Dezentral und im August

Bezirk sagt alle Straßenfeste ab, doch der Karneval der Kulturen soll trotzdem stattfinden

Menschenmassen beim Straßenfest des Karnevals der Kulturen 2014So voll wie 2014 sollte ein Straßenfest in diesem Jahr besser nicht werden. Foto: rsp

Die unscheinbare Pressemitteilung vom 22. Januar hatte es in sich: »Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat einstimmig entschieden, dass aufgrund der Corona-Pandemie im Frühjahr und Sommer 2021 im Bezirk keine großen Veranstaltungen oder Feste im öffentlichen Straßenland oder Grünanlagen stattfinden können.« Davon betroffen seien unter anderem das MyFest, der Karneval der Kulturen und das  LesBiSchwule Parkfest im Volkspark Friedrichshain. »In diesem Jahr wird das Bezirksamt die erforderlichen Genehmigungen für das 2. und 3. Quartal nicht erteilen«, heißt es weiter. Solange keine Herdenimmunität vorliege, sei es »keine gute Idee, wieder zu öffentlichen Festen und Großveranstaltungen zu laden«, lässt sich Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann darin zitieren. »Es wäre das falsche Sig­nal, jetzt mit den Vorbereitungen zu beginnen.«

Tatsächlich scheint es unwahrscheinlich, dass die traditionelle Straßenfestsaison in üblicher Weise begangen werden kann: Die Durchimpfung der Bevölkerung geht wegen verschiedenster Probleme bisher nur schleppend vonstatten, sodass Straßenfeste mit dicht gedrängten Menschenmassen auch in absehbarer Zeit kaum möglich sein dürften.

Bei den Organisatoren des weitaus be­su­cher­stärks­ten Kreuzberger Fests hat man die Hoffnung trotzdem nicht aufgegeben. Ende Januar teilte das Team des Karnevals der Kulturen mit, dass man nach der coronabedingten Zwangspause im vergangenen Jahr in 2021 wieder »ein Zeichen für ein weltoffenes und diverses Berlin setzen« wolle. Der Karneval der Kulturen soll also stattfinden – allerdings in radikal anderer Form und auch erst am 15. August.

Statt einer Großveranstaltung in Kreuzberg plane man mehrere sig­ni­fi­kant kleinere, coronakonforme Veranstaltungen, die über die ganze Stadt verteilt werden sollen.

Planung für coronakonformen Karneval der Kulturen ist noch ganz am Anfang

»Mini-Karneval« als Demo auf der Gneisenaustraße Ende Mai 2020»Mini-Karneval« Ende Mai 2020. Foto: Frank Löhmer

Dass auch im August »keine Millionenveranstaltung stattfinden kann«, sei natürlich klar, erklärte Christiane Dramé von der PR- und Projektmanagementagentur Fabrikpublik auf Rückfrage. Man sei noch ganz am Anfang der Planung, mache sich aber bereits seit geraumer Zeit Gedanken über Alternativen und sei im Gespräch mit der Senatsverwaltung.

Viele Events der letzten Monate sind wegen der Pandemie in hybrider oder sogar rein digitaler Form durchgeführt worden. Abgesehen von der Medienpartnerschaft mit dem rbb, der in den vergangenen Jahren auch Livestreams vom KdK angeboten hat, sei der Karneval jedoch »eine zutiefst analoge Veranstaltung«. Deswegen sei man bemüht, eine Form zu finden, die, wenn irgend möglich, zumindest »an den Karneval erinnert«.

Wie das genau aussehen könnte, ist sechseinhalb Monate vor dem avisierten Termin freilich noch unklar. Während kleinere, über die Stadt verteilte Bühnen noch vorstellbar sind, dürfte es schwierig werden, den normalerweise am Pfingstsonntag stattfindenden Umzug zu miniaturisieren. Im vergangenen Jahr hatte es statt des abgesagten Karnevals zwar einen Mini-Umzug durch die Gneisenaustraße gegeben – angemeldet als Demo – aber in diesem Jahr kommt erschwerend hinzu, dass auch die beteiligten Gruppen bis auf Weiteres keine Gelegenheit haben, für Auftritte zu proben. Es bleibt also weiterhin spannend, was der Sommer bringt.

Kommentar zur Absage durch das Bezirksamt: Klare Haltung, falsches Signal

Erschienen in der gedruckten KuK vom Februar 2021.

Die Nacht ist nicht lang genug

Marcel Marotzke hat eine Filmidee

Ein Glas Grüne Berliner Weisse»Weisse mit Schuss. Gerührt, nicht geschüttelt.« Foto: cs

Man kann über die Corona-Pandemie und die Social-Distancing-Maßnahmen sagen, was man will, aber zu einem waren sie immerhin gut: Ich konnte mich endlich einmal mit dieser DVD-Box beschäftigen, die vor ein paar Monaten im Sonderangebot war: eine vollständige Sammlung sämtlicher James-Bond-Filme, die bislang erschienen sind und von denen ich tatsächlich einige noch nicht kannte.

Der Film-Marathon brachte im Wesentlichen drei Erkenntnisse:

Erstens: Eigentlich gibt es nur ein bis zwei wahre Bond-Darsteller.

Zweitens: Das ist aber egal. Heutzutage darf offenbar jeder Bond spielen.

Drittens: Die Handlung ist eigentlich genauso beliebig wie die Besetzung.

Aus all dem folgt zwingend, dass es auch genauso gut einen Kreuzberger Bond-Ableger geben könnte, um nicht zu sagen: sollte.

»Mein Name ist Grabowski. Günther Grabowski.« Als Doppelschrägstrichagent im Geheimdienst des Ordnungsamtes hat Grabowski, von den Kollegen nach seinem Stellenkürzel stets »//7« genannt, die Lizenz zum Abschleppen. Er berichtet direkt an M, die ihn als Bezirksbürgermeisterin mit den wirklich heiklen Aufträgen betraut.

Seine jüngsten Ermittlungen im Kneipenmilieu führen ihn auf die Spuren der mächtigen Geheimorganisation DEHOGA, die offenbar die Übernahme der kulinarischen Weltherrschaft plant. Nach einer wilden Nacht mit Punk-Mädchen Heike, Bedienung in einer widerständigen Alternativkneipe in SO 36, kommt es zu einer Verfolgungsjagd auf dem Landwehrkanal, bei der ein Ausflugsdampfer der Reederei Riedel kentert und einige Gitarren von Touristen auf der Admiralbrücke zu Bruch gehen. M ist not amused über //7s Vorgehensweise, die dem Bezirkshaushalt empfindlichen Schaden zugefügt hat. Auch Q, Bastler in einem Friedrichshainer Maker-Space, ist wenig erbaut vom Ablauf der Verfolgungsjagd, weil dabei das von ihm konstruierte schwimmende Dienstlastenfahrrad vollständig zerstört wurde.

M, eigentlich loyal zu ihrem Mitarbeiter, hat keine andere Wahl, als Grabowski vorübergehend freizustellen, auch weil seitens des Senats Vorwürfe laut wurden, Grabowski sei ein Maulwurf der Gegenseite. Doch beim Verlassen von Ms Büros überreicht ihre Sekretärin Gudrun Moneypenny //7 ein Dossier, aus dem sich ein Zusammenhang des Falles mit den Machenschaften der Immobilienbranche ergibt.

Während des Umzugs beim Karneval der Kulturen kommt es schließlich zum Showdown. Grabowski kapert eine Kameradrohne des rbb und gelangt nach einer spektakulären Stunt-Szene auf das Dach des Post-Towers, wo Oberschurke Christian Blofeld sein Hauptquartier bezogen hat. An seiner Seite: eine weiße Katze und ein buntes Punk-Mädchen. Heike ist die unfreiwillige Gespielin des Bösewichts!

Tja, und an dieser Stelle sollte jetzt eigentlich das ganze Gebäude einstürzen, dem Grabowski und Heike in letzter Sekunde mit Blofelds Privat-Gyrokopter entkommen. Leider war der Baustadtrat für die Einholung der Genehmigung telefonisch nicht erreichbar.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Juni 2020.

Alleine am Südstern

Zuschauer sehen den sensationellen Alleingang des neuen Marathonweltrekordhalters

Kipchoge und der letzte Hase: Auf der Gneisenaustraße war der Olympiasieger schon ziemlich alleine. Foto: ksk

Es war einiges anders beim Berlin-Marathon 2018. Erdoğan-Besuch und Bayern-Gastspiel hatten schon für eine Vorverlegung gesorgt. Die Startzeiten hatten sich geändert, aber das eigentlich Sensationelle ereignete sich auf dem 42 Kilometer langen Rundkurs.

Zuschauer, die schon früh an der Strecke standen, um die Spitzenläufer anzufeuern, erlebten eine kolossale Überraschung. Es gab nicht mehrere Spitzenläufer zu bejubeln, sondern genau einen einzigen. Das hatte es in dieser Form noch nicht gegeben. Als der Kenianer Eliud Kipchoge schon fast am Südstern war, erreichten seine Verfolger gerade den Hermannplatz. Nur drei Tempomacher begleiteten ihn noch, von denen auf der Gnei­se­nau­straße zwei auch noch ausstiegen. 

In all den Jahren war es stets so gewesen, dass sich auf der langen Geraden zwischen Hermannplatz und Yorckstraße eine Spitzengruppe von vier bis fünf Läufern belauert hatte. Doch der 33-jährige Kenianer, der im Jahr zuvor beinahe an den Sohlen seiner Laufschuhe gescheitert wäre – und trotzdem gewann – ließ dieses  Jahr schon nach wenigen Kilometern keine Zweifel mehr aufkommen, wer hier der Sieger sein würde. 

In Kreuzbergs Süden, der etwa die Hälfte des Rennens markierte, war im Grunde alles entschieden. Dass es auch noch einen Weltrekord geben sollte, war mindestens zu erahnen. Doch mit seiner Fabelzeit von 2:01:39h schockte Kipchoge die Fachwelt. Inzwischen wird munter darüber spekuliert, wann Berlin erstmals einen Marathonläufer sehen wird, der die Strecke unter zwei Stunden meistert.

Keine Chance hatte auch die rbb-Marathonstaffel, die seit einigen Jahren versucht, schneller als der jeweilige Sieger zu sein. Das hatte zuletzt auch immer wieder geklappt. Doch dieses Mal scheiterte die Staffel nicht nur an dem Fabelweltrekord Kipchoges. Bei Kilometer 19 auf der Gneisenaustraße suchte der Staffelläufer vergebens nach seinem Partner, dem er den Staffelstab hätte übergeben können. Der hatte sich beim Warmmachen verlaufen und war nicht rechtzeitig in die Wechselzone gekommen. So musste der Läufer für den Abschnitt Kilometer 18 bis 19 auch noch den 20. Kilometer in Angriff nehmen. Damit waren die Chancen dahin.

Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Im Kiez begleiteten wieder Tausende von begeisterten Zuschauern bei strahlendem und windstillem Wetter diesen größten deutschen Sportwettbewerb. Fast 45.000 Läufer waren dieses Mal auf die Strecke gegangen, von denen 40.775 auch das Ziel erreichten.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Oktober 2018.

Ein Projekt hängt in der Luft

Monika Herrmann hofft auf Landesbürgschaft für Möckernkiez

Stillstand: Derzeit geht auf den Baustellen am Gleisdreick nichts.

Foto: pskStillstand: Derzeit geht auf den Baustellen am Gleisdreick nichts. Foto: psk

Es hätte zumindest eine gute Antwort auf die Verdrängungsdebatte sein können: das Projekt Möckernkiez. Am Rande des Ostparks am Gleisdreieck sollte auf genossenschaftlicher Basis ein ganz neues Stadtviertel entstehen, mit bezahlbarem Wohnraum, einem Biosupermarkt, einem integrativen Hotel. Insgesamt 464 Wohnungen verteilt auf 15 Gebäude auf drei Hektar.

Die Rechnung klang zunächst recht vielversprechend: Die Genossen sollten 30 Prozent des Wertes der Wohnung einzahlen und nach dem Bezug eine vergleichsweise moderate Miete von im Schnitt acht Euro pro Quadaratmeter berappen. Das hätte – aus Sicht des Jahres 2010, als das Projekt startete – vielleicht auch funktioniert. Allerdings sind in Berlin in diesen vier Jahren die Mieten um satte 40 Prozent gestiegen. Das blieb auch nicht ohne Folgen für das Projekt Möckernkiez. War 2010 mit einem Quadratmeterpreis von 2000 Euro kalkuliert worden, liegt er jetzt bei 2750 Euro.

Doch damit noch nicht genug der Probleme. Weder das geplante Hotel, noch der Biosupermarkt werden nach jetzigem Stand realisiert werden.

Alles in allem fehlten der Genossenschaft Anfang Dezember noch rund fünf Millionen Euro, um das angestrebte Eigenkapital von 32,6 Millionen zu erreichen. Das Gesamtprojekt umfasst inzwischen ein Volumen von 124 Millionen Euro. Geplant waren 80 Millionen. Das Problem bislang: Die Banken wollen nicht mitmachen.

Für die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann sollte das Projekt an dieser Hürde nicht scheitern. »Eine Bürgschaft vom Senat fände ich nicht schlecht«, meint sie. »Man kann die Leute jetzt nicht hängen lassen. Da hängen Existenzen kleiner Leute dran. Hier sollte sich die Landesregierung einen Ruck geben.«

Doch im Moment scheint die Landesregierung noch gar nicht daran zu denken. Bau-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup jedenfalls sagte dem rbb gegenüber klipp und klar: »Das Land bürgt nicht.«

Senatserinnerungen an das Tempodrom

Der Staatssekretär erinnert daran, dass der Senat gerade in Kreuzberg mit Bürgschaften schlechte Erfahrungen gemacht hat und verweist auf das Tempodrom, das ja in Sichtweite des Möckernkiezes liegt.

Die Empfehlung ist denn auch eine ganz einfache: Entweder soll sich die Genossenschaft irgendwie mit den Banken einigen oder eine größere Wohnungsgenossenschaft mit ins Boot nehmen.

Ob das allerdings die Lösung ist? Mit ihrer Planung wollten sich die Genossen ja gerade von anderen genossenschaftlichen Projekten abheben.

Das sieht auch die Bezirksbürgermeisterin so. Sie spricht von einem »sehr bezirklichen Herangehen.« Zwar räumt sie ein, dass die Planungen vielleicht etwas großzügig ausgefallen sind, erinnert aber daran, wer hier investiert. Hier gehe es um Menschen, die nicht zu den Besserverdienenden gehörten und die zum Teil ihre ganzen Ersparnisse als eine Art Alterssicherung in das Projekt gesteckt hätten.

Von den 15 geplanten Gebäuden stehen bislang vier im Rohbau, die vorerst alle winterfest gemacht worden sind. Ansonsten ist auf den Baustellen in den letzten Monaten nicht mehr sehr viel gelaufen.

Das heißt nicht, dass das Projekt am Ende ist, aber es hängt in der Schwebe. Derzeit hat die Genossenschaft etwa 1.300 Mitglieder und es kommen noch neue hinzu. Für die wird es allerdings deutlich teurer, als ursprünglich gedacht. Sie werden nun 40 statt 30 Prozent der Bausumme einbezahlen müssen. Bei einer vier Zimmer-Wohnung mit 100 Quadratmetern sind das trotzdem noch weniger als 100.000 Euro. Allerdings dürften dann die Mieten nicht mehr ganz so günstig sein, wie gedacht.

Letztlich hängt alles daran, was für einen Partner die Möckernkiez Genossenschaft am Ende finden wird und zu welchen Konzessionen die Mitglieder bereit sind. So scheinen derzeit noch viele Möglichkeiten offen. Allerdings wird die Situation neu bewertet werden müssen. Die Genossenschaft hat reagiert und den Vorstand zum Jahrebeginn auf fünf Mitglieder erweitert.

Das einzige was sicher ist: Eine Bauruine wird dort nicht stehen bleiben. Was jetzt schon steht ist ein gefundenes Fressen für Baulöwen und Immobilienhaie.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Januar 2015.

Zehn neue Sendungen zum Jubiläum

Radio multicult.fm feiert sein dreijähriges Bestehen

Ziemlich schnöde hatte sich der rbb vor drei Jahren von seinem Programm Radio Multikulti verabschiedet. Doch so einfach wollten Mitarbeiter und Freunde des mehrsprachigen Programms den erzwungenen Abschied nicht hinnehmen. Mit rund 30 Mitstreitern hob Brigitta Gabrin vor drei Jahren radio multicult aus der Taufe, zunächst nur als Radio im Netz, doch bald wieder mit einer richtigen Frequenz.

Inzwischen sendet multicult.fm aus der Marheineke-Markthalle, und aus den 30 Mitstreitern sind über 100 Mitarbeiter geworden. Doch das war noch nicht Grund genug, den dritten Geburtstag auf der Galerie der Halle mit großem Trubel zu feiern. Gleichzeitig wurde neben dem Studio die multicultea bubble Bar eröffnet. Und damit immer noch nicht genug. Gleich zehn neue Sendungen wurden im Beisein von Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz und seines Stellvertreters Dr. Peter Beckers angekündigt. Letzterer wies denn auch darauf hin, dass der Bezirk in dem Radioprojekt auch eine wirtschaftliche Bedeutung sehe.

Das unterstrich auch Michael Neuner, der in diesem Fall nicht nur für die Firma Zapf sprach, die das Projekt unterstützt. Er wies darauf hin, dasss multicult.fm auch für andere Unternehmen durchaus interessant sein könne und forderte sie auf, das Medium zu nutzen.

Geschäftsführer Stefan Kirsch wünschte sich für die Zukunft eine solidere Basisförderung. Derzeit kommt der Sender, der stark vom Bezirk gefördert wird, mit rund 50.000 Euro im Jahr aus. 150.000 sollten es dagegen schon sein.

Bezirksbürgermeister Schulz bekannte zwar launig, dass er meistens nur da sei, »um den Sekt wegzutrinken«, er gab aber auch gleichzeitig ein überzeugendes Bekenntnis zum Standort ab, verbunden mit dem Wunsch nach »noch mehr Fans« für multicult.fm.

Erschienen in der gedruckten KuK vom Dezember 2011.