Aktenaffäre wird nun untersucht

SPD wirft Florian Schmidt Manipulation vor

Florian SchmidtFlorian Schmidt. Foto: psk

Hat er, oder hat er nicht? Die Frage, ob Baustadtrat Florian Schmidt Akten manipuliert hat oder nicht, ist nicht nur in Kreuzberg ein Aufreger. Selbst die in München erscheinende Süddeutsche Zeitung widmet dem derzeit vermutlich bekanntesten Kommunalpolitiker der Republik eine ganze Reportage.

Darin erfährt der Leser, dass in Schmidts Büro eine ihn selbst zeigende Karikatur im Stile Che Guevaras hängt. Damit scheint geklärt, mit wem sich der Stadtrat eher vergleicht: Mit Che oder mit Robin Hood. Als solchen hat ihn der Regierende Bürgermeister Michael Müller bezeichnet, und ihm auch noch ein »Mini-« vorangestellt.

All das sind die Folgen jener Aktenaffäre, die nun so hochkocht, dass sich Schmidt Rücktrittsforderungen, Strafanzeigen und einer Untersuchung der Senatsverwaltung des Inneren gegenüber sieht.

Im Grunde hängt alles mit der unkonventionellen Art zusammen, mit der Schmidt seit Jahren versucht, den Immobilienspekulanten beizukommen. Das Mittel des Vorkaufsrechts hat schon einige Male gegriffen und auch schon Inves­to­ren in die Knie gezwungen. Das Problem bei diesem Konstrukt: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kann die Immobilien, für die er das Vorkaufsrecht geltend macht, gar nicht alle selbst kaufen. Also wird das Vorkaufsrecht an solche Investoren weitergegeben, die im Sinne des Bezirks investieren, etwa mit Blick auf die Kreuzberger Mischung, vor allem aber bezahlbaren Wohnraum.

Es war allerdings auch abzusehen, dass Schmidt diese Art von weißen Rittern irgendwann einmal ausgehen würde.

Mit der Gründung von »Diese eG« sollte Abhilfe geschaffen werden. Als die SPD nun Unterlagen zum Kauf von Wohnungen durch »Diese eG« in der Rigaer Straße einsah, fiel ihr auf, dass sie einerseits falsch paginiert waren und dass auch Teile fehlten.

In einer gemeinsamen Fraktionssitzung von Grünen, Linken und SPD räumte Florian Schmidt das zwar ein, sah darin aber keine Manipulation oder ein Versäumnis. »Er wollte verhindern, dass die Inhalte von Akten von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegels zur politischen Agitation genutzt werden«, heißt es in einer Pressemitteilung der SPD.

In der gleichen Pressemitteilung von 17. Januar stellte die SPD dem Baustadtrat ein Ultimatum bis zum 27. Januar. Bis dahin solle er Einsicht in alle Akten geben, »sonst ist sein Rücktritt unvermeidbar.«

Allerdings wurde inzwischen die Senatsinnenverwaltung tätig. Innensenator Geisel verfügte die Bezirksaufsicht über den Baustadtrat.

Linke hält sich im Fall Florian Schmidt zurück

Konkret heißt das, dass die Vorgänge um die fehlenden Akten nun untersucht werden. Außerdem beschäftigt sich nun auch der Landesrechnungshof mit der »Diese eG«.

Die Grünen sprangen ihrem angeschlagenen Bezirksstadtrat natürlich bei. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sieht auch keinen Grund dafür, dass Schmidt zurücktreten müsse. Allerdings fanden auch einige Parteifreunde Schmidts Wortwahl in der gemeinsamen Fraktionssitzung ein wenig unglücklich.

Ist Schmidt nun nachhaltig gefährdet oder ist alles nur wieder so ein berühmter Sturm im Wasserglas?

Für Außenstehende ist das nur schwer einzuschätzen. Interessant ist deshalb ein Blick auf den Dritten im Bunde der grün-rot-roten Konstellation im Bezirksamt.

In den vergangenen Monaten waren es stets die Linken, die, vor allem im Falle Bergmannstraße, Florian Schmidt oft sehr hart angegangen sind. Aus ihren Reihen ist jetzt eher beredtes Schweigen zu hören.

Es gibt allerdings Ausnahmen. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Knut Mildner-Spindler gab jüngst der Berliner Morgenpost ein Interview, in dem er unter anderem auch zum Fall Florian Schmidt befragt wurde. Auf die Frage, ob er auch Dokumente vor einer Akteneinsicht herausnehmen würde, meinte Mildner-Spindler, dass das ein ganz normaler Vorgang sei, weil es ja auch um schutzwürdige Belange Dritter oder das öffentliche Interesse gehe. Aber man müsse dann vor Einsichtnahme darüber informieren. Allerdings kann sich Mildner-Spindler nicht erinnern, dass sein Kollege im Bezirksamt dagegen verstoßen hätte.

Das Ultimatum der SPD ist ausdrücklich nicht vom Tisch, obwohl es durch die Untersuchungen von Innenverwaltung und Landesrechnungshof im Grunde überflüssig geworden ist. Wird man nämlich an diesen Stellen fündig und erkennt gravierende Fehler Schmidts, wird er sowieso zurücktreten müssen. Wird er allerdings durch die Untersuchungen entlastet, spielt das Ultimatum der SPD auch keine Rolle mehr.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2020.

Senat macht den Deckel drauf

Gesetz zum Mietenstopp soll im Januar beschlossen werden und rückwirkend gelten

Es war der Aufreger in den letzten Monaten, und viel ruhiger ist es um den Berliner Mietendeckel auch nicht geworden, seit ihn der Berliner Senat am 22. Oktober nun endgültig auf den Weg gebracht hat.

Das Abgeordnetenhaus soll Anfang des neuen Jahres über den Mietendeckel abstimmen, der dann rückwirkend zum 18. Juni diesen Jahres wirksam werden soll.

Im Gegensatz zu dem ersten Entwurf von Stadtentwicklungssenatorin Lompscher, der im Sommer bekannt wurde, ist die jetzige Vorlage entschärft worden. Viele Aussnahmeregelungen sollen zum Beispiel verhindern, dass Kleinvermieter durch den Mietendeckel über die Maßen belastet werden.

Doch im Wesentlichen gilt, dass die Mieten für fünf Jahre eingefroren werden. Aber es gibt Ausnahmen. So kann ab 2022 die Miete pro Jahr um 1,3 Prozent angehoben werden, wenn die Miete bis dahin unterhalb des Mietspiegels lag.

Auch Modernisierungen können nun wieder auf die Miete umgeschlagen werden, allerdings nur mit einem Euro pro Quadratmeter. Das soll verhindern, dass durch teure Luxussanierungen die Miete schlagartig explodiert. Kritiker hingegen befürchten, dass Wohnungen gar nicht mehr saniert werden, ja dass nicht einmal repariert wird.

Eine Tabelle gibt Auskunft darüber, wie hoch die Miete pro Quadratmeter in Zukunft sein darf. Das richtet sich nach Ausstattung und Baujahr der Wohnung. Die Lage spielt indes keine Rolle.

So bewegt sich die Mietenobergrenze zwischen 3,95 Euro/m² für eine 100 Jahre alte Wohnung ohne Bad und Sammelheizung bis hin zu 9,80 Euro/m² für eine Wohnung mit Erstbezug 2003 bis 2013 mit Sammelheizung und Bad.

Wer 20 Prozent mehr als in der Tabelle angegeben bezahlt, kann die Miete laut Senatsvorlage auch kappen. In diesem Fall spielt die Lage aber dann doch eine Rolle. In der Vorlage heißt es:

»Dabei werden Zu- und Abschläge für einfache Lage (-28 ct/m²), mittlere Lage (-9 ct/m²) und gute Lage (+74 ct/m²) berücksichtigt. Die Regelungen werden erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes angewendet.«

Es gibt auch noch einige andere Ausnahmen.

So findet sich in der Mietentabelle zum Beispiel folgende Ergänzung:

»Liegt der Wohnraum in Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, erhöht sich die Mietobergrenze um einen Zuschlag von zehn Prozent.

Für Wohnraum mit moderner Ausstattung erhöht sich die Mietobergrenze um 1 Euro. Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn der Wohnraum wenigstens drei der folgenden fünf Merkmale aufweist: 1) schwellenlos von der Wohnung und vom Hauseingang erreichbarer Personenaufzug, 2) Einbauküche, 3) hochwertige Sanitärausstattung, 4) hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume und/oder 5) Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m²a).«

Inzwischen wird also munter über den Mietendeckel diskutiert und kaum noch über den Volksentscheid »Deutsche Wohnen enteignen«. Im Sommer noch hatte der Senat rundweg bestritten, dass der Mietendeckel und ein mögliches Enteignungsgesetz irgendetwas miteinander zu tun haben könnten.

Auf dem Landesparteitag der SPD hörte sich das nun allerdings ganz anders an. Die Genossen sollten darüber abstimmen, ob sich die SPD der Initiative anschließen solle oder nicht – sprich: ob auch sie für die Enteignung der gro­ßen Wohnbauunternehmen wie etwa Deutsche Wohnen oder Vonovia eintritt.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller sprach sich auf dem Parteitag klar dagegen aus. Und die Begründung lässt aufhorchen: » Wenn die SPD jetzt beschließt, wir sind für eine Vergesellschaftungsinitiative, wird der Mietendeckel untergeordnet«. Damit ist klar: Entweder Mietendeckel oder Enteignung.

Die Abstimmung lieferte dann ein ziemlich klares Ergebnis: 137 Genossen stimmten gegen das Enteignungsgesetz, 97 waren dafür.

Die Initiative »Deutsche Wohnen enteignen« reagierte enttäuscht und twitterte: »60% der Delegierten auf dem SPD #LPT19 haben gegen die Unterstützung unserer Kampagne gestimmt. Damit verpasst die SPD eine Chance, sich wirklich auf die Seite der Mieter*innen zu stellen.«

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2019.

Die Stunde der Begehrlichkeiten

Im »Lernlabor« wird über die Zukunft des Dragonerareals nachgedacht

Objekt der Begierde: Was wird aus dem Dragonerareal? Foto: psk

47.000 Quadratmeter sind eine verdammt große Fläche. Und auch eine Fläche, die Begehrlichkeiten weckt. Offiziell wird die Fläche Ende Juni an das Land Berlin rückübertragen. Es handelt sich um das heftig umstrittene Dragonerareal, das um ein Haar an einen Investor in Wien gegangen wäre. Letztlich hatte der Bundesrat den 36-Millionen-Deal gestoppt.

Noch immer gehört das Gelände offiziell der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Und solange das so ist, wird sich auf dem Gelände nichts tun. Dagegen bringen sich jetzt all jene in Stellung, die an der Zukunftsgestaltung mitwirken – oder doch noch ihr Geschäft machen wollen.

Letzteres fürchtet die Berliner Mietergemeinschaft. Die beobachtet, dass Häuser, die in das Sanierungsgebiet »Rathausblock« fallen und direkt an das Dragonerareal grenzen, jetzt plötzlich den Besitzer wechseln, Mieter gekündigt und Wohnungen teuer saniert werden. Das musste auch der türkische Kulturverein Orhan Gazi erfahren. Sein Mietvertrag für die Vereinsräumlichkeiten ist im Februar ausgelaufen und wurde nicht verlängert. Nun hofft der Verein auf ein Unterkommen irgendwo auf dem Dragonerareal. Da hofft er derzeit allerdings vergeblich, und da helfen auch die 5.500 Unterschriften nicht, die der CDU-Fraktionsvorsitzende in der BVV, Timur Husein gesammelt hat.

Zumindest kann sich der Verein am »Lernlabor« beteiligen, das sich am 20. Februar zum ersten Mal im Sitzungssal des Kreuzberger Rathauses getroffen hatte. Hier soll unter anderem auch geklärt werden, was denn die oft beschworene »Kreuzberger Mischung« eigentlich ist. Vor allem aber soll an der Kooperationsvereinbarung zwischen Senat, Bezirk und Zivilgesellschaft gefeilt werden. Die­se Vereinbarung soll die Grundlage für die künftige Nutzung des Dragonerareals darstellen.

An dem Lernlabor sind 13 Initiativen beteiligt, die alle ihre eigenen Vorstellungen über die Zukunft des Geländes haben.

Dragonerareal ist noch immer ein Zankapfel

Die einen hoffen zum Beispiel, dass sie mit ihrem Verein einen Platz auf dem Gelände finden, wie etwa Orhan Gazi, der ja schon mit 5.500 Unterstützerunterschriften im Rücken daher kommt. Anderen geht es um die ganz drängende Frage des bezahlbaren Wohnraums.

Differenzen sind da vorprogrammiert, und aus diesem Grund hat sich das Lernlabor gleich drei erfahrene Institutionen ins Haus geholt. Das Hamburger Gängeviertel mit Michael Ziehl, Mediationsverfahren Landwehrkanal mit Doris Fortwengel und Christoph Bonny sowie  Stadtdebatte Berliner Mitte mit Maria Brückner sollen ihre Erfahrungen mit einbringen, damit am Ende ein tragfähiger Kooperationsvertrag herauskommt. Michael Ziel vom Hamburger Gängeviertel mahnte schon, dass man den Unterschied zwischen Interessen und Zielen erkennen müsse.

Das ganze Verfahren liegt in Händen der S.T.E.R.N GmbH, die für behutsame Stadterneuerung steht. Das Unternehmen, beziehungsweise sein Vorgänger, begleitete bereits die Internationale Bauausstellung in Berlin vor nun mehr 34 Jahren.

Selbst wenn es den erfahrenen Mediatoren gelingen sollte, alle unter einen Hut zu bekommen, und tatsächlich ein Kooperationsvertrag auf dem Tisch liegt, ist noch lange nicht klar, ob und wann der dann Auswirkungen zeigen würde. Das Dragonerareal ist nämlich nach wie vor ein Zankapfel. So wird sich das Oberverwaltungsgericht noch mit den Einsprüchen von sechs Eigentümern auseinandersetzen müssen.

Kurioserweise läuft auch noch eine Klage der BImA gegen den Verkauf. Die wird allerdings zurückgezogen werden, sobald das Areal auch offiziell von Bundes- in Landeseigentum übergeht. Ein ernster Konflikt mit der BImA droht daher nicht mehr. Das ist wohl nur noch eine Formalie.

Ein anderes gerichtliches Nachspiel betrifft den regierenden Bürgermeister Müller und Finanzsenator Kollatz-Ahnen. Sie wurden von Arne Piepgras, Strohmann des Investors, auf 2,5 Millionen Euro Schadensersatz verklagt.

Erschienen in der gedruckten KuK vom März 2018.

CDU blockiert Flüchtlingsunterkunft

Flüchtlingsfamlien müssen nach Hohenschönhausen / GHS steht weiter leer

Zankapfel GHS: Im Nordflügel der Ex-Schule befindet sich seit Januar eine fertige Unterkunft für 100 Personen.

Foto: rspZankapfel GHS: Im Nordflügel der Ex-Schule befindet sich seit Januar eine fertige Unterkunft für 100 Personen. Foto: rsp

Rund 160 Flüchtlinge, die bisher in Notunterkünften in Kreuzberg untergekommen waren, müssen jetzt den Kiez verlassen, da die Turnhallen der Hector-Peterson-Schule am Tempelhofer Ufer und der Bür­ger­meis­ter-Herz-Grundschule in der Geibelstraße »freigezogen« werden sollen. Gut 100 von ihnen – alles Familien mit Kindern – hätten eigentlich in den Nordflügel der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) umziehen sollen, die bereits seit Anfang des Jahres bezugsfertig ist. Doch unter Federführung der CDU wurde eine Entscheidung über die Unterkunft in der GHS jetzt vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses auf September vertagt. Den Familien steht nun ein Umzug nach Hohenschönhausen bevor, die übrigen Personen sollen berlinweit verteilt werden, unter anderem in die Hangars des Flughafens Tempelhof.

Bei »Kreuzberg hilft« hält man den Auszug aus den provisorischen Notunterkünften zwar grundsätzlich für einen dringend notwendigen Schritt, ist aber besorgt über die Art und Weise, wie die Betroffenen informiert werden. »Die Menschen brechen in eine ungewisse Zukunft auf. Das schafft Raum für Spekulationen und schürt natürlich Ängste«, so die Initiative. Zudem sei unklar, ob in Hohenschönhausen überhaupt ausreichend Kita- und Schulplätze zur Verfügung stünden.

»Planungen ignorieren Sozialraumbezüge«

Kritik erntet das Vorhaben des Lageso auch beim Nachbarschaftshaus Urbanstraße (NHU), wo man sich seit Monaten mit engagierten Mitarbeitern und Freiwilligen um eine »Beheimatung« der Geflüchteten im Stadtteil bemüht. Die Planungen ignorierten soeben erst entwickelte Sozialraumbezüge, beklagt der Verein in einem offenen Brief. »Es bestürzt uns, dass Menschen mit traumatisierenden Erfahrungen der Entwurzelung nun erneut aus persönlichen Beziehungen in einer engagierten Nachbarschaft herausgerissen werden sollen.«

Adressat des NHU-Briefes ist neben Lageso-Leiter Muschter, dem Regierenden Bürgermeister Müller und dem zuständigen Staatssekretär Glietsch auch Mario Czaja (CDU), der als Sozialsenator für die Flüchtlingsunterbringung zuständig ist. Noch vor einem Monat hatte Czaja erklärt, dass bei der bevorstehenden Räumung der Turnhallen soziale Aspekte berücksichtigt und Familien mit Kindern im Kiez bleiben würden, damit Schule und Kita nicht gewechselt werden müssten. Mit der Entscheidung, die Eröffnung der Unterkunft in der GHS weiter auf die lange Bank zu schieben, düpiert die CDU so auch ihren eigenen Senator, der sich zusammen mit dem Bezirk um eine rasche Belegung der GHS bemüht hatte.

Kommentar: Wahlkampf auf Flüchtlingskosten?

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juli 2016.

Berlin-Geschichte zum Erleben

Am Anhalter Bahnhof eröffnet das Berlin Story Museum / von Robert S. Plaul

Gerade erst ließ der Regierende Bürgermeister Michael Müller die Tagesspiegel-Leser in einem Gastbeitrag wissen, wie er sich die Berlin-Ausstellung im künftigen Humboldtforum vorstellt: Als Einrichtung, die mit modernen Präsentationsformen »davon erzählt, welche Idee Berlin und Deutschland von sich hat und auf welchen Ideen die Metropole und das Land gründen.«

Im Stadtschloss soll ab 2019 die Geschichte Berlins erzählt werden – das Berlin Story Museum erzählt auch die Geschichte des Stadtschlosses.

Foto: rspIm Stadtschloss soll ab 2019 die Geschichte Berlins erzählt werden – das Berlin Story Museum erzählt auch die Geschichte des Stadtschlosses. Foto: rsp

Doch was Müller sich wünscht und was frühestens 2019 realisiert sein wird, wenn das Stadtschloss fertiggestellt sein soll, gibt es schon: Am 1. April öffnet das »Berlin Story Museum« im Bunker am Anhalter Bahnhof seine Pforten. An 30 Stationen wird hier die Geschichte Berlins erzählt. Mit Fotografien, Modellen, Kurzfilmen und zahlreichen seltenen und ungewöhnlichen Exponaten wird der jeweilige Zeitgeist anschaulich eingefangen und erlebbar gemacht. Durch die rund 700 Quadratmeter umfassende Ausstellung führt ein Audio­guide in zehn verschiedenen Sprachen.

In gewisser Weise versteht sich das Museum als eine Art Grundlagenkursus in Sachen Berlin-Geschichte. So bilden alle Stationen zugleich auch den Ausgangspunkt für weitere Beschäftigung mit dem Thema und verweisen stets auch auf andere Museen und Titel aus dem eigenen Sachbuchverlag.

Beim Trägerverein Historiale e.V. hat man einige Erfahrung damit, Geschichte populär und erlebbar zu machen. Von 2006 bis 2012 wurde beim gleichnamigen Festival regelmäßig ein unkonventioneller Zugang zu Geschichte geboten – mit aufwändigen Kostümen mitten auf den Straßen Berlins.

Das Museum, das zuvor seit 2010 in kleinerer Form Unter den Linden beheimatet war, erweitert gleichzeitig auch das Angebot des Berlin Story Bunkers. Auf zwei weiteren Etagen des 1942 errichteten Hochbunkers residieren das Gruselkabinett und das Figurenkabinett »Medizin in alten Zeiten«. Das Komplettpaket ist für 9,50 Euro zu haben, das Museum alleine kostet 5 Euro Eintritt (inkl. Audioguide). Geöffnet ist Dienstag bis Freitag 10–19 Uhr, am Wochenende 12–20 Uhr.

Adresse:
Schöneberger Straße 23a
10963 Berlin

Web: berlinstory-museum.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom April 2015.

Mit zweierlei Maß gemessen

Natürlich kann man sich, so wie es der Senat tut, schulterzuckend auf den Standpunkt stellen und zur Möckerkiez-Genossenschaft sagen: »Pech, verzockt.« Ausgerechnet der Senat, der König aller Zockervereine, der sich seit Jahren beim Flughafen ebenso verzockt hat wie bei der Abstimmung übers Tempelhofer Feld.

Bis zu 22.000 neue Wohnungen will der neue Regierende Michael Müller jedes Jahr aus dem Hut zaubern. Doch gegen viele Projekte regt sich Widerstand. Ob auf den Buckower Feldern oder der ehemaligen Kleingartenkolonie Oeynhausen.

Hier gab es keinen Protest, sondern engagierte Bürger. Und würde der Senat an die Genossenschaft die gleiche Messlatte anlegen, wie an BER, müsste er nicht nur eine Bürgschaft abgeben, sondern die Genossen mit Geld überschütten. Am Gleisdreieck wird sich zeigen, wie ernst es Müller mit seiner Wohnungspolitik ist.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2015.

Im Westen mehr Auslauf

Westgelände des Gleisdreieckparks wird eröffnet

Große Flächen mit viel Grün. Naherholung zwischen U-Bahnbrücken und Luxuswohnungen.

Foto: rspGroße Flächen mit viel Grün. Naherholung zwischen U-Bahnbrücken und Luxuswohnungen. Foto: rsp

Dass Berliner Bauprojekte fristgerecht fertiggestellt werden, ist bekanntlich nicht die Regel. Dementsprechend stolz zeigte sich Senator Michael Müller bei der feierlichen Eröffnung des Westparks am Gleisdreieck Ende Mai. Nicht nur habe man die Begrünung der ehemaligen Bahnhofsgeländebrache ein halbes Jahr früher als geplant vollendet, auch das Budget sei eingehalten worden.

»Berlin kann Park«, war dann auch das Résumé des demnächst scheidenden Bezirksbürgermeisters Franz Schulz, der mit sichtlich guter Laune die erfolgreiche Bürgerbeteiligung lobte und »die 30-jährige Geschichte des Kampfes von Bürgern gegen Widerstände« hochhielt.

Weitaus kritischer äußerte sich dagegen Norbert Rheinländer von der AG Gleisdreieck, der sich bereits seit dem Kampf gegen die Westtangente in den Siebzigern für eine Zugänglichmachung des Geländes einsetzt.

Rheinländer erinnerte daran, dass sich genau in jenem Bereich zwischen Yorckstraße und Landwehrkanal jetzt ein riesiges Autobahnkreuz befinden würde, wenn es nach den damaligen Planungen des Senats gegangen wäre. Auf seinen Lorbeeren ausruhen mochte er sich aber auch nicht. Exemplarisch nannte er den derzeitigen Kampf gegen den A100-Ausbau und das Gentrifizierungsproblem direkt neben dem Park: In der westlichen Flottwellstraße entstehen gerade teure Neubauten, deren Investoren jetzt auch von der Attraktivität des Parks profitieren werden.

Ziemlich zufrieden können die Kleingärtner der Kolonie »Potsdamer Güterbahnhof« (POG) sein, die noch vor vier Jahren um ihre Parzellen bangen mussten. Damals hatte das Bezirksamt auf jenem Teil des Geländes zwei Sportplätze errichten wollen. Jetzt ist die Kolonie in den Park integriert und lädt auf einem »Marktplatz« zum Austausch zwischen Parkbesuchern und Laubenpiepern ein. »Wir stehen nicht abseits, sondern mittendrin«, so POG-Vorsitzender Klaus Trappmann zufrieden.

Und auch zufriedene Kinder gibt es. Direkt nördlich der Kolonie wurde ein Spielplatz mit großem Klettergerüst errichtet. Auch der hätte eigentlich im Rahmen der Feierlichkeiten eröffnet werden sollen. Doch das war gar nicht mehr nötig: Längst hatten die kleinen Besucher den Spielplatz in Besitz genommen. Aber das hat auf dem Gelände ja auch eine gewisse Tradition.

Kommentar: Langer Atem und Widerstände

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2013.