Die Quadratur des Viertelkreises

Städtebauliches Werkstattverfahren für den Block 616 gestartet

Blick vom Mehringplatz nach Nordwesten auf den Block 616. Foto: rsp

Nordwestlich des Mehringplatzes soll ein neues Stadtquartier entwickelt und gebaut werden. Das »Block 616« genannte Areal gehört zum Sanierungsgebiet Südliche Friedrichstadt und wird von der Wilhelmstraße (im Westen), Franz-Klühs-Straße (im Norden), Friedrichstraße (im Osten) und der Friedrich-Stampfer-Straße (im Süden) begrenzt.

Derzeit wird die Fläche dominiert von einem sanierungsbedürftigen Wohnhochhaus-Riegel, den die landeseigene Howoge kürzlich von einem Privateigentümer übernommen hat. Im Süden befindet sich ein wenig genutzter Parkplatz im Besitz der AOK Nordost und im Norden eine überhaupt nicht mehr als solche genutzte Parkpalette auf einem Privatgrundstück.

Insgesamt also viel Platz und viel Potenzial, aber auch viele komplexe Randbedingungen.

Um erstmal die städtebaulichen Möglichkeiten auszuloten, haben das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, die AOK und die Howoge als Kooperationspartner nun gemeinsam ein »zweistufiges städtebauliches Werkstattverfahren mit umfassender Beteiligung« für Block 616 gestartet.

Beteiligt sind auf jeden Fall schon einmal ganze vier Architekturbüros (zwei aus Berlin und je eins aus Zürich und Wien), beteiligt werden soll die Bevölkerung vor Ort, die bereits zu einer ersten sogenannten »StadtWERKSTATT« Anfang Juli 2023 auf dem Dragonerareal eingeladen war, die allerdings, vermutlich nicht nur wegen des warmen Sommerwetters, nicht besonders gut besucht gewesen sein soll, wie die Sanierungszeitung »Südseite« in ihrer Ausgabe 02/23 berichtete.

300 neue Wohnungen sollen im Quartier entstehen

Koordiniert wird das Verfahren ebenfalls von vier unterschiedlichen Akteuren, und am Ende soll ein sechsköpfiges Fachgremium über die Ergebnisse abstimmen.

Der Prozess wird ausgesprochen ausführlich und informativ, wenn auch leider nicht besonders übersichtlich, dokumentiert auf der Webseite »Baustelle Gemeinwohl«. Dort findet sich dann auch eine Zusammenfassung der bisher umrissenen Ziele der Entwicklung. Neben der Vorgabe des Bezirksamts »70% Wohnen, davon 30% belegungs- und mietpreisgebundener Wohnraum« stehen hier auch Klimagerechtigkeit, Erhöhung der Lebensqualität, Sicherheit und die Deckung von Bedarfen auf der Liste.

Bedarfe sind im angrenzenden Quartier bereits jetzt zur Genüge vorhanden. Sei es die Versorgungslücke mit Waren des täglichen Bedarfs seit der Schließung des EDEKAs am Eingang zur Friedrichstraße, seien es die baulichen Mängel und die personelle Unterversorgung der ohnehin bereits überbelegten Schulen im Einzugsgebiet. Das sind keine einfachen Voraussetzungen angesichts der von Bezirk und Land angestrebten zusätzlichen 300 Wohnungen im Block 616.

Hinzu kommt die Problematik, dass der Status der Südlichen Friedrichstadt als Sanierungsgebiet nur bis 2027 gesichert ist – aus diesem Grunde will der Bezirk parallel zum laufenden Verfahren einen Bebauungsplan erarbeiten, damit die Festschreibung der Nutzungsstruktur mit einem hohen Anteil an Wohnraum rechtlich abgesichert ist.

Wer sich informieren und einbringen möchte, kann dies über die Webseite »Baustelle Gemeinwohl« tun. Die nächste StadtWERKSTATT ist für den 12. Dezember angesetzt.

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2023.

Doppelfund in der Lindenstraße

12.000 Kreuzberger werden nach Bombenfund evakuiert – zwei Mal in einer Woche

Gleich zweimal innerhalb einer Woche mussten rund 12.000 Kreuzberger Ende Oktober für mehrere Stunden ihre Wohnungen verlassen. Auf einer Baustelle in der Lindenstraße waren im Abstand von fünf Tagen zwei amerikanische Fliegerbomben entdeckt worden.

Kein Durchkommen. Zweimal innerhalb einer Woche evakuierte die Polizei den Bereich rund um die Lindenstraße.

Foto: rspKein Durchkommen. Zweimal innerhalb einer Woche evakuierte die Polizei den Bereich rund um die Lindenstraße. Foto: rsp

Betroffen von der Evakuierung war der Bereich zwischen Gitschiner Straße, Wilhelm- bzw. Puttkamerstraße, Rudi-Dutschke-Straße und Alter Jakobstraße. Ab neun Uhr morgens wurden die Bewohner von der Polizei aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. Weil bei der ersten Evakuierung – ausgerechnet am Sonntag nach der Winterzeitumstellung – unerwartet ein Transport für eine Person in einem medizinischen Spezialbett nötig wurde, zog sich die erste Entschärfung bis etwa 18 Uhr hin. Bei der zweiten Entschärfung am Freitag drauf war man besser vorbereitet, so dass die Polizei bereits um viertel vor drei Entwarnung geben konnte. »Wir danken für Ihr Verständnis und verabschieden uns hier«, schrieb deren Social-Media-Team auf Twitter. »Genießen Sie das Bombenwetter am Wochenende.«

Nicht alle betroffenen Anwohner teilten den Humor der Ordnungshüter, und viele hatten auch von der geplanten zweiten Räumung im Vorfeld nichts mitbekommen. So berichtete eine Gruppe von Senioren aus einer Wohnanlage im Sperrgebiet übereinstimmend, erst am Freitag morgen davon erfahren zu haben.

Wie schon am Sonntag zuvor wurden gehbehinderte Menschen mit Busshuttles und Kran­ken­trans­por­ten zum Rathaus Kreuzberg in der Yorckstraße gebracht, wo sie von Helfern des Roten Kreuzes und Mitarbeitern des Bezirksamtes versorgt wurden. Jeweils rund 100 Personen wurden hier temporär aufgenommen.

Am Rande der Sperrzone konnte sich Renato Bono, Wirt der Kneipe »Zum Flachbau«, am Sonntag über ein volles Haus freuen, denn sein Laden war der einzige geöffnete weit und breit. Auch KuK-Mitarbeiter Siegfried von Trzebiatowski gehörte zu den Anwohnern, die hier Obdach – und ein kühles Bier – suchten.

Volles Haus und Bombenstimmung

Er freute sich besonders, viele alte Bekannte wiederzusehen, die wegen ihrer eingeschränkten Mobilität nur selten die Wohnung verlassen. »Manche von denen habe ich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen«, erzählt Siggi.

Bei den beiden Fliegerbomben handelte es sich um zwei größere Exemplare von jeweils rund 250 Kilogramm, mutmaßlich Blindgänger der »Bombennacht« vom 3. Februar 1945. Aus beiden Exemplaren wurden von den Feuerwerkern der Polizei die Zünder mit Hilfe eines Hochdruckwasserstrahls entfernt und noch vor Ort gesprengt. Die Bomben selbst wurden zum Sprengplatz im Grunewald befördert und werden dort vernichtet.

Nach Schätzungen des Senats schlummern noch 3.000 bis 4.000 Blindgänger unter der Erde. Gezielte Suchen gab es nur wenige. Bis jetzt wurden bereits über 11.000 Tonnen Sprengstoff geborgen und unschädlich gemacht.