Ausschweifungen mit Knochen

Die italienische Band »Esquelito« haut einen vom Stuhl

Wie lernt man eigentlich neue Musik kennen? Mal ganz von der wunderbaren Mundpropaganda abgesehen, ging es hier früher wohl sehr in die Richtung Plattenläden. Heute dreht sich ja bekanntlich alles um Musik-Streamingdienste. Dass man allerdings Musiker und Musikerinnen kennen lernt, die einem dann ihre Musik zeigen, die dann vielleicht auch noch gefällt, passiert ja schon eher selten.

Aber es passiert: Im letzten Monat war einer meiner Mitbewohner verreist und wir haben sein Zimmer an Kreuzberg-Besucher und -Besucherinnen untervermietet. Unter ihnen war ein junges Künstlerpaar aus Italien. Sie, Ilaria, ist Autorin in Rom und war hier, weil ihr Buch »Tu dir weh« jetzt auf Deutsch erscheint. Er, Dino, ist eigentlich Friseur, aber nur weil man laut eigener Aussage in Italien niemals Geld mit Musik verdienen wird. Denn, und der aufmerksame Leser ahnt nun sicherlich, wohin das geht, er macht Musik. Und zwar richtig gute.

So saßen wir eines Morgens zusammen und haben uns durch seinen YouTube-Kanal gehört und geschaut. Klar, dachte ich, ein bisschen Musiker sind wir doch alle, und habe mich noch mit Schlafsand in den Augen auf ein paar verkruschelte Proberaumaufnahmen à la Gitarre/Schlagzeug/Stimme/Bass eingestellt. Um dann voller Begeisterung fast vom Stuhl zu fallen. Dino macht auch alleine Musik, aber sein Herz gehört seiner Band Esquelito – Skelett.

Auf Italienisch und Englisch singen sie über Gott und die Welt, aber mit einem umwerfenden Sound, irgendwo zwischen Franz Ferdinand, Black Keys und John Frusciante. Auf ihrer Bandcamp-Seite (esquelito.bandcamp.com) beschreiben sie sich allerdings als Samba-Punk-Band. Auch ein paar sehr ordentlich produzierte Musikvideos findet man online: Herrlich selbstironisch geht es dabei einmal um Skelette, um mexikanische Skelette und, na ja, weitere Ausschweifungen rund ums Thema Knochen. Davon aber nicht abschrecken lassen – die Musik macht richtig Spaß. Hören, kaufen, weiterverbreiten.
Den nächsten Berlin-Besuch, da bin ich mir verdammt sicher, machen die beiden dann wegen eines Bandauftritts.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2018.

Fußball für Millionen

Nach Kaufkraft und Umfeld seien die neuen Tarife für die Fußballkneipen gestaffelt. Bei aller Gentrifizierung, aber dann müsste Kreuzberg inzwischen auf dem Niveau von Grunewald angekommen sein. Blödsinn. Hinter der Preispolitik des Münchner Bezahlsenders steckt doch etwas anderes. Seit Jahren gelingt es ihm nicht, sich in deutschen Wohnzimmern festzusetzen. Was in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien geklappt hat, sollte doch auch in Deutschland funktionieren. Dass es hier nicht funktioniert, liegt daran, dass sich in Deutschland eine Kultur des Public Viewing entwickelt hat, wie es sie in anderen Ländern nicht gibt. Genau dieses Public Viewing bedroht das Pay-TV langfristig. Nur über Fußball kann Sky seine anderen Programminhalte unters Volk bringen. Das steckt hinter der Preispolitik.

In den USA bedeutet Public Viewing übrigens die öffentliche Aufbahrung eines Toten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2013.