Die Einschläge kommen näher

Eigentlich gibt es ja gute Nachrichten vom rechten Rand. Korruptionsaffären und Führungskämpfe schwächen die Neonazis. Seit ihr wichtigster Geldgeber gestorben ist, scheint auch der Geldhahn zu zu sein, und von der heftigen Intergrationsdebatte können sie auch nicht profitieren.

Aber es gibt auch sehr schlechte Nachrichten. Die braunen Trupps wagen sich nun immer öfter dahin, wo für sie früher eine echte No-Go-Aerea war: Nach Kreuzberg SO 36. Natürlich tun sie es nachts und sie tun es feige, aber sie tun es. Die Einschläge kommen offenbar immer näher.

Vielleicht hat ja das eine mit dem anderen zu tun. Wenn die Führungsstrukturen erodieren, dann wird die Basis unberechenbar. Vielleicht zeigen die Anschläge im autonomen Herzen Kreuzbergs die wahre Verzweiflung der Neonazis. Doch wenn sie wirklich ihre letzte Schlacht schlagen, dann könnte es in den nächsten Wochen und Monaten eher schlimmer als besser werden.

Neonazis fackeln Revolutionsladen ab

Übergriffe von Rechtsextremisten nehmen zu

Zum Glück keine Verletzten. Die verbrannte Auslage des »M99«. Foto: Andreas Potzlow

Ende Oktober verübten Neonazis einen nächtlichen Brandanschlag auf den linksalternativen Laden »M99« in der Manteuffelstraße. Nachdem sie die Auslage des Geschäftes in Brand gesetzt hatten, griff das Feuer auf die Fassade des Wohnhauses über. Laut Geschäftsführer Hans-Georg Lindenau entstand ein Sachschaden von rund 4000 Euro. Das Feuer konnte relativ schnell von der anrückenden Feuerwehr gelöscht werden, so dass glücklicherweise niemand verletzt wurde.

In derselben Nacht kam es zu neonazistischen Sprühereien an dem benachbarten Szeneladen »Red Stuff« und in Neukölln. Dort wurden unter anderem die Scheiben von zwei Kiezinitiativen durch Steinwürfe zerstört und eine Morddrohung an die Wand eines Gewerkschafters gesprüht, der in einem Prozess gegen Neonazis ausgesagt hatte.

Eine weitere Morddrohung wurde in einem Hausflur in Kreuzberg entdeckt. Auch diese betroffene Antifaschistin hatte in einem Prozess gegen Nazis ausgesagt.

Am Abend darauf versammelten sich spontan etwa 300 Linke am Heinrichplatz, um gegen die Angriffe zu demonstrieren. Sie brannten Feuerwerkskörper ab und machten durch Parolen und Transparente auf sich aufmerksam. Als die Polizei anrückte, kam es zu Rangeleien und Festnahmen.

In Neukölln planen lokale Initiativen derweil den zweiten Langen Tag gegen Nazis. Am 13. November wollen sie bei Informations- und Kulturveranstaltungen im Kiez Stellung beziehen. Vorbeischauen lohnt sich bestimmt.

Mehr Informationen zu der Veranstaltung gibt es unter neukoelln.blogsport.de

Erschienen in der gedruckten KuK vom November 2010.