Klein, aber oho

Beratung steht bei der Buchhandlung Ludwig Wilde an erster Stelle

Was wäre die Welt ohne Bücher? Sicherlich ein ganzes Stück langweiliger und dümmer. In dieser Reihe stellen wir Orte vor, an denen es Literatur zum Anfassen und Erleben gibt: Ob Belletristik, Sachbuch, Kochbuch, Lyrikband oder Fachbuch – Kreuzberger Buchhandlungen haben für jeden die passende Horizont­erweiterung im Angebot.

Raumfüllendes volles Bücherregal, davor ein mit Bücher überquellender Verkaufstresen, lächelnd daneben Buchhändler Harald KirchnerBuchhändler Harald Kirchner findet für jeden das passende Buch – und hat es vermutlich auf Lager. Foto: rsp

Ewig zwischen Regalen und Büchertischen umherzuschweifen klappt in der Buchhandlung Ludwig Wilde schon deshalb nicht, weil der eigentliche Verkaufsraum kaum mehr als 20 Quadratmeter misst und nur zum kleineren Teil dem Publikumsverkehr dient. Aber das ist auch gar nicht nötig, denn Buchhändler Harald Kirchner und seine beiden Mitarbeiterinnen kennen ihre Stammkundschaft sehr gut und oft seit Jahren und finden auch für alle anderen schnell das passende Buch. Neben Belletristik und Kinderbuch gehört auch eine Auswahl an politischer und feministischer Literatur zum Sortiment, dazu kommen Krimis und – in kleinen Mengen – Comics. Außerdem werden etliche Schulen regelmäßig mit Schulbüchern beliefert.

Die kleine Buchhandlung in der Körtestraße 24 blickt auf eine über hundertjährige Geschichte zurück, was auch den immensen Lagerbestand erklären dürfte, in dem sich für jeden literarischen Geschmack etwas findet: Einige Zehntausend Titel werden es wohl sein, die fast jede waagerechte Fläche der Räumlichkeiten einnehmen, sowohl vor als auch hinter den Kulissen. »Nur das Genie beherrscht das Chaos«, könnte man meinen, doch die Wahrheit ist viel banaler: Alle Titel sind mit ihrem Standort in der Warenwirtschaft gespeichert. Sie alle zu erfassen, war aber wohl ebenso anstrengend wie der Umzug aus der Fichtestraße damals im Jahr 1995, an den sich Kirchner noch lebhaft erinnert: »Ich gebe Ihnen einen Tipp: Ziehen Sie nie mit einer Buchhandlung um.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2023.

Poller, Kiezblocks, Umwidmungen

Kreuzberger Verkehrswende schreitet voran

Versenkbarer Poller auf der KörtestraßeThou shalt not pass: versenkbarer Poller in der Körtestraße. Foto: psk

Nicht nur im Zusammenhang mit den X-Hain-Terrassen ändert sich in Kreuzberg einiges für den bewegten und unbewegten Kraftfahrzeugverkehr. Seit Mitte Mai ist die Durchfahrt durch die Bergmannstraße für Autos und Lkw zumindest in der Theorie nur noch für Anlieger möglich. Es ist der erste Schritt der geplanten Umgestaltungsmaßnahmen in Bergmann- und Chamissokiez. Über kurz oder lang soll die Bergmannstraße zwischen Nostitzstraße und Marheinekeplatz komplett zur Fußgängerzone werden. Damit steht auch die derzeit noch offene beliebte Verbindung zwischen Columbiadamm und Gneisenaustraße durch Friesen- und Zossener Straße nicht mehr zur Verfügung.

Obwohl sich an der Situation in der Körtestraße seit letztem August eigentlich nichts geändert hat, war die kürzlich erfolgte Aufstellung eines versenkbaren Pollers ein kleines Politikum. Damals war die Fahrradstraße zwar mittig für den Autoverkehr gesperrt worden, doch immer wieder waren Schilder ignoriert und Absperrungen entfernt oder umfahren worden, so dass Bezirk und Senatsverwaltung jetzt zu drastischeren Maßnahmen greifen mussten.

Parallel dazu formieren sich in vielen Teilen Berlins Initiativen, die sogenannte Kiezblocks fordern: autofreie Areale, in denen das Straßenland als zusätzliche Fläche für nachbarschaftliche Begegnungen zur Verfügung steht. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) steht der Idee offenbar positiv gegenüber.

Umgestaltung der Oranienstraße geplant

Doch dass Friedrichshain-Kreuzberg als Innenstadtbezirk mit einem hohen Maß an Durchgangsverkehr zu kämpfen hat, ist auch ihr klar.

Der soll künftig allerdings aus möglichst vielen Straßen herausgehalten werden. Ende Mai stimmte die Bezirksverordnetenversammlung mehrheitlich für eine Verkehrsberuhigung im Viktoria- und Reichenbergerkiez. So soll etwa die Katzbachstraße zur Nebenstraße herabgestuft und für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. Damit würde sich die Zuständigkeit für die Straße vom Senat zum Bezirk verschieben.

Schließlich gibt es auch für die Oranienstraße zwischen Moritzplatz und Skalitzer Straße hehre Pläne, die allerdings erst ab 2023 umgesetzt werden sollen. Auf dem gesamten, etwa einen Kilometer langen Abschnitt soll die Fahrbahn verschmälert werden, so dass zusätzliche Streifen auf Bürgersteigniveau entstehen, die beispielsweise für Fahrradständer und Straßenlaternen genutzt werden sollen. Am kürzlich in Rio-Reiser-Platz umbenannten Heinrichplatz sollen die diagonalen Querstraßen aufgehoben werden und die jetzigen Parkbuchten für Autos  als zusätzliche Fläche für »Fahrradständer, Gastronomie und weitere Anlagen« genutzt werden, heißt es in einem anschaulichen Film der planenden Stattbau GmbH, der auf YouTube angesehen werden kann. Unter anderem sind dort auch Spielflächen für Kinder und Jugendliche ge­plant.

Ebenfalls zum Bürgersteig werden die Querverbindung zur Dresdener und die Rechtsabbiegerspur zur Skalitzer Straße.

Parkplätze entlang der Straße sind für den Abschnitt nicht geplant. Lediglich für den Lieferverkehr sollen eine Reihe von Ladezonen auf den neuen Seitenstreifen eingerichtet werden.

Erst in einem zweiten Schritt soll der Durchgangsverkehr eliminiert werden. Wie bei der Katzbachstraße ist dafür die Herausnahme aus dem Hauptstraßennetz erforderlich, die mit der Senatsverwaltung geklärt werden muss.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2021.

Wildwest in der Körtestraße

Der Kampf um die Fahrradstraße

Absperrung in der KörtestraßeDurchfahrt verboten? Viele Autofahrer interessiert das einfach nicht. Foto: psk

Das Bild im Newsletter des Tagesspiegels entbehrte nicht einer gewissen Dramatik. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann stellte sich mitten in der Nacht in der Körtestraße einem BMW in den Weg. Tatsächlich muss es an jenem Abend zu dramatischen Situationen gekommen sein, als das Bezirksamt auf sehr unkonventionelle Art und Weise das neue Durchfahrtsverbot durch die Körtestraße durchsetzen wollte. Es hatte schon den Hauch eines Showdowns im Wilden Westen.

Zur Vorgeschichte gehört, dass die Körtestraße bis vor kurzem eine der wichtigen Querspangen zwischen den Hauptmagistralen Urban- und Gneisenaustraße war. Doch seit sie zur Fahrradstraße umgewidmet wurde, ist der Autoverkehr eigentlich nur noch für Anlieger gestattet. Doch Schilder alleine, so eine bittere Erkenntnis, machen noch keine Fahrradstraße. Bis zum 15. August hoffte der Bezirk noch auf die Einsicht der Autofahrer. Eine Beinahekatastrophe änderte alles. Gegen 20 Uhr raste damals ein weißer Audi R8 durch die Körtestraße Richtung Urbanstraße. Die Einmündung von der Körte- in die Fichtestraße wurde dem Raser zum Verhängnis und um ein Haar auch einer mehrköpfigen Familie, die beinahe von dem Sportwagen erfasst worden wäre. Dafür nietete das Auto »nur« zwei Verkehrsschilder um. Der 22-jährige Fahrer war ohne Führerschein und auf der Flucht vor der Polizei.

Trotzdem war der Unfall der Anlass für das Bezirksamt, in der Körtestraße auf ganz andere Art und Weise Gas zu geben. So sollen Autofahrer in Zukunft nicht nur mit Schildern ausgebremst werden. Eine breite Barriere bestehend aus Blumenkübeln, Absperrbaken und Schildern auf Höhe der Freiligrathstraße soll den Autofahrern die Lust an der Durchfahrt nehmen. Doch die Fahrer zeigen sich widerspenstig.

Bauliche Veränderungen bewegen bislang wenig

Selbst die baulichen Veränderungen haben kaum etwas an der Situation geändert. Schließlich schritt Monika Herrmann höchstpersönlich zur Aufhaltemission. Gemeinsam mit Felix Weisbrich vom Straßen- und Grünflächenamt versuchte sie, die Autofahrer über die neue Situation aufzuklären. Statt Einsicht ernteten die beiden häufig »Hass, Drohungen und Ignoranz«, wie ein Augenzeuge auf Twitter berichtete.

Auch die KuK hat sich wenige Tage später die Situation angesehen, allerdings bei Tag. Das Ergebnis ist ganz ähnlich: Manchmal umfuhren fünf Wagen hintereinander die Sperre in sportlichem Schlenker, um sich am Südstern in die Schlange an der roten Ampel einzureihen. Anlieger? Definitiv nein. Beim Versuch, die Verkehrssituation zu fotografieren, tritt ein Fahrer beherzt aufs Gaspedal. Die obszöne Geste bleibt an diesem Tag kein Alleinstellungsmerkmal.

Auch die neuen Markierungen auf der Straße machen jetzt jedem Autofahrer deutlich, dass er sich auf einer Fahrradstraße befindet und damit als Verkehrsteilnehmer nachrangig ist. Manche Radler nutzen das und fahren bewusst nebeneinander. Sie bilden sozusagen ein rollendes Verkehrshindernis. Doch möglicherweise braucht es noch mehr als das.

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2020.

Der Verkehr und der Heilige Vater

Benedikt XVI. macht den Südstern zum Nadelöhr

Ein Bett für den Papst gibt es in der Nuntiatur. Für die Anwohner im Umkreis eines halben Kilometers dagegen jede Menge Stress. Foto: rsp

[Aktualisierte Fassung!]

50.000 Katholiken gibt es in Berlin, von denen sich wohl die meisten auf den Besuch von Papst Benedikt XIV. zwischen dem 22. und 23. September freuen werden. Soweit sie jedoch rund um den Südstern leben, wird ihre Freunde möglicherweise auf eine harte Geduldsprobe gestellt werden.

Der Grund ist recht einfach. Während seines Besuchs wohnt das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates nicht etwa in einer Nobelherberge, sondern in der eigenen Botschaft, der Nuntiatur, die in der Lilienthalstraße liegt, direkt neben der Johannes-Basilika, der Papstkirche in Berlin.

Es fängt bereits am 20. September mit den Einschränkungen an, also zwei Tage vor dem Eintreffen des Pontifex mit weiträumigen Sperrungen um den Südstern. Zwischen 6 und 18 Uhr wird es dort laut Polizeipräsidium zu Verkehrsbeinträchtigungen kommen.

Am 22. landet der Papst um 10:30 Uhr auf dem Flughafen Tegel. Derweil sind die Straßen rund um den Südstern bereits geräumt. Ab sechs Uhr dürfen keine Fahrzeuge, nicht einmal mehr Motorräder, Roller, Mofas oder Fahrräder auf den betroffenen Straßen stehen.

Von Tegel aus geht es aber nicht etwa in die Nuntiatur, sondern gleich ins Schloss Bellevue, wo Bundespräsident Christian Wulff das Oberhaupt der Katholiken empfängt.

Ob sich der Heilige Vater danach schnell in der Nuntiatur frisch machen wird, ehe er im Bundestag um 16:45 Uhr zu den Volksvertretern sprechen wird, ist nicht ganz klar, aber wenn dem so ist, dann wird der Verkehr um den Südstern erst einmal ruhen.

Vom Reichstag geht es dann ins Olympiastadion, wo die so lange umstrittene Messe jetzt doch stattfindet. Ursprünglich war sie vor dem Schloss Charlottenburg geplant.

Danach wird es am Südstern wieder eng, wenn sich Benedikt zur Nachtruhe begibt.

Um welche Straßen handelt es sich nun eigentlich? Sperrungen und Halteverbote gibt es auf der Hasenheide vom Haus 63 (Berliner Mieterverein) bis Südstern und auf der Nordseite von Hasenheide 58 bis Körtestraße. Schlimmer trifft es hingegen die Gneisenaustraße, die bis zur Baerwaldstraße betroffen ist, gleiches gilt für die Blücherstraße. Auch Lilienthal-, Zülichauer und Golßener Straße (bis Jüterboger Straße) sind davon betroffen. Anwohner müssen sich in den abgesperrten Bereichen mit ihrem Personalausweis identifizieren.

Der Trost bleibt, dass der ganze Spuk am nächsten Tag vorbei ist. Um 12 Uhr sollen die Sperrungen wieder aufgehoben werden. Allerdings weiß niemand, wie sich die Übernachtung des Papstes in der Nacht von Donnerstag auf Freitag auf die angrenzende Gastronomie auswirken wird. Die hat wenigstens einen Trost: Am Samstag beginnt dann schon das Berlin-Marathon-Wochenende – und da gibt es bestimmt wieder viel zu tun.

Bereits am Dienstag wurden in der Lilienthalstraße die Kanal- und Gullideckel versiegelt. Foto: rsp

Update: Anscheinend werden die Einschränkungen nicht so stark sein, wie anfangs befürchtet. Auf Rückfrage teilte der für die Maßnahmen rund um die Nuntiatur zuständige Polizeiabschnitt 55 mit, dass nur der Bereich unmittelbar um die vatikanische Botschaft von den Sperrungen betroffen ist. Zwar gilt in den angrenzenden Straßen ein umfassendes Halteverbot – auch für Mopeds und Fahrräder – doch kommt es nur während der An- und Abreise des Papstes tatsächlich zu Sperrungen für den Durchgangsverkehr. Auch der U-Bahnhof Südstern ist entgegen einer Meldung des Tagesspiegels laut BVG ganz normal geöffnet. Allerdings werden die dazugehörigen Bushaltestellen zwischen Donnerstagmorgen und Freitagmittag nicht angefahren. Wegen der derzeitigen Bauarbeiten auf der U7 wirkt sich das dann aber nicht erst auf den Nachtverkehr (N7), sondern bereits auf den ab ca. 22 Uhr verkehrenden Schienenersatzverkehr aus.

Aufatmen können auch die in der Gneisenaustraße ansässigen Gastronomen und Ladenbesitzer: Laut Polizei steht einer Öffnung nichts entgegen. Lediglich in der Lilienthalstraße ist der Zutritt ausschließlich für Anwohner mit Personalausweis möglich. Ein Ausweisdokument mit sich zu führen, dürfte sich aber grundsätzlich für alle Besucher der Gegend empfehlen. (rsp)

Erschienen in der gedruckten KuK vom September 2011.

Fußball satt in fast allen Kneipen

Zur WM in Südafrika gibt es diesmal kaum fußballfreie Zonen

Fußballmuffel werden es in den nächsten Wochen schwer haben – schwerer vielleicht noch als vor vier Jahren, als ganz Deutschland im Sommermärchenfieber taumelte. Einige mutige Wirte hatten damals versucht, gegen den Trend zu fahren und fußballfreie Zonen anzubieten. Im »Valentin« in der Körtestraße hielt der Vorsatz genau bis zum Viertelfinale, »Mrs. Lovell« in der Gneisenau versuchte tapfer durchzuhalten.

»Natürlich zeigen wir Fußball. Fußballfreie Zone machen wir nicht mehr«, erklärt Yana vom »Mrs. Lovell«. Die Erfahrungen bei der WM in Deutschland waren einfach zu bestürzend. In dem englischen Pub gibt es bei dieser Fußballweltmeisterschaft in Südafrika zumindest die Deutschlandspiele auf Großbildleinwand.

Auch Joachim Mühle vom »Valentin« ist dieses Mal vom ersten Spiel an mit von der Partie. Allerdings nun am neuen Standort in der Hasenheide.

Groß rüstete die »Cantina Orange« in der Mittenwalder Straße auf. Fußball gibt es dort gleich auf drei Leinwänden. Auf einer gibt es sogar Out-Door-Public-Viewing. Wenn in der letzten Vorrunde Spiele parallel laufen, können auch zwei Spiele gleichzeitig übertragen werden. Außerdem gibt auch es wieder ein großes Tippspiel.

Das hat auch im »Too Dark« in der Fürbringerstraße eine gewisse Tradition, ebenso wie der riesige Spielplan, der dann an der Wand prangen soll.

An die Tradition des ehemaligen Baghira knüpft der Nachfolger »Martinique« in der Monumentenstraße an. Da gibt‘s Fußball satt auf drei Leinwänden.

Zu den Profis in Sachen Fußball-Public-Viewing gehört das »Brauhaus Südstern« an der Hasenheide. Dagegen gibt es in den »Sieben Stufen« in der Großbeerenstraße eine echte Fußballpremiere. Auch das »Bierkombinat« in der Manteuffelstraße will zum ersten Mal Fußball präsentieren.

Public-Viewing soll es auch im Bürgerbüro der Bundestagsabgeordeneten der Linken, Halina Wawzyniak geben, die selbst begeisterte Fußballerin ist. Dort gibt es nicht nur die Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Fans des Teams von Nordkorea kommen am Mehringplatz auch auf ihre Kosten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2010.