Zu schön, um wahr zu sein

Sophie Hungers Musik ist wie eine Wunderkiste

In Vorbereitung auf diesen Text höre ich mich seit nun vier Stunden durch das Gesamtwerk der Künstlerin, Songwriterin, Sängerin, Musikerin sowie begabten Instrumentalistin Sophie Hunger. Zum ersten Mal wurde ich auf sie vor ein paar Jahren durch meine Schwester aufmerksam, als sie mir die beiden ersten Alben mit dem Kommentar »meine liebe, tolle Sophie« zukommen ließ.

Jetzt erfährt die gebürtige Bernerin einen neuen Aufwind. Ein neues Album hat sie herausgebracht, und es ist, wie schon jedes Album zuvor, wieder neu, anders und besonders. Doch gehen wir chronologisch vor.

Als Diplomatentochter aufgewachsen, lebte Sophie Hunger noch vor ihrem Abitur in Bern, Bonn, London und Zürich. Sie lernte Klavier, ihr Vater führte sie in die Welt von Jazz und Punkrock ein. Während ihrer Studienzeit hatte sie eine Band und sammelte Musikerfahrungen auf Bühnen und Jams. Als die Band sich dann 2007 auflöste, erschien Hungers erstes Solo­album und ein Jahr später ihr erstes Studioalbum »Monday’s Ghost«, mit dem sie sich butterweich und zart für 46 Wochen auf den ersten Platz der Schweizer Charts gesungen hat. Alle weiteren Alben waren, mal auf Englisch, mal auf Deutsch oder Französisch, auch in Deutschland und Österreich lange sehr weit vorn.

Hungers Musik, ihr bisheriges Gesamtwerk, erinnert mich jetzt, da ich alles auf einmal höre, an eine Werbung, die ich neulich vernahm. Ein Klamottengeschäft warb damit, dass man dort unkompliziert hochwertige Kleidung für jeden Anlass (und das mit fünf Jahren Garantie) erwerben könne. Das hat auch die liebe, tolle Sophie zu bieten. Manche Tracks scheinen perfekt, um mit der Familie vorm Kamin zu sitzen. Mit anderen begleitet man lieber den ausschweifenden Koch- und Wein­abend mit Freunden. Und auf ihrem neuesten Album »Molecules« zeigt sie, dass auch elektronische Klänge keine Hürde sind, was auch die weitreichende Begeisterung der Besucher ihrer Konzerte im SO36 und im Columbiatheater bestätigte. Hunger ist wie die Coole auf dem Schulhof: Jeder mag sie, jeder will mit ihr befreundet sein. Und auf eine Reise lässt sich ein jeder von ihrer wunderschönen Wohlfühlstimme mitnehmen.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2018.

Alleine am Südstern

Zuschauer sehen den sensationellen Alleingang des neuen Marathonweltrekordhalters

Kipchoge und der letzte Hase: Auf der Gneisenaustraße war der Olympiasieger schon ziemlich alleine. Foto: ksk

Es war einiges anders beim Berlin-Marathon 2018. Erdoğan-Besuch und Bayern-Gastspiel hatten schon für eine Vorverlegung gesorgt. Die Startzeiten hatten sich geändert, aber das eigentlich Sensationelle ereignete sich auf dem 42 Kilometer langen Rundkurs.

Zuschauer, die schon früh an der Strecke standen, um die Spitzenläufer anzufeuern, erlebten eine kolossale Überraschung. Es gab nicht mehrere Spitzenläufer zu bejubeln, sondern genau einen einzigen. Das hatte es in dieser Form noch nicht gegeben. Als der Kenianer Eliud Kipchoge schon fast am Südstern war, erreichten seine Verfolger gerade den Hermannplatz. Nur drei Tempomacher begleiteten ihn noch, von denen auf der Gnei­se­nau­straße zwei auch noch ausstiegen. 

In all den Jahren war es stets so gewesen, dass sich auf der langen Geraden zwischen Hermannplatz und Yorckstraße eine Spitzengruppe von vier bis fünf Läufern belauert hatte. Doch der 33-jährige Kenianer, der im Jahr zuvor beinahe an den Sohlen seiner Laufschuhe gescheitert wäre – und trotzdem gewann – ließ dieses  Jahr schon nach wenigen Kilometern keine Zweifel mehr aufkommen, wer hier der Sieger sein würde. 

In Kreuzbergs Süden, der etwa die Hälfte des Rennens markierte, war im Grunde alles entschieden. Dass es auch noch einen Weltrekord geben sollte, war mindestens zu erahnen. Doch mit seiner Fabelzeit von 2:01:39h schockte Kipchoge die Fachwelt. Inzwischen wird munter darüber spekuliert, wann Berlin erstmals einen Marathonläufer sehen wird, der die Strecke unter zwei Stunden meistert.

Keine Chance hatte auch die rbb-Marathonstaffel, die seit einigen Jahren versucht, schneller als der jeweilige Sieger zu sein. Das hatte zuletzt auch immer wieder geklappt. Doch dieses Mal scheiterte die Staffel nicht nur an dem Fabelweltrekord Kipchoges. Bei Kilometer 19 auf der Gneisenaustraße suchte der Staffelläufer vergebens nach seinem Partner, dem er den Staffelstab hätte übergeben können. Der hatte sich beim Warmmachen verlaufen und war nicht rechtzeitig in die Wechselzone gekommen. So musste der Läufer für den Abschnitt Kilometer 18 bis 19 auch noch den 20. Kilometer in Angriff nehmen. Damit waren die Chancen dahin.

Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Im Kiez begleiteten wieder Tausende von begeisterten Zuschauern bei strahlendem und windstillem Wetter diesen größten deutschen Sportwettbewerb. Fast 45.000 Läufer waren dieses Mal auf die Strecke gegangen, von denen 40.775 auch das Ziel erreichten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2018.