Das biografische Kreuzbergrätsel

Langeweile über Ostern? Beschäftigungsbedürftige Besserwisser im Bekanntenkreis? Dann haben wir was für Euch: unser biografisches Kreuzbergrätsel für Kiezkundige und solche, die es werden wollen. Alle Personen unseres Rätsels haben mehr oder weniger Kreuzberg in ihrer Biografie. Aber wer sind sie?

Google und Wikipedia sind natürlich erlaubt, und in den Kommentaren unter diesem Artikel und via Facebook beantworten wir Ja-Nein-Fragen.

Unter allen, die bis 30. April die richtigen Lösungen an info@kiezundkneipe.de schicken (Betreff »Kreuzbergrätsel«), verlosen wir eine Tasse aus unserem KuK-Shop. Der Rechtsweg ist natürlich ausgeschlossen.

Wappen Kreuzberg mit Fragezeichen drumherum1. Ein perfektionistischer Parodist

Er war ein waschechter Kreuzberger, hier geboren, aber schon früh an die Rummelsburger Bucht verschleppt. Schon in der Schule hatte er allerlei Dummheiten im Kopf, die ihn auf seinem späteren Lebensweg zwar immer wieder in Schwierigkeiten bringen sollten, letztlich aber auch zu seinem Erfolg beitrugen. So entwickelte er ein unglaubliches Talent dafür, seine Lehrer zu parodieren. Doch ehe er in seinem späteren Fach reüssierte, verdingte er sich erst einmal in der Hasenheide in der Werbebranche.

Er musste, wie viele seines Alters, in den Krieg ziehen, den er beinahe unbeschadet überstanden hätte. Kurz vor Kriegsende erlitt er jedoch einen Fußdurchschuss. Der Militärarzt wollte amputieren, doch es gelang dem jungen Mann durch einen Kartentrick, den Arzt davon abzuhalten. Nach dem Krieg verließ er Berlin und machte in einer anderen Branche Karriere, in der er für viele seiner nachfolgenden Kollegen Maßstäbe setzte. Er galt im Umgang als schwierig, weil er ein absoluter Perfektionist war. Ein auffälliges Kleidungsstück wurde zu seinem herausragenden Markenzeichen. So gut er auch in seinem Fach war, so schlecht war er als Geschäftsmann. Als er plötzlich mit 80.000 D-Mark beim Finanzamt in der Kreide stand, fürchtete er den Ruin. Aber auch aus dieser Krise arbeitete er sich wieder zäh heraus. Im übrigen machte er auch einen Postboten berühmt, der ihm das ein Leben lang dankte. (psk)

2. Geküsst von der leichten Muse

So richtig bekannt wurde die gebürtige Kreuzbergerin, die auch den Großteil ihres Lebens hier verbrachte, erst im hohen Alter, nach dem Tod ihres Mannes. Ihren Traumjob hatte sie da schon jahrzehntelang nicht mehr ausgeübt, auch weil ihr Mann das nicht wollte. Gegen den Job hatte zuvor schon schon ihr Vater Vorbehalte gehabt, wohl schon wegen seines eigenen Berufs und weil der Tätigkeit eine gewisse Anrüchigkeit nicht abzusprechen war.

Doch der väterliche Versuch, ihre berufliche Zukunft in andere Bahnen zu lenken, scheiterte – auch weil sie dabei die Bekanntschaft mit einer anderen jungen Frau machte, die später weltweite Berühmtheit erlangen sollte. Am Ende konnte sie sich doch gegen den Vater durchsetzen und ergatterte eine Stelle in einem inzwischen traditionsreichen Etablissement.

Über große Teile ihres langen Lebens ist außer einer zwölfjährigen Arbeit im größtenteils sitzenden Gewerbe wenig bekannt. Doch dann war es wieder eine Zufallsbekanntschaft, die sie zurück ins Rampenlicht brachte. Und als weitere 14 Jahre später jene Institution, in der sie als junge Frau gegen den väterlichen Widerstand ihre Berufung gefunden hatte, nach langer Pause neu eröffnete, war sie natürlich als Ehrengast dabei, gewissermaßen als letzte ihrer Art.

Anders als nach mehreren ihrer berühmten Weggefährten sind bislang keine Straßen oder Plätze nach ihr benannt. Aber das kann sich ja vielleicht noch ändern. (rsp)

3. Ein streitbarer Reformer

Schon sein Vater eckte an und musste einen anderen Beruf ergreifen, als er eigentlich vorhatte. Für den wiederum zeigte der Gesuchte keinerlei Begabung und strebte eine akademische Ausbildung an, die ihn vielleicht das erste Mal in Kontakt mit linken Gedanken brachte.

Nach seinem Studium ließ er sich nieder in einer Stadt, die in dieser Form heute nicht mehr existiert, und setzte sich dort für die Rechte von Menschen ein, die es aus ökonomischen oder politischen Gründen schwer hatten. Auch seine politische Karriere, die von den Querelen jener Zeit gekennzeichnet war, nahm dort ihren Anfang.

Schnell erreichte er überregionale Bekanntheit, doch einen Ruf nach Berlin lehnte er zunächst ab.

Es folgte eine Zeit des Umbruchs, in der er zwar nicht die Seiten, aber die Stoßrichtung seines Engagements wechselte.

Wie er dann schließlich, 15 Jahre später, doch noch nach Berlin und schließlich nach Kreuzberg kam, ist nicht so ganz klar, sein gewaltsamer Abgang zwölf Jahre später ist dafür umso besser dokumentiert.

Ein paar Jahre noch blieb er, doch dann verließ er Berlin für immer, kämpfte aber weiter für seine Überzeugung. Weitere 12 Jahre später verstarb er am Mittelmeer.

In Kreuzberg wird an mehreren Orten an ihn erinnert. Einer davon befindet sich in unmittelbarer Nähe zu seiner damaligen Wirkungsstätte, auch wenn es dort baulich inzwischen etwas anders aussieht. (rsp)

4. Sarg mit Fenstern

Sie wollte auf Nummer sicher gehen und verfügte, dass ihr Leichnam zunächst mal nicht bestattet wurde. Sie hätte ja auch scheintot sein können, und deshalb sollte ihr Doppelsarg auch mit Fenstern ausgestattet werden. 20 Jahre wollte sie im Kolumbarium des Dreifaltigkeitsfriedhofs aufgebahrt werden, ehe sie unter die Erde gebracht würde. Es wurden am Ende 36, ehe sie mit ihrem Mann dann doch noch die letzte Ruhe auf dem Friedhof am Halleschen Tor fand.

So ungewöhnlich die Umstände ihrer Beisetzung waren, so ungewöhnlich war sie auch zu ihren Lebzeiten. So war sie für ihre Zeit eine ungewöhnlich gebildete Frau, die vier Sprachen sprach. Illuster war der Kreis, den sie um sich versammelte: Dichter, Philosophen, Naturwissenschaftler und sogar gekrönte Häupter. Erstaunlich ist, dass all diese Gäste samt und sonders damals recht unbekannt waren, aber in späteren Jahren zu wahren Popstars in ihren Fächern werden sollten.

Ihre erste Liebe endete unglücklich, eine weitere im Streit, und ein paar Liebschaften später heiratete sie einen Mann, der um die Kleinigkeit von 14 Jahren jünger war als sie. Auch das war für die damalige Zeit ausgesprochen ungewöhnlich. Aber die Heirat machte sie zu eine Frau von Adel. Nicht, dass das für sie von größerem Interesse gewesen wäre, aber aufgrund der Zeitläufte brachte der Titel, vor allem für ihren jungen Mann, einen gewissen Schutz.

Sie starb 25 Jahre vor ihrem Mann. Doch der wurde gleich in die Erde des Dreifaltigkeitsfriedhofes versenkt. Erst neun Jahre später wurde sie neben ihm bestattet. (psk)

5. Mit Drumsticks und Häkelnadel

Wenige Jahre vor dem Mauerfall verschlug es die studierte Lehrerin aus der westeuropäischen Provinz der Liebe wegen nach West-Berlin. Dort verdingte sie sich zunächst bei einer Tageszeitung als Layouterin, trieb sich in der Hausbesetzerszene herum und gründete eine Band mit, in der sie nicht nur mit dem charakteristischen Akzent sang, den sie bis zu ihrem Lebensende nicht ablegte, sondern auch das Schlagzeug spielte. Einige Jahre später gründete sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dessen Künstlernamen vorne an ein süddeutsches Backwerk erinnert, eine weitere Formation, die in eingeweihten Kreisen eine gewisse internationale Bekanntheit erlangte.

Doch nicht nur mit ihren Drumsticks schuf sie avantgardistische Popkultur, sondern auch mit der Häkelnadel. Unerwartete Aufmerksamkeit der hauptstädtischen Boulevardpresse erregte ein von ihr gefertigtes textiles Kunstwerk, das im Bethanien als Teil einer Ausstellung zu sehen war. Dort gleich um die Ecke, am Oranienplatz, hatte sie jahrzehntelang ihren Lebensmittelpunkt, musizierte jenseits aber auch in der Tradition aller Konventionen des 20. Jahrhunderts, schrieb Bücher und produzierte Hörspiele.

In den letzten Jahren vor ihrem recht plötzlichen Tod moderierte sie eine regelmäßige Radiosendung, in der sie konsequent nur Vinylplatten auflegte und mit ihrem profunden Wissen »nicht nur über Autos, Sex, Tiere, Frauen, Männer und Tanzen« kommentierte, wie eine Radiokollegin in einem Nachruf sehr treffend subsummierte. (cs)

6. Ein Mann mit Hut

Geboren wurde der Gesuchte auf der Reise. Aufgewachsen ist er in einer Berliner Laubenkolonie. Vielleicht hatte ja bereits da seine spätere Affinität zu Keramikfiguren ihren Ursprung – insbesondere zu denen mit Mütze. Eine nicht ganz unauffällige Kopfbedeckung hat er selbst stets gerne getragen, sie wurde für ihn zu einer Art Markenzeichen.

Dreimal eingezogen zum Kriegsdienst wurde er jedes Mal teils schwer verwundet. Die körperlichen und seelischen Verletzungen prägten ihn sein Leben lang. Dennoch verlor er nicht den Lebensmut und den positiven Blick auf die Dinge, auch nicht auf die auf den ersten Blick weniger schönen. Wenn er sich seiner Motive annahm, wurden sie schön, oder zumindest authentisch, berührend und wichtig.

Die akademische Ausbildung zu der Profession, mit der er in seiner zweiten Lebenshälfte dann doch seinen Lebensunterhalt verdienen konnte, führte er nicht zu Ende. Der Vorwurf eines seiner Lehrer, er verstehe nicht, mit Farben umzugehen, traf ihn tief. Er verdingte sich fortan als Händler von Tieren, Bieren und Dingen, die andere nicht mehr haben wollten. Wurde zu einem Nabel einer Welt von Gleichgesinnten, die Kunst im Alltag schufen.

Er starb an einem Ostersonntag. Begraben liegt er hier in Kreuzberg, unweit seiner früheren gastronomischen Wirkungsstätte in einem von ihm selbst gestaltenen Familiengrab. (cs)

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2021.

Cartoon zum Anziehen

Kiez und Kneipe verlost Punk-T-Shirts

Seit fast zwei Jahren – genauer gesagt seit 22 Monaten – erscheinen regelmäßig die Erlebnisse des 50-jährigen Punks in der Kiez und Kneipe. Sein Schöpfer Bert Henning, Inhaber des Comic­ladens »Grober Unfug« und selbst in ähnlichen Altersregionen unterwegs, nimmt dieses Fast-schon-Jubiläum zum Anlass, sich bei seinen Lesern zu bedanken, und spendet einen Stapel T-Shirts mit nebenstehendem Motiv für die treuesten Fans des 50-jährigen Punks. Wer uns bis Ende September eine Postkarte schickt, auf der der Satz »Ich brauche unbedingt ein T-Shirt vom 50-jährigen Punk, weil…« vervollständigt ist, hat gute Chancen, eines von jeweils fünf Frauen- bzw. Männer-T-Shirts zu gewinnen. Alternativ nehmen wir Eure Antworten auch unter punk@kiezundkneipe.de
entgegen. Dabei sollte auch die Angabe der eigenen Adresse und der gewünschten T-Shirt-Größe nicht fehlen. Die kreativsten Antworten werden dann im Oktober in der KuK veröffentlich. Wie es sich für ein anständiges Preisausschreiben gehört, ist der Rechtsweg natürlich ausgeschlossen. Die Anschrift für Einsendungen lautet:

Kiez und Kneipe
Fürbringerstr. 6
10961 Berlin

Einsendeschluss ist der 28.9.2011!

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2011.