Straßenbahn soll durch den Görli fahren

Senat veröffentlicht Details zur geplanten Verlängerung der Tramlinie M10

Geplanter Streckenverlauf der M10. Karte: K5 Geoportal Berlin / SenMVKU

Anfang Juni hat die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) Details zur geplanten Verlängerung der Tramlinie M10 veröffentlicht. Die soll, wie berichtet, von der Warschauer Straße aus über die Oberbaumbrücke durch Wrangel-, Reichenberger und Reuterkiez bis zum Hermannplatz führen – angeblich bereits ab 2030.

Bereits 2021 war die »planerisch zu bevorzugende Trassenvariante« festgelegt worden, die sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, dass sie bis hin zur Sonnenallee einer geraden Linie folgt – und damit auch quer durch den Görlitzer Park führt.

Daran hat sich auch mit den jetzt veröffentlichten Details nichts geändert. Im Rahmen eines nur 14-tägigen Online-Beteiligungsverfahrens auf der Plattform mein.berlin.de wurden lediglich für den Abschnitt Falckensteinstraße zwei verschiedene Varianten zur Diskussion gestellt: In der einen Variante liegen die Schienen mittig auf der Straße, in der anderen auf der westlichen Seite, während auf der gegenüberliegenden Seite ein Zweirichtungsradweg errichtet werden würde.

Letztere Anordnung entspräche auch im Groben der Planung für den Görlitzer Park, Radfahrer müssten also nicht die Schienen kreuzen, wenn sie der Strecke weiter nach Süden folgen. Unangenehmer wird die Situation für Fußgänger, die beim Kreuzen der Falckensteinstraße gleich zweimal mit Verkehr aus zwei Richtungen konfrontiert werden. Beiden Varianten ist gemein, dass Kfz-Verkehr nur noch als Lieferverkehr in Richtung Wrangelstraße erlaubt sein soll.

Mit zusammen über 100 Beiträgen und Kommentaren sind die Falckensteinstraßenvarianten auch der am heißesten diskutierte Abschnitt der Tramstrecke im Online-Beteiligungsverfahren. Tatsächlich darf sich die M10 durchaus vieler Fürsprecher erfreuen.

Beteiligungsverfahren offenbart geteiltes Meinungsbild zur Görli-Route

Viele halten die Falckensteinstraße jedoch für zu schmal, um zusätzlich zur Tramstrecke genug Platz für andere Nutzer zu bieten. Tatsächlich dürfte es einerseits im Norden im Bereich der U1-Unterführung und andererseits an der geplanten Haltestelle »Gör­litzer Park« eng werden.

Die Haltestelle soll nämlich außerhalb des Parks liegen, der von der M10 ohne Halt durchfahren werden soll. Und auch dort wird es eng, insbesondere zwischen Kinderbauernhof und Sportplatz, weswegen letzterer einen schmalen Streifen seiner Fläche einbüßen soll.

Dementsprechend umstritten ist die Streckenführung durch den Park. So spricht sich der Park­rat des Görli eindeutig gegen die Tram-Route aus: »Straßenbahntrassen würden diese für den Kiez wichtige und vor allem auch knappe Grünfläche nicht nur durchschneiden, sondern auch bleibend verändern«, heißt es in einer Stellungnahme. »Hinzu kommt, dass der Aufenthalts- und Erholungswert des Parkes massiv beeinträchtigt und somit die Gründe seiner Gründung wieder in Frage gestellt würden.«

Auch das Bündnis Stadtnatur befürchtet Umwelt-, artenschutzrechtliche und Nutzungskonflikte. Da die (inklusive Radweg) 16 Meter breite Trasse durch einen sehr grünen Streifen des Parks führe, sei diese Trassenführung nur realisierbar durch Fällung zahlreicher Bestandsbäume sowie Rodung von Hecken und Gebüschinseln. Als Grünanlage sollte der Park Fußgängern jeden Alters und jeder Mobilität vorbehalten bleiben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2024 (auf Seite 1).

Kein Geld für Verkehrsberuhigung

Senatsverwaltung streicht dem Bezirk Mittel

Völlig unklar ist derzeit, wann es mit der Bürgerbeteiligung zur Verkehrsberuhigung in der Ur­ban­straße weitergehen kann. Bild: Gruppe Planwerk / Stadtentwicklungsamt FK

Ein Schreiben der Senatsverkehrsverwaltung sorgte Mitte März für Unmut und Besorgnis  in mehreren Berliner Bezirksämtern – unter anderem auch dem von Friedrichshain-Kreuzberg.

Es wurde mitgeteilt, dass im Jahr 2024 keinerlei Haushaltsmittel für laufende und geplante Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung zur Verfügung gestellt werden könnten.

Gemeldet war aus Friedrichshain-Kreuzberg ein Bedarf von knapp 300.000 Euro, unter anderem für Projekte im Bereich Schulwegsicherheit sowie für die Bürgerbeteiligung zu geplanten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Urbanstraße und Verkehrssicherheitsmaßnahmen im Gebiet Südliche Friedrichstadt West.

Dem Tagesspiegel erklärte die Verkehrsverwaltung, dass der Teilansatz »Entwicklung von Verkehrskonzepten und Begleituntersuchungen in den Bezirken« von 700.000 Euro in 2023 auf 400.000 in 2024 und 2025 habe gekürzt werden müssen.

Die Friedrichshain-Kreuzberger Verkehrsstadträtin Annika Gerold ist verärgert: »Die Streichung der Mittel betrifft Projekte für mehr Verkehrssicherheit für schwache Ver­kehrs­teil­neh­mer*in­nen. Damit macht der Senat einmal mehr deutlich, dass Verkehrssicherheit für ihn ein reines Lippenbekenntnis ist. Die Senatsverwaltung für Verkehr kürzt ausgerechnet bei denjenigen, die von mehr Verkehrssicherheit am meisten profitieren würden […] Viele im Bezirksparlament beschlossene und bereits gestartete Projekte und Maßnahmen müssen nun abgebrochen werden. So verlieren Politik und Verwaltung das Vertrauen der Bürger*innen.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2024.

Zoff um den Görli-Zaun

Bezirk bereitet Klage gegen den Senat vor

Zaun statt Poller? Auf dieser Strecke soll später mal die M10 durch den Görli fahren. Wie sich das mit einem Zaun verträgt, ist noch unklar. Foto: rsp

Der Streit um eine Umzäunung und nächtliche Schließung des Görlitzer Parks spitzt sich zu: Nachdem die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) das Verfahren Ende März an sich gezogen hat, bereitet der Bezirk jetzt eine Klage dagegen vor – obwohl es Zweifel daran gibt, dass eine solche Klage in einer Einheitsgemeinde wie Berlin überhaupt zulässig ist.

Dem vorangegangen war ein Briefwechsel zwischen SenMVKU und Bezirksamt. Während die Senatsverwaltung unter Senatorin Manja Schreiner (CDU) darauf drängt, dass der Bezirk die auf einem Sicherheitsgipfel im September beschlossene Umfriedung des Parks umsetzt, argumentiert das Bezirksamt damit, dass es dem Zaunbau an einer rechtlichen Grundlage gebreche. Einerseits könne ein Ad-Hoc-Gremium wie der Sicherheitsgipfel gar keine verbindlichen Entscheidungen treffen, andererseits hapere es auch an einer belastbaren und rechtlich abgesicherten Finanzierungszusage. »Eine Auftragsvergabe, ohne dass entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, ist mir rechtlich untersagt«, schreibt Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann in ihrem abschlägigen Bescheid an die Senatsverwaltung.

Dass der Bezirk sich bei den Zaunplänen querstellt, war im Hause Schreiner indessen längst klar. Schon vor Ablauf der knappen Frist, innerhalb derer sich der Bezirk zur Sache erklären sollte, hatte die Senatsverwaltung die landeseigene Grün Berlin GmbH mit der Planung beauftragt und bei einem Pressetermin ein Maßnahmenpaket angekündigt, zu dem auch die Umfriedung und nächtliche Schließung des Parks gehört. Explizit aufgeführt ist dort auch der Punkt »Vorbereitungen zum Eintritt des Senats nach AZG«, also das Ansichziehen der Angelegenheit, gegen das sich der Bezirk jetzt juristisch wehrt.

Was wird aus der M10-Planung?

Unklar ist, wie sich die nächtliche Absperrung des Görlitzer Parks mit einem weiteren Projekt der Senatsverwaltung verträgt. Laut Website von ­SenMVKU soll die Vorplanung für die beschlossene Verlängerung der Tramlinie M10 von der Warschauer Straße bis zum Hermannplatz noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Doch die »planerisch zu bevorzugende Streckenvariante« führt geradewegs durch den Park, namentlich auf der Achse Falckensteinstraße/Glogauer Straße. Die Pressestelle der Senatsverwaltung verweist darauf, dass es laut BVG »technisch gut umsetzbare Lösungen« für das Problem gäbe, bleibt eine konkretere Erklärung aber schuldig. Eine Änderung des vorgesehenen Streckenverlaufs werde jedenfalls »weder debattiert noch beplant«. Auch die Querung des Parks für den Rad- und Fußverkehr – parallel zur Tramstrecke sind entsprechende Wege vorgesehen – sei »als Thema längst im Blick.« Lösungen stünden »gleichwohl noch nicht fest, zumal die Realisierung einer Straßenbahntrasse erst lange nach der Evaluierung des genannten Modellversuchs stattfinden wird. Die Senatsverwaltung wird in jedem Fall versuchen, die Einschränkungen für den Rad- und Fußverkehr im Zuge einer möglichen nächtlichen Schließung des Parks so gering wie möglich zu halten.«

Bleibt abzuwarten, ob es zur nächtlichen Schließung überhaupt kommt. »Wir haben im Bezirks­parlament eine klare Beschlusslage, die sich gegen die Umfriedung und das nächtliche Abschließen ausspricht«, so Clara Herrmann.

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2024.

Verkehrssenatorin stoppt Radwegebau

Finanzierung »vorläufig« ausgesetzt

Radstreifen entlang der Zossener Straße (Höhe Heilig-Kreuz-Kirche) mit einem RadfahrerVermutlich »vorläufig« nicht gefährdet: Radstreifen in der Zossener Straße. Foto: psk

Update: Bezirk bezweifelt Rechtmäßigkeit des Stopps / Radweg in der Stallschreiberstraße wird gebaut (s.u.)

Es fing an mit ein paar E-Mails: Mitte Juni teilte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) den Bezirken mit, dass die neue Hausleitung – also Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) – darum bitte, geplante Radwegeprojekte auszusetzen, sofern dafür auch nur ein einziger Parkplatz oder ein Fahrstreifen für Autos wegfiele.

Schon einen Tag später ruderte Schreiner zurück: »nicht mehr als zehn Parkplätze auf 500m« seien einer Pressemitteilung zufolge dann doch akzeptabel, sofern Wirtschafts- und Lieferverkehr nicht erheblich beeinträchtigt würden und, weiterhin, keine Fahrstreifen wegfielen. Alle anderen Projekte würden »überprüft und priorisiert«.

Doch »priorisiert« heißt in dem Kontext: erstmal gestoppt.

In den Bezirken herrscht seitdem erhebliche Unsicherheit. Auch in Friedrichshain-Kreuzberg könnten mehr als zehn Projekte betroffen sein, teilte das Bezirksamt auf Anfrage mit, jedoch ließe »die Kommunikation der SenMVKU sehr viele Fragen offen«.

Bei Projekten wie der Stallschreiberstraße dürfte die von der Senatsverwaltung formulierte Ausnahme für Maßnahmen gelten, die die Schulwegsicherheit erhöhen. Tatsächlich hat die Senatsverwaltung den Stopp für diesen Radweg am Dienstag zurückgenommen. Anderswo jedoch, etwa in der Urbanstraße und der Oranienstraße, ist fraglich, welche Zukunft die­se Projekte haben. Hier läuft die Vorplanung teilweise bereits seit Jahren. Doch mit der »Bitte« der Senatsverwaltung sei auch ein vorläufiges Aussetzen der Finanzierungszusagen verbunden, erklärte Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne). Ein entsprechendes Schreiben war dem Bezirk am 20. Juni zugegangen.

1,5 Millionen Euro drohen zu verfallen

Allein im Bezirk geht es um Gelder in Höhe von insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, die jetzt auf der Kippe stehen. Darunter sind vor allem Fördermittel des Bundes, die zu verfallen drohen, wenn sie nicht noch dieses Jahr ausgegeben werden oder wenn die von Senatorin Schreiner an­ge­kün­dig­te Überprüfung der Projekte zu größeren Umplanungen führt.

Ende Juni fand eine Gesprächsrunde zwischen Bezirksstadträten und Senatorin statt – zur Frage, wie konstruktiv die lief, gibt es jedoch sehr unterschiedliche Einschätzungen. Zuletzt hatten Verkehrsstadträte aus mehreren Bezirken der Senatorin ein Ultimatum gestellt, den allgemeinen Projektstopp zurückzunehmen und für Planbarkeit zu sorgen.

Rechtsamt bezweifelt Rechtmäßigkeit

Bereits vor einigen Tagen hatte Friedrichshain-Kreuzberg sein Rechtsamt mit einer juristischen Überprüfung des Radwegestopps beauftragt. Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am heutigen Mittwoch wurde jetzt das Ergebnis verkündet. Demnach bestünden seitens des Bezirks Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Senatsverwaltung. Eine temporäre Außerkraftsetzung der Mittelzusagen gäbe die Landeshaushaltsordnung nicht her. »Wir haben einen geltenden Haushalt«, betonte Rolfdieter Bohm, Leiter des Rechtsamts. Der Doppelhaushalt sei vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden und sei so auch vom Senat und den Bezirken zu beachten. Wenn darin Mittel für Fahrradwege vorgesehen seien, so die Argumentation, könnten diese nicht einfach vorübergehend außer Kraft gesetzt werden.

Zudem bestünde bei laufenden Ausschreibungen die Gefahr, dass sich das Land Berlin regresspflichtig mache, wenn die Ausschreibung wegen eines Aussetzens der Finanzierung gestoppt werde.

Eine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit vor Gericht prüfen zu lassen gibt es allerdings nicht. Berlin ist eine sogenannte Einheitsgemeinde, sodass die Bezirke keine eigenen Rechtspersönlichkeiten sind, die etwa gegen »das Land Berlin« klagen könnten. Von dem Ergebnis der Prüfung durch das Rechtsamt verspricht man sich allerdings eine weitere Argumentationsebene gegen die Senatsverwaltung, denn auch die könne kein Interesse daran haben, gegen Recht und Gesetz zu handeln.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2023.