Kaum Plakate für die wichtigste Wahl Europas

34 Parteien stellen sich zur Wahl

Ein Laternenpfahl mit drei Wahlplakaten für die EuropawahlNur dann und wann ein Wahlplakat: Die Parteienwerbung zur Europawahl wirkt fraktionsübergreifend eher lustlos. Foto: rsp

Am 9. Juni finden in Deutschland die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Auch wenn – oder auch gerade weil – die Europäische Union bisweilen im Ruf steht überzuregulieren, dürfte die Europawahl eine der wichtigsten Wah­len überhaupt sein. Ein großer Teil der Gesetze, die im Bundestag beschlossen werden, geht direkt oder indirekt auf Entscheidungen des Europaparlaments und des EU-Rats zurück. Und obwohl das Mitspracherecht des Parlaments in gerade aktuell so wichtigen Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik recht stark eingeschränkt ist, spielt es eine wichtige Rolle bei der politischen Meinungsbildung in Europa.

Umso erstaunlicher, dass sich die öffentliche Wahlwerbung der Parteien insbesondere in Kreuzberg in Grenzen hält. Natürlich hängen Wahlplakate an den Straßen, aber deren Dichte scheint doch erheblich geringer zu sein als bei Bundestags- oder früheren Europawahlen.

Ein Grund könnten die mehrfachen Wiederholungswahlen sein.

»Europawahlen sind in Hinblick auf die Motivation immer eine Herausforderung für die Parteien«, sagt Oliver Nöll (Linke), stellvertretender Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg und Bezirksstadtrat für den Bereich Arbeit, Bürgerdienste und Soziales. »Da wir in Berlin quasi Wahlen in Dauerschleife haben, ist das erst recht eine Herausforderung für die Parteien, die Mitglieder und auch die Parteikassen.«

Zur Wahl treten 34 Parteien an, mit Ausnahme der CDU/CSU jeweils mit einer gemeinsamen Liste für alle Bundesländer, so dass sich die Stimmzettel in den Ländern vor allem hinsichtlich der Reihenfolge der Parteien unterscheiden.

Wie immer ist es auch möglich zu wählen, wenn die Wahlbenachrichtigung nicht angekommen ist. Hier geht’s zur Wahllokalsuche des Landeswahlleiters.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2024 (auf Seite 1).

Verbotene Verbote

Was ist eigentlich unerträglicher? Diese üblen Plakate der NPD? Der Versuch, sie zu verbieten? Oder die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das Verbot zu verbieten? Genau in dieser Abfolge liegt die Dramaturgie des Infamen. Dr. Peter Beckers ist ein ehrenwerter Mann und er wurde von ehrenwerten Motiven geleitet, als er mit einer Untersagungsverfügung die NPD zwingen wollte, die Plakate wieder abzunehmen. Aber was hat er damit erreicht? Er hat eine Niederlage vor dem Verwaltungsgericht erlitten, die der Demokratie mehr schadet und der NPD mehr nützt, als ein paar geschmacklose Plakate. Vielleicht ist es mal Zeit es in der Härte zu sagen: Der Satz »Die NPD muss mit aller Entschiedenheit bekämpft werden«  ist schlicht und einfach falsch. Genau aus diesem Kampf schöpfen die Braunen doch ihre Lebenskraft. Sie müssen doch provozieren, alleine darin sehen sie doch ihre Existenzberechtigung. Jeder weiß doch, dass die NPD keine Unterabteilung der Heilsarmee ist. Die Rechten tun doch genau das, was man von ihnen erwartet.

Es müßte ganz anders heißen: »Die NPD muß mit aller Klugheit und Intelligenz bekämpft werden.« Der sonst nicht immer geschmackssichere Martin Sonneborn hat es mutmaßlich vorgemacht, als er die »Gas geben«-Plakate mit Haiders Todeswrack überkleben ließ. Das allerschlimmste, was der Demokratie im Bezug auf die Rechten passieren kann, ist, dass sie sich immer wieder an den Schranken des Gerichts eine blutige Nase holt. Darüber freuen sich am Ende nur die Rechten. Sonst keiner.

Bezirk muss NPD-Plakate dulden

Die NPD hat ihren Vorsitzenden Udo Voigt an einen Laternenmast gehängt und ihm die Worte: »Gas geben« in den Mund gelegt. Kreuzberger Farbbeutel-Kunstwerfer haben dazu ihr eigenes Statement abgegeben. Foto: psk

Ausgerechnet in der Kreuzberger Lindenstraße, in Sichtweite des Jüdischen Museums hat die NPD Wahlplakate angebracht, auf denen der zynische Spruch »Gas geben« zu lesen ist. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Peter Beckers reagiert als Leiter der Ordnungsamtes darauf mit einer Untersagungsverfügung. Der NPD wurde dabei ein Zwangsgeld angedroht, wenn sie nicht die Plakte mit dem Inhalt »Gas geben« und »Gute Reise« aus dem Straßenbild entfernen würde. »Bei den beiden Plakaten handelt es sich nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums um Äußerungen, die nicht zu billigen sind und die den Tatbestand der Volksverhetzung nach dem Strafgesetzbuch erfüllen, so dass ein behördliches Eingreifen geboten ist«, erklärt Dr. Peter Beckers. Das wurde am 7. September gegen Mittag als Pressemitteilung verbreitet. Doch letztlich blieb es nur bei dem Versuch, sich der rechten Wahlpropaganda zu entledigen.

Am gleichen Tag entschied die erste Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts: Die Plakate dürfen hängen bleiben. Das Gericht wollte in den Inhalten keine Volksverhetzung sehen. Zwar schließt das VG nicht einmal aus, dass das »Gas geben« auf die Verfolgung der Juden im dritten Reich abzielt, aber die Kammer zieht auch in Betracht, dass eine andere Deutung möglich sei.

Die Kreuzberger haben allerdings schon vor Wochen ihre Haltung zu den Plakaten der NPD deutlich gemacht. In der Lindenstraße hängt kein einziges NPD-Plakat, das nicht durch Farbbeutel ziemlich unkenntlich gemacht wurde. Dabei hingen diese »Werbemittel« sowieso stets ganz oben an den Laternenpfählen. Wäre eigentlich auch ein guter Slogan für die NPD: »Höher hängen«.