Görlitzer Park kommt nicht zur Ruhe

Neue Taskforce soll die Situation verbessern

Mit der Gründung einer Taskforce reagiert nun die Politik auf die sich offenbar verschärfende Drogensituation im Gör­lit­zer Park. Pikant ist die Zusammensetzung des Gremiums. Mit Innensenator Frank Henkel, seinem Staatssekretär Bernd Krömer und Justiz­se­na­tor Thomas Heilmann sitzen drei CDU-Leute, die für Law-and-Order stehen, zwei Vertretern der Grünen, Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Bezirksstadtrat Hans Panhoff, gegenüber. Beide stehen naturgemäß für eine liberalere Drogenpolitik.

Der Görlitzer Park gilt schon lange als Umschlagplatz für meistens weiche Drogen. Doch seit geraumer Zeit ist die Zahl der Dealer enorm gewachsen. Zudem klagen vor allem Anwohner, dass das Auftreten der Rauschgiftverkäufer inzwischen auch ziemlich forsch geworden ist.

In wie weit das richtig oder eher eine subjektive Wahrnehmung ist, ist nur schwer zu überprüfen. Dass die Zahl der Dealer enorm gewachsen ist, lässt sich hingegen belegen. Auch ein Zusammenhang mit den Asylsuchenden in der nahegelegenen Gerhard-Hauptmann-Schule ist schlecht wegzudiskutieren.

So ergeben sich zwei Linien, wie dem Problem beizukommen sei. Der Innensenator sähe am liebsten eine Null-Toleranz-Politik mit hoher Polizeipräsenz in und um den Park. Und ihm geht der Umgang mit den Flüchtlingen in Kreuzberg entschieden zu weit.

Monika Herrmann dagegen hofft, mit einem legalen Coffeeshop den Dealern die Grundlage zu entziehen. Sie setzt mehr auf Dialog und glaubt, dass eine weniger restriktive Flüchtlingspolitik ohne Residenzpflicht und Arbeitsverbot hilfreich wäre.

Einig sind sich die beiden unterschiedlichen Lager in der Taskforce jedoch in einem: Die jetzige Situation im Gör­litzer Park ist so nicht mehr tragbar und den eigentlichen Nutzern des Parks auch so nicht mehr zuzumuten.

Mit den Anwohnern will die Grünen-Fraktion in der BVV im Januar ins Gespräch kommen.

Grünflächenamt vergrämt die Dealer

Bei einer Veranstaltung – so sie zustande kommt – sollen die Mitglieder der Taskforce ihre Vorstellungen kundtun.

Bis dahin ist die Taskforce allerdings auch schon tätig geworden. Zum Teil mit überraschenden Erfolgen. So hat Baustadtrat Hans Panhoff, das Grünflächenamt losgeschickt, um das Unterholz einmal so richtig auszuforsten – das Unterholz, in dem die Dealer auch schon mal gerne ihren Stoff deponieren.

Tatsächlich fanden die Mitarbeiter des Grünflächenamtes nicht nur weiche Drogen in Form irgendwelcher Cannabisprodukte, sondern auch richtig hartes Zeug wie Crystal Meth und Kokain.

Der Hohlweg am Spreewaldbad, den Panhoff einen »richtigen Angstraum« nennt, soll zugeschüttet werden. Durch solche und ähnliche Maßnahmen soll den Dealern die Lust am Dealen genommen werden.

Innensenator Frank Henkel setzt da auf eine andere Strategie. Er will die Grenze für den in der Regel nicht verfolgten Besitz von Cannabis-Produkten für den Eigenbedarf von 10 bis 15 Gramm auf sechs Gramm herabsetzen – und zwar nur für den Park und seine Umgebung.

Die Polizei sieht den Ruf nach größerer Präsenz mit sehr gemischten Gefühlen, denn personell arbeiten die Ordnungshüter am Park sowieso bereits am Anschlag. Noch mehr Präsenz ist angesichts der Personalsituation nur schwer darstellbar. Zudem gerät die Polizei auch immer wieder mit Anwohnern des Görlitzer Parks aneinander. Viele fühlen sich zwar durch die Dealer bedroht, doch die Festnahme eines Dealers wird andererseits auch gerne als unangemessene Polizeigewalt interpretiert.

Inwieweit die Maßnahmen wirklich greifen und welche Konzepte am Ende möglicherweise zum Erfolg führen, wird so schnell nicht festzustellen sein. In der kalten Jahreszeit und den kurzen Tagen, wenn Bäume und Büsche entlaubt sind, sind auch nicht nur weniger Parkbesucher, sondern auch weniger Dealer unterwegs.

Doch das Problem könnte sich im nächsten jahr auch ohne Tatort von selbst lösen. Die Polizei beobachtet, dass viele Dealer den Park verlassen, um andernorts zu dealen. Im Görli gibt es zuviele Kollegen. Das ruiniert die Preise.

Kommentar: Bringt das wirklich was?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2014.

Götz Müller will keinen Coffeeshop

Der BVV-Fraktionsvorsitzende der CDU stellt sich im »Galander« der Diskussion

Götz Müller beim Redaktionsgespräch im »Galander«.

Foto: csGötz Müller beim Redaktionsgespräch im »Galander«. Foto: cs

»Politik für die Menschen« will er machen, das sagt er ganz am Anfang, und tatsächlich ist ein gutes Dutzend Besucher ins »Galander« gekommen, um sich anzuhören, wie die Politik von Götz Müller aussehen könnte. Seit 2006 ist der gebürtige Wiesbadener für die CDU in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, jetzt will er das Direktmandat erkämpfen – und rechnet sich dafür durchaus Chancen aus.

In der »B.Z.« outete sich Müller kürzlich als Gegner des Flüchtlingscamps am Oranienplatz. Flüchtlinge, sagt er, sähe er kaum noch am Oranienplatz, sondern vielmehr »Linksradikale«, die die Flüchtlinge für »eigene Zwecke« missbrauchten. Überhaupt handele es sich bei dem Gelände um eine öffentliche Grün- und Erholungsanlage, und schon deshalb sei das Camp nicht länger zu tolerieren.

Auch die politischen Forderungen der Flüchtlinge teilt er nicht. Die Residenzpflicht diene unter anderem dazu, zu verhindern, dass alle Flüchtlinge in die Großstädte strömen. Eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber lehnt er ab, da er befürchtet, dass damit ein neuer Niedriglohnsektor eröffnet würde. Außerdem könne ein potentieller Arbeitgeber mit Flüchtlingen nicht planen, da im Schnitt neun von zehn Asylanträgen abgelehnt werden würden.

Eine andere »Grünfläche«, die derzeit die Gemüter in Kreuzberg erhitzt, ist der Görlitzer Park, in dem teilweise ganz offen Drogen gehandelt werden. Den Vorschlag von Bezirksbürgermeisterin Herrmann, einen Coffeeshop einzurichten, um die Problematik zu entschärfen, hält er für ein Grünes Wahlkampfmanöver. Für einen Coffeeshop sieht er nicht nur keine Rechtsgrundlage, sondern befürchtet auch, dass Dealer dann auf den Verkauf von harten Drogen umsteigen. Stattdessen erhofft er sich von einer Verstärkung der Polizeipräsenz eine allmähliche Verdrängung der Dealer.

In fast allen Parteien – auch in der CDU – gibt es Arbeitskreise, die sich mit dem Konzept »Bedingungsloses Grundeinkommens« (BGE) beschäftigen. Als Anhänger des Satzes »Leistung muss sich lohnen« glaubt Müller, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die aus Leidenschaft arbeiten. Damit würde es bald an Mitteln fehlen, ein BGE auszuzahlen. Und auch ein flächendeckender Mindestlohn, so Müller, »ist entweder wirkungslos oder vernichtet Arbeitsplätze.«

Gegen steigende Mieten hat Müller ein einfaches Rezept: Wohnungsneubau, gerne auch am Rande des Tempelhofer Feldes. Außerdem setzt er auf staatliche Förderprogramme, die es Mietern ermöglichen sollen, die von ihnen bewohnte Wohnung zu kaufen.

Mit seinen teils recht exklusiven Ansichten stößt Müller nicht auf ungeteilte Zustimmung, und so entwickelt sich in der anschließenden Fragerunde eine kontroverse Diskussion um Asyl- und Bildungspolitik.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Helmut Metzner glaubt nicht an Gentrifizierung

Westerwelles Ex-Büroleiter verteidigt die FDP-Positionen in der Cantina Orange

Helmut Metzner lässt sich vom Blick des KuK-Redakteurs Robert S. Plaul und den kritischen Nachfragen des Publikums nicht beirren.

Foto: csHelmut Metzner lässt sich vom Blick des KuK-Redakteurs Robert S. Plaul und den kritischen Nachfragen des Publikums nicht beirren. Foto: cs

Friedrichshain-Kreuzberg ist ja nun nicht gerade als Hochburg der FDP bekannt. Und so bekundet Direktkandidat Helmut Metzner, er »kandidiere aus Solidarität mit der Idee der Freiheit, damit die Liberalen hier im Bezirk auch einen Ansprechpartner haben.« Immerhin hat er als Vierter auf der Landesliste zumindest bei einem sehr guten Abschneiden seiner Partei in Berlin die Chance auf einen Nachrückerposten.

Der 45-jährige Franke ist studierter Historiker und arbeitet derzeit als selbständiger Politikberater. Zuvor war er einige Monate als Büroleiter von Außenminister Guido Westerwelle tätig gewesen, musste dann aber nach der Wikileaks-Affäre seinen Hut nehmen.

Vor diesem Hintergrund liegt es natürlich nahe, dass die KuK-Redakteure Robert S. Plaul und Peter S. Kaspar im Redaktionsgespräch in der Cantina Orange auch auf das Thema NSA und Edward Snowden zu sprechen kommen. Metzner hätte sich einerseits gewünscht, dass Snowden seine Erkenntnisse vor einem amerikanischen Gericht dargelegt hätte, anstatt sich nach Russland abzusetzen, und hält andererseits dringend Vereinbarungen auf internationaler Ebene gegen die massenhafte anlasslose Datensammlung für nötig.

Kontrovers diskutiert werden Metzners Ansichten zum Thema Mieten und Verdrängung. Den Begriff Gentrifizierung lehnt er ab. Zwar seien die Mieten tatsächlich »in speziellen Kiezen sehr angestiegen«, aber die Herangehensweise, hier mit Verboten von Mieterhöhungen und Luxussanierungen hält er für falsch. Dass immer noch rund 10% der Berliner jedes Jahr umziehen, ist für ihn ein Zeichen dafür, dass es wohl noch genügend freie Wohnungen geben müsse, das sei zum Beispiel in München ganz anders. Er fordert, dass mehr Geld für Wohnungsneubau in die Hand genommen werde, allerdings nicht von staatlicher Seite aus, sondern von privaten Investoren, und dass dabei zugunsten von Wohnraum kein »Recht auf freie Aussicht« das Schließen von Baulücken verhindern dürfe. In speziellen Härtefällen könne ein kommunales Wohngeld, das zum Beispiel durch Einnahmen durch die Grundsteuer finanziert werden könnte, Abhilfe schaffen.

In anderen Fragen sind Metzners Ansichten deutlich kiezkompatibler. So hält er die Residenzpflicht für Asylbewerber für überholt und sieht auch keinen triftigen Grund, warum man Flüchtlingen das Arbeiten verbieten solle.

Das Thema Drogenhandel im Görlitzer Park könne sich von selbst erledigen, wenn der Verkauf von Cannabis ebenso wie der von Tabak staalich geregelt wäre. Davon abgesehen könnten Steuereinnahmen erzielt werden, und die personellen Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden könnten stattdessen für die Verfolgung »echter Krimineller« genutzt werden.

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Cansel Kiziltepe möchte Stammwähler zurückgewinnen

Die Direktkandidatin der SPD zu Besuch im Gasthaus Valentin

Cansel Kiziltepe im Gespräch mit Peter S. Kaspar und Manuela Albicker.

Foto: rspCansel Kiziltepe im Gespräch mit Peter S. Kaspar und Manuela Albicker. Foto: rsp

Eine echte Eingeborene tritt in Kreuzberg für die Sozialdemokraten an. Cansel Kiziltepe ist im Wrangelkiez geboren und aufgewachsen. »Kiezkind« steht dann auch auf ihrem T-Shirt und den Buttons, die sie zum Redaktionsgespräch mit Peter S. Kaspar und Manuela Albicker von der KuK ins Gasthaus Valentin mitgebracht hat.

Die 37-Jährige hat an der TU Volkswirtschaft studiert. Nach mehreren Jahren als Büroleiterin und Referentin des Bundestagsabgeordneten Ottmar Schreiner arbeitet sie jetzt für den VW-Konzern. Die Entscheidung für ihr Studienfach hat sie damals sehr bewusst getroffen. Teilhabe, Gerechtigkeit und die Verteilung zwischen Arm und Reich waren wichtige Themen im Kreuzberg der 80er Jahre. »Ich kann mit voller Überzeugung die Politik, die ich fordere auch ökonomisch untermauern«, sagt sie.

Sozialpolitik ist ihr Schwerpunktthema, und so nimmt es nicht wunder, dass das Redaktionsgespräch schnell beim Thema Mietenexplosion, daraus entstehender Verdrängung und möglichen Lösungsansätzen ankommt. Kiziltepe ist einerseits von Anfang an bei der Initiative »Kotti&Co« dabei, und ist andererseits von Beginn an Mitglied bei der Genossenschaft Möckernkiez. Damit steht sie für zwei verschiedene aber sich ihrer Aussage nach nicht widersprechende Ansätze, dem Problem der stetig steigenden Mieten entgegenzutreten. »Der Staat muss sozialen Wohnungsbau machen, aber auch Genossenschaften können einen Beitrag dazu leisten, das Mietniveau stabil zu halten«, ist ihre Überzeugung.

Die Forderungen der Flüchtlinge am Oranienplatz teilt sie in allen Punkten, aber eine Patentlösung für die Campingproblematik – gerade auch im Hinblick auf den bevorstehenden Winter – hat sie auch nicht parat. Auch für die Sorgen der Anwohner des Görlitzer Parks hat sie Verständnis und erinnert sich daran, als Jugendliche ohne Angst durch den dunklen Tunnel unter dem Görli gegangen zu sein. Da müsse man eine Lösung schaffen. Die Coffeeshop-Idee der Grünen hält sie für eine gute Idee.

Auf der Landesliste ist Kiziltepe für den fünften Platz nominiert. Ob das für den Einzug in den Bundestag reicht, liegt einerseits am Zweitstimmenergebnis und andererseits daran, wie viele Direktmandate die SPD in Berlin erreichen kann. »Ich könnte auch mit 40.000 Erststimmen Ströbele schlagen«, grinst sie verschmitzt. Sie hofft, mit ihren anderen Themen, die die Menschen im Kiez konkret berühren, Wählerstimmen für die SPD zurückzugewinnen. »Mein Nachname bedeutet ,roter Berg‘ – und Kreuzberg wird wieder rot«, lacht sie.

Und in welchen Ausschüssen würde sie im Bundestag arbeiten wollen? »Natürlich im Finanzausschuss – weil da auch die Gelder verteilt werden. Und dann kommen sie schön in den sozialen Bereich.«

Hier kann die Veranstaltung noch einmal nachgehört werden:

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2013.

Ein Muntermacher zeigt Mut

FDP-Kandidat Helmut Metzner stellt sich in der Cantina Orange unbequemen Fragen

Ausnahmsweise ohne Fliege: FDP-Kandidat Helmut Metzner beim KuK-Redaktionsgespräch.

Foto: csAusnahmsweise ohne Fliege: FDP-Kandidat Helmut Metzner beim KuK-Redaktionsgespräch. Foto: cs

Dass es die FDP in Kreuzberg und Friedrichshain schwer hat, bestritt der liberale Kandidat Helmut Metzner nicht einmal. Er war am Dienstagabend zum Redaktionsgespräch mit der Kiez und Kneipe gekommen, um dort seine Haltung und die seiner Partei zu erklären. In vielen Feldern ist sie nicht gerade kiezkompatibel. So glaubt er zum Beispiel, dass das Gespenst der Gentrifizierung aus den Baukasten von „grünen und roten Weltuntergangspropheten“ stammt. So nennt er die SPD und Grünen-Kollegen in seinem Blog „Muntermacher“. Der Versuch, das Lieblingsproblem im Kiez einfach wegzudiskutieren, bringt ihm in Kreuzberg wenig Freunde und noch weniger Wähler. In der Cantina Orange dürften kaum neue dazu gekommen sein. Metzner setzt, wie seine Partei, in Sachen Wohnungsproblematik voll auf den Markt. Wenn sich Wohnumfeld und Mieterstruktur verändern, dann ist das halt so.

Bei anderen Dingen hingegen passen seine Vorstellungen sehr gut zum Kreuzberger Mainstream. Ein Coffee-Shop am Görli? Warum nicht? Und was das Flüchtlingscamp am O-Platz anlangt: Natürlich müsse das Problem schnell gelöst werden. Und es wäre einfach zu lösen, wenn die Residenzpflicht abgeschafft und die Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge eingeführt würden.

Doch das half ihm letztendlich wenig. In der anschließenden, sehr munteren Diskussion war es natürlich seine Haltung zu Gentrifizierung, die die meisten Besucher engagiert kommentierten und hinterfragten.

Heute geht es weiter mit Halina Wawzyniak, um 19 Uhr im DODO in der Großbeerenstraße.

Hier der komplette Mitschnitt des Gesprächs mit Helmut Metzner: