Gebrauchte Geisteswissenschaften

Im Antiquariat Minx in der Bergmannstraße gibt es noch einige Buchschätze zu heben

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Antiquar Rainer Minx zwischen vollen Regalen und Bananenkisten voller alter Bücher.Antiquar Rainer Minx zwischen vollen Regalen und Bananenkisten voller alter Bücher. Foto: rsp

Rund 25.000 Bücher dürften es sein, die in den Räumen des Antiquariats an der Ecke Bergmannstraße/Schenkendorfstraße auf neue Leser warten. Ganz so genau kann Rainer Minx, der das Geschäft seit 23 Jahren zusammen mit Mitinhaber Wilhelm Fetting betreibt, es nicht sagen; die Rechengröße des Antiquars ist die Bananenkiste – und von denen gibt es auf den rund 80 Quadratmetern etliche zwischen den vollen Regalen. Weitere Bestände finden sich in Minx’ Zweitladen ein paar Meter die Schenkendorfstraße hinauf sowie in einem weiteren Antiquariat in der Bücherstadt Wünsdorf in Brandenburg.

Auch wenn – auch und gerade unter den bei gutem Wetter vorm Laden aufgestellten Büchern – einige belletristische Titel und sogar Musik-CDs dabei sind, liegt der Fokus des Geschäfts doch eindeutig bei den Geisteswissenschaften: Theater und Kultur, Philosophie und Psychologie, Theologie, Judaica und eine ganze Menge Bücher, die sich mit Marxismus beschäftigen.

Das ist heutzutage, das sagt auch Rainer Minx, nicht gerade das, was sich besonders gut verkauft. Richtige Sammler gäbe es kaum noch, und jüngere Menschen würden gar nicht erst auf die Idee kommen, sich eine eigene Bibliothek aufzubauen.

Und doch gibt es immer wieder Menschen, die in dem Laden auf Entdeckungsreise gehen und den einen oder anderen Schatz heben – und damit den zynischen Fatalismus des passionierten Buchhändlers Lügen strafen. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert!

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2023.

Spezialist für Mord und Totschlag

Das Hammett berät seit 27 Jahren Freunde der Kriminalliteratur

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Buchhändler Christian Koch vor einer Regalwand der Buchhandlung HammettKrimileser und -Händler aus Leidenschaft. Christian Koch im Hammett. Foto: rsp

Es gibt in ganz Deutschland nur eine Handvoll spezialisierter Krimibuchhandlungen – eine davon ist das Hammett in der Friesenstraße 27, benannt nach dem amerikanischen Krimi-Schriftsteller Dashiell Hammett. Der kleine Laden nahe des Marheinekeplatzes blickt bereits auf eine 27-jährige Geschichte zurück und ist inzwischen zu einer festen Institution geworden, sowohl im Kiez als auch darüber hinaus. Rund 2700 deutsche und um die 700 englische Bücher aus dem Kriminalgenre finden auf den etwa 35 Quadratmetern Platz, dazu kommt eine eigene Abteilung mit gebrauchten Exemplaren, darunter auch seltenere und bereits vergriffene Titel.

Etliche Regalmeter sind Berlin-Krimis gewidmet, und auch his­torische und politische Kriminalliteratur findet sich im Angebot. Außer True Crime, Hörbüchern und Spielen ist alles dabei, was das Herz des Krimifans höher schlagen lässt.

Das Entscheidende dürfte aber weniger die Zahl der vorrätigen Titel sein – alles andere, übrigens auch aus anderen Genres, kann kurzfristig bestellt werden – sondern die Expertise des dreiköpfigen Teams um Inhaber Christian Koch, der bereits seit 1998 Kundinnen und Kunden in Sachen Spannungslektüre berät.

Apropos Kundinnen: Tatsächlich schätzt Christian Koch das Geschlechterverhältnis auf 50:50. Und noch ein Tipp: auf hammett-­krimis.de pflegt das Team die mittlerweile drittgrößte Krimiwebseite Deutschlands mit rund 39.000 verzeichneten Titeln.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2022.

Kiezbuchhandlung mit Couch

Persönliche Beratung spielt eine wichtige Rolle in der Buchhandlung LeseGlück

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In unserer neuen Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Buchhändlerinnen im (Lese)Glück: Susan Pfannstiel und Stefanie Mousa. Foto: rsp

Ziemlich genau 15 Jahre ist es her, dass Eleni Efthimiou und Susan Pfannstiel die Buchhandlung LeseGlück eröffnet haben, zunächst noch auf der anderen Straßenseite, inzwischen in der Ohlauer Straße 37. Auf rund 60 Quadratmetern findet sich dort eine bunte Auswahl von deutschen und internationalen Romanen, Kinderbüchern, Sachbüchern zu gesellschaftspolitischen und Berlin-Themen, Kochbüchern und Postkarten.

Mit geschätzt 80 Prozent Stammkundschaft ist das LeseGlück eine echte Kiezbuchhandlung, bei der die persönliche Beratung eine wichtige Rolle spielt. Die dürfte den vier Buchhändlerinnen, die inzwischen im LeseGlück arbeiten, relativ leicht fallen, sind doch alle Bücher im Laden selbst ausgewählt.

Beraten werden aber nicht nur Privatpersonen, sondern auch Kitas und Schulen aus der Nachbarschaft. Buchhändlerin Eleni Efthimiou ist außerdem regelmäßig in der Radio-Eins-Sendung »Literaturagenten« mit Lesetipps zu hören. Beliebt bei Fortgezogenen und als Geschenk ist auch das »GlücksAbo«: Dann kommt einmal im Monat ein handverlesenes Buch per Post, orientiert natürlich an den persönlichen Vorlieben.

Aber eigentlich will man dann ja doch lieber vor Ort sein: Zu einer der regelmäßigen Sig­nier­stun­den auf der gemütlichen Couch im Laden, mit einem leckeren Kaffee und einem guten Buch am Tischchen vor der Tür oder zu einer Lesung im benachbarten Theater Expedition Metropolis, mit dem das LeseGlück seit Jahren kooperiert.

→ LeseGlück im Web

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2022.

Kisch & Co kämpft gegen Verdrängung

Auch nGbK e.V. und Museum der Dinge sind mittelfristig bedroht

Kundgebung vor der Oranienstraße 25 in KreuzbergGut 150 Menschen demonstrierten Ende Juni für den Erhalt der Buchhandlung Kisch & Co. Foto: rsp

Gut 150 Menschen kamen Ende Juni zu einer Kundgebung vor der Oranienstraße 25 zusammen. Die dort seit 23 Jahren ansässige Buchhandlung Kisch & Co ist akut von Verdrängung bedroht. Nachdem Verhandlungen über eine Mietvertragsverlängerung mit dem neuen Hausbesitzer, einem anonymen luxemburger Immobilienfonds, gescheitert waren, steht der Buchladen seit Anfang Juni ohne Mietvertrag, aber dafür mit Räumungsaufforderung da.

Schon nach dem letzen Eigentümerwechsel hatten Buchhändler Thorsten Willenbrock und sein Kompagnon Frank Martens das Ende vor drei Jahren nur durch eine Mieterhöhung auf 20 Euro pro Quadratmeter abwenden können. Eine Verlängerung zu gleichen oder gar besseren Konditionen kam für den neuen Eigentümer offenbar nicht infrage. Dem ebenfalls im Haus ansässigen Architekturbüro kleyer.koblitz wurde jedenfalls eine Quadratmetermiete von 38 Euro angeboten.

Tatsächlich hatte man der Buchhandlung zwar eine leicht reduzierte Miete angeboten, verbunden aber mit dem definitiven Aus zum 31. Dezember – und einer Verschwiegenheitsklausel sowie der Verpflichtung, auf YouTube und gegenüber Politik und Presse Positives über das Entgegenkommen zu berichten – ein Ansinnen, das bei der Kundgebung für amüsiertes Kopfschütteln sorgte, als Willenbrock die Klausel verlas.

»Wir wollen uns nicht vertreiben lassen, wir wollen hierbleiben«, erklärte er unter Applaus und rief auch andere von Verdrängung akut bedrohte Gewerbemieter dazu auf, dem Beispiel der Buchhandlung nachzueifern.

Kommentar: Hauptsache nicht in aller Stille

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2020.

Vom Bauarbeiter zum Buchhändler

Robert S. Plaul sprach mit »Hammett«-Inhaber Christian Koch

Hammett-Inhaber Christian KochChristian Koch. Foto: rsp

Die Buchhandlung Hammett in der Kreuzberger Friesenstraße kann man guten Gewissens als Institution in Sachen Kriminalliteratur bezeichnen. Seit bald einem Vierteljahrhundert versorgt das nach dem Schriftsteller Dashiell Hammett benannte Geschäft nicht nur Kiezbewohner mit Lesestoff. Dass das trotz aller Widrigkeiten, mit denen der Buchhandel im Allgemeinen und das Hammett im Besonderen in den letzten Jahren und Monaten zu kämpfen hatte, schon so lange so gut klappt, liegt vor allem an einer Person: Inhaber Christian Koch.

Dabei war Christian Kochs Weg vom Krimileser zum Krimibuchhändler keineswegs vorgezeichnet. Nach dem Abitur, das er machte, »weil es alle gemacht haben«, und 20 Monaten Zivildienst schlug sich der gebürtige Hannoveraner eher etwas ziellos durchs Leben. »Ich habe zum Beispiel mal ein halbes Jahr auf einem Segelschiff gelebt«, erzählt er, »in Südfrankreich.«

Fünf Jahre arbeitete er in seiner alten Heimat auf dem Bau, bis er 1998 schließlich der Liebe wegen nach Berlin zog. Auch in Berlin kam er zunächst mit handwerklichen Tätigkeiten über die Runden, doch das Verhältnis zu seinem neuen Chef war nicht das beste und Christian dachte darüber nach, sich selbstständig zu machen.

Genau in jener Zeit, im Sommer 1998, hörte er zufällig von einer Buchhandlung in Kreuzberg, die nur Krimis verkaufte – und, wie sich herausstellte, von einer alten Schulfreundin betrieben wurde. Und Claudia, die das Hammett 1995 gegründet hatte, suchte gerade eine Aushilfe. So wurde Christian Koch, der schon immer gerne Krimis gelesen hatte, aber nie auf die Idee gekommen wäre, im Buchhandel zu arbeiten, gewissermaßen vom Hilfsarbeiter zum Hilfsbuchhändler.

Doch dem Hammett ging es schlecht und seine alte Bekannte und neue Chefin wollte den Laden nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus privaten Gründen verkaufen.

Die beiden festen Mitarbeiter des Hammett hatten kein Interesse, das Geschäft zu übernehmen. Sie glaubten nicht an eine Zukunft der Krimibuchhandlung. Quereinsteiger Christian sah das anders. Er war davon überzeugt, dass man den Laden zum Laufen kriegen könnte, auch wenn es sicher nicht leicht werden würde. Er sollte recht behalten – und zwar mit beidem.

Bald lernte er, worauf es im Buchhandel und speziell beim Hammett ankommt: Die Leute wollen beraten werden, zumindest die meisten, und zwar ehrlich. »Am Anfang habe ich geglaubt, ich müsste jedes Buch gelesen haben«, sagt er, »aber das geht natürlich gar nicht.« Wenn man dann so tut als ob, kann das schnell peinlich werden, weiß er aus eigener Erfahrung. Lieber ist ihm da das offene Gespräch mit seinen Kunden, bei dem auch er, nach über 20 Jahren ein wandelndes Krimilexikon, immer wieder Neues dazulernt.

Die Kunden wissen seine offene Art zu schätzen. Als das Hammett kürzlich per Newsletter von seiner aktuellen wirtschaftlichen Schieflage berichtete, unter anderem eine Folge der 16-monatigen Baustelle direkt vorm Laden, schwappte ihm eine Welle der Solidarität entgegen. »Viele haben gesagt: Ach, dann mache ich meine Weihnachtseinkäufe dieses Jahr bei euch«, sagt er. Und auch ein anonymer Brief mit einer Banknote lag eines Tages im Briefkasten – ziemlich passend für einen Krimibuchhändler, findet Christian.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2020.