Ahoi! HerrMann Wo Bist DU?

Hermann, der langjährige Wirt des »MIR« in der Görlitzer Straße ist tot. Uwe Meinelt hat einen bewegenden und vielschichtigen Nachruf auf die Kiezlegende verfasst:

Foto: Ernst Weltner

Ungläubig musste ich die Neuigkeit vernehmen,
dass der letzte Kosmonaut die Brücke verlassen hat.
HerrMann, der jeden Tag, sobald der erste Sonnenstrahl sich zeigte,
immer mit dem Rotwein-Glas, vor »seinem« alten Laden
dem MIR (russ. =FRIEDEN) in der Görlitzer-Park-Straße saß.
Er, der die Weisheiten des Tages verbreitete, war die lebende
TalkBox des Neuen Deutschlands, ein Kiez-Philosoff und ein
engagierter Prophet des Untergangs des Kapitalismus.

Er war alt Revolutionär,
Marx war für ihn nicht das ehemalige Cafe am Spreeplatz
auch nicht der KinderZuhälter der Katholischen Kirche,
nein Marx war nur vermurkst worden –
von diesen NeoMaos und den Stalinisten,
Die Erklärungen hierzu waren allerdings oft sehr ausufernd,
aber er bemühte sich um korrekte Aufklärung.
Verklärung war für ihn kein Thema,

Wir sind alle manipuliert und infiziert
von diesen Massen-Medien-Gedöns
und scheinen sogar total entfremdet zu sein von allem und von jedem.
Was war nochmal die Ausgangsfrage…? …war häufig meine Antwortfrage
auf seinen Vortrag, aber immerhin wusste ich anschließend mehr als vorher.
HerrMann war nicht nur die schwärzeste Institution des Kiezes,
der noch bevor die ersten Verschwöhrungstheorien aufkamen,
genau wusste, wie der Hase im Pfeffer läuft,

Foto: Ernst Weltner

Sein Eck-Café war bedi(e)nungsloser KULT,
als die ReichsBahn-Gleise noch lagen, bevor es den Park gab und
die Harnröhren-Unterführung noch kürzester Weg unter
dem alten Görlitzer Bahnhof zur Wienerstr. war.
Sp ter wurde dann daraus, der Park mit Fledermaus-Zuhaus.
Ach ja, HerrMann unser Grillenmeister des Rosis Clubs in der Revalerstr.,
immer unterwegs auf dem alten schwarzen Rad, mit Basken-Mütze,
in aerodynamische Rabenhaltung vertieft,

der Kiez Kautz schlechthin
und sein schwarzer Humor war legend r!
Ich geh_steh, ich kannte ihn eher flüchtig,
aber er war immer freundlich und kommunikatief
auf seinem Stammplatz, der Hausbank.
Mit dem grauen Vollbart und der schwarzen Brille,
schaute die alte Grille,
oft misgrämisch drein und kritisch.

Ja, immer sozial kritisch, und immer bereit für eine verbale Attacke,
einen guten Schnaak, oder eine Parole.
Glasklare Forderungen und Geistesblitze aus heiterem Himmel
waren sein Markenzeichen, kaum hatte er etwas im Sinn,
schon gings über seine Lippen hinaus, geplaudert, gerufen,
oder geflüstert, so verblüffte und schockierte er die Nachbarn
und Kiezanreiner, aber für dieses Schauspiel opferte ich gerne 2 Tassen Cafe,
oder 1 Flasche Wein, aber nur von dem Roten, da war er eisern…

nur im äußerstem Notfall, Glühwein, aber egal…
HerrMann, du hast das Leben im Kiez bereichert
und es ist mir immer eine Ehre, dich zu grüßen.
Wir werden dich vermissen, Mr. MIR
und wir ge-danken dir
für unvergessene Stunden.
Die Blumen-Bilder auf deinem alten Stamm-Platz
sagen MIR, dass du im Geiste immer bei uns bist.
Ahoi! HerrMann, mach’s gut!

Bezirk bereitet sich auf Flüchtlinge vor

Noch weiß niemand, wie viele Menschen aus der Ukraine kommen werden

Update: Zwei Wochen nachdem dieser Artikel geschrieben wurde, ist immer noch kein Ende von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine in Sicht. Die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine liegt EU-weit bereits seit einiger Zeit deutlich über den im Artikel genannten Schätzungen. In Deutschland waren es laut Tagesschau.de zuletzt knapp 123.000 Personen (Stand 12.3.2022).

Eingangstor eines ContainerdorfsDie Tempohomes in der Alten Jakobstraße werden wohl bald Flüchtlinge aus der Ukraine beherbergen. Foto: psk

Was lange befürchtet wurde, ist schließlich eingetreten. Russland hat die Ukraine angegriffen. 700 Kilometer entfernt von Berlin fallen Bomben. Während die Regierungen über Sanktionen gegen Putins Regime beraten, laufen inzwischen bereits die Vorbereitungen für die Aufnahme von Flüchtlingen an.

»Das Problem ist, dass wir jetzt natürlich noch nicht wissen, wie viele Flüchtlinge kommen werden«, erklärt der Sozialstadtrat des Bezirks, Oliver Nöll. Doch andernorts ist man auch nicht klüger. Auf Nachfrage bei der EU erfahren wir, dass es verschiedene Szenarien gibt, die sich zwischen 50.000 und einer Million bewegen.

Wenigstens eines ist klar: Die Verteilung der Flüchtenden bemisst sich nach dem Königsteiner Schlüssel. Konkret würde das bedeuten, dass, wenn 100.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland Schutz suchen sollten, 5.000 dem Bundesland Berlin zugewiesen würden.

Als erste Maßnahme ist geplant, dass das Containerdorf »Tempohomes« in der Alten Jakobstraße nicht wie geplant abgebaut wird. Auch über andere Standorte wird nachgedacht, wie das ehemalige House of Life. »Das ist aber wirklich das Worst-Case-Szenario«, versichert Oliver Nöll.

Er drängt auch darauf, dass sogenannte »Statusgewendete«, also Asylsuchende, deren Status geklärt wurde, vorerst im Verantwortungsbereich des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) verbleiben, denn das entlaste die Bezirke bei der Suche nach Unterkünften.

»Es soll nicht so laufen, wie 2015«, erklärt der Sozialstadtrat und ist zuversichtlich, dass Stadt und Bezirk dieses Mal besser gerüstet sind. Eine Konsequenz war, dass das LAF aus dem damals völlig überlasteten LaGeSo ausgegliedert wurde.

In Friedrichshain-Kreuzberg lief vor sieben Jahren vieles besser als in anderen Bezirken. Oliver Nöll weiß auch warum: »Es war das zivilgesellschaftliche Engagement, das sehr geholfen hat.«

»Der ganze Verein steht bereit, um zu helfen«

Viele Vereine und Initiativen hatten sich damals der Hilfe für Geflüchtete verschrieben. Dazu gehörte auch der Nachbarschaftsverein mog61. Auch dort habe man bereits begonnen, die Lage und mögliche Hilfsmaßnahmen zu diskutieren, wie die Vorsitzende Marie Höpfner erklärt. Allerdings gilt für den vergleichsweise kleinen Verein das gleiche wie für die kontinentale Organisation EU, es fehlen im Moment noch Zahlen. »Wir wissen ja noch nicht, wie viele Menschen unsere Hilfe brauchen«, sagt Marie Höpfner und fügt hinzu: »Wir stehen auf jeden Fall bereit, wieder zu helfen.«

Wie die Hilfe konkret ausgestaltet werden kann, darüber wird in den nächsten Tagen ausführlich gesprochen werden. Die mog-Vorsitzende erinnert daran, dass der Verein vor sechs Jahren schon während der Krim-Krise aktiv war. Damals wurde Hilfspakete geschnürt und in die Ukraine geschickt. Dieses Mal sei das etwas anderes, fürchtet sie, denn sie glaubt nicht, dass man angesichts des Krieges noch Päckchen verschicken kann. Dagegen ist sie fest davon überzeugt, dass der ganze Verein sich ebenso tatkräftig zeigen wird, wie in den vergangenen Krisen.

Zurück zum »Tempohome« in der Alten Jakobstraße. Dort können in den 40 Wohneinheiten 160 Geflüchtete untergebracht werden. »Ich bin zwar kein Freund von Containern«, gesteht Oliver Nöll, »aber immer noch besser als in Turnhallen.« Auch im Fall des im Februar 2018 eröffneten Containerdorfes hatte die Bevölkerung tatkräftig dabei geholfen, die Bewohner in das Kiezleben zu integrieren. So zeichneten Ehrenamtliche für Themencafés und Kurse verantwortlich. Gemeinsame Feste wurden ausgerichtet.

Nachdem die letzten Bewohner ausgezogen waren, sollte in diesem Jahr alles abgebaut werden. Die Laufzeit soll nun mindestens für ein halbes Jahr verlängert werden. Oliver Nöll erwartet da keine Probleme: »Es ist ja schon betriebsfertig.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2022.

Keine Straßenfeste im ersten Halbjahr

Bezirk sagt MyFest ab / Karneval der Kulturen plant für 2023

Menschenmassen auf der Wiese am Oranienplatz beim MyFest 2011Das MyFest wird auch 2022 nicht stattfinden können. Foto: rsp

Auch im ersten Halbjahr 2022 werden wohl keine Großveranstaltungen oder großen Feste im öffentlichen Straßenland oder Grünanlagen stattfinden können. Da aktuell nicht absehbar sei, wie sich die Infektionslage in den nächsten Monaten entwickeln wird, könne man »die Planung von Großveranstaltungen und ähnlichem im öffentlichen Raum aktuell nicht unterstützen«, teilte das Bezirksamt in einer Pressemitteilung mit. Davon betroffen ist unter anderem das MyFest.

»Die aktuellen Infektionszahlen sind dramatisch. Jeden Tag werden neue Rekorde vermeldet. Es ist daher nicht die richtige Zeit, um große Veranstaltungen und große Feste zu planen«, erklärte Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann. Wenn sich die pandemische Lage im Frühjahr entspannen sollte und die Inzidenzen massiv sinken, werde man aber darauf reagieren.

Bereits einige Tage zuvor hatten die Veranstalter des Karnevals der Kulturen das Event zu Pfingsten abgesagt. Die dafür notwendige Einzäunung spräche »dem Grundgedanken des Karnevals entgegen, der sich auf eine auf Beteiligung ausgelegte, frei zugängliche innerstädtische Intervention bezieht«, teilten die Verantwortlichen mit, die eine erneute kurzfristige Absage nicht riskieren wollen.

Gemeinsam mit allen Akteuren solle 2022 genutzt werden, um in einem umfänglichen partizipativen Verfahren das Konzept des Karnevals zu überdenken. 2023 solle die Veranstaltung dann mit neuer Strategie kraftvoll in die Zukunft starten, hieß es weiter.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2022.

Wieder Wahlpannen im Bezirk

Seniorenvertreter sollen im März gewählt werden

Das Nachbarschaftshaus in der Urbanstraße ist eines von fünf Wahllokalen. Hier kann am 14. März die Seniorenvertretung gewählt werden. Foto: psk

»Ich habe Unterlagen aus dem Wedding bekommen«, erzählt ein Rentner aus der Skalitzer Straße. Er gehört zu denen, die sich sehr dafür interessieren, im März eine neue Seniorenvertretung zu wählen. Damit dürfte er allerdings zu einer Minderheit zählen, denn vor fünf Jahren nahmen von den etwa 43.000 wahlberechtigten über 60-Jährigen im Bezirk gerade mal etwa fünf Prozent an der Abstimmung teil.

»Viel zu wenig«, findet Tobias Baur, der zum ersten Mal für das Gremium kandidiert. »Das müssen in Zukunft mehr werden«, fordert er.

Doch die Voraussetzungen sind nicht so gut dafür. Für die berlinweiten Wahlen wurden insgesamt etwa 70.000 fehlerhafte Wahlunterlagen verschickt. Verantwortlich war dafür einmal mehr der landeseigene Dienstleister ITDZ, das einstige Landesamt für Informationstechnik.

Der zuständige Stadtrat ist gerade mal sechs Wochen im Amt und ziemlich angefressen. Oliver Nöll hätte am liebsten seine eigenen Mitarbeiter die Post an die Kreuzberger und Friedrichshainer Senioren verschicken lassen. »Dann hätte ich wenigstens gewusst, dass es klappt.« Natürlich ist ihm klar, dass das undurchführbar war, sonst hätte er bei der Einkuvertierung von 43.000 Briefen sein eigenes Haus für ein paar Tage lahmgelegt.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Angesichts der dramatisch gestiegenen Coronazahlen sah sich Nöll gezwungen, die öffentlichen Vorstellungsrunden abzusagen. »Ich kann doch nicht 20 Kandidaten und 80 bis 100 Zuhörer in einen Raum stecken, die alle auch noch zur Hochrisikogruppe zählen.«

Stattdessen setzt er nun auf ein digitales Format, das im Februar umgesetzt werden soll. Dem Stadtrat ist dabei durchaus bewusst, dass er sich auf juristisch dünnes Eis begibt. Allerdings sieht er auch keine andere Möglichkeit.

Kandidaten nur im Stream

So werden die 19 Kandidaten im Internet vorgestellt. Das ist für den 14. Februar von 14 bis 17 Uhr und den 22. Februar von 10 bis 12 Uhr geplant.

Dabei allerdings tut sich noch ein Problem auf. Etliche Senioren sind wenig bis gar nicht computeraffin. Für die wird es schwer sein, überhaupt auf die Seite zu kommen. Wer nämlich nur das Stichwort »Seniorenvertretung Friedrichshain-Kreuzberg« eingibt, kommt zwar auf die Seite, doch auf der gibt es keinen Hinweis auf die Wahlen für das Gremium. Man muss also schon gezielt nach den Wahlen für die Seniorenvertretung suchen.

Nach den verkorksten Wahlen zum Bundestag, dem Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen hat das erneute Chaos viele verärgert.

Allerdings bleibt ein schwacher Trost: Nie wurde im Vorfeld einer Senioren-Beiratswahl so viel darüber berichtet. Vielleicht nimmt die Wahlbeteiligung ja deswegen zu.

Was wird gewählt?
Die Bezirks-Senioren-vertretung setzt sich für die älteren Mitbürger im Bezirk ein. Mitglieder haben in Ausschüssen der BVV Rederecht und beraten das Bezirksamt.
Wer wird gewählt?
Das Gremium besteht aus bis zu 17 Mitgliedern und wird auf fünf Jahre gewählt. Wahlberechtigt sind alle über 60-Jährigen im Bezirk, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.
Wie wird gewählt?
Jeder Wahlberechtigte kann bis zu zehn Stimmen verteilen. Stimmenhäufungen sind nicht erlaubt.
Wann wird gewählt?
  • 14.3. 10:00–15:00: Nachbarschaftshaus Urbanstraße, Ur­ban­straße 21, 10961 Berlin
  • 16.3. 15:00–18:00: Stadtteilzentrum Familiengarten, Oranienstraße 34, 10999 Berlin
  • 18.3. 10:00–15:00: Begegnungsstätte Mehring-Kiez, Friedrichstraße 1, 10969 Berlin

sowie in Friedrichshain:

  • 15.3. 10:00–15:00: Stadtteilzentrum F´hain, Pauline-Staegemann-Str. 6, 10249 Berlin
  • 17.3. 10:00–15:00: Seniorenzentrum Friedrichshain, Singerstr. 83, 10243 Berlin

Mehr Infos gibt es hier.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2022.