die Urbanitas, jenes Unternehmen, das vom Bezirks und der ABR German Real Estate beauftragt wurde, für möglichst wenig Nebengeräusche zu sorgen. Tatsächlich verspricht die Urbanitas, dass es hier im einstigen Belle-Alliance-Quartier »keine Stuttgarter Zustände« geben soll.

Die Bedenken der Investoren sind verständlich. Viele Skeptiker sind nämlich sauer, dass weder der Bezirk, noch das Land Berlin in der Lage waren, das Gelände selbst zu erwerben, um es dann dem sozialen Wohnungsbau zuzuführen.

Doch was wären sozialverträgliche Mieten? Baustadtrat Hans Panhoff spricht von 5,50 Euro, aber die Zahl acht wurde ebenfalls genannt.

Nur etwa 70 Prozent des Geländes soll für die Wohnbebauung genutzt werden. Das können Eigentumswohnungen, genossenschaftliche Projekte oder privat errichtete Mietshäuser sein. 30 Prozent ist für Gewerbemieter vorgesehen.

So richtig hat das viele an diesem Abend allerdings noch nicht überzeugt. Doch was nicht ist, kann ja noch kommen. Jedenfalls sind für das dialogische Planungsverfahren noch mehr Treffen geplant.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2013.

Jugendeinrichtungen müssen bluten

Bezirk hat immer weniger Geld für die Jugendarbeit, aber mehr Aufgaben

Ob das Statthaus Böcklerpark, der Drehpunkt oder der Wasserturm in der Fidicinstraße – sie müssen mit weniger Geld vom Bezirk auskommen. Immerhin, da geht noch was. Anderswo, wie etwa beim Lichtblick, Solms-/ Ecke Fürbringerstraße fallen die Zuwendungen inzwischen ganz weg.

Das kann Monika Herrmann, die auch nach dem Wechsel auf den Chefsessel im Rathaus, die Geschicke des Jugendamtes lenkt, gar nicht gefallen. Allerdings kann sie auch nichts daran ändern, obwohl sie es gern täte. Ihren Ärger über den Senat, den sie für den Schuldigen an der Malaise hält, verbirgt sie nicht.

»86 Prozent unseres Jugendhaushaltes sind sogenanntes Zielbudget. Das muss 1:1 zweckgebunden ausgegeben werden. Nur 14 Prozent sind frei verfügbar«, erklärt sie. Allerdings – so frei nun auch wieder nicht. Beispielsweise wird aus diesen 14 Prozent das gesamte Personal des Jugendamtes bezahlt. Dann werden davon Kinder- und Jugend-Freizeiteinrichtungen finanziert, die Familienzentren und die Jugendsozialarbeit.

Doch was die Bürgermeisterin so richtig wütend macht, ist, dass aus dem inzwischen sehr schmal gewordenen Budget nun auch noch Sonderaktionen des Senats, die Förderprogramme, mitfinanziert werden müssen. »Unsere Gestaltungsmöglichkeiten werden immer weniger«, klagt die Bezirkspolitikerin.

Allerdings hegt Monika Herrmann auch einen bösen Verdacht. Und der reicht weit über die Jugendpolitik des Berliner Senats hinaus. Sie meint nämlich, dass da im Roten Rathaus in Wirklichkeit jemand an einem ganz anderen Rad dreht: »Für mich ist das ein Indiz dafür, dass die Bezirke über kurz oder lang abgeschafft werden sollen.«

Sie sieht auch noch andere Hinweise dafür, etwa, dass immer häufiger einzelne Bezirksämter bestimmte Aufgaben für alle anderen übernehmen sollen.

»Hier gibt es offenbar klare zentralistische Vorstellungen«, glaubt die Bürgermeisterin. Und die müssen Kinder und Jugendliche nun ausbaden.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2013.