Die Qual der Wahl?

Die Direktkandidat*innen aus dem Wahlkreis 82 stellen sich vor

Während mit der Zweitstimme bei Bundestagswahlen vor allem eine Partei gewählt wird, geht es bei der Erststimme um ganz konkrete Personen. Die wohnen in aller Regel der Fälle selbst im jeweiligen Wahlkreis und kennen damit (hoffentlich) auch die Sorgen, Nöte und Bedürfnisse, mit denen man sich dort herumschlägt. Wer das Mandat erringt, ist auch nach der Wahl in gewisser Weise direkter Ansprechpartner für die Bewohner des Wahlkreises.

Wir haben deshalb die Bewerberinnen und Bewerber der wichtigsten demokratischen Parteien aus dem Wahlkreis 82 (Friedrichshain-Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost) gebeten, sich kurz und knapp vorzustellen. Gelegenheiten, die Personen hinter den Steckbriefen kennenzulernen, gibt es insbesondere während des Wahlkampfs reichlich – mehr erfährt man über die Social-Media-Kanäle der Kandidat*innen.

Sven Hoffmeister

Sven HoffmeisterSven Hoffmeister. Foto: Johannes Höhr (Hoehr Media)
Fahrrad –|––––––––– ÖPNV
Tee –––––––|––– Kaffee
süß ––|–––––––– salzig
Couch ––––––––|–– Party
Meer –––––|––––– Berge
TV ––––––––––| Streaming
Name:
Sven Hoffmeister
Alter:
37
Partei:
FDP
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten mit
Besuchen des BKA Theaters oder einem Besuch beim Restaurant Felix Austria.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Kreuzberg hat heute schon eine lebendige Kulturszene und viele kreative Menschen. In 10 Jahren könnte sich das weiter verstärken. Vielleicht wird Kreuzberg noch mehr zu einem Zentrum für Start-ups, Künstler und digitale Unternehmen, die neue Ideen entwickeln und umsetzen.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Kreuzberg – Freiheit leben und lieben – für alle.
Instagram:
@svenforchange

Katrin Schmidberger

Portrait von Katrin SchmidbergerKatrin Schmidberger. Foto: Vincent Villwock / Grüne Fraktion Berlin
Fahrrad –|––––––––– ÖPNV
Tee ––––––––|–– Kaffee
süß –––––––––|– salzig
Couch –––|––––––– Party
Meer ––|–––––––– Berge
TV –––––––|––– Streaming
Name:
Katrin Schmidberger
Alter:
42
Partei:
Bündnis 90/Die Grünen
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten mit:
Im Sommer draußen Chillen mit Freund*innen – im Görli, am Landwehrkanal und auf dem Tempelhofer Feld. Im Winter mit Ausschlafen.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Kreuzberg bleibt bunt, kämpferisch, solidarisch & offen. Jede*r hat ein sicheres Dach über dem Kopf und es gibt soziale Angebote für alle. Innenhöfe, öffentliche Plätze und Dächer sind grün.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Die Häuser denen, die drin wohnen!
Instagram:
@schmidbergerkatrin
Twitter/X:
@kaddinsky
Bluesky:
@katrinschmidberger.bsky.social

Carmen Sinnokrot

Carmen SinnokrotCarmen Sinnokrot. Foto: Anna Spindelndreier
Fahrrad ––––|–––––– ÖPNV
Tee ––––––––––| Kaffee
süß –––––––|––– salzig
Couch ––––|–––––– Party
Meer |–––––––––– Berge
TV ––|–––––––– Streaming
Name:
Carmen Sinnokrot
Alter:
46
Partei:
SPD
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten
spazierend durch den Viktoriapark bei Sonne und mit gutem Kaffee. Oder in einem der vielen kleinen tollen Buchläden.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Wir sind immer noch bunt und eckig, halten zusammen. Die Mieten und die Nazis haben wir in den Griff bekommen.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Kein Fußbreit dem Faschismus!
Instagram:
@carmensinnokrot
Bluesky:
@carmensinno.bsky.social
Mastodon:
@carmen@spd.social

Kevin Kratzsch

Kevin Kratzsch. Foto: Dustin Jobst
Fahrrad ––––––––|–– ÖPNV
Tee ––––––––––| Kaffee
süß ––––––––|–– salzig
Couch ––––––––––| Party
Meer ––|–––––––– Berge
TV ––|–––––––– Streaming
Name:
Kevin Kratzsch
Alter:
42
Partei:
CDU
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten
am Paul-Lincke-Ufer, im Bergmannkiez und in der Markthalle 9.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Als einen der vielfältigsten, lebendigsten und vielseitigsten Stadtteile Berlins. In dem hoffentlich Wohnen bezahlbar ist und man sicher durch die Straßen gehen kann.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Individualität schützen, Innovation fördern, Kreativität erhalten
Instagram:
@kevkratzsch
TikTok:
@kevin_kratzsch

Pascal Meiser

Portrait Pascal MeiserPascal Meiser. Foto: Mathis Dumke
Fahrrad –––––|––––– ÖPNV
Tee |–––––––––– Kaffee
süß ––––––––|–– salzig
Couch ––––|–––––– Party
Meer ––––––|–––– Berge
TV ––|–––––––– Streaming
Name:
Pascal Meiser
Alter:
49
Partei:
Die Linke
Meine Freizeit in Kreuzberg verbringe ich am liebsten mit
meiner Fußballmannschaft, der Ü40 der FSV Hansa 07, mit der ich, wenn immer möglich, noch auf Punktejagd in der Altliga-Landesliga gehe.
Hier sehe ich Kreuzberg in zehn Jahren:
Ich hoffe sehr, dass dann noch viel von dem rustikalen Charme Kreuzbergs erhalten ist. Aber dafür werden wir uns gewaltig gegen die Macht des großen Geldes zur Wehr setzen müssen.
Mein Slogan für Kreuzberg:
Alle gehen nach rechts? Kreuzberg bleibt links: Löhne rauf, Mieten deckeln – dafür kämpfe ich!
Facebook:
@pascalmeiser361
Instagram:
@pascal.meiser.36

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2025 (auf Seite 14).

Abschied und Neustart

Die Kiez und Kneipe feiert ihr 20. Jubiläum

Neun Ausgaben der Kiez und Kneipe liegen aufgefächert daInsgesamt 240 Ausgaben der Kiez und Kneipe sind in den letzten 20 Jahren erschienen. Foto: cs

Als am 3. Dezember 2004 die erste Ausgabe der Kiez und Kneipe erschien, ahnte wohl niemand – auch nicht Gründer und Chefredakteur Peter S. Kaspar –, dass das ambitionierte Projekt so viele Jahre bestehen würde. Zwei Jahrzehnte später sind mit dieser Ausgabe 20 Jahrgänge komplett!

Das ist auch ohne Eigenlob und ganz objektiv betrachtet eine ziemlich beachtliche Leistung, insbesondere wenn man bedenkt, dass die KuK immer wieder mit finanziellen und personellen Engpässen zu kämpfen hatte. Denn – wer hätte das gedacht? – Zeitungmachen kostet Geld und ist Arbeit. Arbeit, die bei der KuK ganz überwiegend ehrenamtlich erbracht wird, sozusagen als Service für den Kiez. Umso dankbarer sind wir allen Mitstreitern der letzten 20 Jahre, vor allem aber auch unseren treuen Anzeigenkunden, die das Projekt schon so lange unterstützen.

Nach 20 Jahren ist aber auch Zeit für ein paar Veränderungen: Peter S. Kaspar wird die Kiez und Kneipe mit der Fertigstellung dieser Ausgabe verlassen – seine Abschiedsworte lest Ihr hier – und in neue Hände übergeben.

Wobei: So »neu« sind die Hände dann doch nicht, denn Cordelia Sommhammer und Robert S. Plaul, die das Blatt künftig weiterführen werden, sind bereits seit 2008 in der Redaktion, sodass für die Kontinuität gesorgt sein wird. Keine Angst also: Die KuK wird nicht vierspaltig und bunt!

Wir werden in nächs­ter Zeit aber an einigen Stellschrauben drehen und ein paar überfällige Modernisierungen umsetzen. Dazu gehört auch der Verzicht auf die Redaktionsräume in der Fürbringerstraße – in Zeiten von Videocalls und steigenden Kosten ein entbehrlicher Luxus, vor allem, da die KuK seit Corona ohnehin größtenteils verteilt in mehreren (Home-)Offices entsteht. Natürlich ist ist das gedruckte Heft weiterhin an rund 120 Verteilstellen im Kiez zu haben.

Kiezzeitung sucht Mitstreiter und Unterstützer

Mit der »Virtualisierung« der redaktionellen Arbeit wollen wir es vor allem aber auch einfacher machen, sich bei uns zu beteiligen, auch abseits fester Termine an konkreten Orten. Denn nach wie vor lebt die Kiez und Kneipe vom Mitmachen. Wenn Du also Lust hast, mit uns die Zukunft Deiner Lieblingskiezzeitung zu gestalten und nebenbei etwas über journalistisches Arbeiten zu lernen, dann melde Dich unter info@­kiezundkneipe.de!

Unter der gleichen Adresse nehmen wir auch jederzeit gerne Feedback unserer Leserinnen und Leser entgegen. Habt Ihr Verbesserungsvorschläge, Anregungen, Wünsche? Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, all das loszuwerden, denn wir machen die KuK ja für Euch und nicht für uns. Schreibt uns ruhig, was Ihr nicht so gut oder einfach nur doof findet, wir wollen auch das wirklich gerne hören!

Das Gleiche gilt natürlich für überschwängliche Jubiläumsgratulationen, schamlose Lobhudelei und sons­tige Sympathiebekundungen. Eine schöne Möglichkeit, seine Wertschätzung für die KuK zu zeigen, besteht übrigens darin, uns finanziell unter die Arme zu greifen: Mit einer Anzeigenbuchung für das eigene Unternehmen, mit Einkäufen in unserem Fanshop oder auch mit regelmäßigem Support über die Plattform Steady könnt Ihr dazu beitragen, dass es die Kiez und Kneipe auch die nächsten 20 Jahre noch gibt. Mehr dazu erfahrt ihr hier.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2024 (auf Seite 1).

Nach 20 Jahren darf man auch mal gehen

Peter S. Kaspar verabschiedet sich

Peter S. Kaspar dreht sich auf einem gepflasterten Weg noch einmal umDas war’s! Macht’s gut und vielen Dank für alles. Foto: Leif Karpe

Und dann war da noch die Geschichte der Financial Times Deutschland. Die wurde am 7. Dezember 2012 eingestellt. Die Kiez und Kneipe war da gerade acht Jahre alt geworden. »Nur noch vier Jahre durchhalten«, dachte ich mir damals, »dann haben wir die FTD überholt.« Wer hätte schon ahnen können, dass die KuK das ambitionierte Projekt, das Gruner und Jahr im Jahr 2000 gestartet hatte, tatsächlich überleben könnte.

Im Überleben war die KuK von Anfang an gut. Ob nun ein Brand, ein Einbruch, schwere innerredaktionelle Krisen oder am Ende Corona, 20 Jahre hat sich die KuK tapfer gegen jede Art des drohenden Untergangs zur Wehr gesetzt. Ohne die Hilfe von Anzeigenkunden, Freunden und Unterstützern der KuK wäre das allerdings kaum möglich gewesen. Dafür wollte ich jetzt auch noch mal ganz persönlich danke sagen. Immerhin war ich von Beginn an derjenige, der hinter allem stand, erst alleine mit einer Idee, dann in einem kleinen Team bei der Umsetzung und immer begleitet von so aufmunterden Kommentaren: »Das wird doch eh nix! Mehr als drei Ausgaben wird es sowieso nicht geben.«

Es wurden dann viel, viel mehr. Nach den ersten Zweiflern kamen die ersten Fans und mit ihnen die starke Motivation, mehr als die drei prognostizierten Ausgaben zu machen – okay, auch die Zweifler hatten uns sehr motiviert. Die Redaktion wuchs, wurde wieder kleiner, flog mir ganz um die Ohren und ich fing noch einmal an.

Doch nun, nach genau 20 Jahren, lass ich es dann mal gut sein. Die FTD ist schon so lange Geschichte, wie sie exis­tiert hat – und die KuK gibt es immer noch. Vermutlich habe ich in den letzten Jahren einiges falsch gemacht, aber offenbar auch ein paar Dinge richtig, sonst wäre unser kleines Kiezblatt nicht so alt geworden. 

Mir ist klar, dass ich in den letzten Jahren auch polarisiert habe. Die einen nennen mich einen Menschenfänger, andere schimpfen mich manipulativ. Manche rühmen mich als großen Kommunikator, die nächsten halten mich für einen Labersack. Sei es, wie es sei. Ich bin eben so, wie ich bin, und mit bald 65 Jahren ist die Gefahr nicht so groß, dass ich mich noch einmal ändern werde. 

65 war einmal das klassische Renteneintrittsalter. Passt doch ganz gut. 20 Jahre KuK. Da kann ich vier Monate vor diesem halbrunden Geburtstag auch aufhören. Viele haben mich aufgefordert, trotzdem weiterzumachen. Aber, ganz ehrlich, bin ich auch ein wenig müde geworden. Früher bezeichnete ich mich einigermaßen stolz als Journalisten. Fragt mich heute jemand nach meinem Beruf, überlege ich manchmal, ob ich sage, ich sei Auftragskiller der Mafia oder Leichenwäscher. 

Der Beruf hat sich verändert, und ich habe in den letzten Jahren auch gespürt, wie er mich verändert hat. Neben Neugier sollte ein Journalist drei Dinge mitbringen: Verantwortung, Verlässlichkeit und Anstand. Jeder mag für sich selbst beurteilen, wie viel von diesen Tugenden noch übrig geblieben ist. Auch ich bin ihnen zuletzt nicht immer gerecht geworden.

Meinen Nachfolgern Cordelia Sommhammer und Robert S. Plaul wünsche ich eine glückliche Hand und dass sie möglichst viel von diesen Tugenden retten können.

Mindestens ein halbes Jahr werde ich es nicht beurteilen können, weil ich mir ein persönliches KuK-Verbot auferlegt habe. Ich schaue nicht einmal ins Blatt. Das hat einen sehr simplen Grund: Ich möchte nicht wie Waldorf und Statler auf der Tribüne sitzen und über meine Nachfolger schimpfen. So wie ich meine Chance hatte, sollen sie auch die ihre haben.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2024 (auf Seite 3).

Verkehrssenatorin stoppt Radwegebau

Finanzierung »vorläufig« ausgesetzt

Radstreifen entlang der Zossener Straße (Höhe Heilig-Kreuz-Kirche) mit einem RadfahrerVermutlich »vorläufig« nicht gefährdet: Radstreifen in der Zossener Straße. Foto: psk

Update: Bezirk bezweifelt Rechtmäßigkeit des Stopps / Radweg in der Stallschreiberstraße wird gebaut (s.u.)

Es fing an mit ein paar E-Mails: Mitte Juni teilte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) den Bezirken mit, dass die neue Hausleitung – also Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) – darum bitte, geplante Radwegeprojekte auszusetzen, sofern dafür auch nur ein einziger Parkplatz oder ein Fahrstreifen für Autos wegfiele.

Schon einen Tag später ruderte Schreiner zurück: »nicht mehr als zehn Parkplätze auf 500m« seien einer Pressemitteilung zufolge dann doch akzeptabel, sofern Wirtschafts- und Lieferverkehr nicht erheblich beeinträchtigt würden und, weiterhin, keine Fahrstreifen wegfielen. Alle anderen Projekte würden »überprüft und priorisiert«.

Doch »priorisiert« heißt in dem Kontext: erstmal gestoppt.

In den Bezirken herrscht seitdem erhebliche Unsicherheit. Auch in Friedrichshain-Kreuzberg könnten mehr als zehn Projekte betroffen sein, teilte das Bezirksamt auf Anfrage mit, jedoch ließe »die Kommunikation der SenMVKU sehr viele Fragen offen«.

Bei Projekten wie der Stallschreiberstraße dürfte die von der Senatsverwaltung formulierte Ausnahme für Maßnahmen gelten, die die Schulwegsicherheit erhöhen. Tatsächlich hat die Senatsverwaltung den Stopp für diesen Radweg am Dienstag zurückgenommen. Anderswo jedoch, etwa in der Urbanstraße und der Oranienstraße, ist fraglich, welche Zukunft die­se Projekte haben. Hier läuft die Vorplanung teilweise bereits seit Jahren. Doch mit der »Bitte« der Senatsverwaltung sei auch ein vorläufiges Aussetzen der Finanzierungszusagen verbunden, erklärte Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne). Ein entsprechendes Schreiben war dem Bezirk am 20. Juni zugegangen.

1,5 Millionen Euro drohen zu verfallen

Allein im Bezirk geht es um Gelder in Höhe von insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, die jetzt auf der Kippe stehen. Darunter sind vor allem Fördermittel des Bundes, die zu verfallen drohen, wenn sie nicht noch dieses Jahr ausgegeben werden oder wenn die von Senatorin Schreiner an­ge­kün­dig­te Überprüfung der Projekte zu größeren Umplanungen führt.

Ende Juni fand eine Gesprächsrunde zwischen Bezirksstadträten und Senatorin statt – zur Frage, wie konstruktiv die lief, gibt es jedoch sehr unterschiedliche Einschätzungen. Zuletzt hatten Verkehrsstadträte aus mehreren Bezirken der Senatorin ein Ultimatum gestellt, den allgemeinen Projektstopp zurückzunehmen und für Planbarkeit zu sorgen.

Rechtsamt bezweifelt Rechtmäßigkeit

Bereits vor einigen Tagen hatte Friedrichshain-Kreuzberg sein Rechtsamt mit einer juristischen Überprüfung des Radwegestopps beauftragt. Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am heutigen Mittwoch wurde jetzt das Ergebnis verkündet. Demnach bestünden seitens des Bezirks Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Senatsverwaltung. Eine temporäre Außerkraftsetzung der Mittelzusagen gäbe die Landeshaushaltsordnung nicht her. »Wir haben einen geltenden Haushalt«, betonte Rolfdieter Bohm, Leiter des Rechtsamts. Der Doppelhaushalt sei vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden und sei so auch vom Senat und den Bezirken zu beachten. Wenn darin Mittel für Fahrradwege vorgesehen seien, so die Argumentation, könnten diese nicht einfach vorübergehend außer Kraft gesetzt werden.

Zudem bestünde bei laufenden Ausschreibungen die Gefahr, dass sich das Land Berlin regresspflichtig mache, wenn die Ausschreibung wegen eines Aussetzens der Finanzierung gestoppt werde.

Eine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit vor Gericht prüfen zu lassen gibt es allerdings nicht. Berlin ist eine sogenannte Einheitsgemeinde, sodass die Bezirke keine eigenen Rechtspersönlichkeiten sind, die etwa gegen »das Land Berlin« klagen könnten. Von dem Ergebnis der Prüfung durch das Rechtsamt verspricht man sich allerdings eine weitere Argumentationsebene gegen die Senatsverwaltung, denn auch die könne kein Interesse daran haben, gegen Recht und Gesetz zu handeln.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2023.

Am Ende bleiben tiefe Gräben

Mehrheit für die große Koalition spaltet die Genossen von der SPD

Hannah Lupper und Niklas Kossow (SPD) vor der Redaktion der Kiez und KneipeHannah Lupper und Niklas Kossow von den Kreuzberger Sozialdemokraten. Foto: psk

Katerstimmung herrsch­te bei den SPD-Genossen in Kreuzberg nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Mitgliederbefragung zur großen Koalition in Berlin. Mit 54,3 Prozent stimmte die Basis für den Koalitionsvertrag. In Friedrichshain-Kreuzberg hatte sich bei einer Kreisdelegiertenkonferenz eine Mehrheit gegen ein Bündnis mit der Union ausgesprochen.

»Das Ergebnis akzeptieren wir«, erklärte Niklas Kossow, Vorsitzender der Abteilung Südstern. »Das Ergebnis ist knapp. Die Partei hat sich mit der Entscheidung schwergetan.« Die Partei müsse sich nun neu aufstellen, um wieder zu­ein­an­der­zu­finden.

Doch das wird nicht einfach werden, wie die Vorsitzende des benachbarten Ortsvereins, der Abteilung Kreuzberg 61, meint. Hannah Lupper war in den letzten Wochen zu einer der wichtigsten Protagonistinnen der NoGroKo-Kampagne in der Berliner SPD geworden. Sie sieht durch das knappe Ergebnis die Führung der Landes-SPD beschädigt. »Der Landesvorstand hat es geschafft, Kai Wegner zum Regierenden Bürgermeister zu machen und sich gleichzeitig zur Disposition zu stellen.«

Im Vorfeld hatte Hannah Lupper beklagt, dass der Landesvorstand auf einzelne Mitglieder e­nor­men Druck ausgeübt habe. So sind tiefe Gräben zwischen der Landesspitze und einzelnen Kreis- und Ortsvereinen aufgerissen worden. Die Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh hatten auf einer Pressekonferenz angekündigt, auf die unterlegene Seite zuzugehen. Allerdings hat Hannah Lupper Zweifel daran, ob das den beiden gelingen kann.

Für einen gewissen Vertrauensvorschuss warb dagegen Niklas Kossow, der glaubt, dass sich die neue Regierung nun beweisen müsse, und zeigen, dass sie zu einer progressiven Politik überhaupt in der Lage sei.

Was wird aus der Cannabis-Legalisierung?

Als Nagelprobe betrachten beide Ortsvereinsvorsitzende das Thema Cannabis-Legalisierung. Eine Enthaltung Berlins im Bundesrat könnte dieses neue Gesetz auf den letzten Metern zu Fall bringen. Das hätte gerade für Friedrichshain-Kreuzberg massive Folgen. Der Bezirk bereitet sich nämlich bereits darauf vor, als Modellprojekt diesen neuen Weg in der Drogenpolitik zu begleiten. »Es wäre ja ein Treppenwitz, wenn das neue Gesetz am Ende ausgerechnet an Berlin scheitern würde«, sagt Hannah Lupper.

Sie wird das Geschehen in der Bezirksverordnetenversammlung dann übrigens nur noch als einfaches Mitglied ihrer Fraktion verfolgen und nicht mehr als ihre Vorsitzende. Wenige Tage vor dem Abstimmungsende über den Koalitionsvertrag hatte die SPD-Fraktion in der BVV einen Wechsel der Fraktionsspitze bekanntgegeben. Tessa Mollenhauer-Koch folgt Hannah Lupper im Amt nach.

Schnell hatte das Gerücht die Runde gemacht, die bisherige Vorsitzende sei für ihre Opposition gegen den Koalitionsvertrag abgestraft worden. Sie selbst allerdings hat diesen Verdacht entkräftet. Der Wechsel sei schon länger besprochen gewesen. Nach zwei aufreibenden Wahlkämpfen innerhalb von anderthalb Jahren wolle sie nun einfach ein wenig kürzer treten. Abteilungsvorsitzende von Kreuzberg 61 will sie allerdings bleiben.

Immerhin gibt es in den nächsten dreieinhalb Jahren bis zur nächsten Berlinwahl noch genug zu tun. So sind nicht nur innerhalb der SPD Gräben aufgerissen worden, auch zwischen SPD und Grünen herrscht nun Eiszeit. Wenn sie wieder ein politischer Partner werden wollen, »dann müssen wir die Gesprächskanäle offen halten«, erklärt Hannah Lupper.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2023.

Alter Wein in neuen Flaschen

Der Wein vom Kreuzberg soll einen neuen Namen bekommen

Weingläser und Weinflaschen der Sorte »Kreuz-Neroberger«Der »Kreuz-Neroberger« und der »Kreuz-Ingelberger« bekommen einen neuen Namen. Archivfoto: rsp

Auf einem Gelände in der Methfesselstraße 10, und damit genau an jenem Ort, an dem Konrad Zuse 1941 die Z3, den ersten binären Digitalrechner, erfand, wachsen am Hang des Kreuzbergs einige Hundert Rebstöcke der Sorten Riesling und Blauer Spätburgunder. Auch wenn am Kreuzberg schon im 15. Jahrhundert Wein angebaut wurde, geht der derzeitige Bestand jedoch auf Spenden der Partnerstädte Wiesbaden, Ingelheim und dem Kreis Bergstraße ab 1968 zurück. Folgerichtig firmierten die im Auftrag des Bezirks angebauten und gekelterten Weine bisher unter dem Namen »Kreuz-Neroberger« (Weißwein) bzw. »Kreuz-Ingelberger« (Rotwein).

Doch spätestens seit der Wein nicht mehr in den Partnerstädten, sondern in Brandenburg gekeltert wird, seien die Namen nicht mehr mit der aktuellen Rechtslage vereinbar, stellte das Bezirksamt fest, und machte bereits im April einen ersten Anlauf zur Umbenennung. Doch der neue Name »01001011«, der dem Binärcode des Buchstaben »K« entspricht und Zuses Erfindung ehren sollte, stieß auf Widerstand, insbesondere vonseiten der SPD-Fraktion, die auf Zuses zumindest fragwürdiges Verhältnis zum Nationalsozialismus verwies und zudem die fehlende Einbeziehung der Partnergemeinden kritisierte.

Im Oktober kündigte das Bezirksamt nun an, dass der neue Name für die Weine im Rahmen einer Art Bürgerbeteiligung gefunden werden soll. Vorschläge können bis Jahresende ein­ge­reicht werden – per Post, per E-Mail oder via Social-Media-Post unter dem Hashtag #xwein. »Partizipation hat für uns einen hohen Stellenwert«, ließ sich Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann zitieren. Über den endgültigen Namen solle schließlich eine Jury entscheiden.

Partnerschaftsverein beklagt mangelnde Transparenz und Beteiligung

Doch zumindest Norbert Michalski, dem langjährigen Vorsitzenden des »Partnerschaftsvereins Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg e.V.«, der die innerdeutschen Städtepartnerschaften pflegt, geht die Partizipation nicht weit genug. 

Wenige Tage nach der Pressemeldung des Bezirks hat er eine Art Brandbrief verfasst, in dem er dem Bezirksamt mangelnde Transparenz vorwirft. Sein Verein sei durch die Pressemitteilung erstmalig in den Umbenennungsprozess miteinbezogen worden, die Partnerschaftsvereine und Verwaltungen der Partnerstädte seien bislang überhaupt nicht eingebunden oder beteiligt worden. Auch dass sein Verein – wenngleich ohne vorherige Absprache – einen Platz in der Jury haben solle, ändere daran nichts.

Zudem hegt Michalski Zweifel daran, dass eine Umbenennung der Weine tatsächlich erforderlich ist und fordert die Veröffentlichung des juristischen Gutachtens, auf das sich das Bezirksamt offenbar bezieht.

Dem scheidenden Bezirksamt wirft er vor, mit dem angestoßenen Bürgerbeteiligungs- und Umbenennungsprozess vollendete Tatsachen zu schaffen. Dass das neue Bezirksamt die Causa anders bewertet, scheint im Lichte der Wahlergebnisse indessen unwahrscheinlich.

Dem Zwist um die Umbenennung geht eine Änderung der Zuständigkeiten voraus: Bis 2019 wurde das kleine Weingut am Kreuzberg vom Partnerschaftsvereinsmitglied Daniel Mayer gepflegt und die Trauben zum Keltern in die Partnerstädte verbracht. Seit 2020 wird der Wein auf dem Weingut »17morgen« in Dobbrikow in Brandenburg hergestellt, um auf lange Transportwege zu verzichten. Im April hatte das Bezirksamt erklärt, dass mit der Gruppe bzw. einer noch zu gründenden Genossenschaft ein Pflegevertrag abgeschlossen werden soll, der auch die selbstständige Vermarktung des Weines durch die Brandenburger beinhaltet.

Mehr Informationen über den Bürgerbeteiligungsprozess zur Umbennung finden sich unter ­berlin.de/xwein.

Kommentar: Kein Zwist ohne Not

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2021.

»Rassismus« muss sichtbar werden!

Eine Analyse von mog61 e.V. in Kooperation mit Betroffenen / Zusammengetragen von Marie Hoepfner

Der gewaltsame Tod des US-Bürgers George ­Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis schockierte Menschen weltweit und löste zu Recht Debatten aus. mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. möchte mit diesem Beitrag am Diskurs teilnehmen. Obwohl wir Diskriminierungen aller Art ablehnen, widmen wir uns hier überwiegend dem Thema »Rassismus«, insbesondere gegenüber Schwarzen. Es geht darum, »Rassismus« sichtbarer zu machen und die Menschen zu sensibilisieren. Mit diesem Ziel haben wir Menschen anderer Hautfarbe, mit denen wir zu tun haben, gebeten, mit uns diese Doppelseite zu gestalten.

Die Menschen auf der Erde sind genetisch betrachtet fast gleich. Es gibt keine biologische Grund­lage für »Rassen«. Das Wort »Rassismus« setzen wir deshalb in Anführungszeichen.

»Rassismus« ist die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie »Rasse«, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt. So lautet die Definition der Europäischen Kommission.

Schwarz, Schwarze, Schwarzer oder Schwarzer Mensch sind Begriffe, die wir als Selbstbezeichnung gerne benutzen. Schwarz ist ein politisches Statement! Schwarz sein ist ein Stück Identität! »Schwarz sein« bedeutet, dass Menschen durch gemeinsame Erfahrungen von »Rassismus« miteinander verbunden sind und auf eine bestimme Art und Weise von der Gesellschaft wahrgenommen werden.

Genau wie bei »Weiß« geht es bei »Schwarz« nie wirklich um die Farbe. Bezeichnet werden keine »biologischen« Eigenschaften, sondern gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten. »Weiß« ist auch ein politischer Begriff. Er bezeichnet Menschen, die Privilegien, nämlich weiße Privilegien haben.

Wir benutzen auch die Selbstbezeichnung PoC (People of Color; Singular: Person of Color) und BPoC (Black and People of Color) oder BIPoC (Black, Indigenous and People of Color). Dazu zählen alle Farben und Schattierungen dieser Welt, auch Menschen aus Lateinamerika, Südafrika oder Asien.

»Rassismus« auch in Europa

In vielen EU-Ländern gibt es »rassistische« Diskriminierung. Dieser »Rassismus« ist viel mehr als die Äußerungen und Aktionen einzelner »Rassisten«, »Rassismus« ist Teil einer Struktur, einer systematischen, zum Teil auch unterschwelligen Diskriminierung. Er ist historisch gewachsen und institutionell verankert. Vier Beispiele:

• In Frankreich sind Übergriffe der Polizei auf afrikanische und arabische Jugendliche fast alltäglich. Der gewaltsame Tod des 24 Jahre alten Adama Traoré sorgt seit 2016 für Proteste. Vor ihm starben Amine Bentousi, Zyed Benna und Bouna Traoré, Amadou Kouné, Hocine Bouras, Lamine Dieng, Malik Oussekine.

• In Belgien kennen viele Kinder Leopold II. aus ihren Schulbüchern bis heute nur als Beschützer des Christentums und großen Modernisierer. Aber nirgendwo war die europäische Kolonialherrschaft so grausam wie im Kongo unter Leopold II.

• In Großbritannien werden seit 2018 Zuwanderer abgeschoben, die zwischen 1948 und 71 als Arbeitskräfte vor allem aus der Karibik auf die britische Insel kamen, die sogenannte »Wind­rush-Generation« – weil sie nie formal eingebürgert wurden.

• Auch in Deutschland hat »Rassismus« eine lange Geschichte – von Kant über Hegel, die den »rassistischen« Gedanken kultivierten, zu Kolonialismus, den Nazis und über die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.

Klischees und Vorurteile

»Rassismus« hat viele Gesichter und reicht von subtilem Alltags-»Rassismus« über institutionellen »Rassismus« durch politische Entscheidungen bis zu rechter Gewalt. Viele Menschen leiden in der Schule, am Arbeitsplatz, im Bus, auf der Straße unter Beschimpfungen und Diskriminierung. Klischees und Vorurteile spielen dabei eine große Rolle. Das erleben wir oft in der U-Bahn, wenn sich Leute wegsetzen, weil Schwarze vermeintlich streng riechen oder das Portemonnaie klauen könnten. Ein/e Schwarz-Europäer*in wird in der Regel immer gefragt, wo er/sie ursprünglich herkommt. Das ist ein ständiger Hinweis, nicht »wirklich« dazuzugehören. Oder es heißt: »Du kannst bestimmt gut singen und tanzen! Ihr Schwarze habt den Rhythmus doch im Blut!«

Ob bei der Wohnungs- oder Jobsuche, in der Schule oder Universität, im Gesundheitswesen, vor Gericht oder bei Polizeikontrollen – in all diesen Bereichen leiden Minderheiten unter institutionellem »Rassismus«. Besonders einschneidend ist der Ausschluss von nicht anerkannten geflüchteten Menschen vom Arbeitsmarkt.

Auch »rassistische« Polizeigewalt ist ein Problem. Die Initiative »Death in Custody« hat seit 1990 177 Fälle recherchiert, bei denen BPoC in Gewahrsam ums Leben gekommen sind. Ein Bericht des Europarats vom März 2020 be­legt, dass »Rassismus« ein weit verbreitetes Phänomen in Deutschland ist. Es ist die Rede von zunehmendem »Rassismus«, Islamophobie, rechtsextremen Angriffen, Racial Profiling, zu wenig Vertrauen in die Polizei und viel zu wenig Aufklärungsarbeit. Ein bekannter Fall ist der Tod des Sierra-Leoners Oury Jalloh 2005 in Dessau, der nach 15 Jahren immer noch nicht aufgeklärt ist. Marie


Jahrelang angestaute Wut und Trauer

Die Protestbewegung »Black Lives Matter« (BLM) begann schon 2013 in sozialen Medien wie Twitter mit dem Hashtag #Black­LivesMatter als Reaktion auf den Freispruch des Mörders von Trayvon Martin, um gegen Gewalt gegen Schwarze bzw. BIPoC zu protestieren. Und das ist auch gut so!

Vor allem von Rechten wird dem oft mit dem Slogan »All Lives Matter« (Alle Leben zählen) entgegengetreten – unter dem Vorwand, dass BLM ein Angriff gegen Weiße wäre. Damit soll diese Bewegung gegen »Rassismus« und Polizeigewalt zerredet werden.

BLM bedeutet nicht, dass das Leben von Schwarzen und Minderheiten mehr wert ist als das von anderen. Es heißt ja nicht »Only Black Lives Matter«! Wir wollen nur die Botschaft vermitteln, dass Schwarze Leben wichtig und wertvoll sind, genauso wie jedes andere Leben.

BLM ist ein aufrüttelnder Aufruf, der auf die Ungerechtigkeit hinweist und Raum für jahrelang angestaute Wut und Trauer gibt. Es geht um ein konkretes Problem, nämlich darum, dass Schwarze aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt werden. Es macht immer noch einen Unterschied, wenn man mit einer nicht-weißen Hautfarbe auf die Welt kommt. Es geht um Alltags-»Rassismus« und strukturellen »Rassismus«! Manu

Endlich breite Öffentlichkeit

Inzwischen gehen auch in vielen europäischen Ländern Menschen auf die Straße. Sie solidarisieren sich nicht nur mit den Demonstrant*innen in den USA, sondern setzen auch ein Zeichen gegen »Rassismus« im eigenen Land. Es macht uns Schwarze Menschen stolz, dass auch nicht Schwarze Menschen »Black Lives Matter« unterstützen.

Aber warum erreicht die Bewegung erst jetzt eine breite Öffentlichkeit? Vielleicht weil viele junge Weiße mitmachen, die »Fridays for Future«-Generation, die sich tatkräftig gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit einsetzt. Auch die Corona-Pandemie hat ein Gefühl für Solidarität herbeigerufen. Erstmals wird über Polizeireformen und überall in Europa über strukturellen »Rassismus« nachgedacht! Marianna

Nicht nur im Osten unerwünscht

Als ich vor 42 Jahren nach West-Berlin zog, galt meine dunkle Haut als Indischstämmige nur als ungewöhnlich. Oft wurde ich auf der Straße gefragt, woher ich käme. Damals spürte ich reine Neugier, keine Ablehnung. Nach dem Fall der Mauer merkte ich rasch, dass eine dunkle Hautfarbe im Osten unerwünscht war. Es gab viele negative Reaktionen: aggressive Bemerkungen über Ausländer, ich wurde in Restaurants »übersehen« oder nicht bedient, in Warteschlangen absichtlich »herausgepickt«, um genauer kontrolliert zu werden.

Nach dem Zuzug vieler Flüchtlinge 2015 erlebe ich eine neue Welle der Feindseligkeit, nicht nur im Osten. In Berlin wiederholt sich nun die Ausgrenzung, die es in früheren Jahrhunderten in ganz Europa gab. Britt

Straßen erinnern an Gräueltaten

Immer noch erinnern einige Straßennamen in Berlin an das alte deutsche Kolonialreich in Afrika. Die Lüderitzstraße, die Petersallee und der Nachtigalplatz sollen umbenannt werden. Namen von Kolonialherren, die für schreckliche Gräueltaten in den deutschen Kolonien in Afrika verantwortlich sind.

Adolf Lüderitz (1834-1886) gilt als einer der Anstifter zum Genozid an den Hereros und Namas (1904-1907). Carl Peters (1856-1918) gründete durch Betrug und Brutalität die Kolonie Deutsch-Ostafrika. Gustav Nach­tigal (1834-1885) legalisierte als »Reichskommissar für Westafrika« die ungesetzmäßige Landnahme in Namibia, Kamerun und Togo. Die Straßen sollen Namen von afrikanischen Widerstandskämpfern bekommen: Hendrik Witbooi (1830-1905), Cornelius Fredricks (1864-1907) und Ana Mungunda (1932-1959).

In Mitte soll der U-Bahnhof Mohrenstraße umbenannt wer­den. Das Wort »Mohr« erinnert an die Verschleppung minderjähriger Afrikaner an den preußischen Hof in Berlin. Nun sollte der Bahnhof nach dem russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka heißen. Aber Glinka war wohl veritabler Antisemit. Otmane


Zwei Gedichte von Landouma Ipé

Landouma Ipé ist politische Aktivistin, SpokenWord-Künstlerin und Schwarze Feministin. Foto: privat

Wie befreiend das ist

nicht in diesem Ton / nicht auf die­se Art / nicht gerade jetzt / nicht vor Zuhörern
nicht übertreiben / nicht überreagieren / nicht überinterpretieren / nicht so eine Nichtigkeit
nicht so laut / nicht so radikal / nicht so direkt / nicht schon wieder das gleiche Thema
Umzingelt von dies nicht / und jenes nicht / erinnere ich mich
an den Moment / als ich / Deinen uralten Kerker für mich für immer verließ
an den Moment / als ich / von Deiner Verneinung ward / unabhängig
an den Moment / als ich / mein mich selbst wertschätzendes Ich / aus mir selbst gebar
Unabhängig von dies nicht / und jenes nicht / und wie befreiend das ist / wahrhaftig goldig

Black Lives Matter – An Avid Act

Weil Gewalt an unsren Körpern / für ein Gerücht gehalten wird / ein Gerücht
weil penible Beamte mich migrantisieren / mir einimpfen möchten mich zu integrieren / mich
weil mir täglich graut / vorm Grenzregime das Geschwistern / den Garaus macht gen Meeresgrund / den Garaus
weil deutsche Deals mir / meinen eigenen Vater vorenthielten / meinen Vater
darum ist dies Banner / »Black Lives Matter« / statt »FU Deutschland« / an avid act of anger management / an avid act

 

Erschienen in der gedruckten KuK vom August 2020.

Die KuK erscheint weiter

Geschrumpfte Notausgabe im April

Das Corona-Virus ist auch an der Kiez und Kneipe nicht ganz spurlos vorübergegangen. Zwar fühlen sich alle Mitarbeiter gesund und wohl, doch trotzdem produzieren wir diese Ausgabe nicht in den vertrauten Redaktionsräumen, sondern – mit einer Ausnahme – am heimischen Computer, und verbunden sind wir alle über das Netz.

Viele unserer Kunden und Geschäftsfreunde mussten ihre Läden schließen, so wie alle Kneipen und Restaurants in Kreuzberg. Für Kiez und Kneipe bedeutet das einerseits einen erheblichen Anzeigenrückgang. Dass wir überhaupt erscheinen können, verdanken wir all jenen, die der Krise aus unterschiedlichsten Gründen trotzen können und uns weiterhin unterstützen. Dafür an dieser Stelle ein ganz dickes Dankeschön.

Doch nicht nur die Anzeigen gingen zurück. Von ehemals 122 Verteilstellen in Kreuzberg, sind unter 20 geblieben. Dort und vor unserer Redaktion werden wir unser geschrumpftes Blatt nun verteilen. Geschrumpft heißt ganz konkret: zwölf Seiten und eine Auflage von 500 Exemplaren.Dieser Entscheidung gingen lange Diskussionen voraus. Wir debattierten auch darüber, die nächsten Ausgaben komplett ins Netz zu verlegen. Lohnt es sich denn wirklich, eine Kiezzeitung mit 500 Exemplaren zu veröffentlichen? Selbst die erste Ausgabe der KuK ging mit 1.000 Heften an den Start.

Die KuK liegt unter normalen Umständen nicht nur in Kneipen aus. Wir liefern auch in Einrichtungen der Pflege und Seniorenbetreuung, also genau dorthin, wohin Freunde und Bekannte aus einleuchtenden Gründen nicht mehr kommen dürfen.

Die KuK mag in diesen Zeiten dann vielleicht dem ein oder anderen nur ein kleines Fetzchen Normalität bedeuten. Aber schon dafür lohnt es sich, unser schlank gewordenes Magazin auch in der realen Welt unter die Leute zu bringen.

Wir hoffen, dass Sie die KuK im Juni, vielleicht auch erst im Juli oder August, in gewohnter Form wieder lesen können. Wir versuchen durchzuhalten. Bleiben Sie gesund!

Peter S. Kaspar und das ganze Team der KuK

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2020.

»House of Life« wird geschlossen

Ende Juni ist Schluss / 80 Bewohner und 65 Mitarbeiter betroffen

Das »House of Life« in der Blücherstraße wird zum 30. Juni dieses Jahres geschlossen. Das teilte der Betreiber FSE in einer Pressemitteilung mit.

»Die mangelhafte Bausubstanz mit einem enormen Instandsetzungsbedarf, zwingt uns, den Standort aufzugeben«, erklärte der Geschäftsführer der FSE-Gruppe Christian Mannewitz, der die Situation als »sehr traurig« bezeichnete.

Die Schließung des 2006 eröffneten Hauses trifft 80 Bewohner und 65 Mitarbeiter. Ursprünglich hatte das »House of Life« eine Kapazität von über 100 Plätzen. In der Vergangenheit war jedoch bereits ein komplettes Stockwerk geschlossen worden. Tatsächlich hatte es immer wieder Berichte über Mängel gegeben. So sei zum Beispiel der Aufzug regelmäßig ausgefallen, heißt es aus dem Umfeld.

Mit dem »House of Life« schließt die bundesweit einzige Pflegeeinrichtung für jüngere Erwachsene. Menschen, die in jüngeren Jahren zum Pflegefall werden, können normalerweise nur in Altenpflegeheimen untergebracht werden. Auch die jetzigen Bewohnern, von denen viele unter 40 sind, etliche sogar unter 30, werden nun auf verschiedene Einrichtungen der FSE-Group verteilt, das heißt in Altenpflegeheimen. Das Unternehmen versichert allerdings, an dem Konzept einer Einrichtung für jüngere pflegebedürftige Menschen festhalten zu wollen. Nach einem geeigneten Stadort in Berlin werde bereits gesucht.

Zu Kündigungen soll es im Zusammenhang mit der Schließung nicht kommen. Den 65 Beschäftigten würden innerhalb der FSE-Group neue Arbeitsplätze angeboten

Ansporn und Motivation

Kiez und Kneipe feiert Geburtstag und geht optimistisch ins 16. Jahr

Dies ist eine ganz besondere Ausgabe der Kiez und Kneipe. Einerseits markiert sie unseren Geburtstag. Am 4. Dezember vor 15 Jahren erschien das Kreuzberger Lokalblättchen nämlich zum ersten Mal.

Dass wir nun in unseren 16. Jahrgang gehen, ist so selbstverständlich nicht. Wer in den letzten Wochen und Monaten die Berichterstattung in eigener Sache verfolgt hat, wird registriert haben, dass diese Ausgabe und damit auch der weitere Fortbestand der KuK zeitweise in den Sternen stand.

Mittlerweile hat sich einiges geändert. Getragen von einer Welle der Solidarität und aktiver Unterstützung, die uns überrascht und berührt hat, ist die Existenz der KuK für das kommende Jahr und hoffentlich darüber hinaus aus heutiger Sicht gesichert.

Wir sind sehr froh und all jenen dankbar, die mitgeholfen haben, dass dieses kleine journalistische und unabhängige Biotop weiter existieren kann – und dass es offensichtlich eine ganze Menge Leute gibt, die wollen, dass die KuK auch in Zukunft erscheint. Natürlich ist das für die Redaktion jetzt Ansporn und Motivation, unseren Lesern möglichst viel wieder zurück zu geben.

In den letzten Wochen haben wir mit den unterschiedlichsten Leuten gesprochen und diskutiert. Manche wünschen sich, dass die KuK wieder ein wenig wird wie früher, zu ihren Anfangszeiten, als viel direkt aus den Kneipen berichtet wurde, dafür aber damals noch weniger über die lokale Politik.

Anderen kommt gerade die Politik immer noch ein wenig zu kurz. Sie wünschen sich mehr härtere Themen und eine klare Kante.

Allen werden wir es gewiss nie recht machen können, doch die Redaktion wird sich auch in Zukunft darum bemühen, dass jeder wenigstens ein bisschen von dem wiederfindet, was er sich in seinem Kiezblatt erhofft.

In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal im Namen der ganzen Redaktion bedanken und allen schöne Feiertage und ein erfolgreiches 2020 wünschen.

Herzlichst,
Peter S. Kaspar

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2019.

Die KuK sucht Förderer

Neues Modell soll den Fortbestand sichern

Redaktion der Kiez und KneipeFreut sich über zahlreiche Unterstützer: KuK-Redaktion. Foto: kuk

In zwei Monaten, am 4. Dezember, jährt sich das erste Erscheinen von Kiez und Kneipe zum 15. Mal. Eigentlich sollte das ein Grund zum Feiern sein, doch das Jubiläum wird von großer Sorge um den Fortbestand unseres Magazins begleitet.

Es ist kein großes Geheimnis, dass das Umfeld für anzeigenfinanzierte Printmedien immer schwerer wird. Immerhin haben wir uns in den letzten Jahren in diesem Umfeld tapfer gehalten, trotz zurückgehender Einnahmen.

Allerdings erleben wir nun auch, dass sich immer mehr Kunden von uns verabschieden, nicht etwa, weil sie ihr Heil in Online-Medien suchen, sondern weil sie einfach verschwinden. Immer mehr Läden müssen schließen, weil sie die steigenden Mieten nicht mehr tragen können. Andere sind so zum Sparen gezwungen, dass sie sich nicht einmal mehr die moderaten Anzeigenpreise der KuK leisten können.

Dass unser Blatt bis zum heutigen Tage durchgehalten hat, liegt unter anderem daran, dass die Redakteure von Kiez und Kneipe alle ehrenamtlich tätig sind. Mit einer auch nur zum Teil finanzierten Redaktion hätten wir schon längst unser Erscheinen einstellen müssen.

Trotzdem glauben wir daran, dass es weitergeht. Wenn das anzeigenfinanzierte Modell nicht mehr ausreicht, dann müssen wir andere Wege finden, um das monatliche Erscheinen des Blattes zu gewährleisten. Andere Blätter haben den Weg bereits bestritten und ihre Leser um Mithilfe gebeten. Diesen Weg wollen nun auch wir gehen.

Helfen soll uns dabei das Portal Steady, das auch zahlreiche andere Medien unterstützt, so etwa die Satiremagazine Postillon und Titanic, die Blogs des Medienjournalisten Stefan Niggemeier, aber auch lokale Medien zum Beispiel in Steglitz oder am Prenz­lauer Berg.

Gesucht werden Förderer, die bereit sind, mit einem monatlichen Betrag zur Finanzierung des jeweiligen Mediums beizutragen.

Wir hoffen, dass wir nach 15 Jahren genügend Unterstützer finden, die uns dabei helfen, auch in den nächsten 15 Jahren Kreuzberg in seiner ganzen bunten Vielfalt jeden Monat abzubilden.

Hier könnt Ihr uns unterstützen: Kiez und Kneipe bei SteadyHQ

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2019.

Justitia hat gesprochen

Teurer Spaß: Wegen eines Links zu einer anderen Zeitung muss die Kiez und Kneipe tüchtig blechen.

»Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand«, sagt ein Sprichwort. Wir haben zwar gewisse Zweifel an einer göttlichen Einmischung, sehen uns als Kiez und Kneipe nun aber leider doch mit den finanziellen Folgen eines verlorenen Gerichtsprozesses konfrontiert.

Was ist passiert? Im vergangenen Jahr hatte eine Leserin eine einstweilige Verfügung gegen uns erwirkt, weil wir auf unserer Webseite auf einen bestimmten Tagesspiegel-Artikel verlinkt hatten, deren Inhalt ihrer Ansicht nach rechtswidrige Äußerungen ent­hielt. Sofort hatten wir den Link entfernt und sogar eine Gegendarstellung veröffentlicht, obwohl das Gericht an unserer eigenen Berichterstattung gar nichts auszusetzen hatte.

Nachdem der Tagesspiegel seinerseits den Artikel entfernt und auch eine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben hatte, waren wir davon ausgegangen, dass die Sache damit erledigt ist – zumal wir ja gar nicht mehr die Möglichkeit gehabt hätten, erneut auf den Tagesspiegel-Artikel zu verlinken.

Trotzdem forderte uns die Gegenseite zur Abgabe einer sogenannten »Abschlusserklärung« und der Zahlung der dafür anfallenden gegnerischen Anwaltskosten auf. Ähnlich wie die Kosten einer Abmahnung sind diese erstattungsfähig, wenn die Erklärung im mutmaßlichen In­ter­esse des Beklagten ist. Da wir wegen der nicht vorhandenen Wiederholungsgefahr aber keinen kostspieligen Prozess vor dem Landgericht befürchten mussten, verweigerten wir die Zahlung.

Leider überzeugte unsere Argumentation die Richterin am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg nicht, so dass wir jetzt noch einmal insgesamt rund 1.000 Euro an Gericht und Gegenseite zahlen müssen. Bereits Abmahnung und einstweilige Verfügung schlugen mit knapp über 1.000 Euro zu Buche, die wir zum großen Teil aus Spenden bestreiten konnten. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an alle Leserinnen und Leser für Eure Unterstützung!

Umso mehr würden wir uns freuen, wenn Ihr uns noch einmal unter die Arme greift: Mit Geld, einer Anzeigenschaltung oder wenigstens netten Worten … Schreibt uns an info@kiezundkneipe.de oder spendet online.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Mai 2018.

Ein Link zu viel

Teurer Spaß: Wegen eines Links zu einer anderen Zeitung muss die Kiez und Kneipe tüchtig blechen.

Seit Dezember 2004 berichtet die Kiez und Kneipe monatlich aus dem Kiez. Da bleibt es nicht aus, dass unsere Berichterstattung auch mal auf weniger positive Resonanz stößt. Im März wurden wir nun das erste Mal in einen Rechtsstreit verwickelt, nachdem wir über Methadonpatienten am U-Bahnhof Gneisenaustraße berichtet hatten.

Eine Anwohnerin sah sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt und versuchte zunächst per Abmahnung und dann per einstweiliger Verfügung, uns zur Rücknahme und Vernichtung der März-Ausgabe zu zwingen. Die einstweilige Verfügung wurde in diesem Punkt abgeschmettert. Auch an unserer Berichterstattung hatte das Gericht nichts auszusetzen. Freiwillig haben wir uns zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung in der April-Ausgabe bereiterklärt. Wir brachten sie, obwohl wir erhebliche Zweifel daran hatten, dass sie den engen Formvorgaben des Landespressegesetzes entspricht.

Sieg auf ganzer Linie, könnte man meinen. Tatsächlich hat das Landgericht aber die Gerichts- und Anwaltskosten aufgeteilt. An uns bleiben demnach noch zwei Fünftel hängen, weil wir in der Onlineausgabe auf einen Tagesspiegel-Artikel verlinkt hatten, den das Gericht für rechtswidrig hielt. Zusammen mit den Kosten für die Abmahnung, die nur zum Teil angerechnet werden, sind wir damit schon im vierstelligen Bereich. Zusätzlich traktiert uns der gegnerische Anwalt mit weiteren Forderungen, die wir zwar für unberechtigt halten, die die Gesamtrechnung aber durchaus auch noch verdoppeln könnten.

Für ein Blatt, das seit zwölf Jahren vom ehrenamtlichen Engagement lebt und sich mehr oder weniger am Existenzminimum entlanghangelt, ist das eine Menge Geld.
Deshalb haben wir uns in diesem Fall entschieden, einen für uns ungewöhnlichen Weg zu gehen und Euch, liebe Leser, um Unterstützung zu bitten.

Auf der Sammelplattform Leetchi haben wir deshalb einen Spendenpool angelegt, über den Ihr uns mit kleineren und gerne auch größeren Geldbeträgen unterstützen könnt.

Jetzt spenden

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2017.

In eigener Sache

Die Kollegen unserer Ausgabe in Neukölln haben sich entschieden, im Rahmen ihrer Vorberichterstattung über die Bundestagswahl 2017 auch eine Veranstaltung mit dem Kandidaten der AfD zu organisieren. Die Kiez und Kneipe Kreuzberg wurde daraufhin von verschiedenen Seiten dazu aufgefordert, sich von ihrer Schwesterzeitung in Neukölln zu distanzieren.

Dazu nehmen wir wie folgt Stellung:

Die KuK-Ausgaben in Kreuzberg und Neukölln verbinden die gleichen Werte und beide Blätter sind in ihren Grundüberzeugungen und journalistischen Vorstellungen ähnlich aufgestellt. Allerdings entscheidet jede Redaktion für sich, ohne eine Einmischung der anderen Redaktion befürchten zu müssen. Schon aus diesem Grunde steht es uns gar nicht zu, die Kollegen für ihr Format zu maßregeln.

Auch wir haben in der Kreuzberger Redaktion lange darüber diskutiert, wie wir mit der AfD grundsätzlich und während des Wahlkampfes speziell umgehen sollen und sind dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen. Wir werden die AfD weder zu einer Diskussionsveranstaltung einladen, noch irgendwelche Pressemitteilungen veröffentlichen oder Anzeigen annehmen. Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass es sich um eine rechte Partei handelt, der wir kein Forum bieten wollen. Wir stehen auf dem Standpunkt: Wenn eine Partei die Presse allgemein (und die KuK übrigens auch schon direkt) als »Lügenpresse« beschimpft, dann sollte man dieser Partei auch ersparen, in irgendeiner Form in dieser Lügenpresse in Erscheinung zu treten. Im Übrigen werden wir zur Bundestagswahl nur mit Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien sprechen.

Trotzdem haben wir vor der Entscheidung der Kollegen in Neukölln großen Respekt. Sie zeugt durch und durch von demokratischer und journalistischer Überzeugung, überparteilich jeden Vertreter einer Partei zu Wort kommen zu lassen, die es in einer demokratischen Wahl in eine Volksvertretung geschafft hat. Das ist bei der AfD im Abgeordnetenhaus und der BVV Neukölln nun leider mal der Fall. Der Weg, den die Kollegen gehen, ist kein leichter. Mancher hat sich bei dem Versuch, die Rechten zu demaskieren, schon böse Schrammen geholt. Aber es ist nichts, aber auch gar nichts Unehrenhaftes dabei, diesen Versuch zu wagen. Im Gegenteil: Wer die Kollegen dafür im Vorfeld bereits kritisiert, hat alle Gründe, sein eigenes demokratisches Verständnis und sein Verhältnis zur Freiheit der Presse zu hinterfragen.

Peter S. Kaspar

Chefredakteur Kiez und Kneipe Kreuzberg